Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 301/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 301/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 257/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.02.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.354,51 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides. Die Beklagte nimmt die Klägerin als Auftraggeberin nach § 150 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für Beitragsrückstände zur gesetzlichen Unfallversicherung ihres Nachunternehmers S (S) in Höhe von 10.354,51 EUR in Haftung.
Mit Vertrag vom 16.06.2008 übertrug die Klägerin dem S Bauarbeiten unter Hinweis auf ihre Nachunternehmerhaftung und unter Hinweis auf die entsprechenden Pflichten des S. S bestätigte ausdrücklich, dass er seinen laufenden gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber der Berufsgenossenschaft (BG) in vollem Umfang nachkomme. Erbrachte Leistungen im Zeitraum vom 03.07.2006 bis zum 22.09.2006 stellte S der Klägerin mit Schreiben vom 19.07.2006 bis 26.09.2006 in Rechnung.
Gegen den S leitete das Hauptzollamt L (HZA) im August 2009 ein Verfahren wegen des Veruntreuens von Arbeitsentgelt für den Zeitraum Juni 2006 bis März 2007 ein. Vorenthalten worden seien Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 72.556,30 EUR. Das HZA ging davon aus, dass S vom 19.07.2006 bis zum 15.09.2006 für die Klägerin Bauleistungen in Höhe von 225.878,95 EUR erbracht habe. Entsprechende Belege übersandte das HZA der Beklagten.
Mit Bescheid vom 28.01.2010 forderte die Beklagte von S Beiträge in Höhe von 15.794,76 EUR für das Jahr 2006 nach.
Die Klägerin bestätigte der Beklagten, dass S für sie vom 03.07.2006 bis zum 22.09.2006 als Nachunternehmer tätig geworden sei. Die Nettoauftragssumme betrage 158.761,00 EUR.
Mit Schreiben vom 26.05.2010 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Beitragshaftung als Auftraggeberin des S an, weil S seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten trotz Mahnung nicht nachgekommen sei. Es bestehe Gelegenheit, entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorzulegen. Hierzu äußerte sich die Klägerin nicht. Alsdann erließ die Beklagte am 23.06.2010 einen Bescheid über die Beitragshaftung der Klägerin als Auftraggeberin, wobei sie die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte auf 60 % des Nettoauftragsvolumens schätzte und hieraus einen Haftungsbetrag von 10.354,51 EUR errechnete.
In ihrem hiergegen am 21.07.2010 eingelegten Widerspruch führte die Klägerin aus, ihr hätten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bis zum Auftragsende eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten und weitere Bescheinigungen vorgelegen, welche keine Unstimmigkeiten ausgewiesen hätten. Ihrer Ansicht nach sei deshalb ihre Haftung nach § 28e Abs. 3b Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entfallen. Die Klägerin legte ein Schreiben der Handwerkskammer zu L vor, wonach das Gewerbe des S dort am 29.11.2005 im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen wurde. Ferner legte die Klägerin einen von der Beklagten gegenüber S erlassenen Bescheid vom 19.01.2006 vor, in dem sich die Beklagte für das Unternehmen des S ab dem 01.12.2005 zuständig erklärte. Des Weiteren legte die Klägerin eine von der Beklagten dem S am 28.06.2006 erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung vor. Diese Bescheinigung war bis zum 15.09.2006 gültig. An Arbeitsentgelten, die den aktuellen Vorschüssen zugrunde lagen, wies sie 0,00 EUR aus. Die Klägerin legte des Weiteren ein Schreiben des Finanzamtes L-Nord an den S vom 10.08.2005 vor, wonach der S dort künftig unter einer bestimmten Steuernummer für die Umsatzsteuer und die Anmeldung und Entrichtung der einbehaltenen Lohnsteuer geführt wurde. Ferner legte sie vor eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes L-Nord vom 22.05.2006, den Bescheid des Bundesamtes für Finanzen - Steuern und Zentrale Dienste - gegenüber S vom 18.11.2004 über die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die Gewerbeanmeldung des S bei der Stadt L, Amt für öffentliche Ordnung, vom 29.11.2005. Die Klägerin führte hierzu aus, diese Unterlagen hätten bei ihr den Eindruck erweckt, dass S alle notwendigen Vorkehrungen und Pflichten einer Neugründung erfüllt habe. Dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung bei einer Neugründung keine Entgelte ausgewiesen habe, sei für sie ebenfalls nicht verwunderlich. Sie, die Klägerin, frage sich auch, warum Unbedenklichkeitsbescheinigungen von der Beklagten überhaupt ausgestellt würden, wenn sich der Auftraggeber dann da nicht auf sie berufen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 05.05.2011, zur Post gegeben am 09.05.2011 und bei der Klägerin eingegangen am 11.05.2011). Zum Ausschluss der Haftung sei es erforderlich, sich von der Auftragsvergabe bis zur Schlussrechnung qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlegen zu lassen. Eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung liege aber nicht vor, da die vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung eine Lohnsumme von 0,00 EUR ausweise. Auch sei die Auftragsvergabe schon am 16.06.2006 erfolgt, wohingegen die Unbedenklichkeitsbescheinigung erst vom 28.06.2006 datiere. Sie umfasse auch nicht den gesamten Leistungszeitraum, da sie schon am 15.09.2006 ende. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung sei deshalb wertlos. Die Klägerin hätte den S auffordern müssen, eine "korrekte" Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.06.2011, dem Dienstag nach Pfingstmontag, Klage erhoben. Eine Haftung ihrerseits scheide aus, da sie ohne eigenes Verschulden davon habe ausgehen dürfen, dass ihr Nachunternehmer seine Zahlungspflichten erfülle. Hierbei hat sie insbesondere auf die von der Beklagten ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung verwiesen und außerdem die von der Beklagten angenommene Höhe des Gesamtwertes des Bauwerks sowie auch das seitens der Beklagten zugrunde gelegte Nettoauftragsentgelt bestritten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Haftungsbescheid der Beklagten vom 23.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2011 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Mit Urteil vom 24.02.2015 hat das Sozialgericht (SG) den Beitragsbescheid aufgehoben. Der Bescheid sei rechtswidrig und daher aufzuheben, da die Haftung der Klägerin nach § 28e Abs. 3b S. 1 SGB IV entfallen sei. Die Klägerin habe alles Erforderliche getan, um sich zu exkulpieren. Sie habe sich - neben weiteren Unterlagen - insbesondere eine von der Beklagten ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen lassen. Die Spitzenverbände der Sozialversicherung hätten sich aber mit den Vertretern der Bauwirtschaft darauf verständigt, dass der entsprechende Nachweis für den Haftungsausschluss ausreichend sei (siehe Werner in jurisPK - SGB IV, 1. Auflage 2006, § 28 e Rn. 74). Die erst zum 01.10.2009 durch Art. 1 Nr. 5a des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichkasse und anderer Gesetze vom 15.07.2009 (BGBl.I 2009, S. 1939) eingeführte Präqualifikation (vgl. § 28e Abs. 3b S. 2 SGB IV) habe es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gegeben. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/8221, S.15) sei zum Ausschluss der Haftung mangels eigenen Verschuldens bei der Auswahl eines Nachunternehmers die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aufzuwenden gewesen. Dieses Erfordernis habe die Klägerin erfüllt, indem sie sich die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten für den der hier streitbefangenen Bauleistung entsprechenden Zeitraum habe vorlegen lassen (ebenso SG Detmold, S 1 U 129/09, vom 12.10.2010 - juris Rn. 22; vgl. ansonsten allgemein zu den Anforderungen an eine Exkulpation LSG Berlin Brandenburg - L 3 U 137/11 BER - vom 10.08.2011; LSG Sachsen - L 2 U 163/10 - vom 22.03.2012).
Gegen das ihr am 01.04.2015 zugestellte Urteil richtete sich die am 28.04.2015 eingelegte Berufung der Beklagten mit der bereits aus dem Widerspruchsbescheid bekannten Begründung. Letztlich hätte die Klägerin weitere nicht wertlose Unbedenklichkeitsbescheinigungen von ihr erwirken müssen. Die Beklagte legt zur Unterstützung ihrer Rechtsauffassung das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.06.2015 (S 4 U 195/13) und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.2015 (S 5 U 68/15) vor. In diesen Entscheidungen wird die Auffassung vertreten, dass nur vor Vertragsschluss mit dem Subunternehmer ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigungen überhaupt zur Exkulpation geeignet seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.02.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist erneut darauf hin, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die nunmehr "wertlos" sein soll, von der Beklagten selbst ausgestellt worden ist. Ferner hat die Klägerin in einem von ihr als "Parallelsache" angesehenen Berufungsverfahren das Urteil des 15. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.04.2016 vorgelegt. Der 15. Senat halte in diesem ebenfalls in einem Streit zwischen den auch hier Beteiligten ergangenen Urteil § 28e Abs. 3b - f SGB IV in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung für entsprechend anwendbar. Für Altfälle, also Fälle bis zum 30.09.2009, halte der 15. Senat eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für ausreichend, um sich zu exkulpieren. Diese müsse auch weder bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe vorgelegen haben noch müsse ihre Gültigkeitsdauer vollständig deckungsgleich mit dem Bauzeitraum sein. Eine etwas längere Dauer der Bauleistung schade nicht, weil die Klägerin zahlreiche weitere Tätigkeiten entfaltet habe, um sicher zu stellen, dass der Nachunternehmer seine sozialversicherungsrechtlichen Pflichten erfüllt. Die Klägerin habe sich von ihrem Nachunternehmer ausdrücklich zusichern lassen, dass alle von ihrem eingesetzten Arbeitnehmer ordnungsgemäß sozialversichert sind und ihn ausdrücklich auf die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet.
