Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2399/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 20 Abs. 2a und § 22 Abs. 2a SGB II finden jedenfalls auch auf solche Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Anwendung, die vor dem Umzug keine Leistungen nach dem SGB II bezogen haben, wenn beim Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II würden. 2. Die fehlende Zusicherung des kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II ist unschädlich, wenn der Betroffene einen Anspruch auf Erteilung der Zusicherung gemäß § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II hatte und entweder einen Antrag auf Erteilung der Zusicherung gestellt hat oder die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vorliegen. 3. Zu den Voraussetzungen für die Annahme schwerwiegender sozialer Gründe im Sinne von § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II. 4. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Zusicherungserteilung nach § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II befreit nicht ohne weiteres von der Pflicht, die vorherige Zusicherung einzuholen. § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II stellt eine zusätzliche Voraussetzung auf.
Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 verurteilt, der Klägerin vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren und dabei einen Regelsatz von 345 EUR monatlich, für Juli 2007 in Höhe von 347 EUR, sowie Kosten für Unterkunft ab dem 12. April 2007 in Höhe von 154,60 EUR monatlich zugrunde zu legen. Die Beklagte trägt die außergerichtliche Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007.
Die am ... geborene Klägerin zog am 8. Januar 2007 aus der elterlichen Wohnung, in der sie bis dahin mit ihrer Mutter und ihrem Vater gelebt hatte, aus.
Am 17. Januar 2007 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 23. Januar 2007 Leistungen für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 und zwar für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 200,20 Euro, für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 in Höhe von monatlich 429 Euro, für Mai 2007 in Höhe von 381 Euro und für Juni und Juli 2007 in Höhe von monatlich 353 Euro. Der bewilligte Betrag setzt sich zusammen (für Januar 2007) anteilig aus einer Regelleistung von jeweils 276 Euro sowie einem befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (Januar 2007: 71,40 Euro; Februar bis April 2007: 153 Euro; Mai 2007: 105 Euro; Juni und Juli 2007: 77 Euro). Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2007 äußerte das zuständige Kreisjugendamt gegenüber der Beklagten seine Einschätzung hinsichtlich der Situation der Klägerin. In dem Schreiben heißt es, dass in einem Gespräch mit der Klägerin und einem sehr ausführlichen Gespräch mit der Klägerin und ihren Eltern deutlich geworden sei, dass ein Rückzug der Klägerin nach Hause nicht mehr sinnvoll sei und dass das alleinige Wohnen ein erster Schritt sei, "sehr eingefahrene Strukturen aufzulösen".
Seit dem 1. Februar 2007 übt die Klägerin eine Nebenbeschäftigung im ... aus.
Ergänzend teilte das Kreisjugendamt am 6. Februar 2007 der Beklagten telefonisch mit, dass nach seinem Eindruck die Klägerin und ihre Mutter sehr zerstritten seien. Die Mutter habe in dem Gespräch die Klägerin verbal fertiggemacht und ihr den Eindruck vermittelt, sie sei zu nichts nutze. Die Klägerin hätte mehrmals Suizidabsichten geäußert. Der Vertreter des Kreisjugendamtes habe keine Chance zu einer Vermittlung erhalten.
Am 6. Februar 2007 teilte ein Vertreter der Arbeiterwohlfahrt, die sich um die Klägerin kümmerte, der Beklagten telefonisch mit, dass es mit dem Vater der Klägerin "wohl keine Probleme" gebe.
Die Klägerin legte am 6. Februar 2007 Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Januar 2007 ein. Sie beantragte, ihr den vollen Regelsatz in Höhe von 345 Euro zu gewähren, weil sie aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung ihrer Eltern verwiesen werden könne.
Am 8. Februar 2007 beantragte die Klägerin beim Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, ihr über die im Bescheid vom 23. Januar 2007 bewilligten Leistungen hinaus Leistungen zu gewähren. Die Kammer lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 19. Februar 2007 ab (Aktenzeichen S 2 AS 516/07 ER). Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. März 2007 Beschwerde ein, der die Kammer mit Beschluss vom 14. März 2007 nicht abhalf und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte.
Seit dem 12. April 2007 wohnt die Klägerin in einem Frauenhaus, das von der Arbeiterwohlfahrt betrieben wird. Sie zahlt ein Nutzungsentgelt in Höhe von 171,80 Euro monatlich, worin Nebenkosten in Höhe von 70,60 Euro enthalten sind. Darin wiederum sind Kosten für Strom in Höhe von 17,20 Euro enthalten. Der Vertrag zwischen der Arbeitswohlfahrt und der Klägerin wurde kurz zuvor geschlossen.
In einer nichtöffentlichen Sitzung des 7. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. April 2007 erklärte die Klägerin, dass mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jetzt nur noch das Ziel verfolgt werde, die Kosten der Unterkunft ab dem 12. April 2007, dem Datum der Aufnahme in das Frauenhaus, vorläufig zu erhalten. In dem Erörterungstermin vor dem 7. Senat des Landessozialgericht Baden-Württemberg äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass sie ausgezogen sei, weil sie einfach mit ihrer Mutter nicht mehr habe leben können. Ihre Mutter habe sie von vorn am Hals gepackt und mit beiden Händen zugedrückt. Sie habe ihr mindestens zehn Sekunden lang den Hals zugedrückt. Sie habe versucht, sie wegzudrücken. Ihre Mutter sei dann gegangen. Bis zur ihrem Auszug, der erst eine Woche später gewesen sei, habe es keine Angriffe mehr gegeben, aber weiter Streit und Beschimpfungen. Sie habe Angst gehabt, dass es wieder vorkomme.
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg änderte auf die Beschwerde der Klägerin den Beschluss der Kammer vom 19. Februar 2007 mit Beschluss vom 27. April 2007 (Az. L 7 AS 1476/07 ER-B) dahingehend ab, dass die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, der Klägerin ab dem 12. April 2007 Arbeitslosengeld II unter Anerkennung eines Bedarfs der Kosten der Unterkunft in Höhe von 171,80 Euro monatlich zu gewähren. Die Verpflichtung wurde bis einschließlich August 2007 befristet.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2007 änderte die Beklagte in Ausführung des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 27. April 2007 ihre Leistungsbewilligung für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007. Sie bewilligte nunmehr für Januar 2007 Leistungen in Höhe von 260,50 Euro, für Februar 2007 in Höhe von 275,75 Euro, für März 2007 in Höhe von 309 Euro, für April 2007 in Höhe von 400,58 Euro, für Mai 2007 in Höhe von 405,60 Euro und für Juni und Juli 2007 in Höhe von 377,60 Euro monatlich. Die Bewilligungen beruhten auf einer Bedarfsberechnung unter Zugrundlegung einer Regelleistung (im Januar 2007 anteilig) in Höhe von 276 Euro monatlich sowie Kosten für Unterkunft und Heizung ab April 2007 in Höhe von 144,60 EUR.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Januar 2007 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kürzung der Regelleistung auf 80 Prozent rechtmäßig sei, da die Klägerin ohne vorherige Zustimmung der Beklagten aus dem elterlichen Haus ausgezogen sei. Auch die Kosten der Unterkunft für das Frauenaufnahmehaus der Arbeiterwohlfahrt könnten nicht übernommen werden. Eine Zustimmung zum Auszug habe die Beklagte nicht erteilen müssen. Es hätten keine schwerwiegenden sozialen Gründe für den Auszug vorgelegen. Das Landessozialgericht habe in seiner Entscheidung völlig außer Acht gelassen, dass die Intensität der Konflikte nicht einseitig auf die Mutter der Klägerin zurückzuführen sei. Im Erörterungstermin sei deutlich geworden, dass die Klägerin durch entsprechende Reaktionen und Äußerungen einen Ausnahmekonflikt zu schüren verstehe. Bei der Tätlichkeit handele es sich um einen einmaligen Sonderfall außerhalb des sonstigen Konfliktverhaltens. Die Mutter habe die Klägerin kurz darauf komplett neu eingekleidet. Diese Geste der Versöhnung, die Ausdruck der Entschuldigung gegenüber der Klägerin gewesen sei und den genannten Vorfall zu einem Einzelfall werden lasse, habe das Landessozialgericht nicht berücksichtigt. Im vorliegenden Fall sei der normale Bereich familiärer Auseinandersetzung nicht verlassen worden. Im Übrigen sei festzuhalten, dass das Verhältnis der Klägerin zu ihrem Vater vollkommen intakt sei und eine Entfremdung ihm gegenüber nicht ersichtlich sei. Eine Unzumutbarkeit im Sinne eines besonderen Härtefalles sei daher nicht erkennbar. Auch ein sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund sei nicht ersichtlich. Daher sei die Einholung der Zusicherung nicht entbehrlich gewesen. Nachdem die Klägerin erst eine Woche nach dem geschilderten Vorfall und nach erfolgter Versöhnung bzw. Annahme der Entschuldigungsgeste der Mutter ausgezogen sei, sei eine Dringlichkeit für einen sofortigen Auszug ohne kurzfristige Einholung der Zustimmung durch den Leistungsträger nicht ersichtlich gewesen.
