L 3 AL 151/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 19 AL 125/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 151/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 22/22 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Begriff der Arbeitslosigkeit und des Arbeitslosen in § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, aber auch in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie und § 2 Abs. 5 Satz 4 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ("Bei Arbeitslosen bezieht sich die Befragung […]") ist nicht im Sinne des Arbeitslosigkeitsbegriffes in § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, § 138 Abs. 1 SGB III zu verstehen, sondern im Sinne der Beschäftigungslosigkeit nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.

2. Ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit setzt einen realisierbarer Anspruch auf Zahlung für die Zeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit voraus. Ein realisierbarer Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld ist nicht gegeben, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen einer Urlaubsabgeltung ruht (Anschluss an BSG, Urteil vom 20. Februar 2002 – B 1 AL 59/01 R – ZfS 2002, 238 = juris Rdnr. 17).

3. Wenn im Einzelfall ein Leistungsanspruch weder nach den arbeitsförderungsrechtlichen noch nach den krankenversicherungsrechtlichen Regelungen besteht, ist eine Lösung für eine etwaige Sicherungslücke systemgerecht im Krankenversicherungssystem zu suchen.

     
   
 

 

I.     Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

II.    Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III.   Die Revision wird nicht zugelassen

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem ihre Klage, gerichtet auf die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 4. Januar 2013, abgewiesen wurde.

 

Die 1962 geborene Klägerin war vom 4. Mai 2009 bis zum 31. Dezember 2010 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zum 3. April 2011 bezog sie Arbeitslosengeld. Vom 4. April 2011 bis zum 31. Dezember 2011 stand die Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Vom 1. Januar 2012 bis zum 14. März 2012 bezog sie Arbeitslosengeld, danach bis zum 12. April 2012 Übergangsgeld wegen einer Kur und sodann bis zum 31. Juli 2012 erneut Arbeitslosengeld.

 

Zum 1. August 2012 nahm sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Das Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Nach der Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin erhielt die Klägerin eine Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Urlaub hätte im Anschluss an das Arbeitsverhältnis bis einschließlich 3. Januar 2013 gedauert. Ausweislich der Verdienstabrechnung vom 10. Januar 2013 für Dezember 2012 erhielt die Klägerin eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 157,50 EUR bei einem Tagessatz von 52,50 EUR.

 

Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 17. Dezember 2012 arbeitsuchend und ab 1. Januar 2013 arbeitslos. Im Antragsformular verneinte sie die Fragen (Nummern 2d und 2e), ob sie arbeitsunfähig krank geschrieben sei, und ob sie bestimmte Beschäftigungen nicht mehr ausüben könne oder sich zeitlich einschränken müsse.

 

Vom 17. Dezember 2012 bis zum 21. Dezember 2012 und vom 20. Dezember 2012 bis zum 31. Dezember 2012 war die Klägerin durch ihre Hausärztin Dr. Y....  (Fachärztin für Innere Medizin) arbeitsunfähig krank geschrieben. Als Diagnosen stellte die Ärztin fest: ICD10 I99 G [Sonstige und nicht näher bezeichnete Krankheiten des Kreislaufsystems], ICD10 I10.90 G [Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet], ICD10 R42 G [Schwindel und Taumel] und ICD10 F48.0 G [Neurasthenie].

 

Am 24. Dezember 2012 stellte sich die Klägerin wegen Husten mit eitrigem Auswurf beim ärztlichen Notdienst vor. Der sie untersuchende Arzt DM X....  (Facharzt für Allgemeinmedizin) diagnostizierte eine asthmoide Bronchitits und verordnete ihr Antibiotika sowie weitere Medikamente. In einem später erstellten Befundbericht vom 7. Januar 2014 gab er an: "Im Notdienst wurde keine au-Bescheinigung ausgestellt. Die Patientin war stark erkrankt, es wurden Antibiotika verordnet, Bettruhe empfohlen. Sie sollte sich dann bei der betreuenden Hausärztin vorstellen".

 

Der HNO-Arzt PD Dr. W....  (V.... ) bescheinigte der Klägerin am 2. Januar 2013 Arbeitsunfähigkeit zunächst vom 2. Januar 2013 bis zum 14. Januar 2013 auf Grund der Diagnosen ICD10 R05 G [Husten] und ICD10 J31.1 G [Chronische Pharyngitis].

 

Zunächst für die Zeit vom 15. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2013 (Folgebescheinigung) stellte Dr. U....  (Facharzt für Allgemeinmedizin, T....), eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus auf Grund der Diagnosen ICD10 J04.1 G [Akute Tracheitis] und ICD10 F32.9 G [Depressive Episode, nicht näher bezeichnet]. Die weiteren Folgebescheinigungen umfassen den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 30. April 2014.

 

Schließlich stellte Dr. S....  (Facharzt für Chirurgie, B....), in einer Bescheinigung vom 28. April 2014 die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 30. Mai 2014 (Folgebescheinigung) und mit weiterer Bescheinigung bis zum 6. Juni 2014 (Folgebescheinigung) fest.

 

Die vom Sozialgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2013 beigeladene Krankenkasse lehnte den Antrag auf Krankengeld mit Bescheid vom 22. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2013 ab.

