S 2 AL 1377/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 1377/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.) Für das Tatbestandsmerkmal „die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist“ in § 131a Abs. 3 SGB III kommt es auf die Regelausbildungsdauer an. Eine Verkürzung der Ausbildungsdauer auf ein Jahr wegen Anrechnung eines erworbenen Abschlusses steht einer Prämiengewährung nicht entgegen.

2.) Das Tatbestandsmerkmal „die an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen“ in § 131a Abs. 3 SGB III verweist lediglich auf die Erforderlichkeit der Durchführung des Bildungsgutscheinverfahrens (§ 81 Abs. 4 SGB III); die Gewährung einer Weiterbildungsprämie ist deshalb auch bei einer nach § 82 SGB III erfolgenden Förderung der Weiterbildung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Tenor:

Der Bescheid vom 31.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2021 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Weiterbildungsprämie von 1.500,00 € zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe:

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Weiterbildungsprämie.

Die Klägerin ist ausgebildete Heilerziehungspflegerin und arbeitete seit August 2019 im P. G. Heim in der Sozialen Betreuung. Mir Ihrer Ausbildung durfte sie dort nicht alle Tätigkeiten als Altenpflegerin ausüben, weil ihr die erforderliche altenpflegerische Grundausbildung fehlte.

Die Klägerin sprach deshalb bei der Beklagten vor, wo man am 03.12.2019 in einem Vermerk festhielt, dass die Klägerin in der Altenpflege nur voll eingesetzt werden könne, wenn sie über den Abschluss der examinierten Altenpflegerin verfüge. Die Ausbildung könne nach Rücksprache der Klägerin mit dem Regierungspräsidium um zwei Jahre verkürzt werden, wenn die Klägerin im April Jahr 2020 in die Ausbildung einsteige. Ein Schulplatz (…) sei sichergestellt. Die Klägerin sei nicht geringqualifiziert, weil sie über eine abgeschlossene Ausbildung verfüge und keine Berufsentfremdung vorliege. Eine Förderung sei deshalb nur über § 82 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) möglich. Dort müsse der derzeitige Arbeitgeber mit mindestens 50 % der Lehrgangskosten beteiligt werden.

Die Beklagte stellte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 02.03.2020 einen Bildungsgutschein für die Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin aus, welchen die Klägerin am 11.03.2020 unterschrieben vorlegte.

Mit Bescheiden vom 13.07.2020, 25.11.2020 und 29.04.2021 bewilligte die Beklagte für die Maßnahme in der Zeit vom 01.04.2020 bis 31.03.2021 Fahrtkosten.

Am 25.03.2021 bestand die Klägerin mit jeweils ausreichender Leistung im schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil die staatliche Prüfung in der Altenpflege nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Altenpflegegesetz.

Unter dem 25.03.2021 beantragte sie bei der Beklagten die Zahlung einer Weiterbildungsprämie von 1.500,00 € für das Bestehen der Abschlussprüfung und fügte das Zeugnis vom 25.03.2021 bei.

Eine Vermittlungsfachkraft der Beklagten leitete den Antrag am 29.03.2021 „mit positiver Stellungnahme im Haus weiter und bestätigte gegenüber der Klägerin mit E-Mail vom selben Tag, dass die Weiterbildungsprämie bewilligt und zur Auszahlung weitergeleitet worden sei. Weder der Inhalt der „positiven Stellungnahme“, noch die genannte E-Mail sind Gegenstand der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte.