Mit der am 14. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass schwerwiegende soziale Gründe vorliegen, aufgrund derer sie nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden könne. Es sei auch ein wichtiger Grund gegeben gewesen, aufgrund dessen es ihr nicht zumutbar gewesen sei, vor ihrem Auszug aus der elterlichen Wohnung die Zusicherung der Beklagten einzuholen. Schon seit Jahren bestünden schwerwiegende Konflikte zwischen ihr und ihrer Mutter. Derartige Streitigkeiten würden von der Mutter aus den geringsten Anlässen begonnen, etwa, weil sie zu langsam bügele oder sonstige Hausarbeiten nicht oder zu langsam oder nicht ordentlich erledige, wobei diese Auseinandersetzungen in einer völlig unangemessenen Form durch die Mutter geführt würden. Diese rüge etwa nicht nur das aus ihrer Sicht unzureichende Verhalten, sondern beschimpfe und beleidige sie regelmäßig auf das Übelste. Wenn ihr Vater bis vor drei Jahren bei derartigen massiven Beleidigungen der Mutter noch eingegriffen habe mit der Folge, dass sie entsprechende Vorwürfe und Beleidigungen gegen ihn gerichtet hätte, halte er sich seit diesem Zeitpunkt aus den Auseinandersetzungen heraus. Ihre Schwester habe sich den permanenten und massiven Vorwürfen dadurch entzogen, dass sie sich bei der Bundeswehr verpflichtet habe und deshalb seit Januar 2007 nicht mehr zu Hause wohne. Etwa eine Woche vor dem Auszug der Klägerin aus der Wohnung ihrer Eltern sei es zu einem tätlichen Angriff ihrer Mutter gekommen. Anlass dieses tätlichen Angriffs sei gewesen, dass die Mutter ihr vorgeworfen habe, sie habe nicht anständig geputzt. Ihre Mutter habe sie zunächst beschimpft, sich dabei aber immer mehr erregt und sei schließlich auf sie zugekommen, wobei die Mutter ihr schließlich an den Hals gepackt und mit beiden Händen zugedrückt habe. Sie habe versucht, ihre Mutter wegzudrücken, welche nach etwa zehn Sekunden von ihr abgelassen habe. Bis zu ihrem Auszug sei es dann zwar zu keinen weiteren tätlichen Angriffen mehr gekommen, jedoch habe sie befürchtet, dass sie bei einer Auseinandersetzung von ihrer Mutter erneut tätlich angegriffen werde, nachdem es weiterhin zu den bereits vorstehend dargelegten Beschimpfungen durch ihre Mutter gekommen sei.
Die Klägerin hat ursprünglich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 zu verurteilen, ihr vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II mit einer ungekürzten Regelleistung und unter Anerkennung eines monatlichen Bedarfs der Kosten der Unterkunft in Höhe von 171,80 Euro zu gewähren.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 zu verurteilen, ihr vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II mit einer ungekürzten Regelleistung und unter Anerkennung eines monatlichen Bedarfs der Kosten der Unterkunft in Höhe von 154,60 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest und verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin ..., des Zeugen ... sowie der Zeugin ... Zum Inhalt der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts, die Akte des Gerichts im Verfahren S 2 AS 516/07 ER, die beigezogenen Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Verfahren L 7 AS 1476/07 ER-B sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 ist insofern rechtswidrig und die Rechte der Klägerin verletzend, als bei der Bedarfsberechnung und der Bewilligung die Regelleistung nur in gekürzter Höhe und Kosten für Unterkunft und Heizung überhaupt nicht berücksichtigt wurden.
a) Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Berücksichtigung des Regelsatzes in ungekürzter Höhe, also für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von 345 EUR monatlich und für Juli 2007 in Höhe von 347 EUR, bei der Bedarfsberechnung. Dieser Anspruch folgt aus § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Die Beklagte war nicht berechtigt, nur die auf 80 Prozent gekürzte Regelleistung zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des insofern einschlägigen § 20 Abs. 2a SGB II liegen nicht vor. Gemäß § 20 Abs. 2a SGB II erhalten Personen, die – wie die Klägerin – das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 v.H. der Regelleistung des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
aa) Zwar ist die Klägerin am 8. Januar 2007 ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a SGB II aus der elterlichen Wohnung ausgezogen. Das Zusicherungserfordernis bezieht sich auf solche Jugendliche und junge Erwachsene, die zwar bislang nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II gewesen sind oder, ohne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gewesen zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben, jedenfalls auch dann, wenn beim Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein werden (in diesem Sinne auch Loose, in: Hohm [Hrsg.], Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 20 [2007], Rdnr. 50; a.A. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 82; Kalhorn, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], Sozialgesetzbuch, § 22 SGB II [2007] Rdnr. 48, 56; ambivalent LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 24 ff.).
Dass es nicht darauf ankommt, ob im Zeitpunkt des Auszugs der Betroffene bereits leistungsberechtigt war – oder einen Leistungsantrag gestellt hat (darauf stellt LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 As 626/07 ER, Juris, Rdnr. 22, ab) –, ergibt sich bereits aus dem im Vergleich zu § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II diskrepanten Wortlaut des § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II und des § 20 Abs. 2a SGB II. Hier bezieht sich das Zusicherungserfordernis ganz allgemein nur auf "Personen", während der Normbefehl des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II nur "erwerbsfähige Hilfebedürftige" anspricht. Eine andere Auslegung des § 22 Abs. 2a SGB II würde im übrigen auch die Intention des Gesetzgebers leerlaufen lassen (dies räumt auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 33, ein; nicht hinreichend berücksichtigt dagegen bei LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 AS 626/07 ER, Juris, Rdnr. 23). Dieser wollte der Entstehung hoher Kosten entgegenwirken, die vor der Neuregelung unter anderem durch den Erstbezug einer eigenen Wohnung durch Personen, die entweder bislang wegen Unterstützung innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft keinen Anspruch hatten oder als Teil der Bedarfsgemeinschaft niedrige Leistungen bezogen hatten, entstanden sind (vgl. Beschlussempfehlung und Ausschussbericht auf Bundestags-Drucksache 16/688, S. 14). Die Erwähnung von Haushaltsgemeinschaften – gemeint sind solchen Gemeinschaften, in denen im Unterschied zu Bedarfsgemeinschaften kein Leistungsbezug stattfindet – lässt eine andere Auslegung kaum zu. Es ist damit gerade auch Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2a SGB II, ein Kostenbelastung durch einen Auszug aus der elterlichen Wohnung in den Fällen zu vermeiden, in denen erst der Umzug die Voraussetzungen für den Leistungsbezug herbeiführt (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 AS 626/07 ER, Juris, Rdnr. 23). Eine andere Sichtweise würde im übrigen auch zu einer kaum zulässigen Ungleichbehandlung von Kindern von Arbeitslosengeld-II-Empfängern und anderen Kindern führen.