 

Ebenfalls am 22. Januar 2013 informierte die Beigeladene die Klägerin schriftlich darüber, dass auf Grund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 2. Januar 2013 am 3. Januar 2013 ein Krankengeldanspruch hätte entstehen können. Da bei der Klägerin jedoch seit 1. Januar 2013 nicht mehr die erforderliche Grundvoraussetzung, nämlich das Bestehen einer einen Krankengeldanspruch beinhaltenden Versicherung, vorgelegen habe, könne ihr kein Krankengeld gewährt werden. Sie wurde gebeten, sich umgehend bei der Agentur für Arbeit zu melden, um sich eine finanzielle Absicherung und einen Versicherungsschutz zu sichern.

 

Im krankenversicherungsrechtlichen Verfahren gab PD Dr. W....  im Befundbericht vom 26. September 2013 an, dass sich die Klägerin erstmals am 2. Januar 2013 wegen chronischem Reizhusten mit Brechreiz vorgestellt habe. Die Klägerin sei von ihrer Hausärztin bis 31. Dezember 2012 arbeitsunfähig wegen hohem Blutdruck und Depressionen geschrieben gewesen, was ihm jedoch nicht bekannt gewesen sei. Die Beschwerden, weshalb sie am 24. Dezember 2012 einen Bereitschaftsarzt aufgesucht habe, hätten sich gebessert, seien jedoch nicht komplett rückläufig gewesen. Wegen des starken ungeklärten Hustens sei ein Rachenabstrich vorgenommen und eine Röntgen-Nasennebenhöhlen-Aufnahme veranlasst worden. Im Rachenabstrich hätten sich Candida Hefepilze gefunden. Bei der zweiten Vorstellung am 14. Januar 2013 seien die Beschwerden kaum abgeklungen gewesen. Ein Hinterfragen habe ergeben, dass als Ursache eine ACE-Hemmer-Einnahme ab 18. Dezember 2012 möglich sein könne. Ein am 25. Februar 2013 vorgenommener Rachenabstrich sei negativ gewesen. Bei der letzten Vorstellung am 6. März 2013 sei die Patientin beschwerdefrei gewesen, da nach der Vorstellung bei Dr. U....  das ACE auf ein anderes Antihypertesivum umgestellt worden sei. Im Nachhinein habe sich die Verdachtsdiagnose bestätigt. Der Reizhusten sei nicht infektiös verursacht worden, sondern sei die direkte Folge der Hypertonie.

 

Die Klage, mit der die Klägerin die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 6. Juni 2014 begehrte, wies das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 18. Juli 2014 (Az. S 47 KR 660/13) ab. Die anschließende Berufung wurde vom Sächsischen Landessozialgericht mit Urteil vom 18. August 2017 (Az. L 1 KR241/14) zurückgewiesen. Der Krankengeldanspruch der Klägerin habe am 31. Dezember 2012 beendet. Für einen nahtlosen Krankengeldanspruch hätte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin spätestens am 31. Dezember 2012 ärztlich festgestellt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Am 2. Januar 2013, als Dr. W....  mit einer Erstbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin festgestellt habe, sei diese nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Die Klägerin habe angegeben, am 31. Dezember 2012 keinen Arzt aufgesucht zu haben, um eine Arbeitsunfähigkeit über diesen Tag hinaus feststellen zu lassen. Soweit sie vorgetragen habe, dass sie am 28. Dezember 2012 ihre damalige Hausärztin aufgesucht habe, sei es nicht zu einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über den 31. Dezember 2012 hinaus gekommen. Die rechtzeitige Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit sei eine Obliegenheit der Versicherten. Die Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit seien deshalb grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Die Voraussetzungen für eine nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausnahmsweise rückwirkende Gewährung von Krankengeld lägen nicht vor. Das Bundessozialgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 11. April 2018 (Az. B 3 KR 48/17 B) als unzulässig verworfen.

 

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 19. Februar 2013 ab. Bis zum 3. Januar 2013 ruhe der Anspruch wegen des vom bisherigen Arbeitgeber gezahlten finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub. Ab 4. Januar 2013 habe die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld, weil sie der Agentur für Arbeit auf Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit mit Beginn am 2. Januar 2013 nicht zur Verfügung gestanden habe.

 

Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 27. Februar 2013 mit, dass sie einen Rentenantrag gestellt habe. Der Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente wurde vom zuständigen Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 29. August 2013 bestandskräftig abgelehnt. Dies begründete er damit, dass nach den medizinischen Ermittlungen folgende Krankheiten oder Behinderungen bei der Klägerin vorlägen: Schmerzhafte Belastungsbehinderung der Wirbelsäule bei Verschleißerkrankung; rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht; selbstunsichere Persönlichkeitsakzentuierung; Bluthochdruck. Die sich danach ergebenden Einschränkungen würden nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung führen, weil die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

 

Im Schreiben vom 27. Februar 2013 erklärte die Klägerin gleichzeitig, dass sie sich für den Zeitraum der Antragstellung der Agentur für Arbeit zur Vermittlung im Rahmen ihres Restleistungsvermögens zur Verfügung stelle.

