L 9 KR 265/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 893/19 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 265/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 31/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Wer als Leistungserbringer (hier: Krankenhaus ohne Zulassung und ohne Versorgungsvertrag) wusste oder wissen musste, dass die Leistung keinen Vergütungsanspruch nach sich zieht, kann nicht über    § 814 BGB bzw. die Rechtsfigur von Treu und Glauben verlangen, dass die irrtümlich leistende gesetzliche Krankenkasse von einer Rückforderung einer ohne Rechtsgrund erbrachten Vergütung absieht. 

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts

Berlin vom 5. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Erstattung geleisteter Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 3.962,05 Euro.

 

Die Klägerin ist eine Innungskrankenkasse mit Sitz in Saarbrücken. Sie entstand am 1. Juli 2009 aus der Fusion der IKK Südwest-Direkt mit der IKK Südwest-Plus. Sie ist nur für die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland geöffnet.

 

Die Beklagte mit Sitz in Berlin ist Trägerin u.a. der M F-A-Klinik N (B). Das Krankenhaus ist ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie. Es trug zunächst den Namen „St. G-Krankenhaus für Nerven- und Gemütsleiden“. 1993 übernahmen die O Kliniken (K), ein privater Krankenhaus- und Heimträger, das Krankenhaus. Es erfolgte eine Umbenennung der Klinik in den heutigen Namen. Im Dezember 2011 übernahm die Beklagte das Unternehmen O Kliniken und damit auch das o.g. Krankenhaus.

 

Für das Krankenhaus wurde 1971 mit dem Verband der Angestelltenkrankenkassen e.V. auf der Grundlage von § 371 Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Vertrag geschlossen, wonach – der Inhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig –

 

„das Krankenhaus den aufgrund dieses Vertrages und einem Kostenverpflichtungsschein eingewiesenen Versicherten und deren familienhilfeberechtigten Angehörigen einer diesen Vertrag anerkennenden Krankenkasse nach den Erfordernissen des vorliegenden Krankheitsfalles unter Nachweis der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, Pflege und Behandlung in der allgemeinen Pflegeklasse gewährt“.

 

Der nicht bei den Akten befindliche Vertrag enthielt darüber hinaus Regelungen zur Vergütung und zur Abrechnung. Er trat am 1. Juli 1971 in Kraft und konnte vierteljährlich zum Ende des Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.   

 

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1971 teilte der Verband der Angestelltenkrankenkassen e.V. dem Krankenhaus mit, welche Krankenkassen den Vertrag als für sich verbindlich anerkannt haben.

 

Die Rechtsvorgängerinnen der Klägerin gehörten nicht zu den Krankenkassen, die den genannten Vertrag als für sich verbindlich anerkannt haben.

 

Am 11. Dezember 1996 stellte das Regierungspräsidium F für das Krankenhaus eine „Statusbestätigung“ bzw. „Bescheinigung“ aus. In dieser heißt es wörtlich:

 

„Die F-A-Klinik (früher St. G-Krankenhaus) ist ein Vertragskrankenhaus nach § 108 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Die F-A-Klinik ist somit ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG).

 

Die Vertragsparteien führen jährlich mit der F-A-Klinik unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzvereinbarungen nach Maßgabe des KHG und der Bundespflegesatzvereinbarung (BPflV). In den Verhandlungen wird berücksichtigt, dass die Einrichtung ein nicht gefördertes Krankenhaus ist (§§ 8 und 17 BPflV). Die Leistungen werden nach § 1 Abs. 1 BPflV vergütet.

 

Die F-A-Klinik gehört zur Krankenhaus-Gruppe 19 unter die Fachkrankenhäuser, die für Psychiatrie und/oder Neurologie geführt werden.

 

Seit dem Bestehen der Klinik werden die Krankenhauspflegesätze vom Regierungspräsidium F (Genehmigungsbehörde) nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG i.V.m. § 20 Abs. 1 BPflV genehmigt.“

 

Das Krankenhaus der Beklagten ist im Deutschen Krankenhausverzeichnis gelistet, hingegen nicht in der Liste der zugelassenen Krankenhäuser des Landes Bund damit nicht im Landeskrankenhausplan (https://www.deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de/app/suche/bundesland/b/a38ea43e498af482 und andererseits https://sozialministerium.b.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Krankenh%C3%A4user/Stand_04_2019_Verzeichnis__Krankenhaeuser_BW.pdf, Stand: 19. April 2019, recherchiert am 25. September 2022). Die Auflistung der zugelassenen Krankenhäuser umfasst auch die Vertragskrankenhäuser.

 

Die Internetseite der Klinik führte und führt nach wie vor aus (www.m-kliniken.de/de/m-f-a-klinik-n/ - recherchiert am 25. September 2022):

 

„Die Klinik besitzt einen Versorgungsvertrag nach § 108/109 SGB V. Es bestehen Verträge mit allen Ersatz-, Post-, Bahn-, Polizei- und Privatkassen. Von allen anderen als den oben genannten Krankenkassen wird vorab eine verbindliche Kostenzusage benötigt. Die Klinik ist beihilfeberechtigt.“

 

Zwischen der Klägerin bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen und dem St. G-Krankenhaus für Nerven- und Gemütsleiden bzw. der M F-A-Klinik N wurde zu keinem Zeitpunkt ein schriftlicher Versorgungsvertrag auf Grundlage der RVO bzw. nach §§ 108 Nr. 3, 109 SGB V abgeschlossen. Ebenso wenig gibt es einen von den Landesverbänden der Krankenkassen oder Ersatzkassen abgeschlossenen Versorgungsvertrag, in den die Klägerin eingebunden wäre.

 

Das Krankenhaus der Beklagten behandelte in der Zeit vom 27. November 2013 bis zum 20. Dezember 2013 den bei der Klägerin Versicherten S G im Rahmen eines stationären Aufenthaltes. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass diese stationäre Behandlung medizinisch erforderlich war. Eine verbindliche schriftliche Kostenzusage seitens der Klägerin, welche den konkreten Behandlungsfall ausdrücklich verbalisiert, wurde vorab weder von der Versicherten noch von der Beklagten eingeholt.

 

Stattdessen übermittelte die Beklagte der Klägerin (nur) über den elektronischen Datenaustausch (DTA) unter ihrem Institutskennzeichen (IK-Nummer) den „Aufnahmesatz“; die Klägerin übermittelte daraufhin per DTA (maschinell) den „Kostenübernahmesatz“. Die Beklagte berechnete per DTA für die o.g. stationäre Behandlung des Versicherten einen Betrag in Höhe von 3.962,05 Euro. Die Klägerin beglich den Rechnungsbetrag.

 

Im Jahre 2017 erkundigte sich die Klägerin (über die IKK classic) beim Verband der Ersatzkassen (vdek) nach dem Bestehen von Versorgungsverträgen mit der Beklagten hinsichtlich der F-A-Klinik. Der vdek teilte der Klägerin am 5. Mai 2017 mit, dass nur die vdek-Mitgliedskassen einen Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus geschlossen hätten.

 

Die Beklagte lehnte einen von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch aus der Behandlung des Versicherten G ab.