In der öffentlichen Sitzung des erkennenden Senats ist die Personalsachbearbeiterin der Berufungsbeklagten Frau L befragt worden. Diese hat ausgeführt, ihr sei nicht bekannt, ob der Nachunternehmer selbst wiederum einen Nachunternehmer beauftragt oder eigene Arbeitnehmer eingestellt habe. Die Klägerin sei auch nicht mit dem Gesamtbau beauftragt gewesen, sondern ihrerseits selbst wieder Nachunternehmerin. Auftragnehmer für den Gesamtbau sei die Strabag gewesen.
Wegen des weiteren einzelnen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 23.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2011 zurecht aufgehoben, denn dieser Bescheid ist rechtswidrig.
Die Berufung der Beklagten ist nicht bereits aus formalen Gründen begründet. Denn die Klägerin hat die Klage vor dem SG fristgerecht erhoben. Wegen des gesetzlichen Feiertags Pfingstmontag am 13.06.2011 endete die Klagefrist der Klägerin gegen den ihr am 11.05.2011 zugestellten Widerspruchsbescheid erst am 14.06.2011. An diesem Tag hat die Klägerin auch die Klage erhoben, sodass diese fristgerecht ist.
Die Berufung der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen begründet.
Unbeschadet der Frage, ob die Voraussetzungen für die grundsätzlich eingreifende Haftung gemäß § 150 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB VII in Verbindung mit § 28e Abs. 3a SGB IV im Hinblick auf die erforderliche Bausumme von 500.000,00 EUR aller für das Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen (§ 28e Abs. 3d S. 1 SGB IV in der am 30.09.2009 geltenden Fassung, vgl. 160 a SGB IV) hier vorliegen, ist eine Haftung der Klägerin nicht gegeben. Die Haftung entfällt nämlich, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt (§ 28e Abs. 3b S. 1 SGB IV - sogenannte Exkulpation). Diesen Nachweis hat die Klägerin erbracht.
Nach § 28e Abs. 3 f SGB IV in seiner ab dem 01.10.2009 geltenden Fassung kann der Unternehmer den Nachweis nach Abs. 3b S. 2 anstelle der Präqualifikation auch durch Vorlage einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne von § 150 Abs. 3 S. 2 SGB VII erbringen. Die qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers ermöglicht es einem Auftraggeber, das Unternehmen des Auftragnehmers hinsichtlich der genannten Angaben zu prüfen, nämlich der Mitgliedschaft bei der Beklagten, der Entrichtung von Beiträgen, der Vereinbarkeit der von der Beklagten erfassten und veranlagten Unternehmensteile mit dem auszuführenden Auftrag sowie der gemeldeten Arbeitsentgelte mit dem Volumen des Auftrags. Der Nachweis nach § 28e Abs. 3b S. 2, Abs. 3f SGB IV hängt aber nicht davon ab, dass der Unternehmer über die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung hinaus nachweist, dass er eine entsprechende Prüfung vorgenommen hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Vorschriften lässt bereits die Vorlage der qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung die Haftung entfallen.
