L 3 AL 1175/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 2023/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1175/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Anzeige über Arbeitsausfall wird als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bei Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam. Das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg trägt der Anzeigende.
2. Ein verspäteter Zugang der Anzeige über Arbeitsausfall kann weder über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden, noch kann ein früherer Zugang der Anzeige über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R).

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.02.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für März und April 2020 streitig.

Der Kläger führt als alleiniger Inhaber den Hotel- und Gastronomiebetrieb „Landgasthof und Hotel K.“ in K.

Mit zwei am 04.05.2020 unterzeichneten Antragsformularen, auf denen ein maschineller Eingangsstempel der Beklagten vom 05.05.2020 angebracht ist, beantragte er für insgesamt neun Beschäftigte seines Betriebes Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für März 2020 in Höhe von 3.582,72 € und April 2020 in Höhe von 7.952,27 €. Dem Antrag beigefügt war ein an den Sachbearbeiter der Beklagten D. gerichtetes Schreiben des Klägers mit Datum vom 30.04.2020, in dem er auf ein mit diesem geführtes Telefonat vom 30.04.2020 verwies und Angaben zur personellen Situation in seinem Betrieb machte.

Die Beklagte bestätigte dem Kläger mittels E-Mail vom 11.05.2020 den Eingang der Anträge und teilte ihm ergänzend mit, ihr liege noch keine Anzeige über Arbeitsausfall seit 03/2020 vor.

Daraufhin übersandte ihr ein Mitarbeiter der den Kläger betreuenden Steuerberatungsgesellschaft am 13.05.2020 als Anhang zu einer E-Mail eine Anzeige über Arbeitsausfall für die Monate März bis Dezember 2020, die neben der Unterschrift des Klägers das Datum 19.03.2020 enthielt und von der Beklagten auf Blatt 11, 12 der Verwaltungsakte abgelegt wurde. Im Text der E-Mail teilte der Mitarbeiter mit, die Anzeige sei bei dem Kläger bereits Ende März per Post an die in der Anzeige eingetragene Adresse gegangen. Als Empfängeranschrift war in dem Formular die Postanschrift „42172 P.“ (richtig wäre: 75172 P.) eingetragen.

Mit an den Kläger gerichtetem Bewilligungsbescheid vom 28.05.2020 teilte die Beklagte mit, sie bewillige den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld ab dem 01.05.2020 bis längstens zum 31.12.2020, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen (§ 98 SGB III) erfüllten.

Mit zwei Bescheiden vom 02.06.2020 lehnte die Beklagte demgegenüber die Anträge des Klägers auf Erstattung von Kurzarbeitergeld für die Monate März und April 2020 ab. Zur Begründung gab sie jeweils an, ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld setze u.a. voraus, dass der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit schriftlich angezeigt worden sei. Hier fehle es für die jeweiligen Abrechnungsmonate an einer rechtswirksam erstatteten Anzeige des Arbeitsausfalls nach § 99 Abs. 1 SGB III.

