L 4 KA 31/18

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 16 KA 845/13
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 31/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Kiel vom 20. September 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars des Klägers für das Quartal I/2009. Der Kläger macht einen Härtefall und Praxisbesonderheiten geltend. In weiteren Berufungsverfahren des Senats sind die Honorare der Quartale II/2009 bis II/2010, I/2011 und I bis III/2012 streitig.

 

Der Kläger ist seit dem Quartal I/2008 in P als Chirurg mit der Schwerpunktbezeichnung Viszeralchirurgie und der Zusatzbezeichnung Proktologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und ab dem Quartal II/2008 in einer Einzelpraxis.

 

Im Quartal I/2008 erzielte die BAG bei ungefähr 1.130 Fällen ein Honorar in Höhe von 94.951,64 €.

 

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger für das Quartal I/2009 eine Obergrenze in Höhe von 18.225,15 € mit. Sie legte 647,2 Fälle mit einem Fallwert von 28,16 € zugrunde und gewährte dem Kläger ein Zusatzbudget für Diagnostische Radiologie in Höhe von 3.236,00 €. Die Fallzahl richtete sich nach dem Durchschnitt der Gruppe der Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie, Plastische Chirurgie, Herzchirurgie und Neurochirurgie, der Fallwert war der der Arztgruppe. Der Bescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, Widerspruch legte der Kläger nicht ein.

 

Am 8. Januar 2009 stellte er einen Härtefallantrag und trug vor, er erleide gegenüber dem Vergleichswert einen Honorarverlust von 20 %. Er sei der einzige außerhalb von Krankenhäusern in S tätige Chirurg mit dem Schwerpunkt Viszeralchirurgie und führe vor allem Hernienoperationen durch. Ferner behandle er als Proktologe sowohl konservativ als auch operativ. Dies seien Praxisbesonderheiten. Es sei fehlerhaft, die Grenze für die Anerkennung eines Härtefalles erst bei einer Fallwertüberschreitung von 30 % anzunehmen. Den Antrag wies das HVM-Team der Beklagten mit Bescheid vom 18. Juni 2009, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, zurück. Der Fallwert des Klägers überschreite den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe nicht um 30 %, sondern lediglich um 22,78 %. Es beständen kein besonderer Versorgungsauftrag und keine bedeutsame fachliche Spezialisierung der Praxis. Es sei keine befristete Ausgleichszahlung zu leisten, da der Kläger keinen Honorarverlust von wenigstens 15 % gegenüber dem Aufsatzquartal erlitten habe, sondern sein Honorar angestiegen sei. Mit seinem Widerspruch vom 11. November 2009 machte der Kläger geltend, sein Fallwert liege konstant bei ungefähr 45,00 €. Die gastroenterologischen Leistungen müssten als Praxisbesonderheit anerkannt werden.

 

Mit Bescheid vom 17. August 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger für das Quartal I/2009 ein Honorar in Höhe von 53.524,44 €. Der Kläger hatte Leistungen, die für ein Regelleistungsvolumen (RLV) relevant waren, in Höhe von 29.663,98 € abgerechnet. Die Budgetüberschreitung in Höhe von 9.164,89 € wurde mit 1.722,85 € (18,80 %) vergütet. Mit seinem Widerspruch vom 2. September 2009 machte der Kläger geltend, er sei einer von lediglich zwei Chirurgen in S, der auch Leistungen der Gastroskopie nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 13400 EBM (Zusatzpauschale Gastro-Duodenoskopie) erbringe. Diese Leistung sei daher fachgruppenuntypisch. Auch die GOP 13421 EBM (Zusatzpauschale Koloskopie) werde lediglich von sechs Ärzten der Fachgruppe abgerechnet. Die starre Grenze von 30 % für die Überschreitung des Fallwertes der Vergleichsgruppe zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit sei willkürlich und rechtswidrig. Bei den Chirurgen liege ein erheblicher oder sogar der überwiegende Teil der Leistungen außerhalb des RLV.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013 wies die Beklagte die Widersprüche hinsichtlich des Quartals I/2009 und der zugleich angefochtenen Quartale II/2009 bis II/2010 zurück. Sie stellte die Rechtslage zu den RLV dar. Bei dem Kläger liege kein Härtefall vor, da sein Honorar in dem Abrechnungsquartal nicht mindestens um 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal abgesunken sei. Es seien auch keine Praxisbesonderheiten anzuerkennen, da besondere Leistungen nicht bewirkt hätten, dass der Fallwert des Klägers den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe in Punkten um mindestens 30 % überschritten habe. An dieser Grenze hätten die Vertragspartner in S festgehalten, auch wenn bundesrechtliche Vorschriften die Möglichkeit eröffneten, von ihr abzuweichen. In dem Quartal I/2009 liege der Fallwert unter diesen Eingangskriterien. Eine Vergütung der Leistungen des Klägers nach den Preisen der regionalen Euro-Gebühren-ordnung sei nicht möglich, denn sie erfordere einen außergewöhnlich starken Anstieg der Zahl der Versicherten wegen Veränderungen äußerer Umstände. Dies könnten urlaubs- oder krankheitsbedingte Vertretungen sein, Aufgabe der Zulassung oder Genehmigung innerhalb einer BAG oder im Praxisumfeld oder ein außergewöhnlicher oder unverschuldeter Grund für eine niedrige Fallzahl im Aufsatzquartal. Diese Voraussetzungen seien hier sämtlich nicht gegeben.

