L 9 AL 125/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 572/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 125/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld vom 01.02.2017 bis zum 05.02.2017 und vom 25.05.2018 bis zum 26.08.2018.

Die 1994 geborene Klägerin absolvierte vom 01.09.2012 bis zum 30.06.2015 eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin. Anschließend arbeitete sie versicherungspflichtig bis zum 31.01.2017. Vom 06.02.2017 bis zum 24.05.2018 besuchte die Klägerin eine „Meisterschule“. Es handelte sich um eine schulische Ausbildung in Vollzeit. Die Klägerin bezog während dieser Zeit Leistungen nach dem BAföG („Meister-BAföG“). Am 24.05.2018 legte sie die Meisterprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk ab.

Die Klägerin meldete sich am 25.05.2018 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.  Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.08.2018 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie in den letzten zwei Jahren vor dem 25.05.2018 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei und daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Hiergegen legte die Klägerin am 29.08.2018 Widerspruch ein. Gleichzeitig beantragte sie Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 05.02.2017. Der seinerzeit erworbene Anspruch lebe nach der Arbeitslosmeldung vom 25.05.2018 wieder auf. Darüber hinaus ergebe sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld auch aus § 144 SGB III, denn bei der Meisterschule handele es sich um eine berufliche Weiterbildung iSd § 81 SGB III. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2018 zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie innerhalb der Rahmenfrist vom 25.05.2016 bis 24.05.2018 nur für 252 Kalendertage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und damit die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.

Die Klägerin hat am 23.11.2018 Klage erhoben. Sie habe vom 25.05.2018 bis zum 26.08.2018 Anspruch auf Arbeitslosengeld, denn sie sei nicht darüber informiert worden, dass sie – wenn sie sich arbeitslos meldet - nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses ab dem 01.02.2017 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, den sie nach dem Ende der Meisterschule wieder in Anspruch nehmen kann. Darüber hinaus handele es sich bei der Meisterschule um eine berufliche Weiterbildung iSd § 81 SGB III, sodass auch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III bestehe.

Die Beklagte hat den Antrag auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab dem 01.02.2017 mit Bescheid vom 12.12.2018 abgelehnt, da die Klägerin sich seinerzeit nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe. Der Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2019 zurückgewiesen worden. Die Klägerin hat ihre Klage am 30.01.2019 erweitert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr auch Arbeitslosengeld für den Zeitraum 01.02.2017 bis 05.02.2017 zu zahlen.

Den Antrag der Klägerin auf Förderung der Meisterschule nach § 81 SGB III hat die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2018 abgelehnt. Die Klägerin sei vor Beginn der Bildungsmaßnahme nicht arbeitslos gewesen und habe daher nicht beraten werden können. Die besuchte Maßnahme sei nicht nach § 81 SGB III anerkannt. Den Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2019 zurückgewiesen. Die Klägerin hat ihre Klage daraufhin am 04.02.2019 nochmals erweitert und eine Verurteilung der Beklagten zur Förderung der Maßnahme beantragt. Dadurch wäre dann auch die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 25.05.2018 erfüllt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 25.05.2018 bis 26.08.2018 zu gewähren,

2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2019 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.02.2017 bis 05.02.2017 zu gewähren,

3. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2019 zu verurteilen, den Besuch der Meisterschule durch sie als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zu fördern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Das Sozialgericht hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 28.07.2020, der Klägerin  zugestellt am 03.08.2020, abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.02.2017 bis 05.02.2017, da sie sich seinerzeit nicht arbeitslos gemeldet habe. Auf ein Verschulden komme es nicht an, da eine unterlassene Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzt werden könne. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Förderung der von ihr besuchten Meisterschule als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung. Die Voraussetzungen für eine Förderung lägen schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin vor Beginn der Maßnahme nicht durch die Agentur für Arbeit beraten worden sei. Schließlich bestehe auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 25.05.2018, da ein früherer Anspruch nicht entstanden sei, und die Klägerin zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 25.05.2018 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.

Die Klägerin hat am 28.08.2020 Berufung eingelegt. Sie habe sich unverschuldet nicht für den Zeitraum 01.02.2017 bis 05.02.2017 arbeitslos gemeldet, da sie niemand darauf hingewiesen habe, dass in der Zeit ein Anspruch bestehe. Eine Arbeitslosmeldung sei ohnehin nicht erforderlich gewesen, da sie in der kurzen Zeit nicht hätte vermittelt werden können. Damit bestehe noch ein Restanspruch, den sie in der Zeit ab dem 25.05.2018 in Anspruch nehmen könne. Darüber hinaus sei die Meisterschule als Maßnahme der beruflichen Bildung nach § 81 SGB III anzuerkennen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.07.2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 sowie des Bescheides vom 12.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2019 zu verpflichten, für den Zeitraum 01.02.2017 bis 05.02.2017 sowie 25.05.2018 bis 26.08.2018 Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 143, 144 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zurecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn sie ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld vom 01.02.2017 bis zum 05.02.2017 und vom 25.05.2018 bis zum 26.08.2018, den die Beklagte mit den Bescheiden vom 01.08.2018 in der Gestalt Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 und vom 12.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2019 abgelehnt hat. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung (Bescheid vom 18.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2019) ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da die Klägerin einen entsprechenden Berufungsantrag nicht gestellt hat. Die hierauf bezogenen Ausführungen der Klägerin dienen lediglich der Begründung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ab dem 25.05.2018. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG).