 

Die Klägerin hat daraufhin im vorliegenden Verfahren aus der Behandlung des Versicherten G sowie in weiteren Verfahren, betreffend andere Versicherte, am 31. Oktober 2017 mehrere Klagen zum Sozialgericht Berlin erhoben und begehrt jeweils die Erstattung der geleisteten Vergütung. Der Beklagten habe für den stationären Behandlungsfall (hier des Versicherten G) keine Vergütung zugestanden. Zwischen der Klägerin und der F-A-Klinik bestehe kein Versorgungsvertrag. Der im Jahr 1971 auf der Grundlage der RVO geschlossene Vertrag gelte nur im seinerzeitigen Umfang fort. Die Klägerin als IKK werde durch diesen nicht gebunden, ebenso wenig durch die Bescheinigung, welche das Regierungspräsidium F1996 ausgestellt habe. Diese Bestätigung gewährleiste lediglich den Bestandsschutz und dessen Fortgeltung nach dem Trägerwechsel und der seinerzeit erfolgten Umbenennung (§ 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V). Der Bestandsschutz könne nicht weiter gehen als der status quo des geschlossenen Vertrages. Der Erstattungsanspruch scheitere nicht an § 814 BGB. Die Klägerin habe keine positive Kenntnis von ihrer fehlenden Leistungspflicht gehabt. Da der Klinik ein eigenes Institutskennzeichen erteilt worden sei und sie den gesamten Datenaustausch per DTA-Verfahren vorgenommen habe, habe für die Klägerin keine Möglichkeit bestanden, manuell in den Vorgang einzugreifen. Im Rahmen der automatisierten maschinellen Zahlungsanweisung erfolge anhand der DTA-Einspielungen lediglich eine automatisierte Plausibilitätsprüfung in Bezug auf die inhaltliche Richtigkeit der Rechnung. Erkenne das System keine Auffälligkeiten, bestehe für die Klägerin keine Möglichkeit, die Zahlung zu stoppen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil ausweislich der Internet-Seite des Krankenhauses die Beklagte selbst davon ausgehe, dass sie nur gegenüber den Ersatzkassen zugelassen sei und für alle anderen Krankenkassen vorab eine verbindliche Kostenzusage notwendig sei. Insoweit habe sich die Beklagte selbst treuwidrig verhalten, indem sie keine vorherige Kostenzusage eingeholt, sondern durch eigenmächtige Aufnahme der Versicherten und Nutzung des DTA-Verfahrens eine Abrechnung und Zahlung veranlasst habe.

 

Die Beklagte hat sich auf § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 KHEntgG in Verbindung mit dem Statusfeststellungsbescheid des Regierungspräsidiums F berufen. Das Gesetz kenne seit dem Inkrafttreten des SGB V keine einzelnen Versorgungsverträge mit einzelnen Krankenkassen mehr. Dem Feststellungsbescheid des Regierungspräsidiums sei zu entnehmen, dass dieses eine Gleichstellung der Beklagten mit den Vertragskrankenhäusern beabsichtigt habe. Der Klägerin seien sämtliche Daten über den erfolgten Datenträgeraustausch bekannt gewesen. Es handele sich daher um eine reine Schutzbehauptung, wenn sich die Klägerin nun darauf berufe, dass sie erst im Nachhinein festgestellt habe, dass kein Versorgungsvertrag bestehe. Es hätten zwischen der Klägerin und der Beklagten Gespräche stattgefunden, wonach auf individuelle Kostenübernahmeerklärungen verzichtet werden könne. Selbst wenn kein Versorgungsvertrag bestanden habe, seien der Klägerin diese Umstände seit Jahren bekannt. Sie habe die von der Beklagten berechneten Entgelte über einen Zeitraum von vielen Jahren beglichen. Daher sei der Erstattungsanspruch gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Sie verweise dazu auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. Juli 2019 (L 11 KR 4475/18). Sie sei davon ausgegangen, aufgrund der Bestätigung des Regierungspräsidiums F zur Behandlung der Versicherten der Klägerin berechtigt zu sein. Sie habe zu keinem Zeitpunkt ihren Zulassungsstatus verheimlicht. Bereits aus ihrem Homepage-Auftritt sei ersichtlich, dass sie mit der Klägerin keinen Versorgungsvertrag geschlossen habe. Das Krankenhaus befinde sich auch nicht im Krankenhausplan des Landes B. Die Klägerin habe ihren Versicherten und der Beklagten gegenüber explizit mitgeteilt, dass die Beklagte zur Versorgung berechtigt sei und es einer besonderen Genehmigung nicht bedürfe. Die Klägerin habe regelhaft im Rahmen des Datenträgeraustauschs der Beklagten gegenüber Kostenübernahmeerklärungen erklärt und Rechnungen der Beklagten vorbehaltlos beglichen. Aus diesem jahrelangen Verhalten erwachse ein Vertrauenstatbestand. Die Rückforderung sei daher treuwidrig.

 

Mit Urteil vom 5. Juni 2020 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin den geltend gemachten Erstattungsbetrag in Höhe von 3.962,05 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2017 zu zahlen.

Es bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in der genannten Höhe. Leistungen, die zum Zwecke der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit erfolgten, welche jedoch in Wirklichkeit nicht bestehe, könnten zurückgefordert werden. Der Vergütungsanspruch für die stationäre Krankenhausbehandlung und der Zahlungsanspruch gegenüber einer Krankenkasse entstünden unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch Versicherte kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolge (Hinweis auf B 1 KR 2/18 R). Zugelassene Krankenhäuser seien gemäß § 108 SGB V neben Hochschulkliniken, die nach dem Landesrecht als solche anerkannt seien, Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen seien (Plankrankenhäuser) sowie schließlich Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen hätten. Während Hochschulkliniken und Plankrankenhäuser Zugelassene kraft Gesetzes seien, erlangten andere Krankenhäuser diesen Status erst durch Abschluss eines Versorgungsvertrags, welcher der Genehmigung durch die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde bedürfe. Die Zulassung erfolge demgemäß mittels Abschlusses oder Fiktion eines Versorgungsvertrages. Abgesehen von Notfallbehandlungen sei ein Vergütungsanspruch für Behandlungen außerhalb des Geltungsbereichs eines Versorgungsvertrages ausgeschlossen (Hinweis auf B 1 KR 2/18 R).

 

Vorliegend, so das Sozialgericht, bestehe kein Rechtsgrund für die Leistung an die Beklagte. Ihr Krankenhaus sei weder nach landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt noch in den Krankenhausplan aufgenommen. Es bestehe auch kein Versorgungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten für Behandlungen in dem Krankenhaus. Die faktische Begleichung der Rechnung begründe ebenfalls keinen Rechtsanspruch. Dass ein Versorgungsvertrag zwischen den Beteiligten nicht explizit geschlossen worden sei, sei zwischen diesen nicht streitig. Ein solcher Vertrag komme gemäß § 109 Abs. 1 SGB V durch Einigung der dort genannten Vertragspartner zustande und bedürfe der Schriftform. Eine mündliche Vereinbarung reiche ebenso wenig wie ein bloß schlüssiges Verhalten.