 

Am 30. August 2013 hat der Kläger dagegen bei dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2013 die die Vergütung der einzelnen Quartale betreffenden Verfahren voneinander getrennt.

 

Der Kläger hat vorgetragen, die Gastroskopie nach den GOP 13400 ff EBM sei eine fachgruppenuntypische Leistung, die er als einziger niedergelassener Arzt in S regelmäßig in erheblichem Umfang abrechne, ansonsten erbrächten je nach Quartal nur ein bis drei Ärzte sie in geringfügigem Umfang. Die GOP 13400 EBM sei im Euro-EBM 2009 mit 82,60 € bewertet worden. Hiervon habe er nur einen Bruchteil als Vergütung erhalten. Die Honorarforderung für die Durchführung einer Gastroskopie habe 104,65 € betragen (chirurgische Grundpauschale 07211 EBM: 22,05 € und Zusatzpauschale Gastroduodenoskopie 13400 EBM: 82,60 €). Im RLV seien dafür lediglich 25,00 € vorgesehen. Dadurch habe er erhebliche Honorarabstaffelungen hinnehmen müssen. Die Einbeziehung fachgruppenuntypischer Leistungen in das RLV sei rechtswidrig. Sie verstoße gegen die Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der leistungsproportionalen Vergütung. Hilfsweise mache er einen Härtefall geltend.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Mitteilungen über die RLV sowie die Honorarabrechnung für das Quartal I/09 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2013 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

 

hilfsweise,

die Bescheide des HVM-Teams vom 18. Juni 2009 und 11. Juli 2011 sowie die Honorarabrechnungen der Quartale I/09 bis II/10 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die Berechnung der Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 30 % zur Ermittlung von Praxisbesonderheiten dargestellt.

 

Mit Urteil vom 20. September 2017 hat das Sozialgericht Kiel die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Honorare des Klägers seien zutreffend berechnet. Es sei keine Praxisbesonderheit anzuerkennen. Die Beklagte habe rechtmäßig an dem Aufgreifkriterium von einer Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Fachgruppe um 30 % durch die besonderen Leistungen festgehalten. Diese Grenze habe der Kläger nur in den Quartalen III und IV/2009 überschritten. Auf der Basis der RLV-Berechnung nach den Daten des Quartals II/2008 überschreite der Fallwert des Klägers zwar auch im Quartal II/2009 den Fachgruppendurchschnitt um 32,95 %. Jedoch habe sich die prozentuale Überschreitung nur aus der RLV-Mitteilung ergeben. Nach der Honorarabrechnung betrage die Überschreitung lediglich 27,57 %. Das Quartal II/2008 sei außerdem nicht aussagekräftig, da es das erste Quartal sei, in dem der Kläger als Einzelarzt und das zweite Quartal seiner Zulassung gewesen sei. Im Übrigen hat das Sozialgericht auf die Bescheide des HVM-Teams und den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.

 

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 21. Februar 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die am 21. März 2018 beim Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht eingegangen ist. Der Kläger trägt vor, es sei ein Härtefall wegen der Viszeralchirurgie und der Zusatzbezeichnung Proktologie anzuerkennen. Die GOP 13400 EBM sei im Quartal I/2009 nur von einem weiteren Arzt abgerechnet worden, die GOP 13421 EBM von 5 weiteren Ärzten. Die Häufigkeit der Abrechnungen habe bei ihm bei 14,1 % der Fälle gelegen, bei den anderen Ärzten, die die Leistungen erbracht hätten, bei 6,9 %. Leistungen der Gastroenterologie I würden regelmäßig von Internisten erbracht. Chirurgen böten sie nur bei entsprechender Qualifikation zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung an. Ihm sei damit ein spezieller Versorgungsauftrag übertragen worden. Es sei daher fehlerhaft, auf die Fallwertüberschreitung von 30 % für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit abzustellen. Das Ergebnis verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die Unterscheidung zwischen fachgruppentypischen und fachgruppenuntypischen Leistungen werde aufgehoben. Die Beklagte habe selbst bei einem Hausarzt in einem entsprechenden Fall ein „zweckgebundenes QZV“ eingerichtet. Bezeichnenderweise sei nach dem Quartal III/2010 für Leistungen der Gastroenterologie ein eigenes QZV eingerichtet worden. In dem Honorarverteilungsvertrag (HVV 2013) sei die Möglichkeit eingeräumt, die Gastroskopie (13400 EBM) als besonders förderungswürdige Leistung besonders zu vergüten. Daher sei eine Praxisbesonderheit anzuerkennen.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 20. September 2017 sowie den Bescheid vom 19. Dezember 2008, den Bescheid
des HVM-Teams vom 18. Juni 2009 und den Bescheid vom 17. August 2009, alle in der Fassung des Widerspruchsbe-
scheides vom 31. Juli 2013, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn hinsichtlich der Obergrenze und des Honorars für das Quartal I/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie führt aus, nur fachgruppenuntypische Leistungen könnten die Anerkennung einer Praxisbesonderheit rechtfertigen, wenn sie sich in der Abrechnung widerspiegelten. Daher sei die Überschreitung des Fallwertdurchschnitts der Fachgruppe um 30 % ein geeignetes Kriterium. Der von dem Kläger zitierte Beispielsfall eines internistischen Arztes sei zu einem anderen Sachverhalt ergangen.