Gegen die beiden Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, er habe die Anzeige über Arbeitsausfall am 20.03.2020 zur Post gegeben; dies sei auf einer Kopie der Anzeige, die er bei seinen Unterlagen behalten habe, handschriftlich vermerkt. Im Übrigen habe er sich im April 2020 an die Beklagte gewandt, um sich über die Anmeldung und korrekte Abrechnung von Aushilfskräften während der Kurzarbeit zu informieren. Der Vorgang sei seinerzeit bereits unter seiner „Kug-Nummer“ geführt worden, weshalb für ihn nicht ersichtlich gewesen sei, dass seine Anzeige über Arbeitsausfall bei der Beklagten nicht vorgelegen habe. Mit dem Postausgangsvermerk auf der Kopie der Anzeige sei er seiner Nachweispflicht nachgekommen. Keinesfalls habe er die Frist schuldhaft versäumt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III werde Kurzarbeitergeld frühestens von dem Monat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Das Risiko des rechtzeitigen Zugangs liege beim Kläger; Verzögerungen auf dem Postweg gingen zu seinen Lasten. Im vorliegenden Fall sei der Arbeitsausfall für die Monate März und April 2020 erst mit dem am 05.05.2020 eingegangenen Leistungsantrag angezeigt worden; die Anzeige des Klägers vom 19.03.2020 über Arbeitsausfall ab März 2020 sei bei ihr erst am 13.05.2020 eingegangen. Leistungen kämen daher erst ab Mai 2020 in Betracht. Bei Versäumung der Anzeigefrist sei keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich, ebenso wenig gebe es eine Härtefallregelung.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe am 10.07.2020 erhobenen Klage hat der Kläger nochmals betont, schon im April 2020 in dieser Angelegenheit Kontakt mit der Beklagten gehabt zu haben. Dies ergebe sich auch aus seinem Schreiben vom 30.04.2020: Darin erwähne er eingangs ein Telefonat mit dem Sachbearbeiter D. vom 30.04.2020, stelle dann die Situation in seinem Betrieb dar und bitte abschließend um Information, sollten sich Auswirkungen auf das beantragte Kurzarbeitergeld ergeben. Sofern die Beklagte seine Anzeige über Arbeitsausfall vom 19./20.03.2020 tatsächlich zunächst nicht erhalten habe, hätte sie ihn jedenfalls im April 2020 auf das Fehlen einer Anzeige hinweisen und ihn zur nochmaligen Vorlage auffordern müssen. Das habe sie nicht getan. Wegen der Verletzung der Beratungspflicht sei er im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er den Arbeitsausfall rechtzeitig angezeigt. Dies sei rechtlich möglich. Es gehe hier nicht darum, eine nichtexistierende Anzeige zu fingieren; lediglich die Verspätung der Anzeige würde korrigiert.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, eine verspätete Anzeige über den Arbeitsausfall lasse sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs heilen. Im Übrigen habe sie keine Hinweis- oder Beratungspflichten verletzt: Aus dem Schreiben des Klägers vom 30.04.2020 ergebe sich zwar ein kurzer Telefonkontakt mit der Beklagten, indes sei es in dem Gespräch offenkundig nicht darum gegangen, festzustellen, ob die Anzeige über den Arbeitsausfall erwartungsgemäß eingegangen sei. Ohne konkrete Nachfrage des Klägers habe ihr Mitarbeiter keinen Anlass gehabt, zu prüfen, ob bereits alle für einen Anspruch erforderlichen Unterlagen eingegangen seien.

Das SG Karlsruhe hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.02.2021 abgewiesen. Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld bestehe für März und April 2020 nicht, da der Kläger den Arbeitsausfall der Beklagten nicht rechtzeitig angezeigt habe. Die Anzeige über Arbeitsausfall mit Datum 19.03.2020 sei der Beklagten erst am 13.05.2020 und daher verspätet zugegangen, da Kurzarbeitergeld nach § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III frühestens von dem Kalendermonat an geleistet werde, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Für einen früheren Zugang bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Leistungsanträge seien ebenfalls erst nach dem 30.04.2020 (am 05.05.2020) eingegangen. Telefonisch habe ein Arbeitsausfall am 30.04.2020 nicht wirksam angezeigt werden können. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht beansprucht werden, da die Regelung des § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III keine Frist, sondern den Beginn der Leistung normiere. Auch könne der Kläger nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er den Arbeitsausfall bereits im März oder April 2020 angezeigt. Denn bei der früheren Anzeige eines Arbeitsausfalls handle es sich um ein tatsächliches Verhalten, das rückwirkend herzustellen nicht in der Verfügungsmacht der Beklagten stehe. Da Kurzarbeitergeld nicht beansprucht werden könne, scheide auch die Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung als Annexleistung aus.

