L 7 BA 26/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 BA 1/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 BA 26/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Tätigkeit ohne schriftliche Vereinbarung gegen Stundenlohn ist regelmäßig eine abhängige Tätigkeit, wenn kein unternehmerisches Risiko erkennbar ist.

 

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.183,03 € festgesetzt.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 3.183,03 € für die Zeit vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 und das Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV sowie die Nichtigkeitsfeststellung der Bescheide vom 4.12.2018 und 11.1.2019 insoweit, als sich die Beklagte darin die jeweils künftige Geltendmachung von Beitragsforderungen vorbehalten hat.

Die Beklagte führte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV betreffend den Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 durch. Die Prüfung begann am 26.6.2018. Die Schlussbesprechung fand am 27.6.2018 statt.

Mit nach Aktenlage nicht angefochtenem Bescheid vom 4.12.2018 teilte die Beklagte neben beitragsrechtlichen Feststellungen u.a. mit, welche Feststellungen im Rahmen der stichprobenweise durchgeführten Betriebsprüfung getroffen wurden. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid vorbehaltlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung der unter dem Sachkonto 5920 aufgeführten Bauleistungen ergehe, die von Einzelunternehmern erbracht worden seien, um eine weitere Verzögerung beim Erlass der Prüfmitteilung zu vermeiden. Der Bescheid ergehe als Ergänzung zum Bescheid vom 13.6.2017, der Vorbehalt werde aufgehoben.

Mit nach Aktenlage nicht angefochtenem Bescheid vom 11.1.2019 wurde der Bescheid vom 4.12.2018 nach § 45 SGB X von der Beklagten zurückgenommen und durch diesen ersetzt. Der Vorbehalt im Bescheid vom 4.12.2018 sei aufgrund des Hinweises auf Bauleistungen und auf einen in diesem Fall nicht ergangenen Bescheid vom 13.6.2017 offensichtlich unrichtig. Der Klägerin sei bekannt, dass zum sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 noch ermittelt werde. Diese Ermittlungen dauerten noch an. Die Klägerin erhalte zu gegebener Zeit einen entsprechenden Bescheid.

Die Klägerin betreibt mehrere Geschäfte, unter anderem auch die "Saunawelt A ". Der Bistro- und Saunabetrieb ist an Frau R (R) verpachtet. Im Pachtvertrag ist u.a. vereinbart, dass die Klägerin für Sonn- und Feiertage, an denen der Betrieb ebenfalls geöffnet ist, zur Aufrechterhaltung des Bistro- und Saunabetriebes eine Aushilfe stellt (§ 3 des Vertrages). In § 3 Abs. 3 S. 3 des Pachtvertrages steht nach Angaben der Bevollmächtigten ferner: "Für den Sonntagsbetrieb steht -wenn gewünscht- eine Aushilfskraft zur Verfügung.". Diese Verpflichtung oblag der Klägerin, die die Beigeladene zu 1 in Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtung einsetzte.

Ein schriftlicher Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 existiert nicht. In den Akten befindet sich eine ausgedruckte E-Mail von der Klägerin an die Beigeladene zu 1 vom 6.10.2012. Darin erklärt die Klägerin, dass sie auf die Mitarbeit der Beigeladenen zu 1 nicht verzichten möchte. Es wäre ihr recht, wenn sie sich auf einen Stundenlohn von 11 € plus Mehrwertsteuer einigen könnten. Wie sich aus der aktenkundigen Rechnung der Beigeladenen zu 1 vom 26.11.2017 ergibt, wurde ein Stundenlohn von 11,50 € schließlich vereinbart. Wichtig für beide Seiten sei eine gute Sonntags-/Speisekarte, die die Beigeladene zu 1 mit Frau R besprechen sollte. Die Bistroumsätze müssten im Gegensatz zu früher über die Bistro- Registrierkasse laufen, damit die Klägerin mit Frau R abrechnen könne. Trinkgelder blieben selbstverständlich bei der Beigeladenen zu 1. Der Beigeladenen zu 1 wurde eine Einweisung für das Ein- und Abstellen der diversen Saunen angeboten. Die Beigeladene zu 1 hat ein Gewerbe für Kleintransporte und (Gastronomie-) Dienstleistungen angemeldet, das sie ab 1.6.2015 um die "Saunabetreuung" erweiterte.

