Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 191/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.) Macht eine Krankenkasse unter Berufung auf einen Behandlungsfehler gegenüber einem Vertrags(zahn)arzt einen Mittelanspruch nach § 294 a SGB V geltend, so hat der angegangene Vertrags(zahn)arzt bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte schon deshalb Einsicht in seine Behandlungsunterlagen zu gewähren, weil ein Behandlungsfehler regelmäßig eine Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB darstellt.
2.) In diesem Fall erstreckt sich das Einsichtsrecht der Krankenkasse nicht nur auf die Behandlungsunterlagen, die den mit dem Behandlungsfehler in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Leistungskomplex betreffen, sondern typischerweise auch auf jene, die frühere, nur wenige Jahre zurückliegende Behandlungen betreffen.
3.) Weil das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Freiheit schützt, persönliche Informationen zu offenbaren, haben Ärzte die Entscheidung eines Patienten, sie gegenüber seiner Krankenkasse oder gegenüber anderen Behörden in beliebig weitem Umfang von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, hinzunehmen, solange Anhaltspunkte fehlen, dass die Selbstbestimmung des Patienten über seine persönlichen Daten durch die jeweilige Behörde in eine Fremdbestimmung verkehrt würde.
2.) In diesem Fall erstreckt sich das Einsichtsrecht der Krankenkasse nicht nur auf die Behandlungsunterlagen, die den mit dem Behandlungsfehler in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Leistungskomplex betreffen, sondern typischerweise auch auf jene, die frühere, nur wenige Jahre zurückliegende Behandlungen betreffen.
3.) Weil das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Freiheit schützt, persönliche Informationen zu offenbaren, haben Ärzte die Entscheidung eines Patienten, sie gegenüber seiner Krankenkasse oder gegenüber anderen Behörden in beliebig weitem Umfang von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, hinzunehmen, solange Anhaltspunkte fehlen, dass die Selbstbestimmung des Patienten über seine persönlichen Daten durch die jeweilige Behörde in eine Fremdbestimmung verkehrt würde.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Der Streitwert wird auf 600.- EUR festgesetzt.
Gründe:
I. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197 a Abs. 1 S. 1 SGG). Da vorliegend weder die klagende Krankenkasse noch der beklagte Zahnarzt zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis zählen, sind Kosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben.
Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO entscheidet das Gericht, wenn – wie im vorliegenden Fall - der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Danach hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er wegen § 294 a SGB V verpflichtet war, der Klägerin Einsicht in die Behandlungsunterlagen seiner Patientin K (im folgenden: die Versicherte), einem Mitglied der Klägerin, zu gewähren.
1. Gem. § 294 a Satz 1 SGB V sind, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Krankheit, eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Vertragsärzte, ärztlich geleiteten Einrichtungen und die Krankenhäuser nach § 108 SGB V verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen. a. Die Kammer kann offen lassen, ob als Drittverursacher auch der Leistungserbringer gilt, demgegenüber eine Krankenkasse den Mitteilungsanspruch aus der o.g. Vorschrift geltend macht (dies offensichtlich bejahend: SG Berlin vom 1. Juni 2004, Az.: S 82 KR 2038/02, veröffentlicht unter JURIS).
b. Denn es gab jedenfalls Anhaltspunkte, daß bei der Versicherten eine Krankheit Folge einer Körperverletzung seitens des Beklagten war. Die von der Versicherten geschilderten Schmerzen im Bereich des linken Oberkiefers – dort vermutete sie Behandlungsfehler des Beklagten im Zusammenhang mit der Überkronung von Zahn 27, der Indikation zur Extraktion des Weisheitszahnes sowie der Art und Weise der Extraktion – stellen eine Krankheit dar. Daß diese möglicherweise Folge eines Behandlungsfehlers des Beklagten war, ist unstreitig. Behandlungsfehler sind jedoch regelmäßig als Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB zu qualifizieren. Denn jede ärztliche, die Integrität des Körpers berührende Maßnahme stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar (ständige Rechtsprechung seit RGSt 25, 375); eine vom Patienten ggf. erteilte, die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung ausschließende Einwilligung erfasst Behandlungsfehler nicht (BGHSt 43, 306 m.w.N.).