 

Am 1. März 2013 legte die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten Widerspruch ein. Sie gehe zwar grundsätzlich davon aus, dass ihr Krankengeld zustehe, sie mithin derzeit vom Bezug von Arbeitslosengeld ausgeschlossen wäre. Sofern wider Erwarten kein Anspruch auf Krankengeld bestehen sollte, habe sie Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 4. Januar 2013. Entsprechend ihrem Restleistungsvermögen habe sie sich subjektiv dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt und stelle sich ihm noch zur Verfügung.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2013 zurück. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich, dass die Klägerin ab dem 2. Januar 2013 arbeitsunfähig erkrankt sei. Arbeitsunfähigkeit sei bislang bis zum 27. März 2013 attestiert worden. Sie habe daher in dieser Zeit den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden und sei somit nicht arbeitslos gewesen. Die Beklagte erläuterte die Voraussetzungen für eine Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs von Arbeitslosengeld. Kein Bezug in diesem Sinne liege vor, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen eines Ruhenstatbestandes nicht realisiert werden könne. Wenn – wie vorliegend – der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe und der Arbeitslose in diesem Zeitraum erkranke, könne im Anschluss an den Ruhenszeitraum keine Leistungsfortzahlung erbracht werden.

 

Die Klägerin hat am 22. April 2013 Klage (Az. S 19 AL 204/13) erhoben, die mit Beschluss vom 23. Januar 2015 wegen des krankenversicherungsrechtlichen Verfahrens ruhend gestellt worden ist. Im April 2019 ist das Verfahrens fortgeführt worden (nunmehr Az. S 19 AL 125/19).

 

Auf den neuen Antrag der Klägerin vom 10. Juni 2014 hin hat ihr die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juni 2014 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 205 Tagen für die Zeit vom 7. Juni 2014 bis zum 1. Januar 2015 bewilligt. Der Leistungsbezug hat zum 24. August 2014 wegen einer Beschäftigungsaufnahme am folgenden Tag geendet.

 

Die Klägerin hat im Klageverfahren vorgetragen, dass sie im Hinblick auf ihre zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit durchgehend ab dem 17. Dezember 2012 arbeitsunfähig gewesen sei. Lediglich weil am 31. Dezember 2012 und am 1. Januar 2013 die behandelnden Ärzte ihre Praxis geschlossen gehabt hätten, habe eine lückenlose AU-Schreibung nicht erfolgen können. Ab dem 4. Januar 2013 stehe ihr ein Arbeitslosengeldanspruch zu, soweit ihr kein Krankengeld bewilligt werden sollte. Seit dem 4. Januar 2013 habe sie ein Restleistungsvermögen von mehr als 15 Stunden wöchentlich aufgewiesen. Im Rahmen dieses Restleistungsvermögen habe sie sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagte zur Verfügung gestellt. Auf die Anwendbarkeit des § 146 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) komme es daher nicht an. Etwas anderes gelte, wenn unterstellt werde, dass sie sich krankheitsbedingt nicht im Umgang von mindestens 15 Stunden den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung habe stellen können und damit eine im Sinne des Arbeitslosenrechts relevante Arbeitsunfähigkeit vorliege. Für die Zeit von sechs Wochen wäre als Leistungsfortzahlung dann Arbeitslosengeld zu bewilligen gewesen. Zumindest analog § 146 SGB III müsste Arbeitslosengeld geleistet werden. Denn sie dürfe nicht schlechter stehen als wenn ihr Arbeitgeber die Urlaubsabgeltung tatsächlich nicht ausgezahlt hätte. In diesem Fall wäre im Rahmen der Gleichwohlgewährung zunächst Arbeitslosengeld zu zahlen gewesen; daran hätte sich Kranken-Arbeitslosengeld nach § 146 SGB III angeschlossen und danach gegebenenfalls der Krankengeldanspruch gegenüber der Beigeladenen. Es sei keine beziehungsweise eine völlig unzureichende Prüfung der objektiven und subjektiven Verfügbarkeit erfolgt. Sie habe sogar mit Schreiben vom 27. Februar 2013 erklärt, sich im Rahmen ihres Restleistungsvermögens den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stellen. Ob sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Restleistungsvermögen von weniger als 15 Stunden pro Woche aufgewiesen habe, bedürfe der Abklärung durch die Beklagte. Auf Grund der bestandskräftigen Ablehnung ihrer Erwerbsminderungsrente mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 29. August 2013 sei davon auszugehen, dass sie nicht rentenrelevant leistungsgemindert gewesen sei. Vielmehr lasse diese Leistungseinschätzung den Schluss zu, dass sie objektiv in der Lage sei, leichte Tätigkeiten im Umfang von mehr als 15 Wochenstunden zu erbringen. Objektive Verfügbarkeit habe daher vorgelegen und liege vor.

 

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der dem Grunde nach am 1. Januar 2013 entstandene Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 3. Januar 2013 wegen der gezahlten Urlaubsabgeltung geruht habe. Danach sei die Klägerin nicht arbeitslos gewesen, weil sie wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit ab mindestens 2. Januar 2013 ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden habe. Die von der Klägerin mit ihrer Klageschrift geltend gemachte Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB III komme nicht in Betracht, weil die Klägerin ab dem 1. Januar 2013 wegen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruches (noch) kein Arbeitslosengeld bezogen habe. Ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wäre auch dann eingetreten, weil und wenn die Klägerin eine Urlaubsabgeltung zu beanspruchen gehabt habe.