Der Kammervorsitzende des SG Karlsruhe hat den Gerichtsbescheid am 25.02.2021 qualifiziert elektronisch signiert, nicht jedoch am Ende des Dokuments nach der Rechtsmittelbelehrung mit seinem Namen versehen. Die Zustellung des Gerichtsbescheids ist bei dem Kläger und bei der Beklagten jeweils am 04.03.2021 erfolgt.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.03.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und angeregt, die Beklagte zur Auskunft darüber aufzufordern, wann die Verwaltungsakte mit dem streitigen Vorgang angelegt worden sei. Die mit dem Widerspruchsschreiben des Klägers vom 27.06.2020 übersandte Kopie der Anzeige über Arbeitsausfall vom 19.03.2020 enthalte eine von der Ehefrau des Klägers angebrachte handschriftliche Notiz „Per Post am 20.03.2020“. Diese habe die Anzeige auch zur Post gegeben. Unzutreffend sei die Auffassung des SG Karlsruhe, es gebe keinen Beleg für die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe bereits beim Telefonat vom 30.04.2020 eine Kug-Nummer genannt, was auf einen bereits vorhandenen Vorgang nach Anzeige der Kurzarbeit hindeuten würde. Die Anzeige über Arbeitsausfall vom 19.03.2020, von der der Kläger mit seinem Widerspruchsschreiben vom 27.06.2020 eine Fotokopie zur Akte gereicht habe, finde sich auf den Blättern 11 und 12 der Verwaltungsakte im Original. Insoweit fehle es an einem Eingangsstempel oder einem von der Beklagten dargestellten Zustellungsnachweis. Darüber hinaus sei der Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zumindest so zu stellen, als hätte er die Anzeige über Arbeitsausfall noch am 30.04.2021 an die Beklagte übermittelt. Denn diese habe es pflichtwidrig versäumt, den Kläger darauf hinzuweisen, dass ihr keine Anzeige eines Arbeitsausfalls vorliege. Es habe auf Seiten der Beklagten eine Spontanberatungspflicht bestanden, da der Kläger der Kohorte „Corona/Betriebsschließungen bei Gastwirten“ angehört habe. Im Übrigen treffe die Beklagte auch bei klar zutage getretener Gestaltungsmöglichkeit eine Hinweispflicht, welcher der Sachbearbeiter D. pflichtwidrig nicht nachgekommen sei. Folge des Telefonats vom 30.04.2020 hätte sein müssen, die Anzeige über Arbeitsausfall zu suchen oder, wenn nicht auffindbar, deren Nichtvorliegen dem Kläger unverzüglich mitzuteilen.

 

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.02.2021 und die Bescheide der Beklagten vom 02.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März und April 2020 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die elektronische Akte Kurzarbeitergeld sei am 05.05.2020 anlässlich des Eingangs des Antrages vom 04.05.2020 und des Schreibens des Klägers vom 30.04.2020 angelegt worden. Eine Anzeige habe nicht vorgelegen, weshalb sie mit E-Mail vom 11.05.2020 angefordert worden sei. Die Anzeige vom 19.03.2020 sei im Original nicht eingegangen. Auf Blatt 11 und 12 ihrer Akte befinde sich eine vom Steuerberater des Klägers am 13.05.2020 per E-Mail-Anhang eingereichte Kopie. Außerdem sei noch eine Kopie als Anlage zum Widerspruch eingereicht worden. Zum Zeitpunkt des Telefonats habe die Akte noch nicht bestanden. Es sei daher davon auszugehen, dass es sich bei dem Telefonat um eine allgemeine Auskunft gehandelt habe. Eine Kug-Nummer sei noch nicht zugeteilt gewesen. Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, dass er sich bei dem Telefonat nach dem Eingang der Anzeige erkundigt habe.

Den fehlenden Namenszug am Ende des Gerichtsbescheides hat der Kammervorsitzende des SG Karlsruhe nach einem Hinweis des Senats am 17.06.2021 ergänzt und die Beteiligten davon mit Schreiben vom 18.06.2021 in Kenntnis gesetzt.

Der Vorsitzende hat den Kläger im Erörterungstermin vom 06.12.2021 persönlich angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden anstelle des Senats ohne ehrenamtliche Richter gemäß § 155 Abs. 3 SGG sowie ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Der Vorsitzende ist aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten befugt, anstelle des Senats ohne ehrenamtliche Richter gemäß § 155 Abs. 3 SGG (Knittel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, § 155 Rn. 89) sowie durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG zu entscheiden. Er nimmt in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens von dieser Befugnis Gebrauch, da keine Umstände ersichtlich sind, den Rechtsstreit einer Entscheidung durch den gesamten Senat vorzubehalten, zumal die sich stellenden Rechts- und Tatfragen in der Rechtsprechung bereits umfassend geklärt sind und es deshalb einer besonderen Verfahrensbehandlung durch einen größeren Spruchkörper nicht bedarf (vergleiche LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.03.2010 – L 18 (2) KN 268/09, juris Rn. 14-15)