 

Ein Versorgungsvertrag ergebe sich für die Klägerin auch nicht aus der Statusbestätigung für das Krankenhaus seitens des Regierungspräsidiums F vom 11. Dezember 1996. Diese stelle keinen Versorgungsvertrag dar und ersetze einen solchen auch nicht. Das ergebe sich klar aus der Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juli 2019 (L 11 KR 4475/18, Rdnrn. 44-50). Das Landessozialgericht habe darin ausgeführt, dass es sich bei der genannten Statusbestätigung lediglich um eine Rechtsmeinung handele, der keinerlei konstitutive Wirkung zukomme. Es handele sich auch um keinen Feststellungsbescheid i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG, mit welchem das Krankenhaus in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen worden sei. Nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg könne sich das Krankenhaus nicht auf § 109 Abs. 3 SGB V und die Fortgeltung von Verträgen stützen. Ein möglicher Vertrag, der gemäß §  371 RVO mit dem Landesverband der Ersatzkassen geschlossen worden sei, wäre für die dortige beklagte Krankenkasse nicht verbindlich. Die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 3 SGB V gelte für Altverträge nach der RVO nicht (so LSG Baden-Württemberg).

 

Nach Auffassung der Kammer ergebe sich auch kein Zahlungsanspruch daraus, dass die Klägerin in der Vergangenheit gegenüber anderen Versicherten Kostenübernahmeerklärungen abgegeben habe. Eine konkludente Kostenübernahmeerklärung mittels des (Datenträgeraustausch - Verfahrens) Data-Verfahrens (§ 301 SGB V) könne schon deshalb nicht vorliegen, weil die Beklagte in dem automatisierten Verfahren der Klägerin gegenüber ihre fehlende Zulassung nicht offengelegt habe.

 

Dem Erstattungsanspruch stehe § 814 BGB analog nicht entgegen. Eine Krankenkasse könne bei einer vorbehaltlosen Zahlung einer Krankenhausrechnung mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht und der Rückforderung ausgeschlossen sein, wenn sie (positiv) gewusst habe, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet sei. Erforderlich sei nach dieser Bestimmung die positive Kenntnis der Klägerin davon, dass die Beklagte keine Abrechnungsbefugnis habe. Im vorliegenden Fall liege keine positive Kenntnis der Klägerin vor; allein dass sie durch eine Recherche den Zulassungsstatus der Beklagten hätte herausfinden können, begründe gerade keine positive Kenntnis. Kennenmüssen oder bloße Fahrlässigkeit reichten nicht. Der Klägerin sei die Rückforderung auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt. Soweit das Landessozialgericht Baden-Württemberg in der vorliegenden Konstellation die Rückforderung der Vergütung unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens als ausgeschlossen betrachte, folge dem die Kammer nicht (Hinweis auf L 11 KR 4475/18). Bei einer umfangreichen Behandlung von Versicherten ohne Zulassung bestehe nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Pflicht des Krankenhauses, die Krankenkasse darauf hinzuweisen, dass ein Vertrag nicht bestehe. Die Beklagte könne sich dieser Pflicht nicht unter Berufung auf die Bestätigung des Regierungspräsidiums F entziehen.

 

Die Beklagte hat gegen das ihren Bevollmächtigten am 8. Juni 2020 zugestellte Urteil am 17. Juni 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen angeführt:

 

Gemäß § 12 SGB V dürften Krankenkassen Leistungen nicht bewilligen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien. Insbesondere bei planbaren Leistungen sehe das Gesetz grundsätzlich die Verpflichtung zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens vor. Damit gehe das Gesetz davon aus, dass die Erbringung der Leistung der vorherigen Feststellung einer Leistungspflicht bedürfe. Dies gelte auch bei vollstationären Leistungen. So sähen die vertragsärztlichen Verordnungen von Krankenhausbehandlung regelhaft die Prüfung und Bestätigung der Krankenhausbehandlung vor Aufnahme des Versicherten durch die zuständige Krankenkasse vor.

 

Das Sozialgericht habe diesen Grundsatz verkannt. Die Klägerin habe ihrerseits über Jahre entweder dem Krankenhaus selbst oder ihren Versicherten oder gegenüber beiden eine Übernahme der Kosten für eine vollstationäre psychiatrische Behandlung bestätigt. Dies sei vor Teilnahme der Beklagten am Datenträgeraustausch gemäß §  301 SGB V erfolgt. Die Klägerin könne sich deshalb weder auf die gesetzliche Pflicht zur Überprüfung der Behandlungsnotwendigkeit vor Aufnahme in das Krankenhaus berufen noch darauf, dass sie im Datenträgeraustausch nicht habe erkennen können, dass sie selbst keinen Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus der Beklagten geschlossen habe. Der Klägerin sei im Übrigen positiv bekannt, mit wem sie einen Versorgungsvertrag geschlossen habe und dass das Krankenhaus der Beklagten nicht zu den sonstigen kraft Gesetzes zugelassenen Einrichtungen nach §  107 SGB V gehöre. Darauf habe auch das LSG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung hingewiesen   (L 11 KR 4475/18). Selbst bei gegenteiliger Annahme habe das Sozialgericht den Datenträgeraustausch gemäß § 301 SGB V verkannt. Die Beklagte sei insoweit ihrer Pflicht nachgekommen, an dem Verfahren teilzunehmen. Es bestehe für sie keine Möglichkeit, bei ihrer Teilnahme nach Kassenarten zu differenzieren. Sehr wohl treffe dagegen die Klägerin die Pflicht, die ihr überspielten Daten sachlich-rechnerisch zu prüfen. In einem Parallelklageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin habe zuletzt die IKK classic vortragen lassen, dass die Vertragsdaten im Rahmen des Datenträgeraustauschs von den Innungskrankenkassen als Gemeinschaft vom Verband der Ersatzkassen (vdek) eingekauft worden seien. Dementsprechend seien die entsprechenden Informationen in den Strukturdateien enthalten gewesen, die die Klägerin wie auch andere Innungskrankenkassen vom vdek erhalten hätten. Es sei dann, so die Ikk classic, durch die Einspielung der Daten des vdek in das Software-System der Klägerin irrtümlich die Information in das System gelangt, dass die Klägerin einen Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus hätte. Damit hätte die Klägerin aber aus Sicht der Beklagten bei Zahlung positiv Kenntnis davon gehabt, dass kein Zulassungsanspruch bestanden habe. Dabei habe es sich nicht nur um einen Irrtum, sondern eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin gehandelt.

 

Ferner unterliege die Klage der Abweisung, weil sich das Verhalten der Klägerin als grob treuwidrig erweise (§ 242 BGB). Die Beklagte habe in der Vergangenheit auch Versicherte der Klägerin aktiv aufgefordert, vertragsärztliche Verordnungen von Krankenhausbehandlung vor Krankenhausaufnahme zur Genehmigung vorzulegen. Den daraufhin ergangenen Schreiben der Klägerin an ihre Versicherten (eingereicht als Anlagen von der Beklagten) seien zwei rechtlich bedeutsame Aussagen zu entnehmen. Zum einen habe die Klägerin eine Vorabgenehmigung verweigert, weil eine solche nicht den SGB V-Regelungen entspreche. Außerdem habe die Klägerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil sie in den Schreiben (an ihre Versicherten) auf eine mit dem Krankenhaus (geschlossene) Pflegesatzvereinbarung verwiesen habe, die es aber nicht gebe. Auch hierin liege ein Verschulden der Klägerin. Außerdem habe sie damit der Beklagten zu verstehen gegeben, dass eine Direktabrechnung möglich sei.

