L 17 U 310/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 147/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 310/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

I. Ein vorsätzlicher tätlicher Angriff auf eine Versicherte schließt einen Arbeitsunfall nur dann nicht aus, wenn das Opfer vor dem Überfall nicht einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgegangen ist und die Beweggründe des Täters nicht seinem persönlichen Bereich zugeordnet werden können oder die Tat von den besonderen Verhältnissen des Tatortes (z. B. Dunkelheit, Dämmerung, einsam gelegener Tatort, örtliche Gegebenheiten) entscheidend begünstigt worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 - und vom 19.03.1996 - 2 RU 19/95). Allein ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang des vorsätzlichen tätlichen Angriffs mit der versicherten Tätigkeit begründet nicht den inneren Zusammenhang.
II. Ein Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung im Sinne des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung. Offensichtliche Aussichtslosigkeit ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 Abs. 2 BVerfGG auch für das sozialgerichtliche Verfahren unter anderem dann zu bejahen, wenn ein verständiger Dritter die offensichtliche Aussichtslosigkeit erkannt hätte bzw. wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.12.2002 2 BvR 1255/02, juris Rn. 3). Durch § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG soll verhindert werden, dass wegen des nicht vorhandenen Kostenrisikos völlig aussichtslose Verfahren (fort)geführt werden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.04.2004 6 SB 197/03 ER, juris Rn. 21).

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.09.2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Die Klägerin hat wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Berufung Gerichtskosten (Missbrauchskosten) in Höhe von 1.000,00 € an die Staatskasse zu zahlen.


Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Ereignis vom 05.01.2017 im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Die 1973 geborene Klägerin ist als Servicekraft/Kellnerin der Gaststätte H bei der Beklagten versichert.

Am 05.01.2017 hatte die Klägerin nach ihren Angaben in den Fragebögen "Streit" (vom 09.02.2017) und "Unfallhergang/Zeugen" (vom 09.02.2017) im H seit 10.00 Uhr Dienst. Im Fragebogen "Zweck des Weges und Räumlichkeiten" vom 09.02.2017 gab die Klägerin an, dass sie gegen 15.00 Uhr zur Garderobe gewollt habe, um dort eine kurze Zigarettenpause zu machen. Sie habe sich im Gastraum vor dem Vorhang der Eingangstür befunden, als sie ihrem Arbeitskollegen E (E), dessen Ehefrau E1 (E1) und deren Tochter (T) begegnete. Als E mit der Klägerin ein Gespräch habe beginnen wollen, habe sie dies unter Hinweis darauf abgelehnt, dass sie arbeiten müsse. E1 habe der Klägerin sodann vorgeworfen, mit ihrem Mann im Sommer sexuelle Kontakte gehabt zu haben, was die Klägerin abgestritten habe. Sodann habe E1 die Klägerin an den Haaren gezogen, woran sich auch E beteiligt habe; er habe die Klägerin zu Boden gerissen und sie attackiert.

Anschließend wurde die Klägerin im Krankenhaus J (jetzt Klinikum M) untersucht, wo eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Schädelprellung diagnostiziert wurden. In einer von der Beklagten eingeholten Auskunft des Arbeitgebers der Klägerin vom 20.01.2017 (Herr H, Fragebogen "Streit" vom 20.01.2017) zum Unfallhergang gab Herr H an, dass die Vorgeschichte des Streits eine krankhafte Eifersucht der E1 gewesen sei, as anlässlich eines Arbeitsessens im Herbst mit sechs Kollegen begonnen habe. Dabei seien Bilder gemacht und auf Facebook veröffentlicht worden. Nach diesem Arbeitsessen habe E1 der Klägerin unterstellt, permanent sexuellen Kontakt zu ihrem Mann gehabt zu haben.

Nach Erhalt der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20.01.2017 und eines Nachschauberichts des Chirurgen F vom 13.02.2017 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.02.2017 (Widerspruchsbescheid vom 02.04.2019) die Gewährung von Leistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, dass ein innerer Zusammenhang des Ereignisses vom 05.01.2017 mit der versicherten Tätigkeit nicht nachgewiesen sei. Laut Aussage der Klägerin habe sie sich am 05.01.2017 auf dem Weg nach draußen befunden, um eine Zigarette zu rauchen, als ein Arbeitskollege mit ihr habe etwas besprechen wollen. Die zum Unfall führende Tätigkeit habe persönlichen Zwecken gedient und sei dem privaten Lebensbereich zuzuordnen.

Mit der hiergegen am 23.05.2019 erhobenen Klage (S 5 U 108/19) trug die Klägerin u. a. vor, dass - als sie am 05.01.2017 zur Garderobe gegangen sei, um ihre Strickjacke zu holen, da sie habe rauchen wollen - ihr Arbeitskollege mit Ehefrau und Tochter durch die Tür in den Gastraum gekommen seien. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2019 nahm die Klägerin die Klage zurück.