Die Tätigkeit umfasst nach Angaben der Klägerin (E-Mail vom 5.12.2018) die Inbetriebnahme der Saunaeinrichtungen, Empfang der Gäste, Schlüsselausgabe, Inkasso der Eintrittsgelder, Zubereitung von Speisen und Getränken, Bewirtung der Gäste, Steuerung der Saunaaufgüsse, Inkasso der Bistroeinnahmen über eine Registrierkasse von R. Um den Kauf von Speisen und Getränken brauche sich die Beigeladene zu 1 im Regelfall nicht zu kümmern, da R diese in ausreichender Menge zur Verfügung stelle. Der umfangreiche Aufgabenbereich sei mit einer Aushilfe nicht zu vergleichen. Sie benötige im Umgang mit der Kundschaft gewisse Führungsqualitäten, wie z. B. in der Gewinnung neuer Abonnenten und im Verkauf von Speisen und Getränken. Der Gewinn aus dem Gastronomieumsatz wäre zur Bezahlung der Beigeladenen zu 1 nicht ausreichend, da R 40% aus dem Umsatz für den Einkauf von Speisen und Getränken zustehe. Deshalb sei ein Stundenlohn von 12 € vereinbart worden. Die Beigeladene zu 1 stelle monatlich eine Rechnung für die geleisteten Stunden. Die Beigeladene zu 1 sei seit Jahren für die Klägerin tätig und zwar immer neben ihren sonstigen gewerblichen Tätigkeiten, denen sie an Sonn- und Feiertagen nicht nachgehen müsse. Die Klägerin ergänzte mit Schreiben vom 16.1.2019, dass von dem Bistroumsatz, den die Beigeladene zu 1 während ihrer Arbeitstage erziele, 60 % bei der Klägerin verbliebe, 40 % würden Frau R als Ersatz für den Wareneinkauf erstattet. Diese 60 % stellten eigentlich den auf die Beigeladene zu 1 entfallenden Umsatzanteil dar. Da dieser jedoch keine ausreichende Entlohnung für den Arbeitseinsatz darstelle wegen des hohen Abzugs zugunsten von Frau R, erhalte sie von der Klägerin eine Entlohnung, die sich nach den anfallenden Arbeitsstunden richte. Die Beigeladene zu 1 sei, falls erforderlich, berechtigt, gewisse Lebensmittel für ihren Arbeitstag einzukaufen. Die Kosten hierfür würden erstattet und von der Vergütung, die das "R Bistro" erhält, abgezogen. Dies zeige, dass die Beigeladene zu 1 als Gastronomin tätig sei und nicht nur irgendwelche Aushilfstätigkeiten wahrnehme.

Auf die mit Schreiben der Beklagten vom 18.2.2019 erfolgte Anhörung, welche den Inhalt des beabsichtigten Beitragsbescheides wiedergab, erwiderte die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 28.3.2019, dass die mitgeteilten Tatsachen als Grundlage der angekündigten Verwaltungsakte nicht ausreichten. Ein Erlass vor vollständiger Ermittlung aller rechtlich einschlägigen Tatsachen führe zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung schon wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der vorzeitigen Verfahrensbeendigung. Das Anhörungsschreiben beschränke sich auf eine Aneinanderreihung abstrakter Aussagen, die das offenbar bereits vorweg feststehende Ergebnis einer abhängigen Beschäftigung rechtfertigen sollen. Übereinstimmende Ausführungen der Vertragsparteien blieben demgegenüber im Wesentlichen unbeachtet. So bestehe die vereinbarte Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 darin, den Sauna- und Bistrobetrieb in A an Sonnen- und Feiertagen zu führen. Die Beigeladene zu 1 trete an diesen Tagen funktions- und statusgleich an die Stelle von Frau R, mit der der schriftliche Pachtvertrag vom 9.7.2012 abgeschlossen worden sei. Der Tätigkeitskreis sei identisch. Nicht anders als Frau R wirtschafte die Beigeladene zu 1 mit ihren aufgrund eines Pachtvertrages entgeltlich überlassenen und damit eigenen Wirtschaftsgütern und in Ausübung aller sich für sie entsprechend § 3 des mit Frau R geschlossenen Vertrages ergebenden Rechte. Die innere Verbindung beider Tätigkeiten ergebe sich exemplarisch daraus, dass die Speisekarte unter beiden Damen und folglich nicht mit der Klägerin abgesprochen werde. Soweit die Beigeladene zu 1 Lebensmittel oder Backwaren einkaufe, erfolge eine Verrechnung mit der Vergütung für das "R Bistro". Die Beigeladene zu 1 behalte für ihre Tätigkeit den ihr anteilig zustehenden Gewinn vermindert um einen Anteil von 40 % hieraus, der Frau R zum Ausgleich der von ihr beschafften Speisen und Getränke. Lediglich im Sinne der Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erfolge zusätzlich durch die Klägerin eine Vergütung auf der Basis einer vereinbarten Mindeststundenzahl. Dieser pauschale Aufwendungsersatz sei kein fester Stundenlohn. Aus den Vergütungsregelungen ergebe sich ein die Selbständigkeit prägendes Unternehmerrisiko hinsichtlich aller nicht gedeckten Kosten. Sie sei ohne Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie habe im Falle der Erkrankung auf eigene Kosten eine Ersatzkraft zu stellen. Sie beschäftige keine Arbeitnehmer. Dies sei jedoch nicht Voraussetzung einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Der Ort der Tätigkeit folge aus der Natur der Sache, ebenso die Öffnungszeiten des Betriebes. Weisungen würden nicht erteilt. Eine Klärung der Verhältnisse für die Zukunft könne auch dadurch erfolgen, dass die Beigeladene zu 1 bei der Klägerin geringfügig angestellt werde.