Mit Bescheid vom 31.03.2021 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Weiterbildungsprämie ab. Die Weiterbildungsprämie könne nicht bewilligt werden, da bereits ein Berufsabschluss erworben worden sei. Eine Zahlung der Weiterbildungsprämie sei nur nach § 81 SGB III möglich. Da die Weiterbildung über § 82 SGB III gefördert worden sei, könne dem Antrag nicht entsprochen werden. Eine Prämie könne nicht gewährt werden.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Ausbildungsprämie sei im der Klägerin ausgehändigten Merkblatt Nr. 6 genannt. Die Zahlung sei ihr gegenüber sogar in Aussicht gestellt worden. Über eine Änderung der Maßnahme sei sie nicht informiert worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterbildung nach § 81 Abs. 1, Abs. 2 SGB III habe nicht vorgelegen, da die Klägerin über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Heilerziehungspflegerin verfüge und keine Berufsentfremdung im Sinne des § 81 Abs. 2 Nr. 1 SGB III vorgelegen habe. Dagegen hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 82 SGB III vorgelegen. Der Bildungsgutschein vom 11.03.20 für die Gültigkeitsdauer sei „gem. § 81 Abs. 4 SGB III" ausgestellt, da diese Vorschrift auch im Rahmen von Förderungen nach § 82 SGB III anzuwenden sei, was sich aus § 82 Abs. 4 S. 1 SGB III ergebe. Keinesfalls könne sich die Klägerin auf einen „Vertrauensschutz" berufen, zumal es darauf vorliegend nicht ankomme. Nur der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin von ihrer zuständigen Vermittlungsfachkraft von Anfang an, insbesondere aber im Gespräch am 03.12.2019, darüber informiert worden sei, dass eine Förderung ihrer Bildungsmaßnahme zur examinierten Altenpflegerin nur über § 82 SGB III erfolgen könne. Darauf habe auch die Rechtsbehelfsstelle in einem anderen Klageverfahren, in dem es um eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gegangen sei, in ihrer damaligen Klageerwiderung vom 13.04.2020 hingewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.05.2021 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.

Das Gericht hat einen rechtlichen Hinweis erteilt und darauf hingewiesen, es teile die bereits früher vertretene Auffassung der Beklagten, wonach eine Aufstiegsqualifikation nicht von § 131a Abs. 3 SGB III erfasst werde, nicht. Soweit die Beklagte vertrete, eine Weiterbildungsprämie sei im Rahmen von § 82 SGB III nicht möglich, werde diese Auffassung ebenfalls nicht geteilt, weil sich aus der Gesetzesbegründung zu § 131a SGB III ergebe, dass die Förderung insbesondere auch für „beschäftigte Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten“ gedacht sei. Entsprechend sei davon auszugehen, dass die Prämie auch Personen zustehe, die wie die Klägerin einen Bildungsgutschein über § 82 Abs. 4 SGB III erhalten würden.

Zur Begründung vertieft die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Von Anfang an habe sie offen kommuniziert, dass sie sich darum bemühe, die angestrebte Ausbildung zu verkürzen und die angestrebte Qualifizierung innerhalb eines Jahres erlangen zu können. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe aufgrund der Vorausbildung bestätigt, dass die Ausbildung in der Altenpflege um maximal zwei Jahre verkürzt werden könne. Den Beruf der Heilerziehungspflegerin habe die Klägerin nach Ende ihrer Ausbildung sechs Jahre ausgeübt. Da dieser Beruf es lediglich erlaube, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zu arbeiten und nicht in einer Pflegeeinrichtung, sei mit der Beklagten eine Förderung erörtert worden. Da im September 2020 der Ausbildungsberuf zur Altenpflegerin durch den Beruf der Pflegefachfrau abgelöst worden sei, was einem völlig neuen Ausbildungskonzept entsprochen und einer Verkürzung der Ausbildungszeit im Wege gestanden hätte, habe die Beklagte dem Förderungsersuchen zugestimmt. Sie verweise erneut auf die fehlende Transparenz zum Merkblatt Nr. 6, wonach nicht einmal im Ansatz darauf hingewiesen werde, dass man nach einem bestimmten Paragraphen gefördert werden müsse. Natürlich mache es Sinn, Menschen zu belohnen, die keinen Berufsabschluss vorweisen können; um diese in ihrem Durchhalten zum Abschluss der Ausbildung zu motivieren. Die Beklagte sei sich aber auch darüber im Klaren gewesen, dass sie durch die Ausbildung wesentlich bessere Berufschancen erlange.