 

Auch in den Folgejahren und betreffend den hier streitigen Zeitraum sei die Klägerin so verfahren. So habe sie in einer Vielzahl von Fällen ihren Versicherten gegenüber den Antrag auf Übernahme von Kosten einer stationären Behandlung in der Klinik der Beklagten genehmigt und diese Versicherten gebeten, das Genehmigungsschreiben mit der Einweisung bei Aufnahme im Krankenhaus vorzulegen. Die Klägerin habe damit über Jahre einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich die Beklagte berufen könne. Für die Beklagte habe es keinen Grund gegeben daran zu zweifeln, dass die Klägerin vorbehaltlos ausgeglichene Krankenhausabrechnungen nicht wieder zurückfordern werde. Soweit ersichtlich, habe sie auch die ihren Versicherten gegenüber erteilten Genehmigungen trotz Kenntnis der vermeintlichen Rechtswidrigkeit nicht zurückgenommen.

 

In einem parallelen Klageverfahren betreffend die Vergütung für die von der MF-A-Klinik erbrachten stationären Leistungen habe die IKK classic ihre Klage zum Sozialgericht Berlin zurückgenommen.

 

Im Zeitraum zwischen 16. Juni 2009 und 16. Mai 2013 seien 172 Versicherte der Klägerin in dem Krankenhaus behandelt worden, wie auch davor und danach  eine weitere große Anzahl. Die Klägerin habe nicht erklärt, wieso sie über Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg den Datenträgeraustausch durchgeführt und Krankenhausabrechnungen für das Krankenhaus vorbehaltlos gezahlt habe. Insbesondere habe sie nicht erläutert, wie der Umstand zu werten sei, dass sie Daten im Rahmen des Datenträgeraustauschs unbesehen und ohne jede Prüfung beim vdek eingekauft und diese ihrer Verwaltungspraxis zugrunde gelegt habe. Dieses kausal gewordene Verschulden treffe allein die Klägerin. Andere Krankenkassen hätten keine Rückzahlungsklagen gegen die Beklagte erhoben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Juni 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Das Verfahren der elektronischen Datenübertragung gemäß § 301 SGB V gelte nur für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser. Es bestehe für das Krankenhaus M F-A-Klinik lediglich ein Vertrag zwischen der Beklagten und den Ersatzkassen. Die Beklagte scheine auch seit 2011 die Auffassung der Klägerin zu teilen, denn sie fordere auf ihrer Homepage seither vorab eine Kostenübernahmeerklärung für die dort nicht genannten Kassen. Da die Beklagte weiter einen Datenaustausch gemäß § 301 SGB V vorgenommen habe, habe die Klägerin davon ausgehen können, dass mit der Beklagten ein Versorgungsvertrag für das Krankenhaus bestehe. Es sei im Übrigen ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass ohne eine ordnungsgemäße Krankenhausabrechnung bereits keine Fälligkeit der Vergütungsforderung des Krankenhauses eintrete. Zur ordnungsgemäßen Abrechnung gehöre auch die vollständige Information der Krankenkasse durch das Krankenhaus (Hinweis auf  B 1 KR 14/12 R). Die im Berufungsverfahren eingereichten Kostenübernahmeerklärungen für andere Versicherte hätten für das vorliegende Verfahren keine Relevanz. Diese entfalteten allenfalls Wirkung im jeweiligen Einzelfall. Die (nicht anonymisierte) Vorlage im hiesigen Verfahren durch die Beklagte sei bereits datenschutzrechtlich fraglich. Im streitgegenständlichen Fall habe die Beklagte – entgegen ihrer Aussage auf der eigenen Homepage – vor der Krankenhausbehandlung keine Kostenübernahme bei der Klägerin beantragt. Die Beklagte selbst habe mit der Teilnahme am DTA-Verfahren nach § 301 SGB V heimlich und intransparent agiert. Sobald sie das DTA-Verfahren nutze, könne die Klägerin davon ausgehen, dass es sich um ein ihr gegenüber zugelassenes Krankenhaus handele. Eine Zulassung werde bei Teilnahme an diesem Verfahren vorausgesetzt. Das Fehlen der Zulassung sei im täglichen Massengeschäft nicht bemerkt worden. Da die Beklagte in der nur im DTA-Verfahren erstellten Rechnung nicht auf ihre fehlende Zulassung hingewiesen habe, liege keine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse vor und sei keine Fälligkeit der Vergütung eingetreten. Der Erstattungsanspruch sei nicht gemäß § 814 BGB oder nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen. Die Klägerin habe nicht gewusst, dass kein Versorgungsvertrag mit ihr bestanden habe und habe im Hinblick auf die Nutzung des DTA-Verfahrens durch das beklagte Krankenhaus auch keine Veranlassung gehabt, dies in Frage zu stellen. In der wiederholten und fortgesetzten stationären Behandlung der Versicherten der Klägerin ohne Zulassung für die konkrete Leistungserbringung liege ein grober und nachhaltiger Verstoß gegen die wesentlichen Grundlagen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (Hinweis auf B 1 KR 20/14 R).

 

Auf die in einem Parallelverfahren erfolgte Rücknahme der Klage durch die IKK classic könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil es sich dabei um eine andere – eigenständige – Krankenkasse handele.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage der Klägerin auf (Rück-)Zahlung der geleisteten Vergütung nebst Zinsen zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil die Zahlung auf eine geltend gemachte Vergütung ohne Rechtsgrund erfolgte (unten 1.). Der Erstattungsanspruch ist weder gemäß § 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in analoger Anwendung noch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen (unten 2.).

 

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht geleisteten Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten G.

 

Zu Unrecht erfolgte öffentlich-rechtliche Vermögensverschiebungen (Zahlungen ohne Rechtsgrund) begründen einen Erstattungsanspruch des Zahlenden gegenüber dem Zahlungsempfänger. Die Tatbestandsvoraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind im Fall der Klägerin unproblematisch erfüllt. Die Bezahlung des Rechnungsbetrags von insgesamt 3.962,05 Euro im Rahmen des maschinellen Verfahrens war ohne Rechtsgrund erfolgt. Dem Krankenhaus – der Beklagten – stand die Vergütung, die die Krankenkasse für die Krankenhausbehandlung des Versicherten G bezahlt hatte, nicht zu. Denn das Krankenhaus hatte keine Versorgungsberechtigung für Versicherte der Klägerin.

 

Die Klägerin hat eine Zahlung an die Beklagte erbracht; sie hat auf die maschinelle Meldung des Krankenhauses gemäß § 301 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine stationäre Krankenhausbehandlung vergütet, die in dem Krankenhaus vorgenommen wurde.   