Mit Bescheid vom 3.6.2019 forderte die Beklagte für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.183,08 € für die Zeiträume vom 1.1.2014 bis 31.5.2014, 1.10.2014 bis 31.12.2014, 1.1.2015 bis 31.5.2015, 1.10.2015 bis 31.12.2015, 1.1.2016 bis 31.7.2016, 1.9.2016 bis 31.12.2016, 1.1.2017 bis 31.5.2017 und 1.10.2017 bis 31.12.2017 nach. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht aufgrund hauptberuflich selbständiger Erwerbstätigkeit. Die Beigeladene zu 1 übe ihre Tätigkeit nach Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis aus. Die Beigeladene zu 1 betreue die Sauna mit Bistro an Sonn- und Feiertagen als Vertretung für die Pächterin Frau R Sie sei nicht Pächterin und am Unternehmen der Klägerin nicht beteiligt. Sie trage kein unternehmerisches Risiko, da weder Arbeitskraft noch Kapital in erheblichen Umfang mit ungewisser Aussicht auf Erfolg eingesetzt würden. Es werde ein fester Stundenlohn gezahlt. Die Beigeladene zu 1 beschäftige keine eigenen Arbeitnehmer, die Dienstleistung werde persönlich erbracht. Die Arbeitszeit sei durch die Öffnungszeiten der Saunawelt vorgegeben worden. Die Übernahme aller in einem Geschäftsbetrieb anfallenden Aufgaben werde von leitenden Angestellten erwartet und sei kein Argument gegen eine abhängige Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1 habe ein Gewerbe angemeldet, das sie zum 1.6.2015 um die Tätigkeit "Saunabetreuung" erweitert habe. Die Beigeladene zu 1 sei für mehrere Auftraggeber tätig gewesen. Sie habe keinen Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Klägerin habe angegeben, dass die Beigeladene zu 1 ihre Tätigkeit nach ihren Weisungen ausführe. Die Tätigkeit erfolge in den Räumlichkeiten und mit den Arbeitsmitteln der Klägerin. Maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten bestünden sowohl hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Art und Weise der Tätigkeiten im Sinne einer selbständigen Tätigkeit bei tatsächlicher Leistungserbringung nicht. Es bestünden keine unternehmerischen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten. Die Beigeladene zu 1 sei dem Direktionsrecht der Klägerin unterlegen und sei in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen.

Dagegen erhob die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 5.6.2019 Widerspruch. Der Bescheid wiederhole textlich im Wesentlichen unverändert die sachlichen Fehler des Anhörungsschreibens. Das Anhörungsverfahren sei damit inhaltsleer um seiner selbst willen durchgeführt worden. Es fehle die Umschreibung eines rechtlich maßgeblichen Sachverhalts, der im Wege der Subsumtion der Typusumschreibung einer abhängigen Beschäftigung zugeordnet werden könne. Stattdessen würden weiterhin bloße Behauptungen und aus dem Zusammenhang des jeweiligen Entscheidungskontexts gerissene Rechtsprechungsfragmente entgegengehalten. Ein derartiges Vorgehen sei mit den sogenannten Denkgesetzen und der juristischen Methodik unvereinbar, ermögliche es aber der Beklagten mit letztendlich immer demselben Standardtext nach Belieben in praktisch jedem Lebenssachverhalt den Typus der Beschäftigung zu erkennen und damit aufwandslos und rechtswidrig Einnahmen zu generieren. Es fehle damit vollumfänglich eine erforderliche Begründung. Auf das Vorbringen in der Anhörung wurde Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2019 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Bescheid vom 3.6.2019 sei formell rechtmäßig. Es sei eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X erfolgt. Die Einwendungen der Klägerin wurden berücksichtigt, insbesondere seien weitere Ermittlungen durchgeführt und keine Versicherungspflicht mehr in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angenommen worden. Der Bescheid sei auch ausreichend begründet worden, da alle wesentlichen Erwägungen erläutert worden seien. Auch materiell-rechtlich sei der Bescheid rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1 sei abhängig beschäftigt, da sie kein unternehmerisches Risiko getragen und keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel eingesetzt habe. Der Lkw der Beigeladenen zu 1 sei für eine andere Tätigkeit angeschafft worden und stehe in keinem Zusammenhang mit der streitigen Tätigkeit. Soweit die Beigeladene zu 1 im Einzelfall Lebensmittel beschafft habe, sei ihr dies von der Klägerin vollständig erstattet worden. Die Beigeladene zu 1 sei im Gegensatz zur Pächterin R keine Pächterin gewesen, die Klägerin habe mit der Beigeladenen zu 1 keinen Pachtvertrag geschlossen. Außerdem habe die Beigeladene zu 1 für die Nutzung des Bistros keine Pachtzahlungen entrichten müssen, auch anteilige Strom- und Wasserkosten habe sie nicht tragen müssen. Im Gegenzug sei sie auch nicht an den Einnahmen beteiligt worden. Diese standen zu 40 % der Pächterin R und zu 60 % der Klägerin zu. Die Abrechnung der Arbeitsleistung der Beigeladenen zu 1 erfolge vielmehr durch einen erfolgsunabhängigen Stundenlohn von 11 bis 12 €. Dies spreche gegen ein unternehmerisches Risiko der Beigeladenen zu 1. Die Zahlungen seien durch die Klägerin und nicht durch die Pächterin R erfolgt. Die Höhe des Stundenlohns sei nicht ausreichend, um unternehmertypische, betriebswirtschaftliche Entscheidungen, wie zum Beispiel die Anschaffung von Betriebsmitteln, eigenes Personal o. ä. bzw. eine eigene Vorsorge zu treffen. Dass die Beigeladene zu 1 keinen Entgeltfortzahlungsanspruch bzw. auch keinen Urlaubsanspruch hatte, sei kein gewichtiges Argument für eine selbständige Tätigkeit. Soweit sie für mehrere Auftraggeber tätig war, sei dies ebenfalls kein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit, da auch Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt sein könnten. Die Tätigkeiten seien getrennt voneinander zu beurteilen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 in den Räumen der Klägerin ausgeübt wurde. Von dieser wurden über die Öffnungszeiten auch die Arbeitszeiten vorgegeben. Die Klägerin habe bestätigt, dass sie hinsichtlich der Ausführung der Arbeit Weisungen erteilt habe. Die Beigeladene zu 1 sei daher in den Betrieb der Klägerin eingebunden gewesen. Insgesamt würden die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Der Parteiwille sei nur dann ausschlaggebend für die Beurteilung, wenn sich die Merkmale für und gegen eine abhängige Beschäftigung in etwa die Waage halten würden. Die steuerliche Bewertung sei ohne Einfluss. Insgesamt sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1 nicht funktionsgleich wie Frau R tätig gewesen sei. Die Beigeladene zu 1 habe eben auch keinen Pachtvertrag abgeschlossen. Maßgeblich sei auch, dass die Beigeladene zu 1 im Gegensatz zu R einen erfolgsunabhängigen Stundenlohn erhalten habe. Außerdem sei § 3 des Pachtvertrages mit R zu berücksichtigen, wonach auf Wunsch von R eine Aushilfskraft zur Verfügung gestellt werde. Insgesamt liege daher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1 in den genannten Zeiträumen vor, es bestehe insoweit Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht, da die Beigeladene zu 1 hauptberuflich in einem anderen Betrieb selbständig tätig war. Der Bescheid der Krankenkasse vom 15.9.2017 stehe dem nicht entgegen, da dort keine Statusbeurteilung erfolgt sei. Auch der Bescheid vom 4.12.2018 habe keinen Vertrauensschutz für die Klägerin begründet. Dieser Bescheid sei durch den Bescheid vom 11.1.2019 zurückgenommen worden. Im Bescheid vom 11.1.2019 sei der Vorbehalt korrekt vorgegeben worden. Die Forderung sei auch nicht verjährt, da die maßgebliche Verjährungsfrist durch die Betriebsprüfung unterbrochen gewesen sei. Die Klägerin habe auch gewusst, dass das Statusverfahren der Beigeladenen zu 1 noch nicht abgeschlossen sei.