Der Nachweis hängt auch entgegen den von der Beklagten vorgelegten Entscheidungen anderer Sozialgerichte nicht davon ab, dass dem Unternehmer bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe eine gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegen hat. Der Gesetzeswortlaut sieht eine solche Einschränkung nicht vor. Sinn und Zweck des Gesetzes, das im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Schwarzarbeit (vgl. BR-Drucks. 166/09 S.15) als Möglichkeiten für eine haftungsrechtliche Entlassung des Generalunternehmers die Präqualifikation des Auftragnehmer gemäß § 28e Abs. 3b S. 2 SGB IV oder die qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des Unfallversicherungsträgers vorsieht, ergehen keine über den Wortlaut hinausgehende Einschränkung in dem Sinne, dass der Nachweis gemäß § 28e Abs. 3f SGB IV daran geknüpft ist, dass dem Auftraggeber gerade zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe eine gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegen hat. Zu fordern ist hingegen zur Überzeugung des Senats, dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor Beginn der Auftragsausführung vorgelegen hat, weil ab diesem Zeitpunkt Beiträge fällig werden können. Dieses Erfordernis ist hier eingehalten. Denn die Unbedenklichkeitsbescheinigung datiert vom 28.06.2006, während S mit der Auftragsausführung erst am 03.07.2006 begonnen hat.
Zwar findet in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Unternehmer vor dem 01.10.2009 mit der Erbringung der Bauleistung beauftragt worden ist, § 28e Abs. 3b-f SGB IV in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung Anwendung (§ 116a SGB IV). Da aber bis zur Neufassung der Vorschrift keine klaren Regelungen darüber existierten, wie der Unternehmer nachweisen konnte, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt, sieht der Senat keinen Anlass, bei einem "Altfall" wie dem vorliegenden einen strengeren Maßstab anzulegen als bei Haftungsfällen, in denen das ab dem 01.10.2009 geltende Recht Anwendung findet. Der erkennende Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des 15. Senats (Urteil vom 19.04.2016, L 15 U 302/15) an. Danach ist ein Verschulden der Klägerin aufgrund der von ihr vorgelegten qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Zeitraum der Gültigkeit dieser Unbedenklichkeitsbescheinigung und demzufolge bis zum 15.09.2006 ausgeschlossen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 28.06.2006 eine Lohnsumme von 0,00 EUR ausweist. Dieser Umstand macht sie entgegen der Auffassung der Beklagten nicht "wertlos", da auch dann aus der von der Beklagten erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung gerade nicht hervorgeht, dass der Auftragnehmer seine Verpflichtungen nicht erfüllen wird. Eine andere Auslegung würde im Übrigen dazu führen, dass Neugründungen wie der S eine "werthaltige" Unbedenklichkeitsbescheinigung immer erst dann erlangen könnten, wenn sie bereits mit der Auftragserbringung begonnen haben. Da aber nach der Auffassung des Senats eine - werthaltige - Unbedenklichkeitsbescheinigung bereits zu Beginn der Auftragserbringung vorliegen muss, könnten dann, wenn man bei Neugründungen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung mit der Lohnsumme 0 nicht für eine Exkulpation des Auftraggebers ausreichen lassen würde, Neugründungen niemals dem Auftraggeber eine exkulpationsgeeignete Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht Sinn und Zweck der Unbedenklichkeitsbescheinigung und kann daher nicht gefordert werden.
Auch hinsichtlich des restlichen nur noch eine Woche umfassenden Bauzeitraums vom 16.-22.09.2006 ist bei Würdigung der von der Klägerin insgesamt vorgelegten Unterlagen eine Exkulpation anzunehmen. Denn daraus wird ersichtlich, dass die Klägerin zahlreiche Tätigkeiten entfaltet hat, um sicher zu stellen, dass der Nachunternehmer seinen sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten genügt. So hat die Klägerin den S vertraglich zu ordnungsgemäßen Entlohnungen und Beitragsabführungen verpflichtet. Sie hat sich ferner ausdrücklich vertraglich von S bestätigen lassen, dass dieser seinen laufenden gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt, der AOK, der sonstigen Sozialversicherung und der Berufsgenossenschaft in vollem Umfang nachkommt. Ferner hat sie sich bezüglich des S die Bescheinigung der Handwerkskammer zu L über die Gewerbeeintragung, die Zuständigkeitserklärung der Beklagten vom 19.01.2006, die Mitteilung des Finanzamtes L-Nord über die Steuernummer des S für die Umsatzsteuer und die Anmeldung und Entrichtung der anfallenden Lohnsteuer, eine Freistellungsbescheinigung dieses Finanzamtes, die Mitteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bundesamtes für Finanzen und die Gewerbeanmeldung der S vorlegen lassen. Die Klägerin hat damit zur Überzeugung des Senats alles getan, um sicherzustellen, dass der Nachunternehmer S seinen sozialversicherungsrechtlichen Zahlungsverpflichtungen auch für den Zeitraum vom 16.-22.09.2006 genügt. Die Klägerin hat sich somit exkulpiert, weshalb der Haftungsbescheid für den gesamten Zeitraum aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit den §§ 61, 63 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides. Die Beklagte nimmt die Klägerin als Auftraggeberin nach § 150 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für Beitragsrückstände zur gesetzlichen Unfallversicherung ihres Nachunternehmers S (S) in Höhe von 10.354,51 EUR in Haftung.