Am 15.11.2019 wandte sich die Klägerin persönlich an das Bayer. Landessozialgericht (LSG), erklärte den Widerruf der Klagerücknahme und stellte "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens" mit der Begründung, dass ihr die Rücknahme der Klage nicht richtig erschien; sie habe vorschnell gehandelt. Nach gerichtlichem Hinweis, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Klagerücknahme nicht vorlägen, jedoch die Möglichkeit eines Antrags nach § 44 SGB X bestehe und sie sich hierfür an die Beklagte wenden müsse, teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 21.11.2019 mit, dass sie gegen den Bescheid vom 02.04.2019 nochmals Widerspruch einlege. Der Sachverhalt, so wie er von der Beklagten festgestellt worden sei, sei nicht richtig. Sie sei auf der Arbeit gewesen, um zu arbeiten. Persönlich habe sie mit dem Ehepaar nichts zu tun. Die Beklagte wertete das Schreiben als Antrag nach § 44 SGB X und zog die Akte der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az: 881 Js 7374/17) über das Ermittlungsverfahren gegen die Eheleute E bei. Nach Stellungnahme der Klägerin mit E-Mail vom 12.03.2020, in der sie den Sachverhalt erneut schilderte und Antrag auf Anerkennung des Ereignisses vom 05.01.2017 als Arbeitsunfall und Gewährung von Leistungen stellte, lehnte die Beklagte mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 16.03.2020 die Rücknahme des Bescheides vom 22.02.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2019 ab. Aus der von ihr beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft ergebe sich, dass die Ursache für die erlittenen Gesundheitsschäden (Kopfprellung, Halsmuskelzerrung) nicht die versicherte Tätigkeit der Klägerin als Kellnerin sei, sondern ihre private Auseinandersetzung mit dem beteiligten Ehepaar E. Den hiergegen am 06.04.2020 eingelegten Widerspruch, den die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten damit begründen ließ, dass ohne ihre Anwesenheit am Arbeitsplatz die Verletzungen nicht eingetreten wären, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2020 zurück.

Die hiergegen am 30.06.2020 erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 29.09.2020 abgewiesen (Ziffer I) und die Klägerin verpflichtet (Ziffer III), 150,00 € an die Staatskasse zu zahlen. Die form- und fristgerecht beim SG erhobene Klage sei zulässig, jedoch unbegründet. Insoweit werde auf die Begründung im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 16.03.2020 verwiesen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der innere Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit und damit die Merkmale eines Arbeitsunfalls seien nicht ohne Weiteres ausgeschlossen, wenn der Versicherte einem vorsätzlichen Angriff zum Opfer falle. Treffe eine solche Angriffshandlung denjenigen, dem sie zugedacht gewesen sei, seien für die Beantwortung der Frage, ob zwischen dem Angriff und der versicherten Tätigkeit ein innerer Zusammenhang bestehe, in der Regel entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG die Beweggründe entscheidend, die den Angreifer zu diesem Vorgehen bestimmt hätten (BSGE 6, 164, 167; 10, 56, 60; 17, 75, 77). Seien diese in Umständen zu suchen, die in keiner Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Verletzten (z. B. persönliche Feindschaft, Eifersucht oder ähnliche betriebsfremde Beziehungen) stünden, so fehle es grundsätzlich an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Unfallfolgen (BSGE, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.03.1996 - 2 RU 19/95; BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R).

Die Qualifizierung eines Unfalls als Arbeitsunfall im Fall einer Tätlichkeit sei dagegen zu bejahen, wenn sie aus Gründen entstanden sei, die mit der Arbeit zusammenhingen bzw. wenn die Zwistigkeit unmittelbar aus der Betriebsarbeit entstanden sei (BSG, Urteil vom 31.01.1961 = BSGE 13, 290 <291>; BSG, Urteil vom 30.10.1962 = BSGE 18, 106). Die betrieblichen Vorgänge müssten also wesentlich für die Auseinandersetzung sein, wobei das BSG auf die Beweggründe des Angreifers abstelle.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.06.1998 - B 2 U 27/97 R m.w.N.) und dieser folgend auch des LSG (Urteil des Senats vom 04.04.2011 - L 18 U 353/07 und Urteil des LSG vom 22.02.2006 - L 2 U 410/04) schließe ein vorsätzlicher Angriff einen Arbeitsunfall nur dann nicht aus, wenn die Beweggründe des Täters nicht dem persönlichen Bereich des Täters zugeordnet werden könnten und die Tat nicht von den besonderen Verhältnissen des Tatortes entscheidend begünstigt worden sei. Dass entscheidend auf die Beweggründe des Täters abzustellen sei, folge daraus, dass allein anhand dieses Kriteriums entschieden werden könne, ob eine zur Gewalttat entschlossene Person nur eine von vielen Möglichkeiten nutze, seinem Opfer habhaft zu werden und sich damit keine der versicherten Tätigkeit innewohnende Gefahr verwirkliche, sondern eine allgemeine Gefahr, die nach dem Sinn und Zweck der Gesetzlichen Unfallversicherung gerade nicht unter den Schutz dieser Versicherung fallen solle. Mit der Erwägung, dass die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Opfer vorherrschten und den Zusammenhang des Überfalls mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich unwesentlich zurückdrängten, rechtfertige sich die Versagung des Unfallversicherungsschutzes in diesen Fällen (vgl. schon BSGE 17, 75, 77; BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R; LSG, Urteil vom 04.04.2011, a.a.O.).