 

In der mündlichen Verhandlung haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Verfahrensakte vorgelegen. Wegen der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.


 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingegangen. Sie ist aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Dieses hat zutreffend die Entscheidungen der Beklagten hinsichtlich des Honorars für das Quartal I/2009 bestätigt. Diese sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

 

Der Senat ist nicht gehindert, eine materielle Entscheidung auch über die Mitteilung der Obergrenze vom 19. Dezember 2008 zu treffen, obwohl der Kläger dagegen keinen Widerspruch innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegt hat. Die verständige Auslegung seines Widerspruchs gegen den Honorarbescheid deutet darauf hin, dass er sich auch gegen die Höhe der Obergrenze wenden will.

 

Gemäß § 85 Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungs-gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I Seite 378 – hier wie auch im Folgenden herangezogene Fassung) verteilt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Gesamtvergütungen im Sinne des § 85 Abs. 1 SGB V an die Vertragsärzte. In der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt gemäß der Untergliederung des § 73 SGB V in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Sie wendet bei der Verteilung gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Gemäß Abs. 4 Satz 3 sind bei der Verteilung Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen. Für die Honorarverteilung ab dem 1. Januar 2009 enthält § 87b Abs. 2 SGB V besondere von den Vertragspartnern zu beachtende Bestimmungen. Nach § 87b Abs. 1 SGB V muss ab diesem Stichtag die Vergütung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V erfolgen. Nach § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V sind hierzu ab dem ersten Quartal 2009 zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein RLV in diesem Sinne ist gemäß Abs. 2 Satz 2 die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten sind. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist abweichend von Abs. 1 Satz 1 gemäß Abs. 2 Satz 3 mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden. Die Werte der RLV sind nach § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. Nach § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Abs. 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten.

 

In Ausführung dieser gesetzlichen Vorgaben hat der Erweiterte Bewertungsausschuss (eBewA) nach § 87 Abs. 4 SGB V in Teil F Ziffer 1.2.4 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 bestimmt, dass die Zuweisung der RLV praxisbezogen erfolgt. Die Ausgestaltung der RLV erfolgt in Teil F Ziffer 3.2.1 des Beschlusses vom 27./28. August 2008. Darin ist vorgegeben, dass jeder Arzt einer Arztgruppe gemäß der Anlage 1 des Beschlusses ein arztgruppenspezifisches RLV erhält. Die Höhe des RLV eines Arztes ergibt sich für die in der Anlage 1 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezo­ge-nen arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß der Anlage 2 des Beschlusses und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Ferner sollen die Partner der Gesamtverträge gemäß Ziffer 3.6 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 Regelungen für Praxisbesonderheiten und gemäß Ziffer 3.7 Regelungen als Ausgleich für überproportionale Honorarverluste schaffen.

 

Die Festsetzung des Vertragsinhalts für das Jahr 2009 über die Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen in S erfolgte durch den Beschluss des Landesschiedsamts vom 25. November 2008, der gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2 SGB V an die Stelle der Honorarvereinbarung der Vertragspartner tritt (vgl. BSG vom 21. Dezember 2012 – B 6 KA 21/11 R – SozR 4‑2500 § 87a Nr. 1 – im Folgenden HVV). Der Beschluss enthält insbesondere Regelungen für Ärzte in der Wachstumsphase. Gemäß Teil D Nummer 2.1 HVV erhalten Ärzte, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist, ihre Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl im Abrechnungsquartal bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und dem RLV-Fallwert der Gruppe vergütet. Teil D Nr. 3.2 HVV sieht bei Berufsausübungsgemeinschaften, an denen Wachstumsärzte beteiligt sind, vor, dass neben bestehende RLV der einzelnen Partner die Regelung nach Abs. 2.1 tritt, sodass insgesamt eine Obergrenze zu bilden ist.