c. Die vom Beklagten und der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorgebrachten rechtsstaatlichen oder datenschutzrechtlichen Einwände gegen den Anspruch der Klägerin aus § 294 a SGB V teilt die Kammer nicht und verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des SG Berlin in seinem o.g. Urteil:
"Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 294a SGB V bestehen ebenfalls nicht, insbesondere vermag die Kammer den [ ] Einwand eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatprinzip nicht zu teilen. Diese Argumentation deutet auf den strafprozessualen und aus der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleiteten Grundsatz des fairen Verfahrens hin, nach dem niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Die hier streitige Herausgabe von Behandlungsunterlagen hat damit jedoch ersichtlich nichts zu tun. Darüber hinaus kennt auch der Zivilprozess die Möglichkeit des Beweisantritts durch Vorlage von Urkunden durch den Gegner (§§ 421, 422 Zivilprozessordnung), ohne das rechtsstaatliche Bedenken hiergegen zu erheben sind.
Auch die [ ] geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 294a SGB V ist eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten nicht erforderlich, allerdings hat die Klägerin eine solche hier von der Versicherten eingeholt und der Beklagten vorgelegt. Die Argumentation, diese Erklärung sei unwirksam, da die Versicherte sich über die Reichweite der Erklärung nicht habe im klaren sein können, entbehrt jeder Grundlage. Vorliegend geht es gerade nicht um einen Sachverhalt, in dem eine Krankenkasse ohne konkreten Anlass eine derartige Einwilligung des Versicherten eingeholt hat, sondern es war die Versicherte bzw. ihr Vertreter selbst, der sich aufgrund konkreter Verdachtmomente mit der Bitte um Unterstützung an die Klägerin gewandt hat."
Dies gilt für den vorliegenden Fall entsprechend.
d. Die Klägerin durfte vom Beklagten unter Berufung auf § 294 a SGB V auch Einsicht in dessen gesamte die Versicherte betreffende Behandlungsunterlagen verlangen. Ob ein Behandlungsfehler und somit eine Körperverletzung i.S.v § 294 a SGB V vorliegt, lässt sich nach den Erfahrungen der Kammer in der Regel nicht nur anhand derjenigen Behandlungsunterlagen klären, die den mit dem Behandlungsfehler in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Leistungskomplex betreffen. Vielmehr sind typischerweise auch die Unterlagen, die frühere, nur wenige Jahre zurückliegende Behandlungen betreffen, vom Anspruch der Krankenkasse aus § 294 a SGB V erfasst. Da sich im vorliegenden Fall die Versicherte erst seit 2001 in der Behandlung des Beklagten befand, begegnet es daher keinen Bedenken, zur Aufklärung eines Behandlungsfehlers aus dem Jahre 2003 Einsicht in die gesamte Patientenakte zu verlangen.
e. Der Mitteilungsanspruch der Klägerin aus § 294 a Satz 1 SGB V besteht auch unmittelbar gegenüber den in dieser Vorschrift genannten Leistungserbringern. Entgegen der Rechtsauffassung der Beigeladenen ist sie an der Durchsetzung dieses Anspruchs nicht beteiligt.
2. Dahin stehen kann somit, ob der Beklagte allein aufgrund der von der Versicherten gegenüber der Klägerin abgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung vom 6. Juni 2005 zur Auskunft bzw. zur Gewährung von Einsicht in die Behandlungsunterlagen verpflichtet gewesen wäre. Zweifel bestehen insoweit allenfalls, weil der nach § 67 b Abs. 2 Satz 1 SGB X erforderliche, von der Klägerin an die Versicherte zu richtende Hinweis "auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung" nicht ersichtlich ist. Die Kammer erlaubt sich in diesem Zusammenhang jedoch den Hinweis, daß der Schweigepflichtentbindungserklärung der Versicherte nicht entgegengehalten werden kann, sie sei zu weit gefasst. Denn das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst zwar die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (BVerfGE 65, 1). "Grundsätzlich allerdings obliegt es dem Einzelnen selbst, seine Kommunikationsbeziehungen zu gestalten und in diesem Rahmen darüber zu entscheiden, ob er bestimmte Informationen preisgibt oder zurückhält. Auch die Freiheit, persönliche Informationen zu offenbaren, ist grundrechtlich geschützt" (BVerfG VersR 06, 1669). Die Entscheidung eines Versicherten, seine Ärzte gegenüber seiner Krankenkasse oder gegenüber anderen Behörden in beliebig weitem Umfang von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, ist von dieser daher hinzunehmen. Anhaltspunkte, daß die Selbstbestimmung der Versicherten über ihre persönlichen Daten durch die Klägerin in eine Fremdbestimmung verkehrt wurde (vgl. zu dieser Problematik: BVerfG a.a.O.). bestehen im vorliegenden Fall nicht, da sich die Versicherte aus freien Stücken an ihre Krankenkasse wandte.