Unstrittig habe im vorliegenden Fall ein tätlicher Angriff gegen die Klägerin vorgelegen. Jedoch habe das Tatmotiv der Täter ausschließlich in der Privatsphäre der Klägerin gelegen, nämlich in der Eifersucht der E1. Dieses dem persönlichen Bereich der Klägerin zuzurechnende Tatmotiv dränge den Zusammenhang der Tätlichkeit mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich unwesentlich zurück. Zwar bedürfe es nicht stets eines betriebsbezogenen Tatmotivs, damit der innere Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit hergestellt werde und es könne ein innerer Zusammenhang auch (bei gegebenen Umständen) bei einem aus rein persönlichen Gründen unternommenen Angriff gegeben sein, wenn die besonderen Umstände, unter denen die versicherte Tätigkeit ausgeübt werde oder die Verhältnisse am Arbeitsplatz die Tätlichkeit erst ermöglichten oder wesentlich begünstigt hätten (BSG, Urteil vom 19.03.1996, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.12.2000, a.a.O.). Jedoch sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass die örtlichen Gegebenheiten oder die Verhältnisse am Arbeitsplatz die Tätlichkeit erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt hätten. Ebenso wenig habe der Tatort wegen seiner Lage den tätlichen Angriff erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt. Nach der Rechtsprechung seien derartige besondere Verhältnisse z. B. Dunkelheit, Dämmerung, einsam gelegener Tatort, örtliche Gegebenheiten, die eine sichere Flucht ermöglicht oder die den Tatplan erheblich bestimmt hätten (BSGE 6, 167; BSGE 78, 65, 67).

Die Tätlichkeit hätte vorliegend genauso gut an jedem anderen Ort und zu jeder anderen Gelegenheit durch die Täter durchgeführt werden können. Ein vorgefertigter Plan der Angreifer, die Tätlichkeit gerade unter Ausnutzung der örtlichen Verhältnisse zu begehen, sei nicht ersichtlich. Ebenso wenig habe der Tatort wegen seiner Lage den tätlichen Angriff erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt. Zwar sei die Tätlichkeit in der Zeit und an dem Ort erfolgt, an dem die Klägerin ihrer versicherten Beschäftigung nachgegangen sei, jedoch habe für die Angreifer das erhebliche Risiko bestanden, dass Zeugen - wie auch geschehen - den Angriff beobachten würden, so dass für die Angreifer ein erhebliches Risiko der Strafverfolgung bestanden und auch eine uneingeschränkte Fluchtmöglichkeit nicht bestanden habe. Den Besonderheiten der Örtlichkeit oder die Tatsache, dass die Angreifer ggf. Kenntnis davon gehabt hätten, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt Dienst gehabt habe, kämen damit gegenüber den privaten Motiven des Angriffs nicht das Gewicht einer annähernd gleichwertigen Bedingung zu. Die unversicherte Mitursache des privaten Motivs der Angreifer habe vielmehr das Geschehen derart geprägt, dass auch unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und des Tatzeitpunkts die versicherte Tätigkeit als Ursache zurücktrete und wesentliche Ursache allein die nicht vom Schutzzweck der Gesetzlichen Unfallversicherung erfassten privaten Motive der Angreifer gewesen seien.

Dass der Unfall während einer von der Klägerin selbst bestimmten Arbeitsunterbrechung (Pause) eingetreten sei, begründe ebenfalls den Versicherungsschutz nicht. Verunglücke ein Versicherter während einer derartigen Pause infolge einer Tätigkeit, die er während der Pause ausübe, bestehe der innere Zusammenhang nur, wenn diese Tätigkeit dem Betrieb zu dienen bestimmt gewesen sei (BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 15). Das Gleiche gelte für den Weg zum Ort, an dem die Pause verbracht werden solle, wenn die Pause aus eigenwirtschaftlichen persönlichen, nicht dem Betrieb dienenden Gründen ausgeübt werden solle (Bereiter-Hahn/Mertens, Gesetzliche Unfallversicherung § 8 Nr. 7.4.4.).