Die RLV waren nicht offensichtlich ungeeignet, das vom Gesetzgeber anvisierte Ziel zu erreichen. Das gesetzgeberische Ziel der RLV lag in der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung ärztlicher Tätigkeit im Sinne des § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V (BSG vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – SozR 4-2500 § 87b Nr. 2).

Dieses Regelwerk ist in sich stimmig und die Beklagte hat es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise im Rahmen der Zuweisung des RLV und der Berechnung des Honoraranspruchs des Klägers umgesetzt.

Der Senat sieht sich an dieser Feststellung nicht durch das Urteil des BSG vom 24. Januar 2018 (B 6 KA 2/17 R – SozR 4-2500 § 86b Nr. 13) gehindert. Das BSG hat in dem Urteil die Regelung der HVV D 2.1 über die Bildung einer Obergrenze für Wachstumsärzte für rechtswidrig erachtet, weil sie gegen das zwingende Gebot des § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V zur Einführung von RLV verstoße. Die Regelung in D 2.1 besagt: „Ärzte, die innerhalb des anzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist, bekommen die Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl und RLV-Fallwert der Gruppe nach der Euro-GO vergütet“. Gemäß Ziffer 2.3 erhalten Ärzte, deren individuelle Fallzahl innerhalb der Wachstumsphase ab I/09 erstmalig den Durchschnitt der Gruppe erreicht, für dieses und die folgenden drei Quartale die durchschnittlichen RLV der Fachgruppe zugeordnet. Die Regelung über die Obergrenze haben die Vertragspartner durch Ziffer 3 der 1. Ergänzungsvereinbarung zur HVV vom 12. Februar 2009, die ebenfalls mit Wirkung vom 1. Januar 2009 in Kraft trat, abgeändert. Danach bekommen die Wachstumsärzte die Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und RLV-Fallwert der Gruppe nach der Euro-Gebührenordnung vergütet. Der Senat ist der Rechtsprechung des BSG vom 24. März 2018 gefolgt (Urteil vom 18. September 2018 – L 4 KA 11/16; Urteil vom 5. Februar 2019 – L 4 KA 69/15; Urteil vom 4. Juni 2019 – L 4 KA 4/16 – jeweils in juris). Allerdings ergingen das Urteil des BSG wie auch die des Senats – anders als hier – zu der Wachstumsregelung von neu zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, die in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) eingebunden waren. Der Kläger unterfiel im Abrechnungsquartal dieser Regelung; bis zum Quartal IV/2009 teilte die Beklagte ihm eine Obergrenze mit. Er ist jedoch in einer Einzelpraxis tätig.