 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2019 abgewiesen und auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25. März 2013 verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die Klägerin zunächst vom 2. Januar 2013 bis zum 14. Januar 2013 durch Dr. W....  und sodann vom 15. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2013 durch Dr. U....  arbeitsunfähig krank geschrieben worden sei. Im Verfahren Az. L 1 KR 241/14 habe die Klägerin vorgetragen, dass sie sich – soweit erinnerlich – trotz erheblicher Beschwerden am 28. Dezember 2012 bei ihrer Hausärztin Dr. Y....  vorgestellt habe, die die Einhaltung der am 24. Dezember 2012 durch den DM X....  verordneten Medikation sowie weiter Schonung und Bettruhe verordnet habe. Die Klägerin habe sich dann erneut am 2. Januar 2013 bei PD Dr. W....  vorgestellt, der sie weitere 12 Tage lang krank geschrieben habe. Es sei vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, dass die Klägerin am 4. Januar 2014 – objektiv – in der Lage gewesen sein könnte, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich zu verrichten. Es könne daher offen bleiben, ob die Klägerin – zu diesem Zeitpunkt – subjektiv bereit gewesen wäre, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich zu verrichten. Eine Verfügbarkeit der Klägerin habe zur Überzeugung des Gerichts damit am 4. Januar 2013 nicht vorgelegen. Ein Fall des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III liegt nicht vor, weil die Klägerin wegen des Ruhens ihres Arbeitslosengeldanspruchs nicht während des Bezugs von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig geworden sei.

 

Die Klägerin hat am 21. November 2019 Berufung eingelegt. Sie rügt, dass das Sozialgericht es unterlassen habe festzustellen, ob objektive Verfügbarkeit tatsächlich zu verneinen gewesen sei. Selbst wenn das Sozialgericht die Auffassung vertreten habe, dass die Krankschreibung durch PD Dr. W....  den unzweifelhaften Schluss zulasse, dass sie, die Klägerin objektiv nicht in der Lage gewesen sei, leichte Arbeiten im zeitlichen Umfang von mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten, hätte das Sozialgericht zumindest ihre objektive Verfügbarkeit für die Zeit ab 15. Januar 2013 erneut prüfen müssen. Immerhin seien andere Diagnosen vergeben worden, sodass durchaus die Arbeitsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt bejaht werden könne. Ergänzend zu ihren bisherigen Ausführungen zu § 146 SGB III wendet sie sich gegen die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Die Auffassung des Sozialgerichtes widerspräche nicht nur erheblich dem Rechtsempfinden, sondern auch der Intention des Gesetzgebers und den Grundsätzen des Sozialstaatsprinzips. Es könne nicht angehen, dass sämtliche Versicherungssysteme des SGB III und des SGB V gleichzeitig versagten und sie, die Klägerin, keine Ansprüche auf entsprechende Entgeltersatzleistungen geltend machen könne. Ein derart unbilliges Ergebnis könne bereits aus verfassungsrechtlichen Erwägungen keinen Bestand haben. Ansprüche auf Arbeitslosengeld seien Versicherungsleistungen, die letztlich auch der Eigentumsgarantie gemäß Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) unterfielen. Bei entsprechend verfassungskonformer Auslegung müsse daher zumindest § 146 SGB III Anwendung finden.

 

In der mündlichen Verhandlung hat der Klägerbevollmächtigte ergänzend vorgetragen, dass die Klägerin keine "Bezieherin von Arbeitslosengeld" im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie in der damals geltenden Fassung gewesen sei. Außerdem hat er auf die unterschiedlichen Regelungen in § 2 Abs. 3 und 3a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien hingewiesen. In Bezug auf die Frage nach der subjektiven Verfügbarkeit der Klägerin vertritt er die Auffassung, dass die Beklagte gehalten gewesen wäre, bei Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Klägerin nachzufragen, ob sie sich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stelle.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21. Oktober 2019 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2013 zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 4. Januar 2013 zu bewilligen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie vermöge nicht zu erkennen, dass nachgewiesen sei, dass die Klägerin zum 4. Januar 2013 im Arbeitsmarkt objektiv oder subjektiv zur Verfügung gestanden habe, also ein Restleistungsvermögen von mindestens 15 Wochenstunden angezeigt habe. Die Klägerin habe ohne weiteren Hinweis und ohne erläuternde Erklärung der Beklagten durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 2. Januar 2013 (Erstbescheinigung) am 7. Januar 2013 angezeigt, dass sie seit dem 3. Januar 2013 arbeitsunfähig erkrankt sei. Der Arzt bescheinige nach § 2 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (in der Fassung vom 1. Dezember 2003 zuletzt geändert am 21. Juni 2012), dass Bezieher von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig seien, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage seien, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt hätten. Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe dokumentiere die unkommentierte Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, dass die Klägerin tatsächlich auch subjektiv den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe, weil sie sich auch krankheitsbedingt dafür nicht in der Lage halte. Die Bescheinigung beschränke sich hierbei entsprechend § 2 Abs. 3 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Dies werde dadurch gestützt, dass die Klägerin vom Bestehen eines Krankengeldanspruches ausgegangen sei. Soweit im weiteren Krankheitsverlauf neue Diagnosen hinzugetreten seien, sei dies für die strittige Entscheidung nicht maßgebend. Denn ein Zugang zur Leistungsfortzahlung könne nach (gegebenenfalls vorübergehender) Genesung, erneuter Antragstellung und tatsächlichem Bezug von Arbeitslosengeld erfolgen. Dies sei durch die Klägerin mit Wirkung zum 7. Juni 2014 erfolgt. Aufgrund dieser späteren Geltendmachung des zum 1. Januar 2013 entstandenen Anspruches sei dieser bis auf eine Restanspruchsdauer von 73 Tagen verbraucht worden. Die Beklagte könne mit der Zahlung von Arbeitslosengeld nicht den Ausfall der Krankengeldzahlung ersetzt, der aufgrund der fehlenden (nahtlosen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Klägerin eingetreten sei.