Hiergegen erhob die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 6.1.2020 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Sie nahm Bezug auf die bisherige Begründung im Verwaltungsverfahren, insbesondere auf ihre Ausführungen, wonach eine selbständige Tätigkeit vorliege. Mit Schriftsatz vom 6.2.2020 führte die Bevollmächtigte der Klägerin weiter aus, dass der Beitragsbescheid, als auch der Widerspruchsbescheid nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 35 SGB X begründet worden seien. Es seien fehlerhaft weitere Beteiligte nicht hinzugezogen worden nach § 12 SGB X. Allein dies rechtfertige die Aufhebung des Bescheides nach § 42 Satz 2 SGB X. Die Krankenkasse der Beigeladenen zu 1 habe bestätigt, dass diese nebenberuflich selbständig sei. Diese Feststellung habe Tatbestandswirkung und sei für die Beklagte bindend. Die Beklagten sei sachlich unzuständig für den Erlass des Bescheides vom 3.6.2019. Auch dieser Umstand begründe bereits für sich die Aufhebung aller streitigen Entscheidungen. Der Bescheid vom 4.12.2018 hätte noch nicht ergehen dürfen, da der Sachverhalt noch nicht abschließend geklärt war. Er verstoße gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses. Dies gelte auch für den Bescheid vom 11.1.2019. Ist der die Betriebsprüfung abschließende Bescheid erlassen, sei die Möglichkeit, auf Basis derselben Betriebsprüfung weitere Verwaltungsakte zu erlassen, verbraucht. Der Bescheid vom 4.12.2018 sei auch wegen seiner inhaltlich wirren Fassung nichtig. Es fehle für diese Bescheide eine Rechtsgrundlage für den Vorbehalt einer weiteren Entscheidung. Auch aus diesem Grund seien diese Bescheide nichtig. Es fehle auch eine Rechtsgrundlage für eine Nebenbestimmung mit dem Ziel, sich scheinbar die zusätzliche Kompetenz für den Erlass künftiger Verwaltungsakte ohne gesetzliche Grundlage für alle Zukunft und mit der Möglichkeit einer Ausdehnung der Verjährungshemmung ins Unendliche offenzuhalten. Die Gesamtabwägung der Beklagten sei unzutreffend. Die Bevollmächtigte behauptete erneut, dass die Beigeladene zu 1 für ihre Tätigkeit den ihr anteilig zustehenden Gewinn vermindert um einen Anteil von 40 % hieraus der R und nicht der Klägerin zum Ausgleich der von R beschafften Speisen und Getränke verbleibe. Lediglich im Sinne der Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erfolge zusätzlich durch die Klägerin eine Vergütung, die rechnerisch auf der Basis einer vereinbarten Mindeststundenzahl ermittelt werde. Warum dieser zusätzliche pauschale Aufwendungsersatz einer Vergütung nach einem festen Stundenlohn entsprechen sollte, sei nicht erkennbar und von der Beklagten nicht dargelegt. Die Beigeladene zu 1 unterliege keinem Weisungsrecht. Sie erfülle wie R an Sonn- und Feiertagen im ihr entgeltlich überlassenen und damit eigenen Pachtbetrieb die Gesamtheit der im Saunabetrieb anfallenden und ihr werkvertragsähnlich übertragenen Tätigkeiten, ohne dabei an Weisungen gebunden zu sein. Ein Abstimmungsbedarf ergebe sich allenfalls mit der statusgleichen R und deren Tätigkeit, nicht aber mit der Klägerin, von der sie damit auch nicht abhängig im Rechtssinn sei. Schließlich sei auf den Willen der Vertragsparteien abzustellen.