In den Fällen, in denen ein Vertragsarzt in einer Einzelpraxis tätig ist, hält der Senat die Wachstumsregelung in D 2.1 der HVV in Verbindung mit Ziffer 3 der 1. Ergänzungsvereinbarung in der dargestellten Ausgestaltung für vereinbar mit § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V. Der Senat berücksichtigt hierbei, dass die Vorschriften eine Bestimmung über die Vergütung, nicht aber über das RLV der Wachstumsärzte enthalten. § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V definiert das RLV als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Diese Voraussetzungen sind durch die „Obergrenze“ im Sinne der HVV D 2.1 erfüllt. Zwar ist sowohl dort als auch in Ziffer 3 der 1. Ergänzungsvereinbarung von einer Obergrenze die Rede; diese von der Gesetzesnorm abweichende Benennung führt jedoch allein nicht zur Rechtswidrigkeit der Regelung, vielmehr ist hierfür deren Ausgestaltung maßgeblich. Die bestimmenden Kernpunkte für ein RLV sind arztgruppenspezifische Grenzwerte und feste Punktwerte für die abgerechneten Leistungen (BSG, Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 73). Der Senat sieht für die etablierten Ärzte und die Wachstumsärzte, die in einer Einzelpraxis arbeiten, keine entscheidenden Unterschiede in der Zuweisung des Honorarvolumens hinsichtlich dieser Kriterien. Beide Arztgruppen bekommen ein Honorarvolumen zugewiesen, das sich aus dem Produkt des vorgegebenen Fallwertes der Arztgruppe mit der Fallzahl errechnet, die wiederum nach individuellen Vorgaben aus der Sphäre des Arztes bestimmt wird. Die Wachstumspraxen unterscheiden sich lediglich in der Weise von den etablierten Praxen, dass die feste Fallzahl bei jenen aus der eigenen Fallzahl im Aufsatzquartal gewonnen wird, so dass bereits im Voraus ein konkreter Honorarbetrag mitgeteilt, bei diesen aus der individuellen Fallzahl bis maximal zum Gruppendurchschnitt gewonnen wird, der ebenfalls als fester Honorarbetrag (Obergrenze) mitgeteilt wird. Gerade diese Regelung, die mit der individuellen Fallzahl im Abrechnungsquartal eine Variable enthält, ist aber erforderlich, um dem Gebot zu entsprechen, dass Wachstumsärzte in die Lage versetzt sein müssen, mit ihren Leistungen den Fachgruppendurchschnitt jederzeit zu erreichen (BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – SozR 4-2500 § 87b Nr. 2) und ändert nichts an dem feststehenden, maximal erreichbaren Honorarvolumen. Die Obergrenze unterscheidet sich ferner darin von dem RLV, dass das Honorar bei ihr von der Fallzahl im Abrechnungsquartal abhängig ist, während es bei den etablierten Ärzten zwar im Aufsatzquartal, nicht aber im Abrechnungsquartal von der Fallzahl abhängt. Dieser Unterschied stellt aber keinen Verstoß gegen § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V dar, denn die Definition des RLV in Satz 2 verlangt keinen vor Quartalsbeginn feststehenden und gemäß Abs. 5 mitzuteilenden Honorarbetrag, sondern stellt auf die Menge der abgerechneten Leistungen ab. Diese ist für die Wachstumsärzte in der Grenze des Fachgruppendurchschnitts in gleicher Weise wie beim RLV im so genannten Sinne gegeben und lediglich zusätzlich von der Fallzahl im Abrechnungsquartal abhängig. Unter Beachtung der Vorgabe, das durchschnittliche Honorar der Fachgruppe erzielen zu können, wäre es zwar auch möglich, den Fachgruppendurchschnitt als RLV im Sinne einer festen und nicht nur maximal erreichbaren Honorargröße für Wachstumsärzte zuzuerkennen. Dies wäre jedoch mit der gesetzgeberischen Zielrichtung in § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V unvereinbar, der arztgruppenspezifische Fallwerte verlangt; theoretisch wäre es damit dem Wachstumsarzt an die Hand gegeben, mit einem einzigen Behandlungsfall den Durchschnitt der Fachgruppe auszufüllen, ohne dass dies auffällig wäre. Da dies nicht hinnehmbar ist und zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung der Wachstumsärzte gegenüber den etablierten Ärzten führen würde, musste die individuelle Fallzahl im Abrechnungsquartal als Korrektiv berücksichtigt werden. In den Fällen, in denen bei den Wachstumsärzten – noch – kein Aufsatzquartal vorhanden wäre, bestände darüber hinaus kein Maßstab für die Bemessung des RLV.

Der Senat stimmt dem BSG in dessen Entscheidung vom 24. Januar 2018 (aaO) zu, dass sich etwas anderes ergibt, wenn der Wachstumsarzt in eine BAG eingebunden ist. Die Notwendigkeit der Fallzuordnung innerhalb der BAG, insbesondere bei ausgeschöpftem RLV/Obergrenze, kann bei Eintritt eines Wachstumsarztes in eine vorbestehende Praxis oder BAG im Sinne der Regelung D 3.2 HVV dazu führen, dass die Obergrenze keine feste, sondern eine flexible Größe für das Honorar des Wachstumsarztes darstellt, die mit dem Gebot der Einrichtung von RLV in § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht vereinbar wäre.

Insgesamt hält der Senat das anzuwendende Regelwerk auch für Wachstumsärzte bei Einzelpraxen damit für rechtmäßig. Die Beklagte hat das Regelwerk zutreffend angewandt. Bei dem Kläger waren weder Praxisbesonderheiten noch ein Härtefall anzuerkennen. Der gerichtlichen Prüfung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten im Verfahren gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid steht nicht entgegen, dass das HVM-Team der Beklagten betreffend die Zuweisung des RLV vom 19. Dezember 2008 und die Honorarabrechnung vom 17. August 2009 über die vom Kläger in den jeweiligen Widerspruchsverfahren vorgetragenen Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte mit Bescheid vom 18. Juni 2009 entschieden hat (vgl. Urteile des Senats vom 13. Juli 2017 – L 4 KA 87/15 und vom 17. Januar .2017 – L 4 KA 55/14 und L 4 KA 53/14 – juris). Eine zusprechende oder ablehnende Entscheidung des HVM-Teams wird nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid, da diese mit jener Entscheidung abgeändert oder bestätigt werden.

Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, gastroenterologische und proktologische Leistungen des Klägers als Praxisbesonderheit anzuerkennen. Bei der Bestimmung der RLV sind nach § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen, wenn dazu Veranlassung besteht. Die Ausgestaltung der Praxisbesonderheiten ist nach § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V dem Bewertungsausschuss (BewA) vorbehalten. Nach Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des eBewA vom 27./28. August 2008 haben die Vertragspartner die weiteren Einzelheiten über die Praxisbesonderheiten zu regeln. Diese Regelung erfolgte durch den Beschluss des Landesschiedsamts vom 29. November, Teil D Ziffer 4 sowie die 1. Ergänzungsvereinbarung der Vertragspartner vom 12. Februar 2009, Ziffer 5.4.2. Danach ist erforderlich, dass die Praxisbesonderheit sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn dadurch der durchschnittliche Gruppenfallwert um 30 % überschritten wird. Von der Öffnungsklausel in Teil A Ziffer 4 des Beschlusses des eBewA vom 27. Februar 2009, aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung von den Vorgaben im Beschluss vom 27./28. August 2008 und damit von der notwendigen Überschreitung in Höhe von wenigstens 30 % abzuweichen, haben die Partner der Gesamtverträge in S keinen Gebrauch gemacht. Diese Rechtslage hat das BSG für rechtmäßig erachtet (BSG, Urteil vom 26. Juni 2019 – B 6 KA 1/18 R – SozR 4-2500 § 87b Nr. 20) und der Senat hat sie mehrfach angewandt (z. B. Urteil vom 16. Juni 2015 – L 4 KA 20/15; Urteil vom 13. Juni 2017 – L 4 KA 87/15).

Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Weder die von ihm abgerechneten gastroenterologischen noch die proktologischen Leistungen führen zu einer Überschreitung des durchschnittlichen Gruppenfallwertes um wenigstens 30 %. Die GOP 13400 EBM hat er im Quartal I/2009 58 mal abgerechnet, die GOP 13421 EBM einmal. Zu einem Praxisschwerpunkt für Proktologie hat der Kläger keine konkreten Gebührenziffern außer der Ziffer 13421 EBM geltend gemacht. Aus der Abrechnungsstatistik ist aber ersichtlich, dass er die GOP 30600 EBM (Zusatzpauschale Prokto-/Rektoskopie) im Quartal I/2009 insgesamt 239 mal abgerechnet hat, dass aber auch 53,1 % der Ärzte der Fachgruppe die Leistung ebenfalls abgerechnet haben. Der Abrechnungsdurchschnitt derjenigen Ärzte der Fachgruppe, die die Leistung ebenfalls abgerechnet haben, lag bei 122,4 Leistungen. Somit kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die gastroenterologischen und die proktologischen Leistungen ein gewisses Schwergewicht in der Praxis des Klägers hatten, ohne dass sie die Grenze von 30 % für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit im Sinne des Regelwerks für die Honorarberechnung überschritten.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte an dieser Grenze festgehalten und weder von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht noch im Fall des Klägers eine Abweichung hiervon vorgenommen hat. Der Bewertungsausschuss (Urteil des BSG vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – aaO) und die Partner der Gesamtverträge haben hierbei grundsätzlich einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Die Grenze von 30 % verstößt nicht gegen den aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz abgeleiteten Grundsatz der Honorargerechtigkeit. Vielmehr haben die Normgeber bei der Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen zu typisieren und zu pauschalisieren. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung besagt zwar, dass die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Da es sich jedoch um einen Grundsatz handelt, verbleibt den untergesetzlichen Normgebern im Rahmen ihrer Rechtsetzungsbefugnis ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen (BSG, Beschlüsse vom 6. November 2002 – B 6 KA 43/02 B und 19. Januar 2017 – B 6 KA 37/16 B, jeweils juris).