 

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen, die Akte zum Berufungsverfahren Az. L 1 KR 241/14 sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2013 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 4. Januar 2013. Der streitbefangene Zeitraum reicht bis zum 6. Juni 2014, dem Tag vor der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 7. Juni 2014. Der geltend gemachte Anspruch besteht weder nach den allgemeinen Regelungen (1.) noch auf der Grundlage der Nahtlosigkeitsregelung (2.) oder im Rahmen einer Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (3.). Auch bedarf es aus verfassungsrechtlichen Gründen keiner erweiternden Auslegung oder analogen Anwendung von arbeitsförderungsrechtlichen Regelungen (4.). Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab einem nach dem 1. Januar 2013 aber vor dem 7. Juni 2014 liegenden Zeitpunkt (5.).

 

1. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nach den allgemeinen Regelungen.

 

a) Nach § 137 Abs. 1SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), wer

1.  arbeitslos ist,

2.  sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und

3.  die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

 

Nach § 138 Abs. 1 SGB III ist arbeitslos, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.  nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),

2.  sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und

3.  den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

 

Die Verfügbarkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III wird in § 138 Abs. 5 SGB III näher definiert. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen der objektiven und der subjektiven Verfügbarkeit (vgl. Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2. Aufl., 2019], § 138 SGB III Rdnr. 76). Objektiv verfügbar ist, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (vgl. § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III) sowie Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (vgl. § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III). In subjektiver Hinsicht muss die oder der Beschäftigungslose bereit sein, jede Beschäftigung im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III anzunehmen und auszuüben (vgl. § 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III) sowie an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (vgl. § 138 Abs. 5 Nr. 4 SGB III).

 

Schließlich ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat, für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs (vgl. § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses (vgl. § 157 Abs. 2 Satz 2 SGB III).

 

b) Hieran gemessen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 4. Januar 2013. Zwar hatte sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (vgl. § 137 Nr. 2 SGB III) und hatte die Anwartschaftszeiten erfüllt (vgl. § 137 Nr. 3 SGB III). Auch war sie beschäftigungslos im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, und zwar bereits ab 1. Januar 2013.

 

Offen und bislang nicht thematisiert ist aber bereits, ob und gegebenenfalls ab wann die Klägerin sich bemühte, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).

 

Jedenfalls mangelt es der Klägerin an der objektiven (1) und der subjektiven Verfügbarkeit (2).

 

(1) Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) mit Stand 21. Juni 2012 (BAnz. AT 07.06.2012 B4; im Folgenden: a. F.) waren "Bezieher von Arbeitslosengeld" arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage waren, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt hatten. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie a. F. war es dabei unerheblich, welcher Tätigkeit die oder der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachgegangen war.

 

Derzeit gilt die am 19. Januar 2022 in Kraft getretene Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie in der Fassung vom 14. November 2013, zuletzt geändert am 19. November 2021 (BAnz. AT 18.01.2022 B3; im Folgenden: n. F.). Bezugspersonen sind an Stelle von "Bezieher von Arbeitslosengeld" nunmehr in § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie n. F. "Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose beziehungsweise erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Absatz 3a". § 2 Abs. 3a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie enthielt und enthält Regelungen betreffend erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende – „Hartz IV“) beantragt haben oder beziehen. § 2 Abs. 3 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist unverändert geblieben.

 

Der Begriff der Arbeitslosigkeit und des Arbeitslosen in § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (alte und neue Fassung), aber auch in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie und § 2 Abs. 5 Satz 4 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ("Bei Arbeitslosen bezieht sich die Befragung […]") ist nicht im Sinne des Arbeitslosigkeitsbegriffes in § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, § 138 Abs. 1 SGB III zu verstehen, sondern im Sinne der Beschäftigungslosigkeit nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Denn die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer (vgl. § 1 Abs. 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) bilden erst die Grundlage, auf Grund derer die Agentur für Arbeit die Entscheidung treffen kann, ob die objektive Verfügbarkeit, mithin eine Tatbestandsvoraussetzung für den Arbeitslosigkeitsbegriff, im Einzelfall gegeben ist oder fehlt. Außerdem ist es nicht die Aufgabe eines Arztes, die Frage nach der Bereitschaft zu Eigenbemühungen oder die Frage nach der Verfügbarkeit des Beschäftigungslosen zu prüfen, zumal einem Arzt hierzu regelmäßig auch die erforderliche Fachkompetenz fehlen dürfte. Auch oblag es nicht einem Arzt zu prüfen, ob ein Patient entsprechend dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie a. F. Arbeitslosengeld bezog, oder ob für den "Bezug" im Sinne dieser Regelung die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung ausreichte. Für ein Begriffsverständnis im Sinne von Beschäftigungslosigkeit sprechen zudem zwei Regelungen in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie. So ist in § 2 Abs. 4 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (alte und neue Fassung) beschrieben, wann Versicherte, bei denen "nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Beschäftigungsverhältnis endet" und die aktuell keinen anerkannten Ausbildungsberuf ausgeübt haben (An- oder Ungelernte), arbeitsunfähig sind. Ferner setzt nach § 2 Abs. 5 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die Befragung der oder des Versicherten durch den Arzt (in der neuen Fassung: durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt) zur aktuell ausgeübten Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen und Belastungen voraus. Das Ergebnis der Befragung ist bei der Beurteilung von Grund und Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie).