Die Beklagte machte mit Schriftsatz vom 14.2.2020 geltend, dass die Bescheide formell rechtmäßig seien. Die Betriebsprüfung sei für die Klägerin erkennbar noch nicht abgeschlossen gewesen. Dies ergebe sich aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 11.1.2019 und den damals noch laufenden Ermittlungen. Die Beklagte sei am Erlass eines Teilbescheides für abgeschlossene eigenständige Sachverhalte nicht gehindert gewesen. Die behördliche Ankündigung, dass in Zukunft weiterführende Entscheidungen anstehen, sei keine Nebenbestimmung im Sinne des § 32 SGB X, sondern lediglich eine Beschränkung des Regelungsgehaltes, hier des Bescheides vom 4.12.2018. Die Beigeladene zu 1 habe seit 1.1.2014 keine Beschäftigten gemeldet. Die Lohnabrechnung der Klägerin werde von der Steuerberaterkanzlei G & Partner vorgenommen. Nach § 28p Abs. 6 SGB VI richte sich daher die Zuständigkeit nach der Abrechnungsstelle. Sie habe die Beigeladene zu 1 ordnungsgemäß mit Schreiben vom 12.7.2019 beteiligt.

Nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 17.2.2021 die Klage als unbegründet ab. Der Beitragsbescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Nach der vorzunehmenden Gesamtabwägung überwögen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen würden. Zutreffend habe die Beklagte Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt. Die Bescheide vom 4.12.2018 und 11.1.2019 seien nicht nichtig.

Hiergegen legte die Bevollmächtigte der Klägerin am 17.3.2021 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht ein. Die Entscheidung des Sozialgerichts, insbesondere die von ihm vorgenommene Gesamtabwägung sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 1 sei selbständig tätig gewesen. Im Wesentlichen wurde die bisherige Begründung wiederholt.

Auf die gerichtliche Anfrage vom 17.8.2021 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit Schriftsatz vom 18.8.2021 mit, dass eine Beiladung gemäß § 75 Abs. 2b SGG nicht beantragt wird.

In der mündlichen Verhandlung vom 7.10.2021, die vertagt wurde, ließ sich die Beigeladene zu 1 dahingehend ein, dass sie am Gewinn nicht beteiligt sei, einen Stundenlohn in der Höhe erhalten habe, wie in den Rechnungen ausgewiesen, und eigene Betriebsmittel nicht eingesetzt habe. Was das Angebot an Speisen betreffe, habe sie sich jedesmal vor Antritt ihrer Tätigkeit kundig gemacht, was vorhanden sei und dementsprechend das
Angebot ausgestaltet. Eine eigene Speisekarte habe sie nicht erstellt, sondern mit den vorhandenen Waren agiert und dies auch mit den Kunden, die ihr größtenteils bekannt waren, abgesprochen.

Die Bevollmächtigte der Klägerin stellt die Anträge aus dem in der mündlichen Verhandlung am 28.6.2022 übergebenen Schriftsatz (Bl 138 LSG-Akte).

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung der streitigen Bescheide sowie ihre Klageerwiderung.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Augsburg und der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,144, 151 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 3.6.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Bescheide vom 4.12.2018 und 11.1.2019 sind nicht nichtig. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die in Bezug auf den Bescheid vom 11.1.2019 erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 11.1.2019 ist nicht gemäß § 40 SGB X nichtig.

Der Bescheid leidet nicht an einem Mangel i.S.v. § 40 Abs. 2 SGB X oder § 40 Abs. 3 SGB X. Einen solchen hat die Bevollmächtigte der Klägerin nicht aufgezeigt. Der Bescheid leidet auch nicht an einem besonders schwerwiegenden und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlichen Fehler gemäß § 40 Abs. 1 SGB X. Einen solchen Mangel hat die Bevollmächtigte der Klägerin ebenfalls nicht aufgezeigt. Entsprechende Mängel sind auch sonst nicht ersichtlich.