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaft, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt sowie auch im Übrigen zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht insbesondere nicht entgegen, dass der erstinstanzliche Gerichtsbescheid anfänglich die Voraussetzungen des § 65a Abs. 7 Satz 1 SGG nicht erfüllt hat, indem er bei Erlass am 25.02.2021 zwar vom Kammervorsitzenden qualifiziert elektronisch signiert, nicht aber am Ende mit seinem Namen versehen worden ist. Der angefochtene Gerichtsbescheid stellt kein „Scheinurteil“ dar. Er ist weder unwirksam noch formfehlerhaft. Denn der Kammervorsitzende hat die fehlende Namensangabe am 17.06.2021 und damit vor Ablauf der Fünf-Monats-Frist nach Erlass des Gerichtsbescheides am 25.02.2021 ergänzt, indem er eine gesonderte Datei mit seinem Namenszug am 17.06.2021 qualifiziert signiert hat, welche dann mit dem Gerichtsbescheid 25.02.2021 untrennbar verbunden worden ist. Die Beteiligten hat er hiervon mit Schreiben vom 18.06.2021 in Kenntnis gesetzt. Nachdem das Fehlen einer Unterschrift unter einer im schriftlichen Verfahren ergangenen Entscheidung jedenfalls innerhalb der Fünf-Monats-Frist nachgeholt werden kann, ist der anfängliche Mangel hierdurch geheilt worden (vgl. BSG, Beschluss vom 10.10.2018 – B 13 R 265/17 B, juris Rn. 7).

Zwar ist in Verfahren über die Gewährung von Kurzarbeitergeld grundsätzlich die Betriebsvertretung notwendig beizuladen, weil die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG). Dies gilt indes nicht, wenn – wie hier – eine Betriebsvertretung nicht vorhanden ist (BSG, Urteil vom 14.02.1989 – 7 Rar 18/87, juris Rn. 22 m.w.N.). Der Kläger hat in der in Kopie zur Verwaltungsakte gelangten, am 19.03.2020 von ihm unterzeichneten Anzeige über Arbeitsausfall auf die entsprechende Frage angegeben, dass in seinem Betrieb keine Betriebsvertretung (Betriebsrat) vorhanden ist. An der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln, hat das Gericht keinen Anlass, nachdem es sich bei dem vom Kläger betriebenen „Landgasthof und Hotel K.“ um einen kleineren, inhabergeführten und gemäß den weiteren Angaben in der Anzeige über Arbeitsausfall auch nicht tarifgebundenen Betrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes handelt.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Karlsruhe vom 25.02.2021 die Aufhebung der Ablehnungsbescheide der Beklagten vom 02.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2020 und Verurteilung der Beklagten, dem Kläger auf seine am 05.05.2020 eingegangenen Anträge Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März und April 2020 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dieses prozessuale Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Abs. 4 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG Karlsruhe hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld und pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März und April 2020, weil er den Arbeitsausfall nicht rechtzeitig, d. h. vor dem 01.05.2020, angezeigt hat. Nach § 95 Satz 1 Nr. 4 SGB III in der Fassung vom 20.12.2011 ist u. a. Voraussetzung für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, dass der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Dies wird in § 99 SGB III konkretisiert: Hiernach ist der Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 29.03.2017). Kurzarbeitergeld wird nach § 99 Abs. 3 Satz 1 SGB III frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Die Anzeige ist eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist, die gemäß § 130 Abs. 1 BGB mit dem Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam wird (vgl. Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 6; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/2020, § 99 SGB III, Rn. 6; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand 02.02.2021, § 99 Rn. 18).

Schriftlich ist die Anzeige der Agentur für Arbeit K.-R. als zuständiger Widerspruchsstelle erstmals am 01.07.2020 in Gestalt einer Kopie der nicht bei den Akten der Beklagten befindlichen Originalanzeige als Anlage zur Widerspruchsschrift des Klägers vom 27.06.2020 zugegangen. Elektronisch ist der Arbeitsausfall der für den Betriebssitz des Klägers zuständigen Agentur für Arbeit P. erstmals in Gestalt einer Datei im „pdf-Format“ als Anhang einer E-Mail eines Mitarbeiters der den Kläger betreuenden Steuerberatungsgesellschaft am 13.05.2020 zugegangen. Diesen Zugang sieht das Gericht – ebenso wie die Beklagte ausweislich ihrer Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid – als wirksam an, obwohl die übersandte „einfache“ E-Mail mit der angefügten pdf-Datei mangels qualifizierter elektronischer Signatur nicht der elektronischen Form des § 36a Abs. 2 Satz 2 SGB I in der vom 01.11.2019 bis 08.06.2021 in Kraft gewesenen Fassung vom 21.06.2019 entsprochen hat und auch keiner der in § 36a Abs. 2 Satz 4 SGB I aufgeführten Zugangswege gewählt worden ist. Denn die Beklagte hat spätestens ab Anfang Mai 2020 einen elektronischen Zugangsweg für die Kommunikation per E-Mail i. S. d. § 36a Abs. 1 SGB I eröffnet (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 – B 14 AS 51/18 R, SozR 4-4200 § 37 Nr. 9, juris Rn. 16), indem sie angesichts der „Anzeigeflut“ der Corona-Pandemie ermöglicht hat, dass ergänzend zu den bis dato möglichen Zugangswegen das Anzeigeformular heruntergeladen, elektronisch ausgefüllt und ausgedruckt werden konnte, um dann nach Unterschrift des Arbeitgebers und – ggf. – Betriebsrats anschließend eingescannt als pdf-Datei per E-Mail an die zuständige Agentur für Arbeit gesandt zu werden (vgl. Gagel/Bieback, 80. EL Dezember 2020, SGB III § 99 Rn. 20c).