Das ist bei Praxisbesonderheiten einer Praxis im Vergleich zur Fachgruppe grundsätzlich der Fall. Die Grenzziehung für eine berücksichtigungsfähige Fallwertüberschreitung im Vergleich zur Fachgruppe erst bei plus 30 % vorzunehmen, ist vertretbar. Dabei hält der Senat es für möglich, nicht nur für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (so das BSG in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1997 (6 RKa 52/96 – juris), sondern auch für die Systematik zur Verteilung des budgetierten Anteils der Gesamtvergütung an die teilnehmenden Vertragsärzte anzunehmen, dass sich Überschreitungen des durchschnittlichen Fallwertes in Punkten um bis zu 20 % noch innerhalb einer normalen Streuung bewegen können. Das ist deshalb gerechtfertigt, weil in die Berechnung des durchschnittlichen Fallwertes in Punkten alle von der Gruppe erbrachten RLV-relevanten Leistungen mit ihrer im EBM niedergelegten Bewertung in Punkten einfließen, und zwar sowohl die hoch als auch die niedrig bewerteten Leistungen. Ferner werden innerhalb des RLV sowohl die typischen als auch die speziellen Leistungen einer Arztgruppe honoriert (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 - B 6 KA 6/13 R – SozR 4-2500 § 87 Nr. 29). Ein im Vergleich zum durchschnittlichen Fallwert der Gruppe erhöhter praxisindividueller Fallwert kann sich dadurch ergeben, dass die Praxis in jedem Behandlungsfall im Vergleich zur Fachgruppe mehr Leistungen erbringt, beispielsweise wenn auch niedrig dotierte fachgruppentypische Untersuchungsmethoden regelmäßig angewandt oder alle fachgruppentypischen Leistungen zwar nicht in signifikant, aber in leicht erhöhtem Umfang erbracht werden. Eine dadurch bedingte Erhöhung des praxisindividuellen Fallwertes in Punkten resultiert dann nicht zwangsläufig aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen fachlichen Spezialisierung der Praxis. Eine signifikante Verschiebung des praxisindividuellen Fallwertes in Punkten gegenüber dem durchschnittlichen Fallwert in Punkten ergibt sich auch dann, wenn eine Praxis eine oder mehrere vergleichsweise hoch dotierte Leistungen zwar nicht in jedem Behandlungsfall, aber im Vergleich zu den übrigen Mitgliedern der Fachgruppe in signifikant höherem Ausmaß erbringt. In einem solchen Fall liegt eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes vor, die berücksichtigungsfähig ist, da sie auf Praxisbesonderheiten beruht. Dass der Bewertungsausschuss und die Partner der Gesamtverträge in S typisierend davon ausgingen, dass sich eine solche Besonderheit erst ab einer Fallwertüberschreitung um 30 % bemerkbar macht, ist nach allem vertretbar. Es war nicht erforderlich, für die Gruppe der Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie, Plastische Chirurgie, Herzchirurgie und Neurochirurgie von diesen Grundsätzen abzuweichen. Dem Kläger ist darin Recht zu geben, dass in der Gruppe unterschiedlich tätige Chirurgen zusammengefasst sind, ohne dass allerdings damit erkennbar wäre, dass die Gruppe heterogen und einem statistischen Vergleich nicht zugänglich wäre. Auch bei der Ausgestaltung der Fachgruppen hat der BewA einen Gestaltungsspielraum; es ist nicht erkennbar, dass dieser verletzt wäre. Dies ergibt sich daraus, dass die Gruppe der Chirurgen sehr groß ist und dass sich dadurch Nivellierungen im Abrechnungsverhalten ergeben. Kurz gesagt: der Kläger mag zwar gastroenterologische und proktologische Leistungen häufiger als die Fachgruppe abgerechnet haben, jedoch zeigt die Anzahlstatistik, dass die Fachgruppe ihrerseits andere Leistungen häufiger als der Kläger abgerechnet hat.

Die Beklagte hat es auch zutreffend abgelehnt, bei dem Kläger einen Härtefall anzuerkennen. Der Beschluss des eBewA vom 27./28. August 2008 enthält in Teil F I 3.7 eine Regelung zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste in Höhe von über 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal durch befristete Ausgleichszahlungen. Diese Regelung hat die HVV vom 25. November 2008 in der Fassung der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12. Februar 2009 in deren Ziffer 5.4.3 übernommen und ferner einen Härtefall angenommen, wenn das Gesamthonorar des Arztes um diesen Prozentsatz gegenüber dem Vorjahreswert gesunken ist (Ziffer 5.4.1). Diese Voraussetzung liegt beim Kläger nicht vor. Im Quartal I/2008 arbeitete er noch in der BAG. Jedoch ist sein Honorar im Quartal I/2009 gegenüber dem anteiligen Honorar im Quartal I/2008 nur gerinfügig anteilig abgefallen. Im Quartal I/2008 betrug das Honorar der BAG bei (zusammen) 1130 Fällen 94.951,64 €, im Quartal I/2009 bei (allein) 653 Fällen 53.524,44 €. Der Falldurchschnitt lag damit im Quartal I/2008 bei 84,03 €, im Quartal I/2009 bei 81,97 €. Das Kriterium von 15 % wird dadurch nicht erreicht, wenn man von einer näherungsweise hälftigen Fallverteilung im Quartal I/2008 ausgeht. Der Kläger hat für ein Absinken um wenigstens 15 % nichts dargetan.

Ein Härtefall liegt auch nicht vor, weil die GOP 13400 und 13421 EBM nach der Euro-Gebührenordnung höher bewertet sind als der Fallwert des Fachgruppendurchschnitts im RLV. Indem das RLV niedriger als der Wert der Leistungen nach der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V liegt, liegt kein Fehler in der Berechnung der RLV bzw. der Obergrenze vor. Es ist nicht erforderlich und nicht realisierbar, dass die RLV die für die Fachgruppen wesentlichen Leistungen zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung mit deren vollen Wert abbilden (ausführlich BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – aaO). Zwar geht § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V von dieser Tatsache als Idealkonzeption aus. Angesichts der gedeckelten und damit begrenzten Gesamtvergütungen ist das Konzept jedoch lediglich als Leitlinie, nicht aber als Grundlage eines für jede Leistung bestehenden Anspruchs auszugestalten. Denn eine steigende Leistungsmenge zu festen Punktwerten führt zwangsläufig zu einer Mengenausweitung im Honorar, die mit der Gesamtvergütung nicht mehr korrespondiert. Unabhängig davon erfolgt über die Gesamtzahl der Fälle eine Nivellierung innerhalb des RLV; ebenso, wie in einzelnen Fällen der Fallwert der Fachgruppe überschritten wird, unterschreiten andere Fälle den Fallwert. Die Praxis erhält nach der Definition des § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V kein RLV für den einzelnen Behandlungsfall, sondern ein RLV für die Gesamtheit der RLV-relevanten Fälle.