 

Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf verwiesen hat, dass in § 2 Abs. 3a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie für erwerbsfähigen Leistungsberechtigte im Sinne des SGB II darauf abgestellt wird, ob sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beantragt haben oder beziehen, ist dies zutreffend. Daraus können aber keine Rückschlüsse auf Gewährung von § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie gezogen werden. Denn die beiden Regelungen unterscheiden sich auch im Übrigen. So sind diese erwerbsfähigen Leistungsberechtigten abweichend von § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Die Regelungen in § 2 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 3a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie stellen somit auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben im SGB drei einerseits und im SGB zwei andererseits ab.

 

Auch aus § 91 Abs. 6 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ergibt sich kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Danach sind die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d SGB V für die Träger nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB V, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich. Die Verbindlichkeit eines Rechtsetzungsaktes ändert jedoch nichts daran, dass dieser Akt ebenso wie jede Rechtsnorm auslegungsfähig ist und bei Unklarheiten einer Auslegung bedarf.

 

Die Klägerin war seit dem 1. Januar 2013 beschäftigungslos. Mit seiner Erstbescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit vom 2. Januar 2013 bescheinigte Dr. W....  gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, dass die Klägerin "krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage" war, "leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt" hatte. Einen entsprechenden Erklärungsgehalt besaßen die nachfolgenden vom 15. Januar 2013 bis zum 30. April 2014 reichenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. U...., weil bei der Klägerin zwischenzeitlich zu keinem Zeitpunkt die Beschäftigungslosigkeit oder die Arbeitslosigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 SGB III entfallen war.

 

(2) Die Klägerin war auch nicht subjektiv verfügbar.

 

In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob die Klägerin tatsächlich am 17. Dezember 2012, als sie sich arbeitslos meldete und den Antrag auf Arbeitslosengeld stellte, entsprechend ihrer Angaben im Formular zum Arbeitslosengeldantrag noch nicht arbeitsunfähig krank geschrieben war und noch in der Lage war, Beschäftigungen ohne zeitliche oder sonstige Einschränkung ausüben zu können, mithin sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Laufe dieses Tages so sehr verschlechterte, das sich Dr. Y....  noch am 17. Dezember 2012 veranlasst sah, die Klägerin zunächst bis zum 21. Dezember 2012 arbeitsunfähig zu schreiben.

 

Gegen die subjektive Verfügbarkeit der Klägerin spricht jedenfalls, dass sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jeweils kommentarlos bei der Agentur für Arbeit einreichte. Die gesundheitlichen Einschränkungen, die für die Klägerin merklich spürbar waren und von den bescheinigenden Ärzten festgestellt wurden, hatten zudem ein Gewicht, die die Klägerin veranlassten, am 24. Dezember 2012 nicht nur den ärztlichen Not- oder Bereitschaftsdienst in Anspruch zu nehmen und am 2. Januar 2013 einen Facharzt aufzusuchen, sondern darüber hinaus über längere Zeit davon auszugehen, dass ihr ein Anspruch auf Krankengeld und ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zustehe.

 

Zudem erklärte die Klägerin erstmals im Schreiben vom 27. Februar 2013 gegenüber der Agentur für Arbeit, dass sie sich für den Zeitraum der Antragstellung [gemeint ist das Rentenverfahren] den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stelle. Eine entsprechende Erklärung hatte die Klägerin zuvor nicht abgegeben. Der zeitliche Zusammenhang dieser Erklärung mit der Ablehnung des Antrages auf Krankengeld mit Bescheid vom 22. Januar 2013 und der im Schreiben vom 27. Februar 2013 mitgeteilten Beantragung einer Erwerbsminderungsrente einerseits und der im Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers mitgeteilten leichten rezidivierenden depressiven Störung und selbstunsicheren Persönlichkeitsakzentuierung andererseits deuten darauf hin, dass die Klägerin die Erklärung im Schreiben vom 27. Februar 2013 erst nach einer rechtskundigen Beratung und nicht aus eigener Veranlassung abgab.

 

Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten auch nicht gehalten, bei Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung jeweils bei der Klägerin nachzufragen, ob sie bereit sei, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen und gegebenenfalls in welchem Umfang. Denn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezogen sich, wie ausgeführt wurde, nicht nur auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, sondern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Damit fehlte ein Tatbestandsmerkmal für den Begriff der Arbeitslosigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 SGB III. Wenn aber für einen geltend gemachten Anspruch ein Tatbestandsmerkmal nicht gegeben ist, ist die zuständige Behörde nicht verpflichtet, weitere Ermittlungen in Bezug auf andere, mehr entscheidungserhebliche Tatbestandsvoraussetzungen durchzuführen.