3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da die Voraussetzungen von § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO nicht vorliegen. Weder hat die Beigeladene erfolgreich eine Antrag gestellt noch hat sie das Verfahren wesentlich gefördert (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, 8.A., § 197a, Rd. 29 m.w.N.).
4. Der Antrag der Klägerin, gem. § 162 Abs. 2 VwGO (i.V.m. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG) die Hinzuziehung ihrer Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, musste schon deshalb erfolglos bleiben, weil für den im Wege der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemachten Anspruch nach § 294 a SGB V kein Vorverfahren gem. § 78ff SGG durchzuführen ist.
III. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 GKG.
Gründe:
I. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197 a Abs. 1 S. 1 SGG). Da vorliegend weder die klagende Krankenkasse noch der beklagte Zahnarzt zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis zählen, sind Kosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben.
Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO entscheidet das Gericht, wenn – wie im vorliegenden Fall - der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Danach hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er wegen § 294 a SGB V verpflichtet war, der Klägerin Einsicht in die Behandlungsunterlagen seiner Patientin K (im folgenden: die Versicherte), einem Mitglied der Klägerin, zu gewähren.
1. Gem. § 294 a Satz 1 SGB V sind, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Krankheit, eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Vertragsärzte, ärztlich geleiteten Einrichtungen und die Krankenhäuser nach § 108 SGB V verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen. a. Die Kammer kann offen lassen, ob als Drittverursacher auch der Leistungserbringer gilt, demgegenüber eine Krankenkasse den Mitteilungsanspruch aus der o.g. Vorschrift geltend macht (dies offensichtlich bejahend: SG Berlin vom 1. Juni 2004, Az.: S 82 KR 2038/02, veröffentlicht unter JURIS).
b. Denn es gab jedenfalls Anhaltspunkte, daß bei der Versicherten eine Krankheit Folge einer Körperverletzung seitens des Beklagten war. Die von der Versicherten geschilderten Schmerzen im Bereich des linken Oberkiefers – dort vermutete sie Behandlungsfehler des Beklagten im Zusammenhang mit der Überkronung von Zahn 27, der Indikation zur Extraktion des Weisheitszahnes sowie der Art und Weise der Extraktion – stellen eine Krankheit dar. Daß diese möglicherweise Folge eines Behandlungsfehlers des Beklagten war, ist unstreitig. Behandlungsfehler sind jedoch regelmäßig als Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB zu qualifizieren. Denn jede ärztliche, die Integrität des Körpers berührende Maßnahme stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar (ständige Rechtsprechung seit RGSt 25, 375); eine vom Patienten ggf. erteilte, die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung ausschließende Einwilligung erfasst Behandlungsfehler nicht (BGHSt 43, 306 m.w.N.).
c. Die vom Beklagten und der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorgebrachten rechtsstaatlichen oder datenschutzrechtlichen Einwände gegen den Anspruch der Klägerin aus § 294 a SGB V teilt die Kammer nicht und verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des SG Berlin in seinem o.g. Urteil:
"Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 294a SGB V bestehen ebenfalls nicht, insbesondere vermag die Kammer den [ ] Einwand eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatprinzip nicht zu teilen. Diese Argumentation deutet auf den strafprozessualen und aus der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleiteten Grundsatz des fairen Verfahrens hin, nach dem niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Die hier streitige Herausgabe von Behandlungsunterlagen hat damit jedoch ersichtlich nichts zu tun. Darüber hinaus kennt auch der Zivilprozess die Möglichkeit des Beweisantritts durch Vorlage von Urkunden durch den Gegner (§§ 421, 422 Zivilprozessordnung), ohne das rechtsstaatliche Bedenken hiergegen zu erheben sind.