Der Gegenansicht (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 AS 626/07 ER, Juris, Rdnr. 25; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 82) ist zuzugeben, dass bei dieser Deutung der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II sehr reduziert ist. Gleichwohl hat diese Norm nicht bloß deklaratorischen Gehalt. Ihre Bedeutung besteht darin, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II auch dann keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt werden können, selbst wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Sätze 1 bis 3 SGB II für eine Leistungsgewährung erfüllt sind.
bb) Die fehlende Zusicherung ist indes unschädlich, da die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung dieser Zusicherung hatte. Ein solcher Anspruch ist im Rahmen von § 20 Abs. 2a SGB II einer tatsächlich erteilten Zusicherung gleichzustellen, weil der Leistungsträger ansonsten allein durch die Verweigerung oder auch nur Verzögerung der Zusicherungserteilung die Rechtsfolge der Absenkung der Regelleistung herbeiführen könnte. Nicht erforderlich ist im Rahmen von § 20 Abs. 2a SGB II, dass der Betroffene einen Antrag auf Erteilung der Zusicherung gestellt hat. Ein solcher Antrag ist nicht materielle Anspruchsvoraussetzung für die Zusicherungserteilung. Dies führt allerdings dazu, dass § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II im Rahmen von § 20 Abs. 2a SGB II nicht zur Anwendung kommt. Die Existenz des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II streitet nämlich dafür, dass ein vorheriger Antrag notwendig ist, wenn gerade nicht die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vorliegen. Indes ist hier zwischen der Höhe der Regelleistung und der Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung zu differenzieren. Während für die Kosten für Unterkunft und Heizung ein vorheriger Antrag schon deswegen sinnvoll ist, weil dann zwischen Leistungsträger und Hilfebedürftigem auch eine Abstimmung über die angemessenen Kosten möglich ist – dies ist auch das Ziel des § 22 Abs. 2 SGB II –, hat der bloße, unabgesprochene Auszug aus der elterlichen Wohnung auf die Höhe der der Klägerin entstehenden Kosten keine unmittelbare Auswirkung. Entsprechend stellt § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II für die Zusicherung nicht auf den Zeitpunkt des Auszuges aus der elterlichen Wohnung oder auf den Einzug in die neue Wohnung, sondern allein auf den Abschluss des neuen Mietvertrages als dem kostenerzeugenden Ereignis ab (vgl. auch Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 84). Da durch den bloßen Auszug aus der elterlichen Wohnung – ohne Bezug einer neuen mietpflichtigen Unterkunft – aber keine Kosten entstehen, geht der Verweis in § 20 Abs. 2a SGB II auf § 22 Abs. 2a SGB II insofern ins Leere.
(1) Nach § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II, auf den sich der Verweis in § 20 Abs. 2a SGB II bezieht, ist der kommunale Träger zur Zusicherung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann (Ziffer 1), der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist (Ziffer 2) oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt (Ziffer 3).
Im vorliegenden Fall greift der Zusicherungsanspruch aus § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II ein. Die Klägerin kann aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden.
Diese Regelung stellt eine Härteklausel dar und dient der Berücksichtigung persönlicher Gründe für die Unterbringung außerhalb des Elternhauses. Bereits aus dem Wortlaut dieser Tatbestandsvoraussetzung wird deutlich, dass lediglich durchschnittliche soziale Umstände für eine Verpflichtung zur Zusicherung nicht ausreichen, sondern dass die sozialen Gründe ein gesteigertes Maß erreicht haben müssen, nämlich schwerwiegend sein müssen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 As 626/07 ER, Juris, Rdnr. 26; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 87 m.w.N.). Bloße Meinungsverschiedenheiten, auch Streit innerhalb der Familie, stellt keinen solchen schwerwiegenden sozialen Grund dar. Beides gehört vielmehr zum normalen Familienleben (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34).
Diese Auslegung entspricht derjenigen, die das identische Tatbestandsmerkmal in § 64 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 SGB III, an den sich der Gesetzgeber bei der Normierung des Begriffs der "schwerwiegenden sozialen Gründe" angelehnt hat (vgl. Beschlussempfehlung und Ausschussbericht auf Bundestags-Drucksache 16/688, S. 14), erfahren hat. Auch dort bzw. zur Vorgängervorschrift des § 40 Abs. 1 AFG wird angenommen, dass nicht jeder soziale Grund die Unzumutbarkeit begründen kann, sondern dass dieser ein besonderes Gewicht besitzen muss (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 35; Fuchsloch, in: Gagel [Hrsg.], SGB III, § 64 [1999] Rdnr. 39). Es müsse eine tiefgreifende Entfremdung zwischen den Eltern einerseits und dem Kind andererseits eingetreten sein oder das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch die Eltern oder deren Umfeld gefährdet sein (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 35 f.; Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 52, m.w.N. aus der Judikatur; großzügiger wohl BSG, Urteil vom 02.06.2004, Az.: B 7 AL 38/03 R, NZS 2005, 493 [496], wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 40 Abs. 1 AFG), etwa durch Alkohol, Drogen oder Prostitution (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 35; vgl. auch Petzold, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], § 64 SGB III [2005] Rdnr. 8). Anhaltspunkte hierfür können unangemessene körperliche Züchtigungen oder familiäre Gewalt, fehlende Toleranz im Elternhaus oder unangemessene Überwachungsmaßnahmen sein (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 37). Bloße persönliche Entfremdung und familiäre Spannungen zwischen den Eltern und dem Kind erfüllen die Voraussetzungen nicht ohne weiteres (Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 54 m.w.N. aus der Judikatur); auch wiederholte schlimme verbale Streitigkeiten führen nicht zur Unzumutbarkeit des Zusammenlebens (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 37). Ebenso wenig genügen der Wunsch des Auszubildenden, sich dem elterlichen Einfluss zu entziehen (Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 54), und die üblichen, altersbedingten Auseinandersetzungen (Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 54; Petzold, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], § 64 SGB III [2005] Rdnr. 8).
Diese Maßstäbe sind auf § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II übertragbar (siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34). Insbesondere reicht nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers der Wunsch der jungen Hilfebedürftigen, den elterlichen Haushalt zu verlassen, ebenso wenig aus wie ein unterstellter positiver Effekt, den dies für die Entwicklung hin zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit und die für die Zeit nach der Volljährigkeit anzustrebende Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung haben kann (Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 89; ähnlich LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.03.2007, Az.: L 13 AS 38/07 ER, Juris, Rdnr. 13). Gleiches gilt für den üblichen Generationenkonflikt und gelegentliche verbale Entgleisungen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34).
(2) Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes kann die Klägerin aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden. Ausschlaggebend für die Kammer war hierbei der Eindruck, den die Mutter der Klägerin, die Zeugin ..., während ihrer Zeugenvernehmung hinterlassen hat. Selbst in der eher Distanz und Zurückhaltung fördernden gerichtlichen Atmosphäre war die Zeugin ... von Anbeginn in einer aggressiven Grundhaltung. Dies wurde nicht einmal in erster Linie durch die durchgehend laute Stimme der Zeugin deutlich, sondern auch durch den mimisch und gestisch zum Ausdruck gebrachten Unwillen, die – aus ihrer Sicht banalen – gerichtlichen Fragen zum Zusammenleben in der familiären Wohnung zu beantworten. Bereits dies hat dem Gericht eine Vorstellung von der Auffassung der Zeugin von einem angemessenen zwischenmenschlichen Umgang und deren nur defizitär vorhandenen Höflichkeit, Geduld und Selbstherrschung vermittelt. Diese Art der Persönlichkeitsentfaltung wird sich in weniger distanzfördernden Zusammenhängen – sprich: im familiären Umgang – verstärken. Damit ist der Vortrag der Klägerin und ihre Darstellung der häuslichen Situation bzw. des vor allem verbal – Lautstärke und Wortwahl betreffend – unverhältnismäßigen Verhaltens ihrer Mutter ihr gegenüber im wesentlichen glaubhaft.
Auf die Häufigkeit tätlicher Auseinandersetzung zwischen der Mutter und der Klägerin kommt es dabei nicht an. Diese wurden von der Klägerin und allen Zeugen in der Tat unterschiedlich geschildert. Bedeutsam ist vielmehr bereits die Aussage der Zeugin ... auf die Frage, ob sie ihre Tochter Anfang des Jahres 2007 gewürgt habe. Die Zeugin antwortete, dass sie sie definitiv nicht gewürgt habe, sondern höchstens getreten hätte. Dies trägt zum Gesamtbild der Mutter, das die Kammer gewonnen hat, bei und beschreibt exemplarisch eine familiäre Situation, die einem jungen Menschen das Verbleiben in der elterlichen Wohnung nicht zumutbar sein lässt. Tritte, also körperliche Gewaltausübung mit den Füssen, stehen außerhalb des Bereiches der als sozial adäquant anzusehenden Erziehungsmitteln, da sie die Achtung der Person als solche in Frage zu stellen geeignet sind. Wenn die Mutter gleichwohl zu Beginn ihrer Vernehmung durch das Gericht die Auffassung vertreten hat, dass sie finde, dass sie zur ihrer Tochter, der Klägerin, ein normales Verhältnis hatte und habe, dann entspricht dies nicht nur nicht dem Verständnis von Normalität einer Mutter-Tochter-Beziehung, das die Kammer seiner Rechtsprechung zugrunde legt, sondern dann manifestiert sich darin auch eine mangelnde Fähigkeit der Mutter zur Selbstreflexion.