Mit Vertrag vom 16.06.2008 übertrug die Klägerin dem S Bauarbeiten unter Hinweis auf ihre Nachunternehmerhaftung und unter Hinweis auf die entsprechenden Pflichten des S. S bestätigte ausdrücklich, dass er seinen laufenden gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber der Berufsgenossenschaft (BG) in vollem Umfang nachkomme. Erbrachte Leistungen im Zeitraum vom 03.07.2006 bis zum 22.09.2006 stellte S der Klägerin mit Schreiben vom 19.07.2006 bis 26.09.2006 in Rechnung.
Gegen den S leitete das Hauptzollamt L (HZA) im August 2009 ein Verfahren wegen des Veruntreuens von Arbeitsentgelt für den Zeitraum Juni 2006 bis März 2007 ein. Vorenthalten worden seien Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 72.556,30 EUR. Das HZA ging davon aus, dass S vom 19.07.2006 bis zum 15.09.2006 für die Klägerin Bauleistungen in Höhe von 225.878,95 EUR erbracht habe. Entsprechende Belege übersandte das HZA der Beklagten.
Mit Bescheid vom 28.01.2010 forderte die Beklagte von S Beiträge in Höhe von 15.794,76 EUR für das Jahr 2006 nach.
Die Klägerin bestätigte der Beklagten, dass S für sie vom 03.07.2006 bis zum 22.09.2006 als Nachunternehmer tätig geworden sei. Die Nettoauftragssumme betrage 158.761,00 EUR.
Mit Schreiben vom 26.05.2010 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Beitragshaftung als Auftraggeberin des S an, weil S seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten trotz Mahnung nicht nachgekommen sei. Es bestehe Gelegenheit, entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorzulegen. Hierzu äußerte sich die Klägerin nicht. Alsdann erließ die Beklagte am 23.06.2010 einen Bescheid über die Beitragshaftung der Klägerin als Auftraggeberin, wobei sie die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte auf 60 % des Nettoauftragsvolumens schätzte und hieraus einen Haftungsbetrag von 10.354,51 EUR errechnete.
In ihrem hiergegen am 21.07.2010 eingelegten Widerspruch führte die Klägerin aus, ihr hätten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bis zum Auftragsende eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten und weitere Bescheinigungen vorgelegen, welche keine Unstimmigkeiten ausgewiesen hätten. Ihrer Ansicht nach sei deshalb ihre Haftung nach § 28e Abs. 3b Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entfallen. Die Klägerin legte ein Schreiben der Handwerkskammer zu L vor, wonach das Gewerbe des S dort am 29.11.2005 im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen wurde. Ferner legte die Klägerin einen von der Beklagten gegenüber S erlassenen Bescheid vom 19.01.2006 vor, in dem sich die Beklagte für das Unternehmen des S ab dem 01.12.2005 zuständig erklärte. Des Weiteren legte die Klägerin eine von der Beklagten dem S am 28.06.2006 erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung vor. Diese Bescheinigung war bis zum 15.09.2006 gültig. An Arbeitsentgelten, die den aktuellen Vorschüssen zugrunde lagen, wies sie 0,00 EUR aus. Die Klägerin legte des Weiteren ein Schreiben des Finanzamtes L-Nord an den S vom 10.08.2005 vor, wonach der S dort künftig unter einer bestimmten Steuernummer für die Umsatzsteuer und die Anmeldung und Entrichtung der einbehaltenen Lohnsteuer geführt wurde. Ferner legte sie vor eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes L-Nord vom 22.05.2006, den Bescheid des Bundesamtes für Finanzen - Steuern und Zentrale Dienste - gegenüber S vom 18.11.2004 über die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die Gewerbeanmeldung des S bei der Stadt L, Amt für öffentliche Ordnung, vom 29.11.2005. Die Klägerin führte hierzu aus, diese Unterlagen hätten bei ihr den Eindruck erweckt, dass S alle notwendigen Vorkehrungen und Pflichten einer Neugründung erfüllt habe. Dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung bei einer Neugründung keine Entgelte ausgewiesen habe, sei für sie ebenfalls nicht verwunderlich. Sie, die Klägerin, frage sich auch, warum Unbedenklichkeitsbescheinigungen von der Beklagten überhaupt ausgestellt würden, wenn sich der Auftraggeber dann da nicht auf sie berufen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 05.05.2011, zur Post gegeben am 09.05.2011 und bei der Klägerin eingegangen am 11.05.2011). Zum Ausschluss der Haftung sei es erforderlich, sich von der Auftragsvergabe bis zur Schlussrechnung qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlegen zu lassen. Eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung liege aber nicht vor, da die vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung eine Lohnsumme von 0,00 EUR ausweise. Auch sei die Auftragsvergabe schon am 16.06.2006 erfolgt, wohingegen die Unbedenklichkeitsbescheinigung erst vom 28.06.2006 datiere. Sie umfasse auch nicht den gesamten Leistungszeitraum, da sie schon am 15.09.2006 ende. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung sei deshalb wertlos. Die Klägerin hätte den S auffordern müssen, eine "korrekte" Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.06.2011, dem Dienstag nach Pfingstmontag, Klage erhoben. Eine Haftung ihrerseits scheide aus, da sie ohne eigenes Verschulden davon habe ausgehen dürfen, dass ihr Nachunternehmer seine Zahlungspflichten erfülle. Hierbei hat sie insbesondere auf die von der Beklagten ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung verwiesen und außerdem die von der Beklagten angenommene Höhe des Gesamtwertes des Bauwerks sowie auch das seitens der Beklagten zugrunde gelegte Nettoauftragsentgelt bestritten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Haftungsbescheid der Beklagten vom 23.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2011 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Mit Urteil vom 24.02.2015 hat das Sozialgericht (SG) den Beitragsbescheid aufgehoben. Der Bescheid sei rechtswidrig und daher aufzuheben, da die Haftung der Klägerin nach § 28e Abs. 3b S. 1 SGB IV entfallen sei. Die Klägerin habe alles Erforderliche getan, um sich zu exkulpieren. Sie habe sich - neben weiteren Unterlagen - insbesondere eine von der Beklagten ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen lassen. Die Spitzenverbände der Sozialversicherung hätten sich aber mit den Vertretern der Bauwirtschaft darauf verständigt, dass der entsprechende Nachweis für den Haftungsausschluss ausreichend sei (siehe Werner in jurisPK - SGB IV, 1. Auflage 2006, § 28 e Rn. 74). Die erst zum 01.10.2009 durch Art. 1 Nr. 5a des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichkasse und anderer Gesetze vom 15.07.2009 (BGBl.I 2009, S. 1939) eingeführte Präqualifikation (vgl. § 28e Abs. 3b S. 2 SGB IV) habe es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gegeben. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/8221, S.15) sei zum Ausschluss der Haftung mangels eigenen Verschuldens bei der Auswahl eines Nachunternehmers die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aufzuwenden gewesen. Dieses Erfordernis habe die Klägerin erfüllt, indem sie sich die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten für den der hier streitbefangenen Bauleistung entsprechenden Zeitraum habe vorlegen lassen (ebenso SG Detmold, S 1 U 129/09, vom 12.10.2010 - juris Rn. 22; vgl. ansonsten allgemein zu den Anforderungen an eine Exkulpation LSG Berlin Brandenburg - L 3 U 137/11 BER - vom 10.08.2011; LSG Sachsen - L 2 U 163/10 - vom 22.03.2012).
Gegen das ihr am 01.04.2015 zugestellte Urteil richtete sich die am 28.04.2015 eingelegte Berufung der Beklagten mit der bereits aus dem Widerspruchsbescheid bekannten Begründung. Letztlich hätte die Klägerin weitere nicht wertlose Unbedenklichkeitsbescheinigungen von ihr erwirken müssen. Die Beklagte legt zur Unterstützung ihrer Rechtsauffassung das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.06.2015 (S 4 U 195/13) und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.2015 (S 5 U 68/15) vor. In diesen Entscheidungen wird die Auffassung vertreten, dass nur vor Vertragsschluss mit dem Subunternehmer ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigungen überhaupt zur Exkulpation geeignet seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.02.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist erneut darauf hin, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die nunmehr "wertlos" sein soll, von der Beklagten selbst ausgestellt worden ist. Ferner hat die Klägerin in einem von ihr als "Parallelsache" angesehenen Berufungsverfahren das Urteil des 15. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.04.2016 vorgelegt. Der 15. Senat halte in diesem ebenfalls in einem Streit zwischen den auch hier Beteiligten ergangenen Urteil § 28e Abs. 3b - f SGB IV in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung für entsprechend anwendbar. Für Altfälle, also Fälle bis zum 30.09.2009, halte der 15. Senat eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für ausreichend, um sich zu exkulpieren. Diese müsse auch weder bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe vorgelegen haben noch müsse ihre Gültigkeitsdauer vollständig deckungsgleich mit dem Bauzeitraum sein. Eine etwas längere Dauer der Bauleistung schade nicht, weil die Klägerin zahlreiche weitere Tätigkeiten entfaltet habe, um sicher zu stellen, dass der Nachunternehmer seine sozialversicherungsrechtlichen Pflichten erfüllt. Die Klägerin habe sich von ihrem Nachunternehmer ausdrücklich zusichern lassen, dass alle von ihrem eingesetzten Arbeitnehmer ordnungsgemäß sozialversichert sind und ihn ausdrücklich auf die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet.