Die nicht fachkundig vertretene Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,

den Bescheid vom 31.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Weiterbildungsprämie von 1.500,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ergänzt die Ausführungen im Widerspruchsbescheid dahingehend, dass der Klägerin der Antrag auf eine Weiterbildungsprämie tatsächlich zugesendet worden sei. Auch habe die neu für die Klägerin zuständige Vermittlungsfachkraft per E-Mail am 29.03.2021 mitgeteilt, die Weiterbildungsprämie sei bewilligt und zur Auszahlung weitergeleitet. Eine einfache E-Mail erfülle die für eine Zusicherung nach § 34 SGB X erforderliche Schriftform allerdings nicht. Aus dieser E-Mail könne die Klägerin die Zahlung einer Weiterbildungsprämie, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen würden, nicht herleiten. Die Ausführungen der vom Gericht zitierten Gesetzesbegründung zu § 131a Abs.3 SGB III bezögen sich auf die Teilnahme an einer mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung, die hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen für die erwachsenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten. Weiter werde ausgeführt, dass dies insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelte. Die Klägerin habe jedoch nicht an einer mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung teilgenommen. Ihre Weiterbildung habe lediglich den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.03.2021, also genau ein Jahr, umfasst. Die Förderung der Teilnahme an der Umschulung der Klägerin sei nach § 82 SGB III erfolgt. Dieser regele abweichend von den in § 81 SGB III festgelegten Bedingungen die Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch im Rahmen eines bestehenden und nicht konkret bedrohten Arbeitsverhältnisses als Beschäftigte. Hierbei könnten grob zwei Gruppen von Beschäftigten unterschieden werden, geringqualifizierte Beschäftigte, die an Weiterbildungen teilnehmen möchten, die zu einem Berufsabschluss führen und alle sonstigen Beschäftigten wie die Klägerin. Die Förderung geringqualifizierter Beschäftigter erfolge im Ergebnis auf Grundlage des § 81 Abs. 2 SGB III, der vorrangig einen Rechtsanspruch begründe. In allen anderen Fallgestaltungen könne eine Förderung nach Maßgabe des § 82 SGB III erfolgen, so auch im Falle der Klägerin. Nach Auffassung der Beklagten könne die Gewährung einer Prämie nur unter den in § 131a Abs. 3 SGB III festgelegten Bedingungen erfolgen. Nach diesen setzte die Gewährung einer Prämie u.a. die Teilnahme an einer nach § 81 SGB III geförderten Weiterbildung voraus. Beschäftigte, die wie die Klägerin direkt auf Grundlage des § 82 SGB III gefördert würden, könnten keine Prämie erhalten. Somit könnten nach Auffassung der Beklagten nur geringqualifizierte Beschäftigte eine Prämie erhalten, die an einer berufsabschlussorientierten Weiterbildung teilnehmen und bei denen die sonstigen Voraussetzungen des § 131a Abs.3 SGB III erfüllt seien.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Prozessakte nebst beigezogener Verwaltungsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.

 

Entscheidungsgründe

A.) Die Entscheidung konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem die Beteiligten einem entsprechenden Vorgehen schriftlich zugestimmt haben.

B.) Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1, 4 SGG statthaft, weil bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 131a SGB III ein Rechtsanspruch auf die Prämiengewährung besteht. Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III in Höhe von 1.500,00 €.

I.) Eine schriftliche Zusicherung im Sinne von § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) liegt nicht vor.