Nicht "normal" ist im übrigen auch, dass die Mutter sich für das weitere Schicksal ihrer Tochter nach deren Auszug nicht interessiert. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen beiden besteht nach den übereinstimmenden Angaben beider Personen nicht. Bereits vor rund zwei Jahren hat die Mutter im übrigen den Auszug beider Töchter für mehrere Monate veranlasst, ohne für deren weiteres Wohlergehen erkennbar Sorge getragen zu haben. Die jüngere Tochter war damals erst siebzehn Jahre alt.
Dabei übersieht das Gericht nicht, dass die Vorwürfe der Mutter, die Anlass zu Auseinandersetzungen in der Vergangenheit gegeben haben, nicht völlig unberechtigt waren. Die Klägerin ist sicherlich nicht die "ideale" Tochter, sondern gibt etwa hinsichtlich ihres Ordnungssinnes und ihrer Verlässlichkeit auch objektiv Anlass zur Kritik. Dabei ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei Bewertung des heutigen Verhaltens ihrer Mutter einiges dafür spricht, dass diese Defizite nicht zuletzt auch auf die Erziehungsmethoden der Mutter und deren mangelnde Fähigkeit zur Empathie zurückzuführen sind. Im übrigen steht aber Mitverschulden des Kindes der Annahme, dass ihm die Verweisung auf die elterliche Wohnung nicht zugemutet werden kann, nicht grundsätzlich entgegen. Zwar wird man etwa ein ganz überwiegendes Mitverschulden oder ein eindeutig provozierendes Verhalten des Kindes bei der Bewertung der familiären Situation nicht außen vor lassen können. Die Kammer hat aber aufgrund der Beweisaufnahme nicht den Eindruck gewonnen, dass der Klägerin ein eindeutig überwiegendes Mitverschulden oder gar die Auseinandersetzung gezielt provozierendes Verhalten zur Last gelegt werden kann.
Die familiäre Situation stellt sich damit weitaus schwieriger dar, als dies im Schreiben des zuständigen Kreisjugendamtes vom 31. Januar 2007 an die Beklagte, wo von "sehr eingefahrene[n] Strukturen" die Rede ist, zum Ausdruck gekommen ist. Die Konflikte zwischen Mutter und Tochter werden auch nicht dadurch relativiert oder kompensiert, dass sich das Verhältnis der Klägerin zu ihrem Vater, dem Zeugen ..., konfliktfrei darstellt. Aufgrund der Aussage des Zeugen ... geht die Kammer nämlich davon aus, dass dieser jedenfalls zuletzt nicht mehr mäßigend auf seine Ehefrau eingewirkt hat, sondern sich selbst zurückgezogen und resigniert hat. Seine Beschreibung des Verhaltens seiner Frau – auch ihm gegenüber – kulminierte in der Aussage, dass er selbst am liebsten auch schon davongelaufen wäre, davon aber nur abgesehen hätte, weil dies nur neuen Ärger bringe.
Eine Einlassungen der Schwester der Klägerin, der Zeugin ..., vermögen die familiäre Konfliktsituation nur scheinbar zu relativieren. Zwar ist zu konzedieren, dass die Zeugin die Auseinandersetzungen weit weniger belastend empfunden hat als ihre Schwester, die Klägerin. Dies beruht aber in erster Linie darauf, dass die Zeugin ... insoweit wesentlich belastbarer ist. Dies ist in allen Zeugenaussagen, auch der der Mutter, zum Ausdruck gekommen. Die Zeugin ... hat es selbst so beschrieben, dass sie robuster als die Klägerin sei, die alles in sich "hineinfresse", während es bei ihr selbst "da rein und da wieder raus gehe".
b) Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Heizung und Unterkunft in Höhe von 154,60 EUR monatlich für die Zeit vom 12. April 2007 – dem Einzug in das Frauenhaus, mit dem überhaupt erst Kosten angefallen sind – bis zum 31. Juli 2007. Dieser Anspruch folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dabei war zu berücksichtigen, dass es sich bei den Kosten für Strom nicht um Kosten der Unterkunft und Heizung handelt, sondern diese aus der Regelleistung zu bestreiten sind, so dass sie keine Berücksichtigung finden konnte. Dem Tenor des Urteils steht nicht entgegen, wenn die Beklagte zusätzlich noch die sog. Warmwasserpauschale und die tatsächlich anfallenden Kosten für die Warmwassererzeugung in Abzug bringt.
Dem Anspruch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II steht § 22 Abs. 2a SGB II nicht entgegen. Danach werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sofern sie umziehen, Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat.
aa) Auch § 22 Abs. 2a SGB II gilt für solche Jugendliche und junge Erwachsene, die zwar bislang nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II gewesen sind oder, ohne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gewesen zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben, jedenfalls auch dann, wenn beim Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein werden; auf die Ausführungen unter 1) a) aa) wird verwiesen. Allerdings ist auch bei § 22 Abs. 2a SGB II die Zusicherung entbehrlich, wenn ein Anspruch auf Zusicherung im maßgeblichen Zeitpunkt bestanden hat; dies ist – wie oben ausgeführt – der Fall gewesen.
bb) Anders als bei § 20 Abs. 2a SGB II reicht dies allein allerdings noch nicht aus. Vielmehr bedarf es grundsätzlich eines zumindest konkludenten Antrages auf Erteilung der Zusicherung vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft. Dies folgt aus § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II, nach dem unter den Voraussetzungen des Satzes 2 vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Diese Vorschrift macht nur dann Sinn, wenn die Einholung der Zusicherung zuvor vom Betroffenen initiiert worden sein muss.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Entbehrlichkeit der vorherigen Zusicherung nicht automatisch mit den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung der Zusicherung einhergeht. Das Gesetz stellt an dieser Stelle zwei verschiedene, unabhängig voneinander zur erfüllende Voraussetzungen auf (so wohl auch Kalhorn, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], Sozialgesetzbuch, § 22 SGB II [2007] Rdnr. 54). Es müssen zum einen die genannten Gründe vorliegen, die den kommunalen Träger zur Zusicherung verpflichten. Damit sind materielle Gesichtspunkte angesprochen. Zum anderen muss aber auch die Unzumutbarkeit, die Zusicherung einzuholen, gegeben sein. Hierbei handelt es sich insbesondere um ein zeitliches Element (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 92). Jedenfalls kann nicht ohne weiters vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen im Sinne von § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II auf die Unzumutbarkeit der Einholung einer Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II geschlossen werden (a.A. unter Hinweis auf eine bewusst den Wortlaut überspielende vorgeblich verfassungskonforme Auslegung Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 91), da ansonsten das Tatbestandsmerkmal "aus wichtigem Grund" in § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II neben der dort bereits enthaltenden Bezugnahme auf die Voraussetzungen des Satzes 2 leerliefe. Entsprechend träfe die anspruchsversagende Rechtsfolge des § 22 Abs. 2a SGB II auch denjenigen, der zwar die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zusicherung erfüllt, aber die Einholung der Zusicherung ohne wichtigen Grund unterlassen hat (SG Berlin, Beschluss vom 19.06.2006, Az.: S 103 AS 3267/06 ER). Sie ist nur dann aus wichtigem Grunde unzumutbar, wenn eine Entscheidung des Leistungsträgers wegen der besonderen Dringlichkeit des Auszugs nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 19.06.2006, Az.: S 103 AS 3267/06 ER; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 92).