Auch die [ ] geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 294a SGB V ist eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten nicht erforderlich, allerdings hat die Klägerin eine solche hier von der Versicherten eingeholt und der Beklagten vorgelegt. Die Argumentation, diese Erklärung sei unwirksam, da die Versicherte sich über die Reichweite der Erklärung nicht habe im klaren sein können, entbehrt jeder Grundlage. Vorliegend geht es gerade nicht um einen Sachverhalt, in dem eine Krankenkasse ohne konkreten Anlass eine derartige Einwilligung des Versicherten eingeholt hat, sondern es war die Versicherte bzw. ihr Vertreter selbst, der sich aufgrund konkreter Verdachtmomente mit der Bitte um Unterstützung an die Klägerin gewandt hat."
Dies gilt für den vorliegenden Fall entsprechend.
d. Die Klägerin durfte vom Beklagten unter Berufung auf § 294 a SGB V auch Einsicht in dessen gesamte die Versicherte betreffende Behandlungsunterlagen verlangen. Ob ein Behandlungsfehler und somit eine Körperverletzung i.S.v § 294 a SGB V vorliegt, lässt sich nach den Erfahrungen der Kammer in der Regel nicht nur anhand derjenigen Behandlungsunterlagen klären, die den mit dem Behandlungsfehler in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Leistungskomplex betreffen. Vielmehr sind typischerweise auch die Unterlagen, die frühere, nur wenige Jahre zurückliegende Behandlungen betreffen, vom Anspruch der Krankenkasse aus § 294 a SGB V erfasst. Da sich im vorliegenden Fall die Versicherte erst seit 2001 in der Behandlung des Beklagten befand, begegnet es daher keinen Bedenken, zur Aufklärung eines Behandlungsfehlers aus dem Jahre 2003 Einsicht in die gesamte Patientenakte zu verlangen.
e. Der Mitteilungsanspruch der Klägerin aus § 294 a Satz 1 SGB V besteht auch unmittelbar gegenüber den in dieser Vorschrift genannten Leistungserbringern. Entgegen der Rechtsauffassung der Beigeladenen ist sie an der Durchsetzung dieses Anspruchs nicht beteiligt.
2. Dahin stehen kann somit, ob der Beklagte allein aufgrund der von der Versicherten gegenüber der Klägerin abgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung vom 6. Juni 2005 zur Auskunft bzw. zur Gewährung von Einsicht in die Behandlungsunterlagen verpflichtet gewesen wäre. Zweifel bestehen insoweit allenfalls, weil der nach § 67 b Abs. 2 Satz 1 SGB X erforderliche, von der Klägerin an die Versicherte zu richtende Hinweis "auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung" nicht ersichtlich ist. Die Kammer erlaubt sich in diesem Zusammenhang jedoch den Hinweis, daß der Schweigepflichtentbindungserklärung der Versicherte nicht entgegengehalten werden kann, sie sei zu weit gefasst. Denn das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst zwar die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (BVerfGE 65, 1). "Grundsätzlich allerdings obliegt es dem Einzelnen selbst, seine Kommunikationsbeziehungen zu gestalten und in diesem Rahmen darüber zu entscheiden, ob er bestimmte Informationen preisgibt oder zurückhält. Auch die Freiheit, persönliche Informationen zu offenbaren, ist grundrechtlich geschützt" (BVerfG VersR 06, 1669). Die Entscheidung eines Versicherten, seine Ärzte gegenüber seiner Krankenkasse oder gegenüber anderen Behörden in beliebig weitem Umfang von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, ist von dieser daher hinzunehmen. Anhaltspunkte, daß die Selbstbestimmung der Versicherten über ihre persönlichen Daten durch die Klägerin in eine Fremdbestimmung verkehrt wurde (vgl. zu dieser Problematik: BVerfG a.a.O.). bestehen im vorliegenden Fall nicht, da sich die Versicherte aus freien Stücken an ihre Krankenkasse wandte.
3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da die Voraussetzungen von § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO nicht vorliegen. Weder hat die Beigeladene erfolgreich eine Antrag gestellt noch hat sie das Verfahren wesentlich gefördert (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, 8.A., § 197a, Rd. 29 m.w.N.).
4. Der Antrag der Klägerin, gem. § 162 Abs. 2 VwGO (i.V.m. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG) die Hinzuziehung ihrer Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, musste schon deshalb erfolglos bleiben, weil für den im Wege der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemachten Anspruch nach § 294 a SGB V kein Vorverfahren gem. § 78ff SGG durchzuführen ist.
III. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 GKG.
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