 

2. Die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelungen in § 145 SGB III, mit der die Arbeitsfähigkeit eines Versicherten fingiert werden, liegen im Falle der Klägerin nicht vor.

 

Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat auch eine Person Anspruch auf Arbeitslosengeld, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

 

Mit der Nahtlosigkeitsregelung wird lediglich das ausreichende Leistungsvermögen im Sinne der Arbeitsfähigkeit nach § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III fingiert (vgl. Brand, in: Brand, SGB III [9. Aufl., 2021], § 145 Rdnr. 2; Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III [4. Erg.-lfg. 2019, Stand: Sept. 2019], § 145 Rdnr. 38). Alle weiteren Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld müssen hingegen erfüllt sein (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 6. September 2013 – L 3 AL 109/13 B ER – juris Rdnr. 20; Brand, a. a. O.; Valgolio, a. a. O., Rdnr. 40). Die fehlende Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung (subjektive Verfügbarkeit) ist keine Frage der Nahtlosigkeitsregelung, sondern liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen beziehungsweise Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1999 – B 11 AL 13/99 RBSGE 84, 262 ff. = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7 = juris Rdnr. 19 [zur Vorgängerregelung in § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG]). Sie kann nicht über § 145 SGB III fingiert werden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 157/16 – juris Rdnr. 66).

 

Bei der Klägerin fehlte es an der erforderlichen subjektiven Verfügbarkeit, wie zuvor ausgeführt wurde.

 

3. Die Klägerin erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen für eine Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit gemäß § 146 SGB III.

 

Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III verliert, wer während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig oder während des Bezugs von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird, dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen (Leistungsfortzahlung).

 

§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III erhält einen Anspruch auf Arbeitslosengeld trotz fehlender Verfügbarkeit (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 7 RAr 74/84SozR 4100 § 105b Nr. 4 = juris Rdnr. 31 [zur Vorgängerregelung in § 105b AFG]; zum Meinungsstand: Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2. Aufl., 2019], § 146 Rdnr. 9). Er verschafft mithin einen "Lohnersatzleistungsfortzahlungsanspruch" (vgl. Aubel, a. a. O.).

 

Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn ein realisierbarer Anspruch auf Zahlung für die Zeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit besteht (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 3. Juli 2013 – L 3 AL 151/10NZS 2014, 34 f. = info also 2013, 257 f. = juris Rdnr. 20 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 – B 7 AL 28/01 R – juris Rdnr. 21; Aubel, a. a. O., Rdnr. 40; Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III [5. Erg.-lfg. 2019, Stand: Oktober 2019], § 146 Rdnr. 30). Dies bedeutet nicht, dass Arbeitslosengeld im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit oder des Beginns der stationären Behandlung bereits bewilligt oder sogar tatsächlich schon ausgezahlt wurde. Es ist ausreichend, wenn Arbeitslosengeld nach materiellem Recht rückwirkend für die Zeit vor dem Verfügbarkeitshindernis zu zahlen ist (vgl. Aubel, a. a. O., Rdnr. 41).

 

Ein realisierbarer Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld ist, wie das Bundessozialgericht bereits entschieden hat, nicht gegeben, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen einer Urlaubsabgeltung ruht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 – B 7 AL 28/01 R –, juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 20. Februar 2002 – B 1 AL 59/01 R – ZfS 2002, 238 = juris Rdnr. 17; vgl. auch Aubel, a. a. O., Rdnr. 42, Bender, in: Gagel, SGB III [84. Erg.-Lfg.; Stand Dez. 2021], § 146 Rdnr. 24).

 

Da es nach alledem darauf ankommt, ob ein realisierbarer Anspruch auf Zahlungen auf einen Anspruch wegen Urlaubsabgeltung besteht, ist es unerheblich, ob tatsächlich Zahlungen geleistet worden sind. Die Erwägungen des Klägerbevollmächtigten zu dem hypothetischen Fall, dass die Klägerin keine entsprechenden Zahlungen erhalten hätte, sind deshalb nicht entscheidungserheblich.

 

4. Für eine erweiternde Auslegung von § 146 SGB III oder eine analoge Anwendung dieser Vorschrift besteht kein Raum, weil der Wortlaut eindeutig ist und keine Regelungslücke besteht.

 

a) Soweit der Klägerbevollmächtigte geltend macht, dass im Falle der Klägerin eine Sicherungslücke bestehe, wenn ihr für die Zeit ab 1. Januar 2013 nach keinem der Sozialgesetzbücher ein Anspruch auf Sozialleistungen zuerkannt werde, kann dahinstehen, ob die behauptete Sicherungslücke ihre Ursache in gesetzlichen Regelungen hat. Näher dürfte die Annahme liegen, dass entweder die Hausärztin der Klägerin bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Dezember 2012 nicht bedacht hat, dass der 1. Januar 2013 ein gesetzlicher Feiertag ist, an dem Arztpraxen nicht geöffnet haben, oder dass die Klägerin sich nicht oder nicht ausreichend darum bemüht hat, eine über den 31. Dezember 2012 hinausgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, was der 1. Senat dieses Gerichtes der Klägerin im Urteil vom 18. August 2017 vorgehalten hat.