 

Für die Zahlung bestand zur Überzeugung des Senats nach keiner denkbaren Sichtweise ein Rechtsgrund. Der Senat nimmt insoweit nach eigener Sachprüfung Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (Blatt 7 bis 10 des Urteilsumdrucks, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu ergänzen und zu betonen bleibt in Anbetracht der Berufungsbegründung Folgendes:

 

a) Der Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausleistungen entsteht mit Aufnahme und Behandlung gesetzlich Versicherter in Krankenhäusern kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von   § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 2018, B 1 KR 32/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 9). Nach § 108         SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlungen nur durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen. Das Sozialgericht hat für das Krankenhaus der Beklagten zutreffend ausgeführt, dass dieses 2013 nicht über eine gegenüber der Klägerin wirksame Zulassung verfügte. Insbesondere war es nicht in den Krankenhausplan des Landes B aufgenommen und hatte keinen Versorgungsvertrag, an dem auch die Klägerin beteiligt war (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2019, L 11 KR 4475/18, Rdnr. 42). Der 1971 zwischen dem Krankenhaus mit dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Verband der Arbeiterersatzkassen geschlossene Vertrag gilt im Verhältnis zur Klägerin zweifellos nicht. Weder sie selbst noch ihre Rechtsvorgängerinnen sind Vertragsparteien. Teil des „Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V.“ (VdAK) und des „Verbandes der Arbeiter-Ersatzkassen e. V.“ (AEV, im Jahr 2008 aufgelöst, vgl. https://www.vdek.com/ueber_uns/verband-jubilaeum.html) waren Innungskrankenkassen zu keinem Zeitpunkt. Diese sind vielmehr neben den Betriebskrankenkassen, den Ersatzkassen, den Allgemeinen Ortskrankenkassen und der Knappschaft eigenständige Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Historisch sind die heutigen IKK aus den Innungen des Handwerks und Gewerbes entstanden. Seit der allgemeinen Öffnung der Krankenkassen im Jahr 1996 kann jeder gesetzlich Versicherte Mitglied einer IKK werden, allerdings sind einige IKK nur für bestimmte Bundesländer geöffnet, sodass nur die dort wohnenden oder arbeitenden Personen dieser IKK beitreten können. Im Zuge der Öffnung fusionierten die meisten der ehemals ca. 150 Innungskrankenkassen. Aktuell gibt es noch sechs verbliebene IKK, die im Dachverband IKK e.V. organisiert sind. Aus diesem Grund kann sich die Beklagte nicht auf § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V berufen. Soweit diese Norm bestimmt, dass Verträge, die vor dem 1. Januar 1989 nach § 371 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung abgeschlossen worden sind, bis zu ihrer Kündigung nach § 110 weitergelten, können sich nur die Vertragspartner oder deren Rechtsnachfolger auf diese Weitergeltung berufen, also vertraglich erfasste und ggf. auch andere bestandsgeschützte (Vertrags-)Krankenhäuser im Verhältnis zu den vertragsschließenden Krankenkassen und deren Rechtsnachfolgern, nicht aber im Verhältnis zu anderen Krankenkassen (vgl. Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V,   4. Aufl., § 109 SGB V, Rdnr. 122; Bockholdt in: Hauck/ Noftz, SGB V, K § 109 SGB V Rdnr. 234; näher LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2019, L 11 KR 4475/18, zitiert nach juris, dort Rdnrn. 47 ff.).

 

b) Die Beklagte kann sich zur Begründung des Vertragsstatus des Krankenhauses nicht auf die „Statusbestätigung für das Krankenhaus“ des Regierungspräsidiums F aus dem Jahr 1996 berufen, wonach das Krankenhaus ein „Vertragskrankenhaus nach § 108 Nr. 3 i.V.m. § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V“ sei. Das liegt im Verhältnis zur Klägerin ohne Weiteres auf der Hand. Zum einen schränkt das Regierungspräsidium die Bezeichnung als „Vertragskrankenhaus“ auf den Fall des § 109 Abs. 3 Satz 3     SGB V ein. Insoweit beschreibt die Bestätigung einen Status, den auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, nämlich denjenigen eines Bestands-Vertragskrankenhauses aus einem Altvertrag nach RVO mit den Vertragspartnern dieses Altvertrags und deren Rechtsnachfolgern. Zum anderen erfolgte nach dem Vortrag der Klägerin die Ausstellung der Bescheinigung aus Anlass bzw. im Nachgang zu der Umbenennung der Klinik. Die Bescheinigung bezweckte mithin vor diesem Hintergrund keine Neubegründung oder Ausweitung des Status; in ihr liegt eine bloße Rechtsmeinung ohne statusbegründende Wirkung. Anderes läge auch gar nicht in der Macht des Regierungspräsidiums F, denn die Eigenschaft eines Vertragskrankenhauses im Sinne von    § 108 Nr. 3 SGB V ergibt sich allein aus dem Bestehen eines Vertrages zwischen den zum Vertragsschluss Befugten (dem Krankenhaus und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen). Die Bescheinigung selbst misst sich daher auch nach ihrem Wortlaut nur deklaratorisch-bestätigende und keine konstitutive Wirkung zu („Statusbestätigung“). Der Wortlaut spricht auch dagegen, dass es sich bei der „Bestätigung“ um eine Feststellung der Aufnahme des Krankenhauses in den Landeskrankenhausplan i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) handeln könnte, zumal das Krankenhaus tatsächlich nicht in den Krankenhausplan aufgenommen ist. Es kann daher offen bleiben, ob es der Bestätigung im Übrigen an essentiellen Merkmalen für einen solchen feststellenden Verwaltungsakt (Nennung des Adressaten, Regelung, Rechtsmittelbelehrung, zudem Bezeichnung als bloße „Bescheinigung“) fehlt (so im Ergebnis auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2019, L 11 KR 4475/18, Rdnr. 44).

 

c) Die Beklagte kann sich für einen Vergütungsanspruch auch nicht auf eine Kostenübernahmeerklärung der Klägerin berufen, denn eine solche gibt es nicht. Eine unbedingte und uneingeschränkte Kostenzusage oder eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus ist für den Vergütungsanspruch zwar nicht konstitutiv, sie ersetzt keinen Versorgungsvertrag oder die Aufnahme in den Krankenhausplan. Sie kann aber im Einzelfall zur Folge haben, dass die Krankenkasse mit allen Einwänden gegen den Anspruch ausgeschlossen ist, die ihr zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bekannt gewesen sind oder ohne Weiteres hätten bekannt sein können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 27. November 2014, B 3 KR 1/13 R, BSGE 117, 271-287, Rdnr. 45). Die Kostenzusage ist ein Instrument zur frühzeitigen Klärung der Zahlungspflicht anhand des Status eines Patienten als Versicherter einer Krankenkasse. Sie erfasst jedoch grundsätzlich nicht die Frage, ob eine Behandlung vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt ist  (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 45 [Mindestmengen]). Sie findet damit nicht außerhalb, sondern nur innerhalb des Naturalleistungssystems statt, setzt also einen Versorgungsvertrag bzw.  -auftrag des Krankenhauses voraus (vgl. Wahl in: juris-PK, § 109 SGB V Rdnr. 183 f.). Abgesehen davon kommt es für die Reichweite stets auf den Inhalt einer Kostenübernahmeerklärung an (Wahl, a.a.O., Rdnr. 186).