Die Anforderungen an die Schriftform der Zusicherung nach § 34 SGB X ergeben sich aus § 33 Abs. 3 SGB X. § 126 Abs. 4 BGB ist entsprechend anwendbar, daher ersetzt die gerichtliche oder notarielle Beurkundung die Schriftform. Das Schriftformerfordernis ist auch gewahrt, wenn die Zusicherung Teil eines Bescheides ist, der der Unterschrift erst nachfolgt, da die Anforderungen des § 37 Abs. 3 dann erfüllt sind. Die elektronische Form i. S. d. § 33 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. SGB X, ersetzt gemäß § 36a Abs. 2 SGB I die Schriftform, daher kann die Zusicherung auch elektronisch erfolgen. Erforderlich ist dann allerdings eine qualifizierte Signatur. Eine ohne Beachtung der Schriftform abgegebene Zusicherung ist unwirksam und damit nichtig. Wie auch bei der Zuständigkeit der Behörde gilt § 40 Abs. 1 SGB X gemäß dem folgenden Abs. 2 („unbeschadet des Absatz 1“) nicht. Die Zusicherung ist damit auch später nicht genehmigungsfähig. Jedoch kann in der schriftlichen Bestätigung einer zuvor mündlich erteilten Zusicherung eine Zusicherung im Sinne von. § 34 SGB X zu sehen sein. Eine formunwirksam abgegebene Zusicherung löst auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus, da ansonsten die Schutzfunktion des Schriftformerfordernisses unterlaufen würde. Es können allenfalls die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs vorliegen, wenn ein Schaden entstanden ist und somit Sekundäransprüche begründet werden (Jörg Littmann in: Hauck/Noftz SGB X, § 34 Zusicherung, Rn. 20 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Für eine Auslegung des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB X dahingehend, dass auch schon eine einfache E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur nach § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB X als wirksame Zusicherung zu werten wäre, fehlt jeglicher Anhaltspunkt (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Januar 2013 – 12 A 2349/12 –, juris).

Insoweit braucht das Gericht den Inhalt der unstreitig als einfache E-Mail ohne elektronische Signatur versendeten Nachricht vom 29.03.2021 nicht zu kennen, um festzustellen, dass es jedenfalls am für die Zusicherung notwendigen Schriftformerfordernis fehlt.

II.) Insoweit kommt als Anspruchsgrundlage allein § 131a SGB III in Betracht. Nach § 131a Abs. 3 SGB III erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, nach § 131a SGB III folgende Prämien, wenn die Maßnahme (nach wiederholter Verlängerung der Frist) vor Ablauf des 31.12.2023 begonnen hat:

1. nach Bestehen einer in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung eine Prämie von 1.000,00 € und

2. nach Bestehen der Abschlussprüfung eine Prämie von 1.500,00 €

III.) Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Weiterbildungsprämie in Höhe von 1.500,00 € nach § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III liegen zur Überzeugung des Gerichts vor.

1.) Wie die erkennende Kammer bereits rechtskräftig entschieden hat, setzt die Gewährung einer Prämie nach § 131a Abs. 3 SGB III nicht voraus, dass der oder die Nachfragende noch nicht über einen staatlich anerkannten Berufsabschluss verfügt. Die Prämie ist auch nicht ausgeschlossen, wenn durch die Weiterbildung eine höhere Qualifikation erreicht wird (SG Karlsruhe, Urteil vom 26. Januar 2021 – Az. S 2 AL 4180/19 – Leitsätze 1 und 2 gemäß juris, Rechtskräftig nach Rücknahme der von der Beklagten eingelegten Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg, - Az. L 3 AL 697/21 -).

2.) Die Weiterbildung der Klägerin hat auch zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf geführt. Der Beruf der Altenpfleger/ Altenpflegerin ist vom Bundesinstitut für Berufsbildung in der Bekanntmachung des Verzeichnisses der anerkannten Ausbildungsberufe und des Verzeichnisses der zuständigen Stellen vom 25. August 2020 unter Ziff. 2.2.1. (Bundesrechtliche Ausbildungsregelungen für Berufe im Gesundheitswesen und in der Altenpflege) unter Nr. 1 ausdrücklich aufgeführt.