Der Härtefall ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger einen Teil des angeforderten Honorars nur in abgestaffelter Höhe erhält. Dies ist bei einem Überschreiten des RLV systemimmanent, ohne dass das System deshalb rechtswidrig wäre. Das BSG und der Senat haben dieses System gleichwohl in der zitierten Rechtsprechung vielfach in seiner Grundkonzeption als nicht rechtswidrig erachtet. Die Abstaffelungen des Honorars des Klägers ergeben sich auch nicht aus einer fehlerhaften Bemessung des RLV oder der Obergrenze, sondern daraus, dass die Praxis von Anfang an einen relativ großen Zuschnitt hatte und keine Wachstumspraxis im eigentlichen Sinne war. Bereits im Quartal I/2009 war sie mit einer Fallzahl in Höhe von 107 % und einem Fallwert in Höhe von 115 % des Fachgruppendurchschnitts überdurchschnittlich groß. Sein Gesamthonorar lag bei nahezu 124 % des Fachgruppendurchschnitts. Er unterfiel bereits zu Beginn des zweiten Jahres seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nicht als Wachstumspraxis der Regelung über die Obergrenze, sondern im Hinblick auf die Regelung in Ziffer 3.2.3 der 1. Ergänzungsvereinbarung zur HVV, nach der bei Erreichen des Fachgruppendurchschnitts während der Wachstumsphase für insgesamt vier Quartale die durchschnittlichen saisonalen RLV der Fachgruppe zugeordnet werden.

Zur Überzeugung des Senats ergibt sich unter keinem relevanten rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch des Klägers auf ein höheres Honorar. Zu Unrecht weist der Kläger darauf hin, dass ab dem Quartal III/2010 für die Leistungen der Gastroskopie ein eigenes qualitätsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) eingerichtet wurde. Das System der RLV/QZV stellt eine Erweiterung des Systems der RLV dar, in welchem den RLV Leistungen entnommen und mit vormals sogenannten freien Leistungen in den QZV zusammengefasst wurden. Mag die Einrichtung der QZV zur besseren individuellen Abbildung der Leistungsverhalten der Vertragsärzte sinnvoll gewesen sein, führt dies jedoch nicht dazu, dass die Regelung der RLV mit ihrer weiter gehenden Pauschalierung rechtswidrig wäre. Aus demselben Grund ist es auch unerheblich, dass die Gastroskopie im HVV 2013 von den Vertragspartnern als besonders förderungswürdige Leistung erachtet wurde. Denn der Bedeutungsgehalt einer Leistung für die vertragsärztliche Versorgung bemisst sich nach den Verhältnissen im jeweils betreffenden Quartal. Schließlich beruft sich der Kläger zu Unrecht darauf, dass in einem vergleichbaren Abrechnungsfall ein zweckgebundenes QZV eingerichtet sein soll. Die Beklagte hat die Vergleichbarkeit der Fälle bestritten. Der Senat sah sich nicht veranlasst, dieser Frage nachzugehen. Im Fall des Klägers besteht keine rechtliche Veranlassung für ein „zweckgebundenes QZV“. Sollte jener Fall tatsächlich vergleichbar sein, wären die Voraussetzungen dort ebenso nicht gegeben. Der Kläger hätte jedoch keinen Anspruch, in einem rechtswidrigen Fall gleich behandelt zu werden. Dass die Beklagte zweckgebundene QZV in ständiger Verwaltungspraxis eingerichtet hätte, aus der sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergeben könnte, legt der Kläger nicht dar. 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat sieht keine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 24. Januar 2018 (B 6 KA 2/17 R – aaO) im Hinblick auf die dem Kläger zugewiesene Obergrenze, da dieser Fall eine Einzelpraxis, jener Fall eine BAG zum Gegenstand hatte. Es war ferner keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage anzuerkennen. Die Entscheidung des Senats betrifft eine alte Rechtslage, da § 87b SGB V nicht mehr in Kraft ist, und die Zahl der noch anhängigen, diese Rechtslage betreffenden Fälle ist begrenzt.

Rechtskraft
Aus
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