Die Kammer kann hier indes offen lassen, ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vorliegen. Denn die vorherige Zusicherung ist dadurch entbehrlich geworden, dass die Klägerin zumindest konkludent die Erteilung der Zusicherung beantragt hat und die Beklagte sich stets geweigert hat, die Zusicherung zu erteilen, obwohl die Klägerin hierauf einen Anspruch hatte. Der konkludente Antrag auf Erteilung der Zusicherung ist im Widerspruch vom 23. Januar 2007 zu sehen, mit dem sie die Gewährung des vollen Regelsatzes begehrte, weil sie aus schwerwiegenden Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden könnte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dabei entsprach es billigem Ermessen, die Teilklagerücknahme hinsichtlich der Erstattung der Stromkosten nicht zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, da diese Position in qualitativer und quantitativer Hinsicht nur von nachgeordneter Bedeutung war.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007.
Die am ... geborene Klägerin zog am 8. Januar 2007 aus der elterlichen Wohnung, in der sie bis dahin mit ihrer Mutter und ihrem Vater gelebt hatte, aus.
Am 17. Januar 2007 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 23. Januar 2007 Leistungen für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 und zwar für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 200,20 Euro, für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 in Höhe von monatlich 429 Euro, für Mai 2007 in Höhe von 381 Euro und für Juni und Juli 2007 in Höhe von monatlich 353 Euro. Der bewilligte Betrag setzt sich zusammen (für Januar 2007) anteilig aus einer Regelleistung von jeweils 276 Euro sowie einem befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (Januar 2007: 71,40 Euro; Februar bis April 2007: 153 Euro; Mai 2007: 105 Euro; Juni und Juli 2007: 77 Euro). Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2007 äußerte das zuständige Kreisjugendamt gegenüber der Beklagten seine Einschätzung hinsichtlich der Situation der Klägerin. In dem Schreiben heißt es, dass in einem Gespräch mit der Klägerin und einem sehr ausführlichen Gespräch mit der Klägerin und ihren Eltern deutlich geworden sei, dass ein Rückzug der Klägerin nach Hause nicht mehr sinnvoll sei und dass das alleinige Wohnen ein erster Schritt sei, "sehr eingefahrene Strukturen aufzulösen".
Seit dem 1. Februar 2007 übt die Klägerin eine Nebenbeschäftigung im ... aus.
Ergänzend teilte das Kreisjugendamt am 6. Februar 2007 der Beklagten telefonisch mit, dass nach seinem Eindruck die Klägerin und ihre Mutter sehr zerstritten seien. Die Mutter habe in dem Gespräch die Klägerin verbal fertiggemacht und ihr den Eindruck vermittelt, sie sei zu nichts nutze. Die Klägerin hätte mehrmals Suizidabsichten geäußert. Der Vertreter des Kreisjugendamtes habe keine Chance zu einer Vermittlung erhalten.
Am 6. Februar 2007 teilte ein Vertreter der Arbeiterwohlfahrt, die sich um die Klägerin kümmerte, der Beklagten telefonisch mit, dass es mit dem Vater der Klägerin "wohl keine Probleme" gebe.
Die Klägerin legte am 6. Februar 2007 Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Januar 2007 ein. Sie beantragte, ihr den vollen Regelsatz in Höhe von 345 Euro zu gewähren, weil sie aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung ihrer Eltern verwiesen werden könne.
Am 8. Februar 2007 beantragte die Klägerin beim Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, ihr über die im Bescheid vom 23. Januar 2007 bewilligten Leistungen hinaus Leistungen zu gewähren. Die Kammer lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 19. Februar 2007 ab (Aktenzeichen S 2 AS 516/07 ER). Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. März 2007 Beschwerde ein, der die Kammer mit Beschluss vom 14. März 2007 nicht abhalf und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte.
Seit dem 12. April 2007 wohnt die Klägerin in einem Frauenhaus, das von der Arbeiterwohlfahrt betrieben wird. Sie zahlt ein Nutzungsentgelt in Höhe von 171,80 Euro monatlich, worin Nebenkosten in Höhe von 70,60 Euro enthalten sind. Darin wiederum sind Kosten für Strom in Höhe von 17,20 Euro enthalten. Der Vertrag zwischen der Arbeitswohlfahrt und der Klägerin wurde kurz zuvor geschlossen.
In einer nichtöffentlichen Sitzung des 7. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. April 2007 erklärte die Klägerin, dass mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jetzt nur noch das Ziel verfolgt werde, die Kosten der Unterkunft ab dem 12. April 2007, dem Datum der Aufnahme in das Frauenhaus, vorläufig zu erhalten. In dem Erörterungstermin vor dem 7. Senat des Landessozialgericht Baden-Württemberg äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass sie ausgezogen sei, weil sie einfach mit ihrer Mutter nicht mehr habe leben können. Ihre Mutter habe sie von vorn am Hals gepackt und mit beiden Händen zugedrückt. Sie habe ihr mindestens zehn Sekunden lang den Hals zugedrückt. Sie habe versucht, sie wegzudrücken. Ihre Mutter sei dann gegangen. Bis zur ihrem Auszug, der erst eine Woche später gewesen sei, habe es keine Angriffe mehr gegeben, aber weiter Streit und Beschimpfungen. Sie habe Angst gehabt, dass es wieder vorkomme.
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg änderte auf die Beschwerde der Klägerin den Beschluss der Kammer vom 19. Februar 2007 mit Beschluss vom 27. April 2007 (Az. L 7 AS 1476/07 ER-B) dahingehend ab, dass die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, der Klägerin ab dem 12. April 2007 Arbeitslosengeld II unter Anerkennung eines Bedarfs der Kosten der Unterkunft in Höhe von 171,80 Euro monatlich zu gewähren. Die Verpflichtung wurde bis einschließlich August 2007 befristet.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2007 änderte die Beklagte in Ausführung des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 27. April 2007 ihre Leistungsbewilligung für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007. Sie bewilligte nunmehr für Januar 2007 Leistungen in Höhe von 260,50 Euro, für Februar 2007 in Höhe von 275,75 Euro, für März 2007 in Höhe von 309 Euro, für April 2007 in Höhe von 400,58 Euro, für Mai 2007 in Höhe von 405,60 Euro und für Juni und Juli 2007 in Höhe von 377,60 Euro monatlich. Die Bewilligungen beruhten auf einer Bedarfsberechnung unter Zugrundlegung einer Regelleistung (im Januar 2007 anteilig) in Höhe von 276 Euro monatlich sowie Kosten für Unterkunft und Heizung ab April 2007 in Höhe von 144,60 EUR.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Januar 2007 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kürzung der Regelleistung auf 80 Prozent rechtmäßig sei, da die Klägerin ohne vorherige Zustimmung der Beklagten aus dem elterlichen Haus ausgezogen sei. Auch die Kosten der Unterkunft für das Frauenaufnahmehaus der Arbeiterwohlfahrt könnten nicht übernommen werden. Eine Zustimmung zum Auszug habe die Beklagte nicht erteilen müssen. Es hätten keine schwerwiegenden sozialen Gründe für den Auszug vorgelegen. Das Landessozialgericht habe in seiner Entscheidung völlig außer Acht gelassen, dass die Intensität der Konflikte nicht einseitig auf die Mutter der Klägerin zurückzuführen sei. Im Erörterungstermin sei deutlich geworden, dass die Klägerin durch entsprechende Reaktionen und Äußerungen einen Ausnahmekonflikt zu schüren verstehe. Bei der Tätlichkeit handele es sich um einen einmaligen Sonderfall außerhalb des sonstigen Konfliktverhaltens. Die Mutter habe die Klägerin kurz darauf komplett neu eingekleidet. Diese Geste der Versöhnung, die Ausdruck der Entschuldigung gegenüber der Klägerin gewesen sei und den genannten Vorfall zu einem Einzelfall werden lasse, habe das Landessozialgericht nicht berücksichtigt. Im vorliegenden Fall sei der normale Bereich familiärer Auseinandersetzung nicht verlassen worden. Im Übrigen sei festzuhalten, dass das Verhältnis der Klägerin zu ihrem Vater vollkommen intakt sei und eine Entfremdung ihm gegenüber nicht ersichtlich sei. Eine Unzumutbarkeit im Sinne eines besonderen Härtefalles sei daher nicht erkennbar. Auch ein sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund sei nicht ersichtlich. Daher sei die Einholung der Zusicherung nicht entbehrlich gewesen. Nachdem die Klägerin erst eine Woche nach dem geschilderten Vorfall und nach erfolgter Versöhnung bzw. Annahme der Entschuldigungsgeste der Mutter ausgezogen sei, sei eine Dringlichkeit für einen sofortigen Auszug ohne kurzfristige Einholung der Zustimmung durch den Leistungsträger nicht ersichtlich gewesen.