Von einem früheren Zugang konnte sich das Gericht auch nach Anhörung des Klägers im Erörterungstermin vom 06.12.2021 nicht überzeugen. Zwar hat der Kläger im Termin vorgetragen, dass seine Frau die Anzeige über Arbeitsausfall am 20.03.2020 zur Post gegeben habe und auf den auf der Kopie der Anzeige angebrachten Postabgangsvermerk verwiesen. Auch hat er angegeben, dass die maschinenschriftlich eingetragene fehlerhafte Postleitzahl („42172 P.“) vor Absendung korrigiert worden sei. Ob dies zutrifft, kann offenbleiben. Denn wirksam wird die Anzeige als öffentlich-rechtliche Willenserklärung (s. o.) erst mit Zugang bei der Beklagten. Das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg trägt der Kläger (vgl. BSG, Urteil vom 05.02.2004 – B 11 AL 47/03 R, SozR 4-4300 § 325 Nr. 1, juris Rn. 11 unter Berufung auf BSG SozR 3-4100 § 81 Nr. 1 m. w. N.) Indes bestehen für einen postalischen Zugang des Schreibens bei der zuständigen Agentur für Arbeit Pforzheim keinerlei Anhaltspunkte und ein Verlust des Schreibens auf dem Postweg fällt in die Risikosphäre des Absenders. So enthalten die Verwaltungsakten die Original-Anzeige vom 19.03.2020 nicht und es fehlt an jeglichen Indizien, die darauf schließen lassen könnten, dass diese der Beklagten vor dem 13.05.2020 postalisch zugegangen und nachfolgend dort in Verstoß geraten sein könnte. Denn die Beklagte hat auf den Vortrag des Klägers, wonach nicht ersichtlich sei, wann die elektronische Verwaltungsakte angelegt worden sei, versichert, dass die elektronische Akte Kurzarbeitergeld erst am 05.05.2020 anlässlich des Eingangs der Anträge auf Kurzarbeitergeld vom 04.05.2020 und des Begleitschreibens des Klägers vom 30.04.2020, welche auch die ersten in der Akte gespeicherte Dokument sind, angelegt worden ist und die Anzeige vom 19.03.2020 bei ihr im Original nicht eingegangen ist. Gegen einen vorherigen Eingang der Anzeige spricht ebenfalls der Umstand, dass eine Sachbearbeiterin der Beklagten mit an den Kläger gerichteter E-Mail vom 11.05.2020 auf die fehlende Anzeige über Arbeitsausfall seit März 2020 hingewiesen und diesbezüglich um Rückmeldung gebeten hat.