 

Gemessen daran hat die Klägerin zwar auf die elektronisch über das DTA-Verfahren gemeldete Aufnahme ihres Versicherten Gin der Klinik der Beklagten einen (elektronischen) Kostenübernahmesatz an das Krankenhaus maschinell übermittelt. Dies ist aber bereits keine tragfähige Kostenübernahmeerklärung im Sinne einer Willenserklärung oder Zusage im obigen Sinne, sondern nur eine technische Datenübermittlung.   

 

§  301 SGB V dient als (rechtlich notwendige) gesetzliche Ermächtigung für die technische Datenübermittlung, um die Abrechnung und Überprüfung der erbrachten Leistungen zu gewährleisten (Krauskopf/Waschull, SGB V, § 301 Rdnr. 2). Die Nutzung der Datenübermittlung setzt ihrerseits einen Versorgungsvertrag voraus, über den das Krankenhaus der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin aber nicht verfügt. Gemäß          § 301 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind nur die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser zur Übermittlung der dort benannten Angaben verpflichtet, andere Krankenhäuser sind nicht genannt. Das Krankenhaus der Beklagten hat daher in Ermangelung eines Versorgungsvertrages mit der Klägerin dieser gegenüber die elektronische Datenübertragung bzw. Datenübermittlung in maschinell verwertbarer Form zu Unrecht genutzt.

 

Unabhängig davon ist der Aussagegehalt eines maschinellen Kostenübernahmesatzes begrenzt. Das Nähere der Datenübermittlung regelt die zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossene „Vereinbarung gemäß § 301 Abs. 3 SGB V  über das Verfahren zur Abrechnung und Übermittlung der Daten nach § 301 Abs. 1 SGB V (Datenübermittlungs-Vereinbarung)“ vom 1. Dezember 1994. Bei einem im Wege der elektronischen Datenübertragung gemäß § 301 SGB V i.V.m. der Vereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V übersandten sog. Kostenübernahmesatz (§ 3 Abs. 1 Datenübermittlungs-Vereinbarung vom 1. Dezember 1994) handelt es sich inhaltlich schon nicht um eine Kostenübernahmeerklärung im obigen Sinne. Der „Kostenübernahmesatz“ im Sinne der Datenübermittlungs-Vereinbarung enthält lediglich für die Abrechnung erforderliche Daten insbesondere zum Versicherten und keine individuell-intellektuellen Erklärungen, die über schlichten Datenaustausch hinausgehen. Individuelle Kostenübernahmezusagen sind nicht Gegenstand des Datenaustauschs nach § 301 SGB V (vgl. § 2 der Datenübermittlungs-Vereinbarung).

 

Die elektronisch/maschinell übermittelten Daten dienen zwar der Abwicklung der Abrechnung, aber gerade auch der Prüfung auf der Grundlage der übermittelten Daten (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom L 9 KR 691/17 B ER, Rdnr. 42). Würde allein in dem maschinellen Kostenübernahmesatz eine verbindliche Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse liegen, wäre damit eine nachträgliche Prüfung z.B. auf der Grundlage des § 275 SGB V erschwert, wenn nicht sogar ausgeschlossen.

 

Jedenfalls aber umfasst eine Kostenübernahmeaussage auf Grundlage der Datenübermittlungs-Vereinbarung nicht den Zulassungsstatus des Krankenhauses. Nach Anlage 5, Ziff. 1.3.1 zur Datenübermittlungs-Vereinbarung (in der Fassung vom 18. Juni 2013) teilt die Krankenkasse dem Krankenhaus mit dem Kostenübernahmesatz die Kostenübernahme, die Bestätigung des Versichertenverhältnisses oder ggf. ihre Ablehnung mit. Dies erfolgt jedoch elektronisch/maschinell, d.h. ausschließlich anhand der insoweit vom Krankenhaus maschinell gemeldeten Daten und nicht als Akt intellektueller Prüfung. § 301 Abs. 1 SGB V i.V.m. der Datenübermittlungs-Vereinbarung verpflichtet die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung die nachfolgend genannten Angaben zu übermitteln. Zu den genannten Angaben gehören zwar die Daten der Versicherten (§  301 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 291a Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung), nicht aber die Zulassung des Krankenhauses. Spiegelbildlich umfasst der Schlüssel für die Kostenübernahme nach Anlage 2 zur § 301-Vereinbarung (Stand: 18. Juni 2013) – es handelt sich um den Schlüssel 8 – zwar eine Ablehnung, weil kein Leistungsanspruch besteht oder der Krankenversicherungsträger nicht zuständig ist, hingegen keine Ziffer (keinen Schlüssel) für den Fall, dass das Krankenhaus über keine Zulassung verfügt. Das ist auch folgerichtig, denn dem Datenübermittlungsverfahren liegt zugrunde, dass nur zugelassene Krankenhäuser die Daten elektronisch übermitteln dürfen und müssen.

 

Selbst wenn aber ungeachtet all dessen in dem für den Versicherten G von der Klägerin maschinell übermittelten Kostenübernahmesatz eine relevante „Kostenübernahmeerklärung“ liegen sollte, schlösse diese die Klägerin nur von solchen Einwendungen aus, die ihr bei der Abgabe bekannt waren oder ohne Weiteres hätten bekannt sein können. Aus den übermittelten Daten des Krankenhauses ergab sich aber regelhaft gerade keine Aussage zum Versorgungsauftrag, so dass die Klägerin insoweit nicht mit nachträglichen Einwendungen ausgeschlossen ist. Entsprechend formuliert auch das Bundessozialgericht zur Kostenübernahmeerklärung: „In besonders gelagerten Fällen, also wenn sich aus der Zusage selbst ergibt, dass die Kasse um die Problematik der (möglichen) Überschreitung des Versorgungsauftrags und der Unterschreitung der Mindestmengen wusste, kann etwas anderes gelten.“ (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. November 2014, B 3 KR 1/13 R , zitiert nach juris, dort  Rdnr. 45).

 

Gemessen daran findet im DTA-Verfahren nur eine maschinelle Evidenzprüfung statt, aber keine Prüfung, ob zwischen den Trägern ein entsprechender Versorgungsvertrag besteht.

 

Auf eine Prüfpflicht oder das für die stationäre Krankenhausbehandlung vorgesehene Verwaltungsverfahren (gegenüber den Versicherten) kann sich die Beklagte nicht berufen. Zum einen ist ein Leistungsantrag bei der Krankenkasse  entbehrlich, wenn der Versicherte Krankenhausbehandlung innerhalb des Naturalleistungssystems, d.h. durch ein zugelassenes Krankenhaus in Anspruch nimmt. Die Krankenhausbehandlung setzt regelhaft keine vorherige Bewilligung der Krankenkasse voraus, erst recht nicht bei Notfallbehandlungen und akuten Krankheitszuständen (Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 39 SGB V Rdnr. 163 und 166). Trifft die Krankenkasse eine Entscheidung über die Bewilligung von Krankenhausbehandlung, so hat diese gegenüber dem Versicherten, nicht aber gegenüber dem Krankenhaus zu ergehen (Wahl, a.a.O., Rdnr. 169). Selbst wenn aber eine Vorabprüfung im Rahmen der Bewilligung der Krankenkasse erfolgt, so ist sie auf die ärztliche Verordnung bezogen und umfasst die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V, nicht hingegen den Zulassungsstatus des aufnehmenden Krankenhauses.