Mit der am 14. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass schwerwiegende soziale Gründe vorliegen, aufgrund derer sie nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden könne. Es sei auch ein wichtiger Grund gegeben gewesen, aufgrund dessen es ihr nicht zumutbar gewesen sei, vor ihrem Auszug aus der elterlichen Wohnung die Zusicherung der Beklagten einzuholen. Schon seit Jahren bestünden schwerwiegende Konflikte zwischen ihr und ihrer Mutter. Derartige Streitigkeiten würden von der Mutter aus den geringsten Anlässen begonnen, etwa, weil sie zu langsam bügele oder sonstige Hausarbeiten nicht oder zu langsam oder nicht ordentlich erledige, wobei diese Auseinandersetzungen in einer völlig unangemessenen Form durch die Mutter geführt würden. Diese rüge etwa nicht nur das aus ihrer Sicht unzureichende Verhalten, sondern beschimpfe und beleidige sie regelmäßig auf das Übelste. Wenn ihr Vater bis vor drei Jahren bei derartigen massiven Beleidigungen der Mutter noch eingegriffen habe mit der Folge, dass sie entsprechende Vorwürfe und Beleidigungen gegen ihn gerichtet hätte, halte er sich seit diesem Zeitpunkt aus den Auseinandersetzungen heraus. Ihre Schwester habe sich den permanenten und massiven Vorwürfen dadurch entzogen, dass sie sich bei der Bundeswehr verpflichtet habe und deshalb seit Januar 2007 nicht mehr zu Hause wohne. Etwa eine Woche vor dem Auszug der Klägerin aus der Wohnung ihrer Eltern sei es zu einem tätlichen Angriff ihrer Mutter gekommen. Anlass dieses tätlichen Angriffs sei gewesen, dass die Mutter ihr vorgeworfen habe, sie habe nicht anständig geputzt. Ihre Mutter habe sie zunächst beschimpft, sich dabei aber immer mehr erregt und sei schließlich auf sie zugekommen, wobei die Mutter ihr schließlich an den Hals gepackt und mit beiden Händen zugedrückt habe. Sie habe versucht, ihre Mutter wegzudrücken, welche nach etwa zehn Sekunden von ihr abgelassen habe. Bis zu ihrem Auszug sei es dann zwar zu keinen weiteren tätlichen Angriffen mehr gekommen, jedoch habe sie befürchtet, dass sie bei einer Auseinandersetzung von ihrer Mutter erneut tätlich angegriffen werde, nachdem es weiterhin zu den bereits vorstehend dargelegten Beschimpfungen durch ihre Mutter gekommen sei.
Die Klägerin hat ursprünglich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 zu verurteilen, ihr vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II mit einer ungekürzten Regelleistung und unter Anerkennung eines monatlichen Bedarfs der Kosten der Unterkunft in Höhe von 171,80 Euro zu gewähren.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 zu verurteilen, ihr vom 18. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II mit einer ungekürzten Regelleistung und unter Anerkennung eines monatlichen Bedarfs der Kosten der Unterkunft in Höhe von 154,60 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest und verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin ..., des Zeugen ... sowie der Zeugin ... Zum Inhalt der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts, die Akte des Gerichts im Verfahren S 2 AS 516/07 ER, die beigezogenen Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Verfahren L 7 AS 1476/07 ER-B sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Mai 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 ist insofern rechtswidrig und die Rechte der Klägerin verletzend, als bei der Bedarfsberechnung und der Bewilligung die Regelleistung nur in gekürzter Höhe und Kosten für Unterkunft und Heizung überhaupt nicht berücksichtigt wurden.
a) Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Berücksichtigung des Regelsatzes in ungekürzter Höhe, also für die Zeit vom 18. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von 345 EUR monatlich und für Juli 2007 in Höhe von 347 EUR, bei der Bedarfsberechnung. Dieser Anspruch folgt aus § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Die Beklagte war nicht berechtigt, nur die auf 80 Prozent gekürzte Regelleistung zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des insofern einschlägigen § 20 Abs. 2a SGB II liegen nicht vor. Gemäß § 20 Abs. 2a SGB II erhalten Personen, die – wie die Klägerin – das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 v.H. der Regelleistung des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
aa) Zwar ist die Klägerin am 8. Januar 2007 ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a SGB II aus der elterlichen Wohnung ausgezogen. Das Zusicherungserfordernis bezieht sich auf solche Jugendliche und junge Erwachsene, die zwar bislang nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II gewesen sind oder, ohne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gewesen zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben, jedenfalls auch dann, wenn beim Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein werden (in diesem Sinne auch Loose, in: Hohm [Hrsg.], Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 20 [2007], Rdnr. 50; a.A. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 82; Kalhorn, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], Sozialgesetzbuch, § 22 SGB II [2007] Rdnr. 48, 56; ambivalent LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 24 ff.).
Dass es nicht darauf ankommt, ob im Zeitpunkt des Auszugs der Betroffene bereits leistungsberechtigt war – oder einen Leistungsantrag gestellt hat (darauf stellt LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 As 626/07 ER, Juris, Rdnr. 22, ab) –, ergibt sich bereits aus dem im Vergleich zu § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II diskrepanten Wortlaut des § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II und des § 20 Abs. 2a SGB II. Hier bezieht sich das Zusicherungserfordernis ganz allgemein nur auf "Personen", während der Normbefehl des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II nur "erwerbsfähige Hilfebedürftige" anspricht. Eine andere Auslegung des § 22 Abs. 2a SGB II würde im übrigen auch die Intention des Gesetzgebers leerlaufen lassen (dies räumt auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 33, ein; nicht hinreichend berücksichtigt dagegen bei LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 AS 626/07 ER, Juris, Rdnr. 23). Dieser wollte der Entstehung hoher Kosten entgegenwirken, die vor der Neuregelung unter anderem durch den Erstbezug einer eigenen Wohnung durch Personen, die entweder bislang wegen Unterstützung innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft keinen Anspruch hatten oder als Teil der Bedarfsgemeinschaft niedrige Leistungen bezogen hatten, entstanden sind (vgl. Beschlussempfehlung und Ausschussbericht auf Bundestags-Drucksache 16/688, S. 14). Die Erwähnung von Haushaltsgemeinschaften – gemeint sind solchen Gemeinschaften, in denen im Unterschied zu Bedarfsgemeinschaften kein Leistungsbezug stattfindet – lässt eine andere Auslegung kaum zu. Es ist damit gerade auch Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2a SGB II, ein Kostenbelastung durch einen Auszug aus der elterlichen Wohnung in den Fällen zu vermeiden, in denen erst der Umzug die Voraussetzungen für den Leistungsbezug herbeiführt (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 AS 626/07 ER, Juris, Rdnr. 23). Eine andere Sichtweise würde im übrigen auch zu einer kaum zulässigen Ungleichbehandlung von Kindern von Arbeitslosengeld-II-Empfängern und anderen Kindern führen.
Der Gegenansicht (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 AS 626/07 ER, Juris, Rdnr. 25; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 82) ist zuzugeben, dass bei dieser Deutung der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II sehr reduziert ist. Gleichwohl hat diese Norm nicht bloß deklaratorischen Gehalt. Ihre Bedeutung besteht darin, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II auch dann keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt werden können, selbst wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Sätze 1 bis 3 SGB II für eine Leistungsgewährung erfüllt sind.