 

Eine etwaige Sicherungslücke kann jedenfalls nicht im Rahmen einer Auslegung von § 146 SGB III geschlossen werden. Entsprechend hat sich bereits das Bundessozialgericht im Urteil vom 7. Februar 2002 in Bezug auf die Vorgängerregelung in dem bis zum 31. März 2012 geltenden § 126 SGB III geäußert. Es hat angedeutet, dass eine Lösung des Problems systemgerecht im Krankenversicherungssystem zu suchen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 – B 7 AL 28/01 R – juris Rdnr. 20 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 2. November 2000 – B 11 AL 25/00 R – juris Rdnr. 24).

 

Hierzu hatte die Klägerin im krankenversicherungsrechtlichen Verfahren Gelegenheit. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht hat der Klägerbevollmächtigte eine aus seiner Sicht klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert (vgl. BSG, Beschluss vom 11. April 2018 – B 3 KR 48/17 B – juris Rdnr. 10) und die Auffassung vertreten, dass bei einer wortlautgenauen Auslegung der im Falle der Klägerin maßgebenden Regelungen des Krankenversicherungsrechts ein verfassungsrechtlich bedenkliches Systemversagen vorliege (vgl. BSG, Beschluss vom 11. April 2018, a. a. O., Rdnr. 11). Das Bundessozialgericht hat im Beschluss vom 11. April 2018 dahinstehen lassen, ob eine hinreichend klare, aus sich heraus verständliche und im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserhebliche, vom Senat zu beantwortende abstrakte Rechtsfrage formuliert worden ist, weil die maßgebende Regelung bereits geändert worden war (vgl. BSG, Beschluss vom 11. April 2018, a. a. O.). Es hat die Nichtzulassungsbeschwerde aber auch deshalb als unzulässig verworfen, weil sich die Beschwerdebegründung im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken dürfe, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Vorschriften des Grundgesetzes zu benennen, was vorliegend jedoch geschehen sei (vgl. BSG, Beschluss vom 11. April 2018, a. a. O., Rdnr. 12).

 

b) Durch die am Wortlaut orientierte Anwendung von § 146 SGB III ("Bezug von Arbeitslosengeld") wird Artikel 14 GG in Bezug auf die Eigentums- beziehungsweise Bestandsschutzgarantie für eingezahlte Sozialversicherungsbeiträge nicht verletzt, wenn die Klägerin ab 1. Januar 2013 weder Arbeitslosengeld noch Krankengeld erhält (so bereits Sächs. LSG, Urteil vom 3. Juli 2013 – L 3 AL 151/10NZS 2014, 34 f. = info also 2013, 257 f. = juris Rdnr. 23 zur Vorgängerregelung in § 126 SGB III in der vom 1. Januar 2004 bis 31. März 2012 geltenden Fassung).

 

Zwar sind Ansprüche auf beitragsfinanzierte Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld durch Artikel 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987 – 1 BvL 15/83BVerfGE 74, 203 [213] = juris Rdnr. 36, m. w. N.; BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 11 AL 30/10 R – SozR 4-4300 § 144 Nr. 22 = juris, jeweils Rdnr. 23, m. w. N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ergibt sich jedoch die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Dem Gesetzgeber kommt hierbei grundsätzlich eine weite Gestaltungsmöglichkeit zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987 – 1 BvL 15/83BVerfGE 74, 203 [214] = juris Rdnr. 37 ff., m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 24. März 1998 – 1 BvL 6/92BVerfGE 97, 378 [385] = juris Rdnr. 26; vgl. auch BSG, Urteil vom 25. August 2011, a. a. O., Rdnr. 24, m. w. N.). Dass der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hätte, ist nicht zu erkennen.

 

5. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab 27. Februar 2013 oder ab einem späteren Zeitpunkt bis zum 6. April 2014.

 

Zwar hatte die Klägerin im Schreiben vom 27. Februar 2013 erklärt, dass sie sich für den Zeitraum "der Antragstellung" [gemeint ist das Rentenverfahren] den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stelle. Zu diesem Zeitpunkt konnte allerdings ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr entstehen, weil die Wirkung der Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 17. Dezember 2012 wegen einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung ihrer Arbeitslosigkeit der Klägerin erloschen war (vgl. § 141 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Die Klägerin hätte sich gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der bis zu 31. Dezember 2021 geltenden Fassung) persönlich arbeitslos melden müssen, was sie nicht getan hat.

 

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld kann auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen eines etwaigen Beratungsunterlassens der Agentur für Arbeit hergeleitet werden. Zum einen dürfte die Beklagte vor dem Hintergrund der durchgehenden Folgebescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht verpflichtet gewesen sein, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie sich erneut persönlich arbeitslos melden muss, wenn Gründe, die bislang einem Anspruch auf Arbeitslosengeld entgegengestanden haben, weggefallen sein sollten. Zum anderen kann eine Begebenheit tatsächlicher Art wie die persönliche Arbeitsmeldung nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2014 – L 3 AL 1/13 B PKH – juris Rdnr. 23, m. w. N.).

 

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

 

III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

 

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