Das Rauchen, das die Klägerin im Rahmen der Pause beabsichtigt habe, sei unabhängig von jeglicher betrieblichen Tätigkeit. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass der Konsum von Genussmitteln gegenüber der Einnahme fester oder flüssiger Nahrung weit mehr persönlichen Angewohnheiten entspringe, so dass ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nur beim Nachweis besonderer Umstände angenommen werden könne (BSGE 12, 254, 256 = SozR Nr. 27 zu § 543 RVO a. F.). Einen solchen Ausnahmefall habe das BSG für einen Raucher erwogen, für den das Rauchen in der jeweiligen Situation so unabweisbar notwendig gewesen sei wie das Stillen des Hungers es hätte sein können (BSGE 12, a.a.O.), das beabsichtigte Rauchen also zur Weiterarbeit für den betroffenen Versicherten notwendig gewesen sei (BSG SozR Nr. 15 zu § 550 RVO). Eine derartige Situation der Klägerin sei nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten, bei denen es sich nicht um notwendige Kosten des Verfahrens handele, beruhe auf § 192 Abs. 1 2 Nr. 2 SGG. Ein Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung sei die offensichtliche Aussichtslosigkeit einer Rechtsverfolgung. Hier liege Missbräuchlichkeit vor, da die aus den oben genannten Gründen offensichtlich unbegründete Klage trotz deren offensichtlicher Aussichtslosigkeit und entsprechendem richterlichen Hinweis weiterverfolgt worden sei. Die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung hätte jeder verständige Dritte erkannt, zumal die Rechtslage eindeutig sei.

Hiergegen richtet sich die am 10.11.2020 beim LSG eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Berufungsbegründung hat die Klägerin abweichend von ihren bisherigen Angaben zum Ablauf des Geschehens am Unfalltag (05.01.2017) vorgetragen, dass sie circa gegen 15.00 Uhr den letzten circa 7 Gästen an Tisch 2 Vorbestellungen von Speisen- und Getränkekarten gegeben habe. Es sei ihr mit Dirndl und Bluse zu kalt gewesen, weiterzuarbeiten, sie habe sich anschließend auf den Weg zur Garderobe begeben, um ihre Strickweste darüber zu ziehen, bis die Gäste zur Bestellung soweit wären. Dazu sei es jedoch wegen der Begegnung mit dem Ehepaar E nicht gekommen. Beim Ausfüllen des Fragebogens habe ihr damaliger Chef Herr H seine Sekretärin Frau B und sie hinzugezogen. Sie habe keine Ahnung gehabt, wie man so einen Fragebogen ausfülle. Sie habe ein schweres Trauma im Kopf und Halswirbelsäulenverletzungen mit einer Blutung gehabt. Sie habe heute noch die Folgegesundheitsschäden, Schmerzen und Leiden zu bewältigen. Sie habe mit E auf der Arbeit nur das Nötigste zu tun gehabt, keinen persönlichen oder privaten Umgang mit den Eheleuten E und auch keinen Streit gehabt. Sie hätte sich gewünscht, dass die Beklagte damals nochmals nachgefragt hätte oder gut ermittelt hätte. Die Beklagte hätte den Fragebogen nochmals mit ihr durchgehen sollen oder noch erfragen sollen, vielleicht hätte sie auch hier Hilfe benötigt. Die Antworten seien doch fraglich, da sie Einiges missverstanden habe und verwirrt gewesen sei/verwirrt worden sei. Der Unfallfragebogen möge vom Arbeitgeber berichtigt werden. Ohne ihre Anwesenheit auf dem Arbeitsplatz, während der sie im Zusammenhang mit der versicherten Arbeitstätigkeit gearbeitet habe, wären die ihr zugefügte ungerechte Schädigung und die daraus folgenden Verletzungen, die sie erlitten habe und noch habe, und die Verschlechterungen ihrer Gesundheit nicht eingetreten. E1 und die 12-jährige Tochter hätten den Familienvater begleitet, um dessen Kündigung abzugeben und sie hätten sie nicht beabsichtigt angetroffen. Keiner der Angeklagten habe behauptet, dass sie sie hätten persönlich antreffen wollen auf ihrer versicherten Tätigkeit/Arbeit. Der Angeklagte habe Herrn F (mitbetroffener Zeuge) gesagt, dieser solle sich nicht einmischen, da es sich um Privates handele. Die Täter hätten selber ausgesagt, dass sie nicht ihretwegen auf ihrem Arbeitsplatz erschienen seien, sondern um eine Kündigung des zusätzlichen Täters (Arbeitnehmer Mann) abzugeben. Von der AOK Bayern (A-Stadt) habe sie 9 Monate später einen Unfallfragebogen erhalten, weshalb sie zum Ausfüllen mit Hilfe persönlich dort gewesen sei. Er sei "fast leer ausgefüllt" und nur von ihr unterschrieben angenommen worden, was sie erst jetzt gemerkt habe. Jeder habe es so geschrieben, wie er gewollt, gesollt oder gedacht habe.

Mit Schreiben vom 15.02.2021 und 10.03.2021 hat die Klägerin beantragt, Frau B (Sekretärin des H), Herrn H (Chef des H), die Eheleute E und deren minderjährige Tochter, Herrn F (Mitbetroffener), Herrn M und den Gast vom Tisch 2 (dieser sei von der Polizei bei der Arbeit als Zeuge verhört worden) namentlich nicht in der Akte ersichtlich sowie die Polizisten Herrn L und Herrn S als Zeugen einzuvernehmen.