bb) Die fehlende Zusicherung ist indes unschädlich, da die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung dieser Zusicherung hatte. Ein solcher Anspruch ist im Rahmen von § 20 Abs. 2a SGB II einer tatsächlich erteilten Zusicherung gleichzustellen, weil der Leistungsträger ansonsten allein durch die Verweigerung oder auch nur Verzögerung der Zusicherungserteilung die Rechtsfolge der Absenkung der Regelleistung herbeiführen könnte. Nicht erforderlich ist im Rahmen von § 20 Abs. 2a SGB II, dass der Betroffene einen Antrag auf Erteilung der Zusicherung gestellt hat. Ein solcher Antrag ist nicht materielle Anspruchsvoraussetzung für die Zusicherungserteilung. Dies führt allerdings dazu, dass § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II im Rahmen von § 20 Abs. 2a SGB II nicht zur Anwendung kommt. Die Existenz des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II streitet nämlich dafür, dass ein vorheriger Antrag notwendig ist, wenn gerade nicht die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vorliegen. Indes ist hier zwischen der Höhe der Regelleistung und der Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung zu differenzieren. Während für die Kosten für Unterkunft und Heizung ein vorheriger Antrag schon deswegen sinnvoll ist, weil dann zwischen Leistungsträger und Hilfebedürftigem auch eine Abstimmung über die angemessenen Kosten möglich ist – dies ist auch das Ziel des § 22 Abs. 2 SGB II –, hat der bloße, unabgesprochene Auszug aus der elterlichen Wohnung auf die Höhe der der Klägerin entstehenden Kosten keine unmittelbare Auswirkung. Entsprechend stellt § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II für die Zusicherung nicht auf den Zeitpunkt des Auszuges aus der elterlichen Wohnung oder auf den Einzug in die neue Wohnung, sondern allein auf den Abschluss des neuen Mietvertrages als dem kostenerzeugenden Ereignis ab (vgl. auch Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 84). Da durch den bloßen Auszug aus der elterlichen Wohnung – ohne Bezug einer neuen mietpflichtigen Unterkunft – aber keine Kosten entstehen, geht der Verweis in § 20 Abs. 2a SGB II auf § 22 Abs. 2a SGB II insofern ins Leere.
(1) Nach § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II, auf den sich der Verweis in § 20 Abs. 2a SGB II bezieht, ist der kommunale Träger zur Zusicherung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann (Ziffer 1), der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist (Ziffer 2) oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt (Ziffer 3).
Im vorliegenden Fall greift der Zusicherungsanspruch aus § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II ein. Die Klägerin kann aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden.
Diese Regelung stellt eine Härteklausel dar und dient der Berücksichtigung persönlicher Gründe für die Unterbringung außerhalb des Elternhauses. Bereits aus dem Wortlaut dieser Tatbestandsvoraussetzung wird deutlich, dass lediglich durchschnittliche soziale Umstände für eine Verpflichtung zur Zusicherung nicht ausreichen, sondern dass die sozialen Gründe ein gesteigertes Maß erreicht haben müssen, nämlich schwerwiegend sein müssen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: L 7 As 626/07 ER, Juris, Rdnr. 26; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 87 m.w.N.). Bloße Meinungsverschiedenheiten, auch Streit innerhalb der Familie, stellt keinen solchen schwerwiegenden sozialen Grund dar. Beides gehört vielmehr zum normalen Familienleben (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34).
Diese Auslegung entspricht derjenigen, die das identische Tatbestandsmerkmal in § 64 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 SGB III, an den sich der Gesetzgeber bei der Normierung des Begriffs der "schwerwiegenden sozialen Gründe" angelehnt hat (vgl. Beschlussempfehlung und Ausschussbericht auf Bundestags-Drucksache 16/688, S. 14), erfahren hat. Auch dort bzw. zur Vorgängervorschrift des § 40 Abs. 1 AFG wird angenommen, dass nicht jeder soziale Grund die Unzumutbarkeit begründen kann, sondern dass dieser ein besonderes Gewicht besitzen muss (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 35; Fuchsloch, in: Gagel [Hrsg.], SGB III, § 64 [1999] Rdnr. 39). Es müsse eine tiefgreifende Entfremdung zwischen den Eltern einerseits und dem Kind andererseits eingetreten sein oder das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch die Eltern oder deren Umfeld gefährdet sein (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 35 f.; Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 52, m.w.N. aus der Judikatur; großzügiger wohl BSG, Urteil vom 02.06.2004, Az.: B 7 AL 38/03 R, NZS 2005, 493 [496], wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 40 Abs. 1 AFG), etwa durch Alkohol, Drogen oder Prostitution (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 35; vgl. auch Petzold, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], § 64 SGB III [2005] Rdnr. 8). Anhaltspunkte hierfür können unangemessene körperliche Züchtigungen oder familiäre Gewalt, fehlende Toleranz im Elternhaus oder unangemessene Überwachungsmaßnahmen sein (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 37). Bloße persönliche Entfremdung und familiäre Spannungen zwischen den Eltern und dem Kind erfüllen die Voraussetzungen nicht ohne weiteres (Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 54 m.w.N. aus der Judikatur); auch wiederholte schlimme verbale Streitigkeiten führen nicht zur Unzumutbarkeit des Zusammenlebens (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2002, Az.: L 2 AL 31/00, Juris, Rdnr. 37). Ebenso wenig genügen der Wunsch des Auszubildenden, sich dem elterlichen Einfluss zu entziehen (Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 54), und die üblichen, altersbedingten Auseinandersetzungen (Buser, in: Eicher/Schlegel [Hrsg.], SGB III, § 64 [2006] Rdnr. 54; Petzold, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], § 64 SGB III [2005] Rdnr. 8).
Diese Maßstäbe sind auf § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II übertragbar (siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34). Insbesondere reicht nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers der Wunsch der jungen Hilfebedürftigen, den elterlichen Haushalt zu verlassen, ebenso wenig aus wie ein unterstellter positiver Effekt, den dies für die Entwicklung hin zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit und die für die Zeit nach der Volljährigkeit anzustrebende Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung haben kann (Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 89; ähnlich LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.03.2007, Az.: L 13 AS 38/07 ER, Juris, Rdnr. 13). Gleiches gilt für den üblichen Generationenkonflikt und gelegentliche verbale Entgleisungen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007, Az.: L 5 AS 29/96, Juris, Rdnr. 34).
(2) Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes kann die Klägerin aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden. Ausschlaggebend für die Kammer war hierbei der Eindruck, den die Mutter der Klägerin, die Zeugin ..., während ihrer Zeugenvernehmung hinterlassen hat. Selbst in der eher Distanz und Zurückhaltung fördernden gerichtlichen Atmosphäre war die Zeugin ... von Anbeginn in einer aggressiven Grundhaltung. Dies wurde nicht einmal in erster Linie durch die durchgehend laute Stimme der Zeugin deutlich, sondern auch durch den mimisch und gestisch zum Ausdruck gebrachten Unwillen, die – aus ihrer Sicht banalen – gerichtlichen Fragen zum Zusammenleben in der familiären Wohnung zu beantworten. Bereits dies hat dem Gericht eine Vorstellung von der Auffassung der Zeugin von einem angemessenen zwischenmenschlichen Umgang und deren nur defizitär vorhandenen Höflichkeit, Geduld und Selbstherrschung vermittelt. Diese Art der Persönlichkeitsentfaltung wird sich in weniger distanzfördernden Zusammenhängen – sprich: im familiären Umgang – verstärken. Damit ist der Vortrag der Klägerin und ihre Darstellung der häuslichen Situation bzw. des vor allem verbal – Lautstärke und Wortwahl betreffend – unverhältnismäßigen Verhaltens ihrer Mutter ihr gegenüber im wesentlichen glaubhaft.
Auf die Häufigkeit tätlicher Auseinandersetzung zwischen der Mutter und der Klägerin kommt es dabei nicht an. Diese wurden von der Klägerin und allen Zeugen in der Tat unterschiedlich geschildert. Bedeutsam ist vielmehr bereits die Aussage der Zeugin ... auf die Frage, ob sie ihre Tochter Anfang des Jahres 2007 gewürgt habe. Die Zeugin antwortete, dass sie sie definitiv nicht gewürgt habe, sondern höchstens getreten hätte. Dies trägt zum Gesamtbild der Mutter, das die Kammer gewonnen hat, bei und beschreibt exemplarisch eine familiäre Situation, die einem jungen Menschen das Verbleiben in der elterlichen Wohnung nicht zumutbar sein lässt. Tritte, also körperliche Gewaltausübung mit den Füssen, stehen außerhalb des Bereiches der als sozial adäquant anzusehenden Erziehungsmitteln, da sie die Achtung der Person als solche in Frage zu stellen geeignet sind. Wenn die Mutter gleichwohl zu Beginn ihrer Vernehmung durch das Gericht die Auffassung vertreten hat, dass sie finde, dass sie zur ihrer Tochter, der Klägerin, ein normales Verhältnis hatte und habe, dann entspricht dies nicht nur nicht dem Verständnis von Normalität einer Mutter-Tochter-Beziehung, das die Kammer seiner Rechtsprechung zugrunde legt, sondern dann manifestiert sich darin auch eine mangelnde Fähigkeit der Mutter zur Selbstreflexion.