3.) Für den erreichten Abschluss ist auch nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt.

a.) Die Ausbildung der Klägerin zur Altenpflegerin erfolgte nach dem Abschlusszeugnis noch nach Maßgabe des bis zum 31.12.2019 geltenden Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege (AltenpflG). Nach § 4 Abs. 1 AltenpflG dauert die Ausbildung unabhängig vom Zeitpunkt der staatlichen Prüfung grundsätzlich drei Jahre. Das Nähere regelte die nach § 9 Abs. 1 AltenpflG erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers (Altenpflege-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung – AltPflAPrV). 

b.) Nach § 7 Abs. 1 AltenpflG kann die Dauer der Ausbildung nach § 4 Abs. 1 S. 1 AltenpflG um bis zu zwei Jahre verkürzt werden. Da die Klägerin über einen Abschluss als Heilerziehungspflegerin verfügte, konnte die Ausbildungsdauer zur examinierten Altenpflegerin also von drei Jahren auf ein Jahr reduziert werden.

c.) Bereits aus dem Wortlaut des Gesetztes ergibt sich für das erkennende Gericht eindeutig, dass die Weiterbildung im Rahmen von § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III nicht tatsächlich mindestens zwei Jahre dauern muss, weil das Gesetz es dann auch so hätte formuliert hätte. Der verwendete Passus

„zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist“

gibt zu erkennen, dass allein die von den einschlägigen Vorschriften festgelegte Ausbildungsdauer maßgeblich ist. Diese beträgt nach § 4 Abs. 1 S. 1 AltenpflG drei Jahre. Dass die Klägerin aufgrund ihrer Vorqualifikation eine Verkürzung der Ausbildungsdauer auf ein Jahr erreichen konnte, ändert aus Sicht des Gerichts nichts an der Qualität des erreichten Abschlusses, welcher durch den genannten Passus sichergestellt werden soll.

Abweichendes folgt zur Überzeugung der Kammer auch nicht aus der § 131a Abs. 3 SGB III zu Grunde liegenden Gesetzesbegründung. Im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosen­versicherungs­schutz- und Weiterbildungs­stärkungs­gesetz – AWStG) hat der Gesetzgeber zum Abs. 3 ausgeführt (BT-Drucks. 18/8042, Seite 26f):

„Die Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung stellt für erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen. Dies gilt für Arbeitslose, aber insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten. Mit der Einführung von Erfolgsprämien für das Bestehen einer durch Gesetz oder Verordnung geregelten Zwischenprüfung und der Abschlussprüfung soll die Motivation erhöht werden, eine von Agenturen für Arbeit geförderte abschlussbezogene berufliche Weiterbildung aufzunehmen, durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen. Die Prämienzahlung honoriert damit Lernbereitschaft und Durchhaltevermögen der Teilnehmenden. Die Prämien sind nach § 11a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Zwar sind Umschülerinnen und Umschüler nach dem Berufsbildungsgesetz beziehungsweise der Handwerksordnung nicht verpflichtet, an einer Zwischenprüfung teilzunehmen. Die Teilnahme kann aber gleichwohl Bestandteil des Weiterbildungs- beziehungsweise Umschulungsvertrages sein und damit den bisherigen Leistungsstand dokumentieren. Für trägerinterne Leistungsüberprüfungen finden die Prämienregelungen keine Anwendung. Bei Ausbildungsberufen mit gestreckter Abschlussprüfung wird der erste Teil der Abschlussprüfung der Zwischenprüfung gleichgestellt. Die Regelung gilt nach § 444a Absatz 2 für abschlussbezogene berufliche Weiterbildungen, die nach dem 31. Juli 2016 beginnen.“