 

2. Einwendungen und Einreden gegen den Erstattungsanspruch greifen zur Überzeugung auch des Senats nicht durch. Die Klägerin leistete nicht in Kenntnis ihrer Nichtschuld (unten a). Ihrer Forderung stehen auch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung oder Treu und Glauben nicht entgegen (unten b).

 

a) Der Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.962,05 Euro ist nicht durch § 814 BGB (Zahlung auf eine Nichtschuld) in entsprechender Anwendung ausgeschlossen. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift im Verhältnis zwischen Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen überhaupt anwendbar ist; das Bundessozialgericht hat sich hierzu bislang noch nicht abschließend geäußert (vgl. – Tendenz bejahend – Urteil vom 9. April 2019, B 1 KR 3/18 R, zitiert nach juris, dort Rdnr 31; offen lassend: Urteil vom 16. Juli 2020, B 1 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 31 sowie Urteil vom 17. Dezember 2020, B 1 KR 21/20 R, zitiert nach juris, dort  Rdnr. 30).

 

Eine abschließende Entscheidung ist auch im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil es an der positiven Kenntnis der Klägerin von der Nichtschuld in Bezug auf die gezahlte Vergütung fehlt. Nach § 814 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. § 814 BGB setzt positive Kenntnis voraus; der Leistende muss wissen, dass er nach der Rechtslage nicht schuldet; jeder Rechts- oder Tatsachenirrtum schließt die Anwendbarkeit von § 814 BGB aus (Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juli 2020, B 1 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 32; ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. nur Urteil vom 7. Mai 1997,     IV ZR 35/96, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20).

 

Dabei gilt: Allein mit der vorbehaltlosen Zahlung ist noch kein Wissen um die (endgültige) Nichtschuld oder gar ein eigenständiges Anerkenntnis der Schuld verbunden. Unerheblich ist insoweit, dass es den Krankenkassen nicht verwehrt gewesen wäre, unbeschadet der Erfüllungswirkung einen Vorbehalt anzubringen (Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juli 2020, B 1 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 32 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Zahlt eine Krankenkasse daher vorbehaltlos auf eine Krankenhaus-Rechnung, kann sie nach dem Rechtsgedanken des § 814 BGB lediglich dann mit der Rückforderung ausgeschlossen sein, wenn sie positiv gewusst hat, dass sie – etwa wegen eines fehlenden Versorgungsauftrages des Krankenhauses – zur Leistung nicht verpflichtet war (Wahl in: jurisPK-SGB V, § 109 Rdnr. 245 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. März 2022, L 11 KR 542/18, Rdnr. 89).

 

Für die Klägerin sind die Voraussetzungen des § 814 BGB, davon ist der Senat überzeugt, nicht nachgewiesen; das geht zu Lasten der Beklagten. Der Rechtsgedanke des § 814 BGB ist zwar als Ausschlusstatbestand oder sogenannte Kondiktionssperre als rechtshindernde Einwendung konzipiert, d.h. er ist bereits nach dem BGB von Amts wegen zu berücksichtigen, was über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im Rechtsverhältnis der Leistungsträger und -erbringer des SGB V gilt. Die Beweislast für die positive Kenntnis des Leistenden trägt aber der Leistungsempfänger (unbestritten, siehe schon Reichsgericht, Urteil vom 21. September 1931 – VI 230/31 - RGZ 133, 275 [277], zitiert nach juris; Martinek/Heine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 814, Rdnr. 38). Der Leistende trägt keine Beweislast dafür, dass er sich im Irrtum über die Leistungspflicht befand, denn ein solcher Irrtum ist nicht positive Voraussetzung für den Erstattungsanspruch. Es ist Sache des Leistungsempfängers zu beweisen, dass der Leistende sich nicht nur irrte, sondern die Leistung freiwillig in positiver und gesicherter Kenntnis der Nichtschuld erbracht hat und dass bei Zweifeln des Leistenden an dem Bestand der Schuld aus seinen Erklärungen oder konkludent aus seinem Verhalten ein Verzicht auf die Rückforderung zu erblicken war. Gleichzeitig ist § 814 BGB eine gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die den Rückforderungsausschluss tragende Wertung ist hier die Schutzbedürftigkeit des beim Leistungsempfänger erweckten Vertrauens. Daneben ist auch die mangelnde Schutzwürdigkeit des Leistenden maßgeblich (vgl. Martinek/Heine, a.a.O., Rdnr. 4): „Ein Leistender, der um das Fehlen einer Verbindlichkeit weiß, verfolgt in Wirklichkeit durch die Erbringung seiner Leistung andere Ziele als die Tilgung einer vermeintlichen Schuld, er leistet etwa schenkungshalber, vergleichshalber, zur Erfüllung einer Anstandspflicht oder um einer versteckten Gegenleistung willen.“

 

Gemessen daran gibt es im Fall der Behandlung des Versicherten G keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei Zahlung positive Kenntnis davon hatte, dass die Schuld, d.h. ein kraft Gesetzes entstandener Vergütungsanspruch der Beklagten, nicht bestand. Die Beklagte hat – auch nach eigenem Vortrag – vor der Zahlung nicht darauf hingewiesen, dass sie keinen Versorgungsvertrag mit der Klägerin hatte und auch keine vorherige Kostenübernahmeerklärung in diesem speziellen Einzelfall vorlag. Aus der maschinellen Datenübermittlung ergab sich kein Hinweis auf die fehlende Versorgungsberechtigung. Allein aus den gegenüber anderen Versicherten abgegebenen Erklärungen der Klägerin, die die Beklagte eingereicht hat, lässt sich nicht auf die positive Kenntnis der Klägerin im vorliegenden Abrechnungsfall schließen; im Gegenteil dürften diese Erklärungen eher den fortbestehenden Irrtum der Klägerin über die Versorgungsberechtigung des Krankenhauses belegen. Dass die Klägerin durch einen Blick in ihre Versorgungsverträge oder die Homepage der Beklagten hätte Kenntnis haben können, reicht für die positive Kenntnis der Nichtschuld nicht. Außerdem ist das Krankenhaus hier – gerade weil es, wie seine Homepage belegt, wusste, dass es nicht zur Versorgung der Versicherten der Klägerin berechtigt war, sondern eine (positive) Kostenübernahme für solche Versicherte vor Aufnahme benötigte – nicht in dem Maße schutzwürdig, wie es § 814 BGB erfordert; das Gegenteil ist zur Überzeugung des Senats der Fall: Wer – wie hier – wusste (oder als Leistungserbringer wissen musste), dass die Krankenhausleistung keinen Vergütungsanspruch nach sich zieht, kann nicht über § 814 BGB bzw. die Rechtsfigur von Treu und Glauben verlangen, dass der irrtümlich Leistende von einer Rückforderung absieht. Jede andere Sichtweise würde grundlegende Prinzipien des Leistungserbringerrechts auf den Kopf stellen. Der Senat kann insoweit nicht nachvollziehen, dass die Beklagte noch im Laufe der mündlichen Verhandlung ihrer Überzeugung Ausdruck verlieh, mit ihrer Abrechnungspraxis gegenüber der Klägerin „alles richtig gemacht“ zu haben.