Die Behauptung des Klägers, bei dem telefonischen Gespräch vom 30.04.2020 sei vom Sachbearbeiter der Beklagten D. eine „Kug-Nummer“ genannt worden, sieht das Gericht als widerlegt an, nachdem der Kläger im Erörterungstermin vom 06.12.2021 selbst glaubhaft dargelegt hat, dass es in dem am 30.04.2020 geführten Telefonat um „allgemeine Dinge“ ging, weshalb er es auch selbst als unwahrscheinlich bezeichnet hat, in dem Gespräch von dem Mitarbeiter des Beklagten nach seiner Betriebsnummer gefragt worden zu sein. Dann aber hat für diesen auch kein Anlass bestanden, dem Kläger eine Kug-Nummer zu nennen. Die vom Kläger angeführte Bautätigkeit am Gebäude der zuständigen Agentur für Arbeit P., die er am 08.07.2020 „eingerüstet“ vorgefunden hat, stellt kein Indiz dafür dar, dass die Anzeige über Arbeitsausfall dort postalisch zugegangen und nachfolgend in Verstoß geraten ist. Denn nach den Ausführungen des Klägers hat eine Erreichbarkeit der Agentur über den Hausbriefkasten auch während der Bauarbeiten bestanden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Antrag auf Kurzarbeitergeld ggf. als fristwahrende Anzeige eines Arbeitsausfalls ausgelegt werden kann. Denn die beiden Leistungsanträge des Klägers für März und April 2020 sind der Beklagten erst am 05.05.2020 zugegangen, also ebenfalls erst nach dem 30.04.2020. Das Telefonat vom 30.04.2020 stellt keine wirksame Anzeige eines Arbeitsausfalls dar. Die Anzeige muss schriftlich oder elektronisch erfolgen, eine bloß telefonische Anzeige ist nicht ausreichend.

Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. MKLS/B. Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 103 Rn. 19a). Für einen Zugang der Anzeige über Arbeitsausfall bei dem Beklagten vor dem 01.05.2020 trägt mithin der Kläger die objektive Beweislast. Somit hat die Nichterweislichkeit eines Zugangs vor dem 01.05.2020 zur Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf Kurzarbeitergeld und pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März und April 2020 nicht besteht.

§ 99 Abs. 3 Satz 2 SGB III greift hier nicht zugunsten des Klägers ein. Zwar gilt, wenn der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist. Ein unabwendbares Ereignis liegt nach der gesetzlichen Definition in § 96 Abs. 3 SGB III insbesondere vor, wenn ein Arbeitsausfall auf ungewöhnlichen, von dem üblichen Witterungsverlauf abweichenden Witterungsverhältnissen beruht. Ein unabwendbares Ereignis liegt auch vor, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind. Die Corona-Pandemie, die ab Mitte März 2020 zu erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und insbesondere auch der Gastronomie in Baden-Württemberg geführt hat, ist als unabwendbares Ereignis in diesem Sinne anzusehen (so Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III, § 96 Rn. 22 i. V. m. § 99 Rn. 14). Vorliegend greift die speziellere Norm des § 96 Abs. 3 Satz 2 SGB III ein, denn behördliche Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie stellen unabwendbare Ereignisse dar, wenn sie den Betrieb unmittelbar selbst betreffen (so Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III, § 96 Rn. 24), was hier der Fall gewesen ist. Denn durch § 5 der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO vom 16.03.2020, in Kraft getreten am 17.03.2020) wurde der Betrieb von Gaststätten mit Ausnahme von Speisegaststätten, deren Plätze in mindestens 1,5 Meter Abstand angeordnet waren, grundsätzlich untersagt. Durch Art. 1 Nr. 4 der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg zur Änderung der CoronaVO vom 20.03.2020 (in Kraft getreten am 21.03.2020), wurde schließlich der Betrieb aller Speisegaststätten in Baden-Württemberg mit Ausnahme des Außer-Haus-Verkaufs bis zum 19.04.2020 vollständig untersagt.

Nach ihrem Sinn und Zweck ist die Regelung des § 99 Abs. 3 Satz 2 SGB III, die als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist, jedoch Fällen vorbehalten, in denen es dem Arbeitgeber oder einer Betriebsvertretung bei durch ein unabwendbares Ereignis begründetem Arbeitsausfall nicht möglich gewesen ist, bis zum Ende des Monats, in dem der Arbeitsausfall eingetreten ist, diesen ordnungsgemäß anzuzeigen, etwa weil der Betrieb durch das unabwendbare Ereignis stark beeinträchtigt worden ist und/oder das Ereignis am oder kurz vor dem letzten Tag des Monats eingetreten ist (Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/20, § 99 SGB III, Rn. 16; Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 14). Das trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Weder hat die Corona-Pandemie selbst noch haben die im Zuge dessen seitens der Landesregierung am 16.03.2020 und 20.03.2020 verfügten Einschränkungen des Gaststättenbetriebes den Kläger daran gehindert, die Anzeige über Arbeitsausfall der zuständigen Agentur für Arbeit bis zum 31.03.2020 zukommen zu lassen. Das zeigt der Umstand, dass er eine vollständig ausgefüllte Anzeige über Arbeitsausfall bereits am 19.03.2020 unterzeichnet hatte, welche jedoch der Beklagten erst am 13.05.2020 und somit nicht „unverzüglich“ i. S. d. § 121 BGB zugegangen ist.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X kann dem Kläger ebenfalls nicht gewährt werden (vgl. zu § 66 AFG als Vorgängervorschrift des § 99 Abs. 2 SGB III: BSG, Urteil vom 14.02.1989 – 7 Rar 18/87, juris Rn. 26; zu der Regelung in § 37 Abs. 2 SGB II vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R, juris Rn. 23; Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 29/10 R, juris Rn. 11). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. In § 95 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 SGB III wird aber weder eine Frist festgesetzt, noch handelt es sich bei der Anzeige über Arbeitsausfall um eine Verfahrenshandlung, auf die § 27 SGB X in erster Linie Anwendung findet. Statuiert wird vielmehr eine materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wobei in § 99 Abs. 2 SGB III die Rechtsfolge für den Zeitpunkt der Anzeige festlegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.1989 – 7 Rar 18/87, a.a.O.; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand 02.02.2021, § 99 Rn. 40; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/20, § 99 SGB III, Rn. 15, Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 6).