§ 40 Abs. 1 SGB X geht von der Evidenztheorie aus. Er enthält die Generalklausel für besonders schwerwiegende Form- und Inhaltsfehler. Entscheidend sind die Bedeutung und das Gewicht des Fehlers, nicht die Fehlerart. Schwerwiegend ist ein Fehler dann, wenn er derart im Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrundeliegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm und in ihm enthaltenen Rechtswirkungen hätte. Maßgebend ist nicht notwendig ein Verstoß gegen bestimmte und zwingende Rechtsvorschriften, sondern der Verstoß gegen die der Rechtsordnung insgesamt oder in bestimmter Hinsicht zugrundeliegenden wesentlichen Zweck- und Wertvorstellungen, insbesondere auch gegen tragende Verfassungsgrundsätze (vgl. Schütze, SGB X, Kommentar, 9. Auflage 2020, § 40 Rn 8). Ob eine Behörde vollständig und richtig ermittelt und den Sachverhalt richtig gewürdigt und rechtlich zutreffend entschieden hat, ist allein eine Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, bedingt aber keine Nichtigkeit (vgl. BSG vom 12.10.2016, B 4 AS 37/15 R).

Ein wie von der Bevollmächtigten der Klägerin geltend gemachter Begründungsmangel i.S.v. § 35 Abs. 1 SGB X, eine fehlende sachliche Zuständigkeit und ein Verstoß gegen das Verbot der vorzeitigen Verfahrensbeendigung sind auch in ihrer Gesamtheit nicht als so schwerwiegend einzustufen, dass hieraus die Nichtigkeit des Bescheides resultieren könnte. Derartige Fehler sind auch nicht offensichtlich. Offensichtlich sind Fehler, die jeder Verständige und Urteilsfähige ohne weiteres, also ohne besondere Sachkenntnis oder Heranziehung irgendwelcher Aufklärungsmittel erkennen können. Begründungsmängel eines Bescheides setzen materiell- und verfahrensrechtliche Kenntnisse voraus, ebenso Fragen der Zuständigkeit oder das Verbot der vorzeitigen Verfahrensbeendigung. Derartige Mängel sind nicht ohne weiteres erkennbar.

Da der nichtangefochtene Bescheid vom 11.1.2019 nicht nichtig ist, bleibt er bestandskräftig und für die Beteiligten in der Sache gemäß § 77 SGG auch dann bindend, wenn er rechtswidrig wäre.

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG in Bezug auf den Bescheid vom 4.12.2018 ist unzulässig, da ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Da der Bescheid vom 11.1.2019 nicht nichtig ist, konnte er rechtswirksam den Bescheid vom 4.12.2018 aufheben. Durch die Aufhebungsentscheidung der Beklagten vom 11.1.2019 ist der Bescheid vom 4.12.2018 nicht mehr existent. Eine etwaige Nichtigkeitsfeststellung durch das Gericht kann der Klägerin keinen über die Nichtexistenz des Bescheides hinausgehenden zusätzlichen Vorteil tatsächlicher, ideeller oder rechtlicher Art verschaffen.

Die in Bezug auf den Bescheid vom 3.6.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 erhobene Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Die Beklagte war für den Erlass des Bescheides vom 3.6.2019 entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin sachlich zuständig. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 28p Abs. 1 und 5 SGB IV. Der Bescheid erging in Zusammenhang mit der am 26.6.2018 erfolgten Betriebsprüfung, die bzgl. der Beigeladenen zu 1 wegen des erforderlichen Statusverfahrens noch nicht abgeschlossen war. Die Zuständigkeit der Beklagten als Regionalträger ergab sich aus § 28p Abs. 6 SGB IV, da die Klägerin für die Lohnabrechnung einen Steuerberater einsetzte (vgl. juris-PK-SGB IV, Rn 416). Zwischen dem Verfahren nach § 7a SGB IV, dem Einzugsstellenverfahren nach § 28h und dem Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV besteht ein wechselseitiger Ausschluss nach dem Kriterium der zeitlichen Vorrangigkeit. Dem bereits eingeleiteten Verfahren kommt Sperrwirkung gegenüber den anderen Verfahren zu (vgl. BSG vom 4.9.2018, B 12 KR 11/17 R; jurisPK, SGB IV, § 28p Rn 589). Ein Verfahren nach § 28h SGB IV war aber im Zeitpunkt der Betriebsprüfung am 26.6.2018 und auch danach nach Aktenlage nicht eröffnet. Das Schreiben der Krankenkasse vom 15.9.2017 steht der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten nicht entgegen. Anders als die Bevollmächtigte der Klägerin meint, beinhaltet es keine Statusbeurteilung nach § 7a SGB IV, sondern lediglich eine beitragsrechtliche Einstufung.

Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin steht auch das Verbot der vorzeitigen Verfahrensbeendigung vorliegend nicht der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten für den Bescheiderlass entgegen. Anders als in der von der Bevollmächtigten der Klägerin zitierten BSG- Entscheidung vom 9.10.2012, B 5 R 8/12 R, in welcher der Rentenversicherungsträger über die Höhe der Rente eine Entscheidung traf, ohne dass er vorab den Hinzuverdienst abschließend ermittelt hatte, ist die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 keine Vorfrage, die auf die getroffenen Feststellungen zu den übrigen gemeldeten Beschäftigten Einfluss gehabt haben könnte. Ein Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p SGB IV enthält regelmäßig unterschiedliche und voneinander unabhängige Verwaltungsakte i.S.d. § 31 SGB X, d.h. Einzelfallregelungen in Bezug auf die Versicherungspflicht des jeweiligen Arbeitnehmers und die Höhe der für diesen zu entrichtenden Beiträge. Die Beklagte hätte zu jedem Arbeitnehmer auch einen gesonderten Beitragsbescheid erlassen können. Die im Bescheid vom 11.1.2019 erlassenen Verwaltungsakte waren jeweils ohne eine Nebenbestimmung i.S.v. § 32 SGB X ergangen. Der "Vorbehalt" war keine Nebenbestimmung, sondern die Ankündigung eines weiteren Verwaltungsaktes i.S.d. § 31 SGB X in Bezug auf die Beigeladene zu 1 und verdeutlichte damit erkennbar nach außen, dass die Betriebsprüfung noch nicht vollständig abgeschlossen war.