Ferner hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.02.2021 und 10.03.2021 die Angaben im Unfallfragebogen vom 17.02.2017 widerrufen. Sie habe damals schwere Kopf-, Halswirbelsäulen- und posttraumatische Verletzungen erlitten und unwissend mit Spekulationen zu dem angegebenen Sachverhalt zu den Tatsachen Angaben gemacht. Auf der Arbeit sei so viel darüber mit ihr geredet worden (Mobbing) und ihr eingeredet worden, dass es bei ihr so verankert gewesen sei, wie die Sekretärin und der Chef angegeben hätten und den Unfallfragebogen ausgefüllt hätten. Im September 2020 im Klageverfahren beim SG sei sie durch den vom Vorsitzenden vorgelesenen Sachverhalt mit den angegebenen Tatsachen aufmerksam gemacht worden, dass es hier um mehr Spekulationen im Sachverhalt als um Tatsachen gegangen sei. Mit Schreiben vom 15.03.2021 hat die Klägerin erneut insbesondere die Unfallfragebögen vom 20.01.2017 (Arbeitgeber) und vom 17.02.2011 (Arbeitnehmer) widerrufen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.09.2020 sowie den Bescheid vom 16.03.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2020 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.02.2017 und den Widerspruchsbescheid vom 02.04.2019 zurückzunehmen und festzustellen, dass das Ereignis vom 05.01.2017 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.09.2020 zurückzuweisen.

Zur Berufungserwiderung trägt die Beklagte mit Schreiben vom 03.12.2020 und 23.02.2021 insbesondere vor, dass sie keine Zweifel daran habe, dass sich die Vorgänge - wie von der Klägerin dargestellt - ereignet hätten. Auch aus der polizeilichen Akte gehe der Vorgang so in etwa hervor. Der Angriff der Täterin auf die Klägerin stehe allerdings nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin. Vielmehr handele es sich um einen Angriff aus Eifersucht, der dem privaten Umfeld zuzuschreiben sei. Der Konflikt sei nicht aufgrund einer beruflichen Streitigkeit entstanden, die mit der Tätigkeit in der Gaststätte zusammengehangen habe. Vielmehr habe die Täterin der Klägerin ein Verhältnis mit ihrem Ehemann unterstellt. Dass sich der streitige Vorfall am Arbeitsplatz der Klägerin ereignet habe, ändere nichts daran, dass die Streitigkeit aus privater Ursache herrühre, egal ob diese wahr oder unwahr sei. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin könne nicht hergestellt werden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (2 Band) und des SG mit dem Az. S 5 U 108/19 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Streitgegenständlich ist die Anerkennung des Ereignisses vom 05.01.2017 als Arbeitsunfall im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 16.03.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2020 (§ 95 SGG) hat die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 22.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2019, mit dem die Beklagte das Ereignis vom 05.01.2017 nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat, abgelehnt.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG die Klage mit Urteil vom 29.09.2020 abgewiesen. Der Klägerin steht nach § 44 Abs. 1 SGB X kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 22.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2019 und Anerkennung des Ereignisses vom 05.01.2017 als Arbeitsunfall gemäß § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu. Denn die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 1 SGG.

Zur Vermeidung von Wiederholungen weist der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Überprüfung und Überzeugungsbildung aus den Entscheidungsgründen des Urteils des SG vom 29.09.2020 zurück. Lediglich ergänzend ist unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung der Klägerin Folgendes festzustellen:

Zutreffend hat das SG seiner rechtlichen Beurteilung die ständige Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 19.03.1996 - 2 RU 19/95, vom 30.06.1998 - B 2 U 27/97 R und vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R) und des LSG (Urteil des Senats vom 12.10.2017 - L 17 U 329/15, Orientierungssatz und Rn. 32; LSG, Urteile vom 04.04.2011 - L 18 U 353/07 und vom 22.02.2006 - L 2 U 410/04) zugrunde gelegt. Danach schließt ein vorsätzlicher Angriff einen Arbeitsunfall nur dann nicht aus, wenn das Opfer vor dem Überfall nicht einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgegangen ist und die Beweggründe des Täters nicht dem persönlichen Bereich des Täters zugeordnet werden können oder die Tat von den besonderen Verhältnissen des Tatortes (z.B. Dunkelheit, Dämmerung, einsam gelegener Tatort, örtliche Gegebenheiten) entscheidend begünstigt worden ist (BSG, Urteile vom 19.03.1996, a.a.O., und vom 19.12.2000, a.a.O., juris Rn. 15 m.w.N.).

Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin vor dem vorsätzlichen tätlichen Angriff einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen ist, sodass ein innerer Zusammenhang des vorsätzlichen tätlichen Angriffs mit der versicherten Tätigkeit von vornherein ausscheidet (BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R).