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 01.02.2017 bis 05.02.2017.

Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer 1. arbeitslos ist, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat sich die oder der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Die Arbeitslosmeldung ist eine Tatsachenerklärung, formelle Voraussetzung ist die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur für Arbeit (BSG Urteil vom 19.01.2005 – B 11a/11 AL 41/04 R). Eine solche Arbeitslosmeldung liegt unstreitig nicht vor. Eine fehlende Meldung bei der Arbeitsagentur lässt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzen (BSG Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R). Ungeachtet dessen ist auch keine Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten erkennbar, denn es bestand kein Kontakt zwischen ihr und der Klägerin. Etwaiges Verschulden eines Dritten, etwa der Berufsschule oder des Arbeitsgebers, ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Arbeitslosmeldung auch nicht entbehrlich, weil im Zeitraum 01.02.2017 bis 05.02.2017 nur geringe Vermittlungschancen bestanden hätten. Die Arbeitslosmeldung ist für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 25.05.2018 bis 26.08.2018.

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld kann gem. § 161 Abs. 2 SGB III nach seiner Entstehung bis zum Ablauf von vier Jahren geltend gemacht werden. Ein im Februar 2017 entstandener Anspruch könnte damit im Mai 2018 noch geltend gemacht werden. Im Februar 2017 ist ein Anspruch jedoch nicht entstanden. Das Tatbestandsmerkmal der Entstehung verweist auf die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 SGB III (Karmanski in: Brand, 9. Aufl. 2021, SGB III § 161 Rn. 29; Lüdtke/Schaumberg in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, 3. Aufl. 2019, § 161 Rn. 4; Reichel in: jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 161 SGB III [Stand: 18.05.2020], Rn. 19; Valgolio in: Hauck/Noftz SGB III, § 161 [Stand: September 2021], Rn. 18). Diese lagen im Februar 2017 nicht vor, da die Klägerin sich – wie ausgeführt - nicht arbeitslos gemeldet hatte.

Ein neuer Anspruch ist nicht entstanden, denn die Klägerin hat die gem. § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat gem. § 142 Abs. 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gem. § 143 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2019 gF zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Fristbeginn war der Tag der Arbeitslosmeldung am 25.05.2018, so dass die Rahmenfrist vom 25.05.2016 bis zum 24.05.2018 reicht. In dieser Zeit hat die Klägerin vom 25.05.2016 bis zum 31.01.2017 nur 252 Tage versicherungspflichtig gearbeitet.

Weitere Versicherungszeiten innerhalb der Rahmenfrist sind nicht ersichtlich. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Die Klägerin stand während des Besuchs der Meisterschule nicht in einer Beschäftigung. Gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III in der bis zum 30.06.2020 gF standen Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem BBiG in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet wurden, und Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich. Die Meisterschule war weder eine Berufsausbildung nach dem BBiG in einer außerbetrieblichen Einrichtung, noch handelte es sich um einen dualen Studiengang. Auch die Versicherungstatbestände in § 26 SGB III sind im Hinblick auf die Meisterschule nicht einschlägig.

Eine Verlängerung der Rahmenfrist kommt nicht in Betracht. Nach § 143 Abs. 3 SGB III werden in die Rahmenfrist Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die Klägerin hat während der Meisterschule kein Übergangsgeld bezogen.

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 25.05.2018 bis 26.08.2018 folgt entgegen der Annahme der Klägerin schließlich nicht aus § 144 Abs. 1 SGB III. Danach hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Die Vorschrift begründet einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (trotz fehlender Verfügbarkeit) während und nicht nach der Maßnahme. Abgesehen davon ist für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach § 144 Abs. 1 SGB III notwendig, dass die Förderung der Maßnahme durch Übernahme der Weiterbildungskosten nach § 81 Abs. 1 SGB III im Einzelfall tatsächlich erfolgt (BSG Urteil vom 27.06.2019 – B 11 AL 8/18 R). Das ist hier nicht der Fall, die Beklagte hat den Besuch der Meisterschule der Klägerin nicht gefördert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.

 

 

Rechtskraft
Aus
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