Nicht "normal" ist im übrigen auch, dass die Mutter sich für das weitere Schicksal ihrer Tochter nach deren Auszug nicht interessiert. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen beiden besteht nach den übereinstimmenden Angaben beider Personen nicht. Bereits vor rund zwei Jahren hat die Mutter im übrigen den Auszug beider Töchter für mehrere Monate veranlasst, ohne für deren weiteres Wohlergehen erkennbar Sorge getragen zu haben. Die jüngere Tochter war damals erst siebzehn Jahre alt.
Dabei übersieht das Gericht nicht, dass die Vorwürfe der Mutter, die Anlass zu Auseinandersetzungen in der Vergangenheit gegeben haben, nicht völlig unberechtigt waren. Die Klägerin ist sicherlich nicht die "ideale" Tochter, sondern gibt etwa hinsichtlich ihres Ordnungssinnes und ihrer Verlässlichkeit auch objektiv Anlass zur Kritik. Dabei ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei Bewertung des heutigen Verhaltens ihrer Mutter einiges dafür spricht, dass diese Defizite nicht zuletzt auch auf die Erziehungsmethoden der Mutter und deren mangelnde Fähigkeit zur Empathie zurückzuführen sind. Im übrigen steht aber Mitverschulden des Kindes der Annahme, dass ihm die Verweisung auf die elterliche Wohnung nicht zugemutet werden kann, nicht grundsätzlich entgegen. Zwar wird man etwa ein ganz überwiegendes Mitverschulden oder ein eindeutig provozierendes Verhalten des Kindes bei der Bewertung der familiären Situation nicht außen vor lassen können. Die Kammer hat aber aufgrund der Beweisaufnahme nicht den Eindruck gewonnen, dass der Klägerin ein eindeutig überwiegendes Mitverschulden oder gar die Auseinandersetzung gezielt provozierendes Verhalten zur Last gelegt werden kann.
Die familiäre Situation stellt sich damit weitaus schwieriger dar, als dies im Schreiben des zuständigen Kreisjugendamtes vom 31. Januar 2007 an die Beklagte, wo von "sehr eingefahrene[n] Strukturen" die Rede ist, zum Ausdruck gekommen ist. Die Konflikte zwischen Mutter und Tochter werden auch nicht dadurch relativiert oder kompensiert, dass sich das Verhältnis der Klägerin zu ihrem Vater, dem Zeugen ..., konfliktfrei darstellt. Aufgrund der Aussage des Zeugen ... geht die Kammer nämlich davon aus, dass dieser jedenfalls zuletzt nicht mehr mäßigend auf seine Ehefrau eingewirkt hat, sondern sich selbst zurückgezogen und resigniert hat. Seine Beschreibung des Verhaltens seiner Frau – auch ihm gegenüber – kulminierte in der Aussage, dass er selbst am liebsten auch schon davongelaufen wäre, davon aber nur abgesehen hätte, weil dies nur neuen Ärger bringe.
Eine Einlassungen der Schwester der Klägerin, der Zeugin ..., vermögen die familiäre Konfliktsituation nur scheinbar zu relativieren. Zwar ist zu konzedieren, dass die Zeugin die Auseinandersetzungen weit weniger belastend empfunden hat als ihre Schwester, die Klägerin. Dies beruht aber in erster Linie darauf, dass die Zeugin ... insoweit wesentlich belastbarer ist. Dies ist in allen Zeugenaussagen, auch der der Mutter, zum Ausdruck gekommen. Die Zeugin ... hat es selbst so beschrieben, dass sie robuster als die Klägerin sei, die alles in sich "hineinfresse", während es bei ihr selbst "da rein und da wieder raus gehe".
b) Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Heizung und Unterkunft in Höhe von 154,60 EUR monatlich für die Zeit vom 12. April 2007 – dem Einzug in das Frauenhaus, mit dem überhaupt erst Kosten angefallen sind – bis zum 31. Juli 2007. Dieser Anspruch folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dabei war zu berücksichtigen, dass es sich bei den Kosten für Strom nicht um Kosten der Unterkunft und Heizung handelt, sondern diese aus der Regelleistung zu bestreiten sind, so dass sie keine Berücksichtigung finden konnte. Dem Tenor des Urteils steht nicht entgegen, wenn die Beklagte zusätzlich noch die sog. Warmwasserpauschale und die tatsächlich anfallenden Kosten für die Warmwassererzeugung in Abzug bringt.
Dem Anspruch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II steht § 22 Abs. 2a SGB II nicht entgegen. Danach werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sofern sie umziehen, Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat.
aa) Auch § 22 Abs. 2a SGB II gilt für solche Jugendliche und junge Erwachsene, die zwar bislang nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II gewesen sind oder, ohne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gewesen zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben, jedenfalls auch dann, wenn beim Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein werden; auf die Ausführungen unter 1) a) aa) wird verwiesen. Allerdings ist auch bei § 22 Abs. 2a SGB II die Zusicherung entbehrlich, wenn ein Anspruch auf Zusicherung im maßgeblichen Zeitpunkt bestanden hat; dies ist – wie oben ausgeführt – der Fall gewesen.
bb) Anders als bei § 20 Abs. 2a SGB II reicht dies allein allerdings noch nicht aus. Vielmehr bedarf es grundsätzlich eines zumindest konkludenten Antrages auf Erteilung der Zusicherung vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft. Dies folgt aus § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II, nach dem unter den Voraussetzungen des Satzes 2 vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Diese Vorschrift macht nur dann Sinn, wenn die Einholung der Zusicherung zuvor vom Betroffenen initiiert worden sein muss.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Entbehrlichkeit der vorherigen Zusicherung nicht automatisch mit den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung der Zusicherung einhergeht. Das Gesetz stellt an dieser Stelle zwei verschiedene, unabhängig voneinander zur erfüllende Voraussetzungen auf (so wohl auch Kalhorn, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], Sozialgesetzbuch, § 22 SGB II [2007] Rdnr. 54). Es müssen zum einen die genannten Gründe vorliegen, die den kommunalen Träger zur Zusicherung verpflichten. Damit sind materielle Gesichtspunkte angesprochen. Zum anderen muss aber auch die Unzumutbarkeit, die Zusicherung einzuholen, gegeben sein. Hierbei handelt es sich insbesondere um ein zeitliches Element (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 92). Jedenfalls kann nicht ohne weiters vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen im Sinne von § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II auf die Unzumutbarkeit der Einholung einer Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II geschlossen werden (a.A. unter Hinweis auf eine bewusst den Wortlaut überspielende vorgeblich verfassungskonforme Auslegung Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 91), da ansonsten das Tatbestandsmerkmal "aus wichtigem Grund" in § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II neben der dort bereits enthaltenden Bezugnahme auf die Voraussetzungen des Satzes 2 leerliefe. Entsprechend träfe die anspruchsversagende Rechtsfolge des § 22 Abs. 2a SGB II auch denjenigen, der zwar die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zusicherung erfüllt, aber die Einholung der Zusicherung ohne wichtigen Grund unterlassen hat (SG Berlin, Beschluss vom 19.06.2006, Az.: S 103 AS 3267/06 ER). Sie ist nur dann aus wichtigem Grunde unzumutbar, wenn eine Entscheidung des Leistungsträgers wegen der besonderen Dringlichkeit des Auszugs nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 19.06.2006, Az.: S 103 AS 3267/06 ER; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 92).
Die Kammer kann hier indes offen lassen, ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vorliegen. Denn die vorherige Zusicherung ist dadurch entbehrlich geworden, dass die Klägerin zumindest konkludent die Erteilung der Zusicherung beantragt hat und die Beklagte sich stets geweigert hat, die Zusicherung zu erteilen, obwohl die Klägerin hierauf einen Anspruch hatte. Der konkludente Antrag auf Erteilung der Zusicherung ist im Widerspruch vom 23. Januar 2007 zu sehen, mit dem sie die Gewährung des vollen Regelsatzes begehrte, weil sie aus schwerwiegenden Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden könnte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dabei entsprach es billigem Ermessen, die Teilklagerücknahme hinsichtlich der Erstattung der Stromkosten nicht zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, da diese Position in qualitativer und quantitativer Hinsicht nur von nachgeordneter Bedeutung war.
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