Dabei legt der Senat den Unfallhergang zugrunde, wie die Klägerin ihn im Fragebogen "Zweck des Weges und Räumlichkeiten" sowie in der Klageschrift vom 23.05.2019 (S 5 U 108/19) angegeben hat: Danach war die Klägerin am Unfalltag, dem 05.01.2017, seit 10.00 Uhr im H im Dienst. Vor dem vorsätzlichen tätlichen Angriff befand sie sich im Gastraum vor dem Vorhang der Eingangstür und wollte gerade eine Zigarettenpause einlegen und deshalb zur Garderobe gehen, um ihre Jacke zu holen, als sie ihrem Arbeitskollegen E, dessen Ehefrau E1 und deren Tochter T begegnete. Als E1 mit ihr ein Gespräch beginnen wollte, lehnte die Klägerin dies unter Hinweis darauf ab, dass sie arbeiten müsse. E1 warf der Klägerin daraufhin vor, mit ihrem Mann im Sommer sexuelle Kontakte gehabt zu haben, was die Klägerin abstritt. Sodann zog E1 die Klägerin an den Haaren, woran sich auch E beteiligte; er riss die Klägerin zu Boden und attackierte sie.

Hingegen hält der Senat die erstmalig von der Klägerin in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung, sie sei zur Garderobe gegangen, um ihre Strickweste zu holen, weil es ihr in Dirndl und Bluse zu kalt gewesen sei, weiterzuarbeiten, für nicht glaubhaft. Zwar gibt es - weder nach dem SGG noch nach der Zivilprozessordnung (ZPO) - eine Beweisregel in dem Sinne, dass eine frühere Aussage oder zeitnah zum Unfallereignis getätigte Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstige Einlassungen zu würdigen (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R = SozR 4-2700 § 4 Nr. 1 Rn. 12; Urteil des Senats vom 16.06.2021 - L 17 U 348/19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2019 - L 6 U 350/17, Rn. 43).

Gleichwohl kann der Senat im Rahmen einer Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen der Klägerin aufgrund dessen, dass die Erinnerung der Klägerin hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen. Vorliegend misst der Senat den Erstangaben der Klägerin im Fragebogen "Zweck des Weges und Räumlichkeiten" vom 09.02.2017, die sie auch in der Klageschrift vom 23.05.2019 bestätigt hat, nämlich, dass sie - als sie dem Ehepaar E begegnete - eine Zigarettenpause einlegen wollte, einen höheren Beweiswert zu als den erstmals in der Berufungsbegründung gemachten Angaben, sie habe ihre Strickweste holen wollen, weil es ihr in Dirndl und Bluse zu kalt gewesen sei, weiterzuarbeiten. Es gibt für den Senat keinen Anlass, an diesen - nur wenige Tage nach dem Unfallereignis vom 05.01.2017 gemachten - konkreten und in der Klageschrift vom 23.05.2019 wiederholten Angaben der Klägerin zu zweifeln.

Ein anderes Unfallgeschehen ist auch nicht etwa deshalb zugrunde zu legen, weil die Klägerin mehrfach ihre Angaben in den Fragebögen widerrufen hat. Insoweit trägt sie vor, dass sie keine Ahnung gehabt habe, wie man so einen Unfallfragebogen ausfülle, sie ein schweres Trauma im Kopf und Halswirbelsäulenverletzungen mit einer Blutung gehabt habe, die Beklagte nochmals hätte nachfragen sollen und mit ihr den Fragebogen hätte durchgehen sollen, sie einiges missverstanden habe und verwirrt gewesen sei. Damit legt die Klägerin jedoch nicht konkret dar, welche Angaben von ihr unrichtig bzw. missverständlich sein sollen, so dass schon deshalb kein konkret anderer Unfallhergang einer Beweiswürdigung und rechtlichen Prüfung unterzogen werden kann. Vielmehr geht die Klägerin rechtsirrig davon aus, dass allein aufgrund des Umstands, dass sie am Unfalltag (05.01.2017) zum Zeitpunkt des tätlichen Angriffs an ihrem Arbeitsort im H gewesen ist, schon die Voraussetzungen des § 8 SGB VII erfüllt werden. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin mehrfach darauf, dass ohne ihre Anwesenheit am Arbeitsplatz, während der sie ihre versicherte Tätigkeit ausgeübt habe, die ihr zugefügte ungerechte Schädigung, die daraus folgenden Verletzungen, die sie erlitten habe und noch habe, und die Verschlechterung ihrer Gesundheit nicht eingetreten wären. Mit dem Hinweis auf den zeitlichen und örtlichen Zusammenhang des Unfallereignisses mit ihrer Tätigkeit lässt sich jedoch der innere Zusammenhang zwischen dem vorsätzlichen tätlichen Angriff und der eigentlichen, arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit der Klägerin bei wertender Betrachtung nicht begründen. Eine "conditio sine qua non" der Anwesenheit der Klägerin an ihrem Arbeitsort für die ihr zugefügte Verletzung genügt nicht den Kausalitätsanforderungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls gemäß § 8 SGB VII.

Diesen - vom Senat festgestellten - Unfallhergang zugrunde gelegt ist die Klägerin zum Zeitpunkt des vorsätzlichen tätlichen Angriffs am Unfalltag auf dem Weg zu einer Zigarettenpause gewesen, d. h. ihre Handlungstendenz war auf eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit ausgerichtet und nicht auf die Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Da die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses somit dem privaten Lebensbereich zuzuordnen war, kann der für die Anerkennung des Ereignisses zu fordernde innere Zusammenhang schon von vornherein nicht gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R, Rn. 16). Zutreffend hat das SG insoweit ausgeführt, dass besondere Umstände, die einen inneren Zusammenhang des Zigarettenkonsums mit der versicherten Tätigkeit ausnahmsweise begründen könnten, hier nicht gegeben sind (vgl. auch BSGE 12, 254, 256 = SozR Nr. 27 zu § 543 RVO a.F.).