Soweit in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen wird, dass die Teilnahme an einer „mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung“ besondere Anforderungen an das Durchhaltevermögen stellt, kann daraus aus Sicht des erkennenden Gerichts abweichend von der Auffassung der Beklagten nicht abgeleitet werden, dass ausschließlich „tatsächlich“ mehrere Jahre dauernde Ausbildungen zu einer Weiterbildungsprämie führen sollten. Wie ausgeführt knüpft bereits der Wortlaut an den Abschluss und die von den gesetzlichen Vorschriften vorgesehene (Regel-) Ausbildungszeit an. Die Gesetzesbegründung argumentiert also für den Normalfall, in dem eben die reguläre Ausbildungsdauer absolviert werden muss. Hätte der Gesetzgeber wirklich die Gewährung einer Weiterbildungsprämie für Fälle der Verkürzung der Ausbildungsdauer auf weniger als zwei Jahre vornehmen wollen, hätte er dies in der Gesetzesbegründung ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, was jedoch nicht der Fall ist. Daraus leitet das Gericht ab, dass der Gesetzgeber durch die Beschränkung auf Ausbildungen mit einer (Regel-) Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren solchen Ausbildungen ein höheres Gewicht beigemessen hat als anderen Aus- und Weiterbildungen, die mit einer deutlich geringeren (Regel-) Ausbildungsdauer erlangt werden können. Dies erscheint im Rahmen einer zulässigen pauschalisierten Betrachtungsweise auch sachgerecht, da mit einer höheren Regelausbildungsdauer regelmäßig auch ein höheres Qualifikationsniveau einhergeht, welches dann im erlangten Abschluss zum Ausdruck kommt.

2.) Die Klägerin hat auch an einer „nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung“ im Sinne von § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III teilgenommen. Ihr wurde für die Weiterbildung ein Bildungsgutschein erteilt. Die vorliegend über § 82 SGB III erfolgte Förderung der Ausbildung schließt die Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III zur Überzeugung des Gerichts nicht aus. § 82 SGB III ist eine Sonderregelung zu § 81 SGB III, was in der amtlichen Überschrift des § 82 SGB III („Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“) und in § 82 Abs. 1 S. 1 Eingangssatz SGB III („können abweichend von § 81 […] gefördert werden“) zum Ausdruck kommt (Reichel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 82 SGB III (Stand: 21.12.2020), Rn. 11). § 82 SGB III regelt dabei seit seiner Neufassung zum 01.01.2019 (deren Zweck insbesondere die Zusammenführung der Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer Vorschrift bestand, vgl. BT‑Drucks. 19/4948, S. 26 zu Nummer 11) in Abweichung zu § 81 SGB III die Voraussetzungen für die Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Demgegenüber regelt § 81 (nur noch) die Förderung beruflicher Weiterbildung arbeitsloser, von Arbeitslosigkeit bedrohter oder solcher geringqualifizierter Personen, die über keinen Berufsabschluss verfügen (§ 81 Abs. 1 S 1 Nr. 1, Abs. 2). Der Gesetzgeber knüpft dabei in § 82 Abs. 1 S 1 SGB III nicht an den umfassenderen Begriff der Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV an, sondern an das durch den Begriff der Beschäftigung erfasste Arbeitsverhältnis (Andrea Bindig in: Hauck/Noftz SGB III, § 82 Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rn. 19). Unter Berücksichtigung der oben zitierten Gesetzesbegründung zu § 131a Abs. 3 SGB III („dies gilt für Arbeitslose, aber insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten) steht für die Kammer außer Zweifel, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 SGB III auch bei beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglich seien sollte. Beachtet man ferner, dass § 82 Abs. 4 S. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung bzw. § 82 Abs. 7 S. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung ausdrücklich auf das Bildungsgutscheinverfahren des § 81 Abs. 4 SGB III verweisen, ist aus Sicht des erkennenden Gerichts anzunehmen, dass durch den Passus „die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen“ ausschließlich die Notwendigkeit der Durchführung des Bildungsgutscheinverfahrens, welches auch im Rahmen von § 82 SGB III zur Anwendung kommt, klargestellt werden sollte, denn ein genereller Ausschluss von über § 82 SGB III geförderten Maßnahmen lässt sich mit der Gesetzesbegründung nicht in Einklang bringen.

3.) Die Maßnahme hat vor Ablauf des 31.12.2023 begonnen und wurde auch vor diesem Datum erfolgreich abgeschlossen.

C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

D.) Die Berufung bedarf bei einem Streitwert von 1.500,00 € nicht der Zulassung, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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