Ob die Beklagte die Beigeladene zu 1 und die Versicherungsträger im Verfahren ordnungsgemäß nach § 12 Abs. 2 SGB X hinzugezogen hat und ob die Betroffenen einen Verzicht auf die Hinzuziehung geklärt haben, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 SGB X, der durch die gerichtliche Beiladung nicht geheilt wird, ist gemäß § 42 SGB X unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Allein wegen eines Verfahrensfehlers darf ein Verwaltungsakt demnach nicht aufgehoben werden. Dies ist bei gebundenen Entscheidungen regelmäßig der Fall (vgl. jurisPK-SGB X, § 42 Rn 53). Vorliegend handelt es sich um eine gebundene Entscheidung bei der Frage der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. Auch bei Hinzuziehung der Betroffenen hätte keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden können. Mangels Entscheidungserheblichkeit war der entsprechende Antrag der Klägerin abzulehnen.

Der Bescheid vom 3.6.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 ist materiell rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin für die Zeit vom 1.1.2014 bis 31.5.2014, 1.10.2014 bis 31.12.2014, 1.1.2015 bis 31.5.2015, 1.10.2015 bis 31.12.2015, 1.1.2016 bis 31.7.2016, 1.9.2016 bis 31.12.2016, 1.1.2017 bis 31.5.2017 und 1.10.2017 bis 31.12.2017 festgestellt und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.183,03 € für die Zeit vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 nachgefordert.

Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen. Vertrauensschutz kann die Klägerin insbesondere nicht aus der beitragsrechtlichen Beurteilung durch die Krankenkasse in ihrem Schreiben vom 15.9.2017 herleiten. Eine Statusfeststellung mit der hieraus sich ergebenden Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit hat die Krankenkasse wie oben dargelegt gerade nicht getroffen. Außerdem wurde im bestandskräftigen Bescheid vom 11.1.2019 eine weitere Feststellung in Bezug auf die Beigeladene zu 1 angekündigt. Daher konnte die Klägerin auch nicht darauf vertrauen, dass die Betriebsprüfung abgeschlossen ist und keine weiteren Beitragsnachforderungen geltend gemacht würden.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (so z.B. BSG vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, Rn 16) setzt eine solche versicherungspflichtige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr. vgl. u.a. BSG vom 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn 15).
Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG vom 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn 16).

Zur Überzeugung des Senats steht nach einer Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall fest, dass vorliegend die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 sprechen, überwiegen.

Das Weisungsrecht war zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert. Es spricht zunächst nicht gegen das Vorliegen eines ggf. verfeinerten Weisungsrechts, wenn sich Arbeitsort und -zeit aus der Natur der Tätigkeit ergeben, also aus den mit der Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist jedoch, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeiten besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt (vgl. u.a. BSG vom 17.12.2014, B 12 R 13/13 R; BSG vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R).

Ein schriftlicher Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 existiert nicht. Mündlich waren vereinbart, dass die Beigeladene zu 1 gegen einen Stundenlohn von 11,50 € den Saunabetrieb an Sonn- und Feiertagen innerhalb der vorgegebenen Öffnungszeiten aufrechterhalten soll. Die Beigeladene zu 1 war dabei stets höchstpersönlich tätig, was ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist. Die Beigeladene zu 1 war im Betrieb der Klägerin eingegliedert. Ihr oblag es, an Sonntagen den Sauna- und Bistrobetrieb zu gewährleisten. Zwar war am Sonntag niemand vor Ort, der der Beigeladenen zu 1 tatsächliche Weisungen hätte erteilen können. Jedoch nutzte die Beigeladene zu 1 bei der Erbringung ihrer Dienstleistung ausschließlich die Betriebsmittel, die die Klägerin ihr zur Verfügung stellte. Ihre Dienstleistung erbrachte sie allein in den Räumlichkeiten der Klägerin. Die Bistrokarte sollte sie, wie sich aus der Mail vom 6.10.2012 ergibt, mit Frau R, absprechen. Die Bistroumsätze hatte sie über die Bistroregistrierkasse abzuwickeln. Die Arbeitszeiten richteten sich nach den Öffnungszeiten der Sauna am Sonntag. Wesentliche eigene Gestaltungsspielräume hinsichtlich Ort, Zeit und der Art und Weise der Dienstleistungserbringung verblieben der Beigeladenen zu 1 unter Berücksichtigung des vorgegebenen Rahmens durch die Klägerin nicht. Die Beigeladene zu 1 war funktionsgerecht dienend in den Arbeitsprozess des Sauna- und Bistrobetriebes der Klägerin eingegliedert. Letztlich sind die fehlenden Weisungen am Sonntag nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist.