Aber auch unter der - vom Senat nicht vertretenen - Annahme, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des tätlichen Angriffs nicht einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen ist, scheidet die Anerkennung des Ereignisses vom 05.01.2017 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII aus. Denn die Beweggründe der Täter (Eheleute E) waren dem persönlichen Bereich zuzuordnen (Eifersucht der E1 und auch die Motive des E) und der tätliche Angriff ist auch nicht von den besonderen Verhältnissen des Tatorts entscheidend begünstigt worden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin haben betriebliche Vorgänge nicht die wesentliche Ursache für den vorsätzlichen tätlichen Angriff und den Beweggrund hierfür gebildet. Der für die Anerkennung als Arbeitsunfall erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem vorsätzlichen tätlichen Angriff und der versicherten Tätigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass Grund bzw. Anlass für die Streitigkeit bzw. den vorsätzlichen tätlichen Angriff der Eheleute E auf die Klägerin ein Treffen von sieben Arbeitskollegen zum Essen in Würzburg mit anschließender Veröffentlichung von Fotos des E und der Klägerin, die zur Eifersucht der E1 geführt haben - was im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist -, gewesen ist. Denn die Beweggründe der E1 (Eifersucht) bzw. des E für den vorsätzlichen tätlichen Angriff gegen die Klägerin am Unfalltag waren auch unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts dem privaten Bereich zuzuordnen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist weder rechtlich relevant, ob die Eifersucht begründet war oder nicht, noch, ob die Klägerin mit den Eheleuten E vor dem tätlichen Angriff privaten Kontakt hatte.

Deshalb war entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch kein Beweis zur Frage zu erheben, dass sie vor dem tätlichen Angriff keinen Streit mit den Eheleuten E gehabt habe und/oder sie persönlich nichts miteinander zu tun gehabt hätten. Soweit die Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung vom 04.03.2021 beantragt hat, Frau B (Sekretärin des Hs), Herrn H (Chef des Hs), die Eheleute E sowie deren minderjährige T, Herrn F (Mitbetroffener), Herrn M und den Gast von Tisch 2, der von der Polizei auf der Arbeit als Zeuge verhört worden sei) sowie die Polizisten L und S als Zeugen zum Beweisthema einzuvernehmen, dass die Klägerin "zum Zeitpunkt des Angriffs auf der Arbeit und beim Arbeiten" gewesen sei, sah sich der Senat nicht veranlasst, diesem Beweisantrag nachzukommen. Denn allein der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des tätlichen Angriffs durch die Eheleute E an ihrer Arbeitsstelle und "beim Arbeiten" war - womit nur der zeitliche und örtliche Rahmen der Tätigkeit gemeint sein kann - vermag den notwendigen inneren Zusammenhang zwischen dem vorsätzlichen tätlichen Angriff und ihrer versicherten Tätigkeit nicht zu begründen.

Schließlich ist der tätliche Angriff auf die Klägerin auch nicht von den besonderen Verhältnissen des Tatorts entscheidend begünstigt worden. Zu Recht hat das SG insoweit ausgeführt, dass sich die Täter ihr Wissen von Zeit und Ort der Tätigkeit der Klägerin bzw. der räumlichen Verhältnisse des Arbeitsorts gerade nicht zunutze gemacht haben. Dass die Täter den vorsätzlichen tätlichen Angriff auf die Klägerin unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Tatorts nicht geplant haben, ergibt sich nunmehr eindeutig aus der Berufungsbegründung der Klägerin. Denn das Ehepaar E hat - wie die Klägerin selbst vorträgt - sich zum Arbeitsort der Klägerin begeben, um die Kündigung des E abzugeben und nicht, um die Klägerin auf der Arbeitsstelle anzutreffen. Unter Zugrundelegung dieses Tatsachenvortrags ist es sogar ausgeschlossen, dass die Eheleute E die zeitliche und/oder räumliche Situation, in der sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt befunden hat, in irgendeiner Form - geplant - ausgenutzt haben. Darüber hinaus sind aber auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die zeitliche und/oder räumliche Situation zum Zeitpunkt des vorsätzlichen tätlichen Angriffs in irgendeiner Art und Weise für die Tatausführung förderlich gewesen seien und die Täter die Kenntnis hiervon spontan ausgenutzt hätten. Mit dem vorsätzlichen tätlichen Angriff hat sich lediglich eine allgemeine Gefahr verwirklicht, die nach Sinn und Zweck gerade nicht unter den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung fallen soll.

Die Kostenentscheidung zu II. beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Die Entscheidung zu IV. über die Gerichtskosten beruht auf § 192 Abs. 1 1 Nr. 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.