In der öffentlichen Sitzung des erkennenden Senats ist die Personalsachbearbeiterin der Berufungsbeklagten Frau L befragt worden. Diese hat ausgeführt, ihr sei nicht bekannt, ob der Nachunternehmer selbst wiederum einen Nachunternehmer beauftragt oder eigene Arbeitnehmer eingestellt habe. Die Klägerin sei auch nicht mit dem Gesamtbau beauftragt gewesen, sondern ihrerseits selbst wieder Nachunternehmerin. Auftragnehmer für den Gesamtbau sei die Strabag gewesen.
Wegen des weiteren einzelnen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 23.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2011 zurecht aufgehoben, denn dieser Bescheid ist rechtswidrig.
Die Berufung der Beklagten ist nicht bereits aus formalen Gründen begründet. Denn die Klägerin hat die Klage vor dem SG fristgerecht erhoben. Wegen des gesetzlichen Feiertags Pfingstmontag am 13.06.2011 endete die Klagefrist der Klägerin gegen den ihr am 11.05.2011 zugestellten Widerspruchsbescheid erst am 14.06.2011. An diesem Tag hat die Klägerin auch die Klage erhoben, sodass diese fristgerecht ist.
Die Berufung der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen begründet.
Unbeschadet der Frage, ob die Voraussetzungen für die grundsätzlich eingreifende Haftung gemäß § 150 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB VII in Verbindung mit § 28e Abs. 3a SGB IV im Hinblick auf die erforderliche Bausumme von 500.000,00 EUR aller für das Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen (§ 28e Abs. 3d S. 1 SGB IV in der am 30.09.2009 geltenden Fassung, vgl. 160 a SGB IV) hier vorliegen, ist eine Haftung der Klägerin nicht gegeben. Die Haftung entfällt nämlich, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt (§ 28e Abs. 3b S. 1 SGB IV - sogenannte Exkulpation). Diesen Nachweis hat die Klägerin erbracht.
Nach § 28e Abs. 3 f SGB IV in seiner ab dem 01.10.2009 geltenden Fassung kann der Unternehmer den Nachweis nach Abs. 3b S. 2 anstelle der Präqualifikation auch durch Vorlage einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne von § 150 Abs. 3 S. 2 SGB VII erbringen. Die qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers ermöglicht es einem Auftraggeber, das Unternehmen des Auftragnehmers hinsichtlich der genannten Angaben zu prüfen, nämlich der Mitgliedschaft bei der Beklagten, der Entrichtung von Beiträgen, der Vereinbarkeit der von der Beklagten erfassten und veranlagten Unternehmensteile mit dem auszuführenden Auftrag sowie der gemeldeten Arbeitsentgelte mit dem Volumen des Auftrags. Der Nachweis nach § 28e Abs. 3b S. 2, Abs. 3f SGB IV hängt aber nicht davon ab, dass der Unternehmer über die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung hinaus nachweist, dass er eine entsprechende Prüfung vorgenommen hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Vorschriften lässt bereits die Vorlage der qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung die Haftung entfallen.