Die Beigeladene zu 1 trug kein wesentliches Unternehmerrisiko. Nach der BSG-Rechtsprechung (vgl. u.a. BSG vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R) ist maßgebendes Kriterium, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl. der einzelnen Einsätze.

Die Beigeladene zu 1 beschäftigte keine Arbeitnehmer und tätigte für die Ausübung ihrer Tätigkeit bei der Klägerin keine Investitionen. Der Lkw, den die Beigeladene zu 1 für ihr Transportgewerbe nutzte, kam im Rahmen der Tätigkeit für die Klägerin nicht zum Einsatz, war hierfür nicht erforderlich. Der Erfolg ihres Einsatzes war nicht ungewiss. Sie erhielt aufgrund der mündlichen Vereinbarung - ein schriftlicher Vertrag existiert nicht - einen festen Stundenlohn von 11,50 € (vgl. Rechnung vom 26.11.2017). Ein derart niedriger Stundenlohn ermöglicht keine Absicherung im Alter oder gegen Krankheit. Anders als die Bevollmächtigte im Verfahren wiederholt behauptete, war die Beigeladene zu 1 entsprechend ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung und den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren am Gewinn nicht beteiligt. Aufwendungen, die sie im Einzelfall für Lebensmittel tätigte, wurden ihr vollumfänglich erstattet. Eine Möglichkeit, hieraus einen Gewinn zu erzielen, war nicht vorhanden. Ihr wirtschaftliches Risiko bestand darin, dass sie möglicherweise keine weiteren Aufträge von der Klägerin erhält. Insoweit entspricht ihr wirtschaftliches Risiko dem eines Arbeitnehmers, der nur einen befristeten Arbeitsvertrag hat und der das Insolvenzrisiko seines Arbeitgebers bzw. hier seines Auftraggebers trägt. Letztlich hat die Beigeladenen zu 1 allein ihre Arbeitskraft wie jeder andere Arbeitnehmer verwertet. Weiterreichende Gestaltungsspielräume standen ihr bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht offen. Die Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin, dass die Beigeladene zu 1 funktions- und statusgleich an die Stelle von Frau R getreten und dementsprechend ebenfalls als selbständig zu behandeln sei, negiert die tatsächlichen Verhältnisse, wonach Frau R - anders als die Beigeladene zu 1 - einen Pachtvertrag mit der Klägerin geschlossen hat und am Gewinn beteiligt ist, während die Beigeladene zu 1 diesbezüglich keinerlei unternehmerisches Risiko und auch keine Vertragsbeziehungen mit Frau R eingegangen ist.

Das Fehlen von Ansprüchen auf Sozialleistungen bei Urlaub oder Krankheit ist kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit (vgl. BSG vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R). Maßgebend sind insoweit nicht die vertraglichen Bestimmungen, sondern das Gesamtbild der Tätigkeit nach den tatsächlichen Verhältnissen.

Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Dies ist jedoch, wie oben dargelegt, hier nicht der Fall.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen nach § 103 SGG waren nicht veranlasst. Insbesondere war dem Beweisantrag der Klägerin, Frau R "als Zeugin zum Beweis der Tatsache, dass hinsichtlich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in der Saunawelt die tatsächlichen Voraussetzungen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit vorliegen" nicht stattzugegeben. Zeugen sollen über ihre eigenen Wahrnehmungen aussagen, die sie gemacht haben (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 118 Rn 10). Dagegen darf das Gericht einen Beweisantrag u.a. dann ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt (vgl. BSG vom 19.10.2011, B 13 R 33/11 R, Rn 24). Ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer selbständigen Erwerbstätigkeit vorliegen oder nicht, ist keine Tatsachenfrage. Der Beweisantrag zielt nicht auf die Klärung von (klärungsbedürftigen) Tatsachen ab, die der Wahrnehmung der benannten Zeugin zugänglich sein könnten, sondern auf die rechtliche Subsumtion und Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 als selbständige Tätigkeit. Welche Schlussfolgerungen die Zeugin aus den vorliegenden Umständen zieht und ob ihrer Meinung nach die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit gegeben sind oder nicht, ist nicht entscheidungserheblich. Denn eine rechtliche Subsumtion und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls hat das Gericht bei seiner Entscheidung im Rahmen der Gesamtabwägung vorzunehmen.

Berechnungsfehler hinsichtlich der Beitragsforderung wurden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beitragsforderung war im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung nicht verjährt gemäß § 25 SGB IV. Die Einrede der Verjährung wurde im Übrigen nicht erhoben. Die Schlussbesprechung fand am 27.6.2018 statt. Die Hemmung beginnt mit der Prüfung (hier: 26.6.2018) und endet spätestens nach Ablauf von 6 Monaten nach Abschluss der Prüfung (hier: Schlussbesprechung am 27.6.2018), folglich am 27.12.2018 (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 4 SGB IV). Daran schließt sich der noch nicht abgelaufene Zeitraum der Verjährung vom 26.6.2018 bis 31.12.2018 an (vgl. zur Berechnung Bay. LSG vom 20.4.2010, L 5 R 832/08). Der Bescheid vom 3.6.2019 erging somit rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a SGG i.V.m. §§ 52, 47 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung. Maßgebend ist vorliegend die konkret bezifferte Beitragsforderung.

 

Rechtskraft
Aus
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