 

Hinzu tritt, dass die Beklagte mit der Datenübermittlung gemäß § 301 SGB V einen Weg gewählt hat, der das Bestehen eines Versorgungsvertrages gerade voraussetzt. Damit hat die Beklagte selbst den Anschein gesetzt, der geeignet war, einen Irrtum beim Leistenden, der Krankenkasse, hervorzurufen. Soweit das Landessozialgericht Baden-Württemberg die positive Kenntnis der Klägerin und den Leistungsausschluss nach § 814 BGB mit der Begründung bejaht, es sei „kaum vorstellbar“, wie eine Krankenkasse in einer Konstellation wie der hier vorliegenden nicht gewusst haben wolle, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein (a.a.O., Rdnr. 60 a.E.), folgt der Senat dem aus den oben dargelegten Gründen nicht – unabhängig davon, dass eine „fehlende Vorstellbarkeit“ nicht den Beweisgrad erreicht, den § 814 BGB erfordert, nämlich den Vollbeweis über die Kenntnis von der Nichtschuld.

 

b) Der Erstattungsforderung stehen schließlich auch keine sonstigen Aspekte von Treu und Glauben (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m § 242 BGB) entgegen, insbesondere nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung. Der Senat lässt insoweit offen, inwieweit nach dem bislang zu § 814 BGB Gesagten überhaupt noch Raum dafür besteht, Treu und Glauben als Einwendung gegen die Forderung der Klägerin zu thematisieren; „verbraucht“ ist jedenfalls derjenige Begründungsansatz der Beklagten, der der Klägerin eine Kenntnis ihrer Nichtschuld vorhält. 

 

aa) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin ist nicht verwirkt. Krankenkassen haben grundsätzlich Anspruch auf Erstattung innerhalb der Verjährungsfrist vorbehaltlos, aber zu Unrecht, gezahlter Vergütungen. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen (hier noch vierjährigen) Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (mittlerweile ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, so zuletzt im Urteil vom 17. Dezember 2020, B 1 KR 21/20 R, Rdnr. 34; Urteil vom 1. Juli 2014, B 1 KR 2/13 R, Rdnr. 18). Der bloße Zeitablauf stellt kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar. Der Umstand, dass die Krankenkasse bis kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit der Geltendmachung ihrer Forderung gewartet hat, genügt deshalb nicht (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2020, B 1 KR 21/20 R, Rdnr. 36).

 

bb) Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung kommt auch unter sonstigen, im Verhalten der Klägerin wurzelnden Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht in Betracht. Soweit die Beklagte maßgeblich darauf abstellt, dass die Klägerin in zahlreichen anderen Behandlungsfällen den stationären Aufenthalt im Krankenhaus der Beklagten bezahlt oder ihren Versicherten gegenüber in Schreiben darauf verwiesen habe, dass „für die Behandlung in der F-A-Klinik“ (…) „Pflegesätze vereinbart wurden, die mit der IKK Südwest-Direkt abgerechnet werden können“, begründet dies keinen Vertrauensschutz für die Beklagte. Zum einen wurden die o.g. Schreiben an die Versicherten verschickt, nicht an das Krankenhaus oder die Beklagte. Zum anderen ist der Passus der „vereinbarten Pflegesätze“ nicht in allen vorgelegten Versichertenschreiben enthalten. Demgegenüber enthalten alle Schreiben den Hinweis, dass ohnehin keine Notwendigkeit bestehe, die Verordnung stationärer Behandlung vorab zu genehmigen. Aus dieser Wendung wird deutlich erkennbar, dass die Krankenkasse – wie es die Rechtslage vorsieht – von einem Sachleistungsanspruch ausgeht und keine Notwendigkeit einer Genehmigung sieht. Soweit also die Abrechnungsabteilung des Krankenhauses Kenntnis von den Schreiben der Klägerin an die Versicherten erlangt haben sollte, so musste sie erkennen, dass die Klägerin irrtümlich gerade von einer wirksamen Zulassung des Krankenhauses mit daran anknüpfendem Vergütungsanspruch ausging (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 1. Juli 2014, B 1 KR 2/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 10: „Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt.“).

 

Schließlich ist die Rechtsausübung nur dann unzulässig, wenn sie gegenüber einer Rechtsperson erfolgt, die ihrerseits ein schutzwürdiges Vertrauen in ein vertrauenerweckendes Verhalten entwickeln kann. Davon kann hier nicht ansatzweise die Rede sein, denn die Beklagte selbst wusste zu jeder Zeit, dass gegenüber der Klägerin kein Versorgungsvertrag für das Krankenhaus besteht. Unberechtigt hat die Beklagte den Datenträgeraustausch gemäß § 301 SGB V unter einem Institutskennzeichen verwendet, obwohl sie kein der Klägerin gegenüber zugelassenes Krankenhaus betrieben hat. Sie hat damit in Kauf genommen, dass eine Fehlvorstellung bei der Krankenkasse entstehen konnte. Der Beklagtenvortrag, wonach die Klägerin Daten im Rahmen des Datenträgeraustauschs „unbesehen und ohne jedwede Prüfung beim vdek eingekauft und diese ihrer Verwaltungspraxis schuldhaft zugrunde gelegt“ habe, übersieht, dass doch die Beklagte selbst den Datenaustausch rechtswidrig mit der Klägerin durchgeführt hat. Jeder Zahlung war stets eine von der Beklagten veranlasste unzulässige Datenübermittlung eines Aufnahmesatzes gemäß § 301 SGB V vorausgegangen. Es ist der Beklagten daher von vornherein verwehrt, sich auf Treu und Glauben zu berufen. Schon aus diesem Grund kommt auch die Rechtsfigur der sog „Erwirkung“, die der vormalige Berichterstatter im Verfahren L 16 KR 266/20 angesprochen hat, hier nicht in Betracht. Außerdem hat die zivilrechtlich eher vereinzelte Vorstellung, wonach ein Vertragsschluss durch lange Übung fingiert werden könnte, im Bereich streng formgebundener öffentlich-rechtlicher Verträge im Sinne des § 109 SGB V keinen Raum.

 

Die langjährige Übung der vorbehaltlosen Zahlung selbst ist schließlich nicht allein geeignet, Vertrauen aufzubauen, wenn zu keinem Zeitpunkt vor 2017 erkennbar war, dass die Krankenkasse „sehenden Auges“ stationäre Behandlungen in dem „vertragslosen“ Krankenhaus vergütet hat. Mit Blick darauf kann auch die schiere Zahl der Behandlungsfälle (soweit es tatsächlich die behaupteten 172 Fälle zwischen 2009 und 2013 waren) kein Vertrauen schaffen. Allein aus einer jahrelangen faktischen unberechtigten Abrechnung von Krankenhausleistungen ergibt sich weder Vertrauens- noch Bestandsschutz (vgl. Bockholdt in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 109 SGB V Rdnr. 234). Unklar ist zudem, ob die behaupteten 172 Behandlungsfälle allesamt ohne vertragliche Grundlage vergütet wurden oder im Einzelfall nicht doch eine Kostenübernahme durch die Klägerin zuvor erklärt war.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

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