Der Nachweis hängt auch entgegen den von der Beklagten vorgelegten Entscheidungen anderer Sozialgerichte nicht davon ab, dass dem Unternehmer bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe eine gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegen hat. Der Gesetzeswortlaut sieht eine solche Einschränkung nicht vor. Sinn und Zweck des Gesetzes, das im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Schwarzarbeit (vgl. BR-Drucks. 166/09 S.15) als Möglichkeiten für eine haftungsrechtliche Entlassung des Generalunternehmers die Präqualifikation des Auftragnehmer gemäß § 28e Abs. 3b S. 2 SGB IV oder die qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des Unfallversicherungsträgers vorsieht, ergehen keine über den Wortlaut hinausgehende Einschränkung in dem Sinne, dass der Nachweis gemäß § 28e Abs. 3f SGB IV daran geknüpft ist, dass dem Auftraggeber gerade zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe eine gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegen hat. Zu fordern ist hingegen zur Überzeugung des Senats, dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor Beginn der Auftragsausführung vorgelegen hat, weil ab diesem Zeitpunkt Beiträge fällig werden können. Dieses Erfordernis ist hier eingehalten. Denn die Unbedenklichkeitsbescheinigung datiert vom 28.06.2006, während S mit der Auftragsausführung erst am 03.07.2006 begonnen hat.
Zwar findet in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Unternehmer vor dem 01.10.2009 mit der Erbringung der Bauleistung beauftragt worden ist, § 28e Abs. 3b-f SGB IV in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung Anwendung (§ 116a SGB IV). Da aber bis zur Neufassung der Vorschrift keine klaren Regelungen darüber existierten, wie der Unternehmer nachweisen konnte, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt, sieht der Senat keinen Anlass, bei einem "Altfall" wie dem vorliegenden einen strengeren Maßstab anzulegen als bei Haftungsfällen, in denen das ab dem 01.10.2009 geltende Recht Anwendung findet. Der erkennende Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des 15. Senats (Urteil vom 19.04.2016, L 15 U 302/15) an. Danach ist ein Verschulden der Klägerin aufgrund der von ihr vorgelegten qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Zeitraum der Gültigkeit dieser Unbedenklichkeitsbescheinigung und demzufolge bis zum 15.09.2006 ausgeschlossen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 28.06.2006 eine Lohnsumme von 0,00 EUR ausweist. Dieser Umstand macht sie entgegen der Auffassung der Beklagten nicht "wertlos", da auch dann aus der von der Beklagten erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung gerade nicht hervorgeht, dass der Auftragnehmer seine Verpflichtungen nicht erfüllen wird. Eine andere Auslegung würde im Übrigen dazu führen, dass Neugründungen wie der S eine "werthaltige" Unbedenklichkeitsbescheinigung immer erst dann erlangen könnten, wenn sie bereits mit der Auftragserbringung begonnen haben. Da aber nach der Auffassung des Senats eine - werthaltige - Unbedenklichkeitsbescheinigung bereits zu Beginn der Auftragserbringung vorliegen muss, könnten dann, wenn man bei Neugründungen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung mit der Lohnsumme 0 nicht für eine Exkulpation des Auftraggebers ausreichen lassen würde, Neugründungen niemals dem Auftraggeber eine exkulpationsgeeignete Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht Sinn und Zweck der Unbedenklichkeitsbescheinigung und kann daher nicht gefordert werden.
Auch hinsichtlich des restlichen nur noch eine Woche umfassenden Bauzeitraums vom 16.-22.09.2006 ist bei Würdigung der von der Klägerin insgesamt vorgelegten Unterlagen eine Exkulpation anzunehmen. Denn daraus wird ersichtlich, dass die Klägerin zahlreiche Tätigkeiten entfaltet hat, um sicher zu stellen, dass der Nachunternehmer seinen sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten genügt. So hat die Klägerin den S vertraglich zu ordnungsgemäßen Entlohnungen und Beitragsabführungen verpflichtet. Sie hat sich ferner ausdrücklich vertraglich von S bestätigen lassen, dass dieser seinen laufenden gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt, der AOK, der sonstigen Sozialversicherung und der Berufsgenossenschaft in vollem Umfang nachkommt. Ferner hat sie sich bezüglich des S die Bescheinigung der Handwerkskammer zu L über die Gewerbeeintragung, die Zuständigkeitserklärung der Beklagten vom 19.01.2006, die Mitteilung des Finanzamtes L-Nord über die Steuernummer des S für die Umsatzsteuer und die Anmeldung und Entrichtung der anfallenden Lohnsteuer, eine Freistellungsbescheinigung dieses Finanzamtes, die Mitteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bundesamtes für Finanzen und die Gewerbeanmeldung der S vorlegen lassen. Die Klägerin hat damit zur Überzeugung des Senats alles getan, um sicherzustellen, dass der Nachunternehmer S seinen sozialversicherungsrechtlichen Zahlungsverpflichtungen auch für den Zeitraum vom 16.-22.09.2006 genügt. Die Klägerin hat sich somit exkulpiert, weshalb der Haftungsbescheid für den gesamten Zeitraum aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit den §§ 61, 63 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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