Der Kläger kann schließlich auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er den Arbeitsausfall bereits im März oder April 2020 angezeigt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R, juris Rn. 24). Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also – abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen beziehungsweisen unrichtigen Beratung –, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Umgekehrt bedeutet dies, dass in Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum bleibt. Mit Hilfe des Herstellungsanspruchs lässt sich der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur beziehungsweise Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 12.10.1979 – 12 RK 47/77; BSG, Urteil vom 22.02.1980 – 12 RK 34/79; BSG, Urteil vom 17.12.1980 – 12 RK 34/80; BSG, Urteil vom 23.09.1981 – 11 RA 78/80; BSG, Urteil vom 24.03.1983 – 1 RJ 92/81; BSG, Urteil vom 15.05.1985 – 7 RAr 103/83; BSG, Urteil vom 25.10.1985 – 12 RK 42/85; BSG, Urteil vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84; BSG, Urteil vom 29.09.1987 – 7 RAr 23/86; BSG, Urteil vom 24.03.1988 – 5/5b RJ 84/86; BSG, Urteil vom 25.10.1989 – 7 RAr 150/88; BSG, Urteil vom 12.06.1992 – 11 RAr 65/91; BSG, Urteil vom 23.07.1992 – 7 RAr 38/91; BSG, Urteil vom 30.03.1995 – 7 RAr 22/94; BSG, Urteil vom 17.07.1997 – 7 RAr 106/96; alle veröffentlicht in juris; vergleiche Lilge in: Lilge, Kommentar zum SGB I, 4. Aufl. 2016, Vorbemerkungen zu §§ 13 bis 15 Rn. 27, 27a).

Letzteres ist hier nicht der Fall. Das Vorliegen einer Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit bereits im März oder April 2020 lässt sich durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht fingieren. Das Vorliegen der Anzeige bei der Beklagten kann als fehlende materielle Anspruchsvoraussetzung nicht „hergestellt“ werden. Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Arbeitsagentur mit der Anzeige über Arbeitsausfall in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in dem jeweiligen Betrieb verwirklicht sind, was nach § 98 Abs. 4 SGB III die Prüfung von Vermittlungsmöglichkeiten umfasst, wobei die betroffenen Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Mitwirkung verpflichtet sind. Dies aber kann nicht rückwirkend erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.1989 – 7 Rar 18/87, a.a.O. Rn. 28 f.; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand 02.02.2021, § 99 Rn. 41; Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 7).

Der Kläger hat nach alledem auch keinen Anspruch auf eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für März und April 2020. Dem Arbeitgeber werden für Arbeitsausfälle bis zum 31.12.2020 die von ihm während des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach § 95 SGB III allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung auf Antrag von der Agentur für Arbeit in pauschalierter Form erstattet (§ 109 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. § 2 Abs. 1 KugV in der Fassung vom 25.03.2020). Hierbei handelt es sich um eine Annexleistung zum Kurzarbeitergeld. Nach dem klaren Wortlaut der Regelung setzt sie dessen „Bezug“ voraus. Besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, scheidet daher auch die Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung aus. Wie ausgeführt, steht dem Kläger für März und April 2020 kein Kurzarbeitergeld zu. Angesichts dessen kann er auch keine pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für diese Monate beanspruchen.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG,

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe hierfür vorliegt.

 

 

Rechtskraft
Aus
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