Ein Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ist die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung. Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ist in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2021 (wie zuvor in der nichtöffentlichen Sitzung vom 04.03.2021) der Klägerin nochmals ausführlich erläutert worden. Offensichtliche Aussichtslosigkeit ist, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (vgl. dazu z.B. die Beschlüsse vom 11.12.2001 - 1 BvR 1821/01 und vom 18.09.2000 - 2 BvR 1407/00) auch für das sozialgerichtliche Verfahren unter anderem dann zu bejahen, wenn eine Berufung offensichtlich unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss, d. h. wenn ein verständiger Dritter die offensichtliche Aussichtslosigkeit erkannt hätte bzw. wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 - L 22 LW 1/09, juris Rn. 32; LSG Thüringen vom 29.05.2008 - L 2 R 110/06, juris Rn. 36 f). Insoweit ist im Gegensatz zu § 192 SGG a.F. kein Handeln des Beteiligten wider besseres Wissen mehr erforderlich (Hennig, Kommentar zum SGG, § 192 Rn. 12). Dass die offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich auch aus dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Novellierung des Sozialgerichtsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist. Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 14/5943, 60 zu Nr. 65) rechtfertigen die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits und ein entsprechender (hier im Vorfeld der mündlichen Verhandlung und nochmals in der Verhandlung selbst erfolgter) Hinweis des Vorsitzenden auf eine mögliche Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drs. 14/6335, 35 zu Nr. 65), dass es sich bei dem Tatbestand der offensichtlichen Aussichtslosigkeit um einen Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung handelt (LSG Thüringen vom 29.05.2008 - L 2 R 110/06, juris Rn. 36f.; siehe dazu auch Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 192 Rn. 9 m.w.N.). Durch § 192 Abs. 1 1 Nr. 2 SGG soll verhindert werden, dass wegen des nicht vorhandenen Kostenrisikos völlig aussichtslose Verfahren (fort)geführt werden (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.04.2004 - 6 SB 197/03 ER, juris Rn. 21).

Missbräuchlichkeit liegt hier vor, weil die Klägerin die aus den oben dargelegten Gründen offensichtlich unbegründete Berufung trotz deren Aussichtslosigkeit und entsprechenden richterlichen Hinweisen sowohl in der nichtöffentlichen Sitzung vom 04.03.2021 als auch in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2021 weiterverfolgt hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin ihr Begehren in einem Verfahren nach § 44 SGB X weiterverfolgt hat und die bisherigen richterlichen Hinweise im Verfahren S 5 U 108/19 und im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend waren. Bereits erstinstanzlich wurden der Klägerin im Urteil vom 29.09.2020 Missbrauchskosten in Höhe von 150,00 € auferlegt. Auch nach den richterlichen Hinweisen im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinerlei vernünftige Gründe dafür aufzeigen können, warum sie den Rechtsstreit noch fortführt. Vielmehr musste der Klägerin spätestens nach den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2021 bei verständiger Würdigung offensichtlich klar sein, dass sie das geltend gemachte Rechtsschutzziel im vorliegenden Verfahren nicht erreichen kann. Ihr Klagebegehren musste von jedem Einsichtigen als offensichtlich völlig aussichtslos angesehen werden (vgl. dazu auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.12.2002 - 2 BvR 1255/02, juris Rn. 3). Auf einen doch noch günstigen Ausgang ihres Rechtsstreits konnte die Klägerin nicht hoffen. Die Uneinsichtigkeit der Klägerin hat - insbesondere vor dem oben dargestellten Verfahrenshintergrund - ein besonders hohes Maß erreicht.

Die der Klägerseite erteilten Hinweise beinhalteten neben den Ausführungen zur offensichtlichen Aussichtslosigkeit auch die Möglichkeit der Kostenauferlegung.

Die Höhe der festgesetzten Kostenbeteiligung hat der Senat unter Beachtung der gesetzlichen Mindesthöhe durch Schätzung des letztlich von den Steuerzahlern zu tragenden Kostenaufwandes für das Berufungsverfahren festgesetzt (vgl. zur Kostenhöhe LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.11.2003 - L 8 U 119/02, juris Rn. 41).

Als verursachter Kostenbetrag gilt nach § 192 Abs. 1 3 SGG mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz, vor dem Landessozialgericht somit 225,00 €. Nach oben begrenzt hat der Gesetzgeber die aufzuerlegenden Kosten nicht (vgl. Stotz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Stand 29.3.2021, Rn. 65). Der Mindestbetrag reicht zur Deckung der durch den Missbrauch des Klägers entstandenen Kosten bei weitem nicht aus. Denn grundsätzlich zählen zu den Kosten des Gerichts neben den Kosten für die konkrete Fallarbeit - wie für die Absetzung des Urteils (vgl. die diesbezüglichen Berechnungen bei Goedelt, Die Sozialgerichtsbarkeit 1986, 499 f) - insbesondere auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 192 Rn. 14 m.w.N.). Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze erschien dem Senat im Rahmen des auszuübenden Ermessens die Festsetzung eines Kostenbeitrags i. H. v. 1.000,00 € als angemessen.

 

Rechtskraft
Aus
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