L 1 SF 342/21 B DS

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 1 SV 52/20
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 342/21 B DS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

§ 67d SGB X, § 78 SGB X, § 35 Abs. 2 SGB I

Sozialdatenschutz, Vorrang der den Sozialdatenschutz regelnden Normen, originäre Übermittlungsbefugnis

1. Die den Sozialdatenschutz regelnden Normen gehen als andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz den Vorschriften des BDSG (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG) und auch landesrechtlichen Datenschutzvorschriften vor (§ 35 Abs. 2 SGB I).

2. Die Vorschrift des § 78 Abs. 1 S. 6 SGB X räumt den Gerichten eine originäre Übermittlungsbefugnis ein.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. April 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt im Hauptsacheverfahren die Feststellung, dass der Beklagte durch die Übermittlung der Verfahrensakten S 24 AS 941/17, S 24 AS 1111/17, S 24 AS 1467/17 und S 24 AS 1908/17 an die Landespolizeiinspektion N1 und durch die Übermittlung eines Schreibens vom 29. Oktober 2018 an die Anwaltskammer T gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstoßen und insbesondere den Schutz von Sozialdaten missachtet habe. Des Weiteren begehrt er die Erteilung von mit Schreiben vom 8. November 2019 geforderten Auskünften gemäß Art. 15 DSGVO.

In den genannten Klageverfahren – gerichtet gegen das Jobcenter N1 – hat das Sozialgericht Nordhausen in einer mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2018 dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt N2 aus S bewilligt. Anschließend beantragte Rechtsanwalt N2 in den jeweiligen Verfahren die Festsetzung der Vergütung. Durch Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung nicht in dem beantragten Umfang fest, sondern kürzte diese. Mit Schriftsatz vom 8. November 2018 beantragte der Kläger die Übermittlung der Kopien von Rechnungen der Anwaltskanzlei N2 und Erteilung bestimmter Auskünfte. Hintergrund hierfür war, dass nach den Angaben des Klägers der Anwaltskanzlei N2 seitens des Sozialgerichts vorgeworfen werde, unzulässige Differenzrechnungen erstellt zu haben.

Mit Schreiben vom 16. November 2018 teilte die Kriminalpolizeiinspektion N1 mit, dass die Staatsanwaltschaft M ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Gebührenübererhebung gemäß § 352 des Strafgesetzbuches (StGB) gegen Rechtsanwalt N2 führe. Sie bat um die kurzzeitige Übersendung nachfolgender Akten des Sozialgerichts Nordhausen. Der zuständige Kammervorsitzende entsprach diesem Begehren mit Verfügung vom 29. November 2018. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 wurden die Akten nach Erledigung an das Sozialgericht zurückgesandt.

Hinsichtlich der Ausführungen in den Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen in den genannten Klageverfahren wandte sich der Kläger hinsichtlich der Formulierung mit einer Klage jeweils an das Sozialgericht Nordhausen. Das Sozialgericht Nordhausen hat die Klageverfahren mit Beschluss vom 24. Januar 2019 an das zuständige Verwaltungsgericht Weimar verwiesen. Auf eine Beschwerde des Klägers hat der Senat die Beschlüsse des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. Januar 2019 aufgehoben und den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 8. Januar 2020 in dem Verfahren L 1 SV 307/19 B verwiesen. Daraufhin hat das Sozialgericht Nordhausen durch inzwischen rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 18. März 2020 die Klage abgewiesen.

Mit einer am 10. Januar 2020 beim Sozialgericht Nordhausen eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beklagte durch Übermittlung der Verfahrensakten S 24 AS 941/17, S 24 AS 1111/17, S 24 AS 1467/17 und S 24 AS 1908/17 an die Landespolizeiinspektion N1 und durch Übermittlung des Schreibens vom 29. Oktober 2018 an die Anwaltskammer T gegen Datenschutzvorschriften verstoßen habe. Zugleich begehrte er die Erteilung der mit Schreiben vom 8. November 2019 geforderten Auskünfte. Durch Beschluss vom 12. April 2021 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, weil ein Verstoß gegen Datenschutzvorschriften nicht vorliege. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Datenschutzgesetz (ThürDSG) trage die Verantwortung der Empfänger, soweit die Übermittlung aufgrund des Ersuchens eines öffentlichen Empfängers erfolge. In diesem Fall habe die übermittelnde Stelle nur zu überprüfen, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liege. Bei der Übermittlung von Akten im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bestehe kein besonderer Prüfungsanlass. Die weiteren Anträge seien bereits unzulässig. Das Schreiben vom 29. Oktober 2018 an die Anwaltskammer sei dem Kläger übermittelt worden. Die geforderten Auskünfte zur Handlung eines Kammervorsitzenden könne der Beklagte nicht erteilen.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass das Gericht seine vollständigen Gerichtsakten an die Polizei ausgehändigt habe. Für ein Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt N2 seien seine sozialrechtlichen Daten irrelevant. Die geforderten Auskünfte seien zu erteilen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. April 2021 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts zu bewilligen.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren den Verwaltungsvorgang des Sozialgerichts Nordhausen und die betroffenen Gerichtsakten beigezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und der Verfahren S 24 AS 941/17, S 24 AS 1111/17, S 24 AS 1467/17, S 24 AS 1908/17, S 21 SF 292/18 E, S 1 SV 52/20, S 1 SF 10/19 AB, S 10 SV 621/21, S 1 SV 1654/18 (= L 1 SV 309/19 B), S 12 SF 35/20 E, S 21 SF 291/18 E, S 1 SF 8/19 AB, S 1 SF 40/20 AB, S 10 SV 622/21, S 12 SF 36/20 E, S 1 SV 1655/18 (= L 1 SV 310/19 B), S 1 SF 11/19 AB, S 21 SF 290/18 E, S 1 SF 41/20 AB, S 10 SV 620/21, S 12 SF 34/20 E, S 1 SV 1652/18 (= L 1 SV 307/19 B), S 1 SF 39/20 AB, S 10 SV 619/21, S 1 SV 1653/18 (= L 1 SV 308/19 B), S 12 SF 33/20 E, S 1 SF 38/20 AB, S 21 SF 293/18 E, S 1 SF 12/19 AB, S 13 AS 244/18, S 21 SF 313/18 E, S 1 SF 24/21 AB, S 13 AS 243/18, S 21 SF 312/18 E verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren vor dem SG.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der zulässige Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, ist der Antrag auf Gewährung von PKH abzulehnen.

Nach dem sich aus der Gerichtsakte sowie dem Vortrag des Beschwerdeführers ergebenden Sachstand bietet die Klage nach summarischer Prüfung keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. bis 5. voraussichtlich als Feststellungsklage zulässig ist, weil ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt und der Kläger sein Rechtsschutzbegehren nicht durch eine vorrangige Klageart erreichen kann. Zudem hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Inhalts des Rechtsverhältnisses (vgl. § 55 Abs. 1 SGG). Der Kläger begehrt festzustellen, dass die Übermittlung seiner Sozialdaten rechtswidrig war. Die zugrundeliegende Berechtigung des Beklagten im Verhältnis zum Kläger stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Die Subsidiarität der Feststellungsklage steht deren Zulässigkeit nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sein Rechtsschutzziel durch eine Leistungs- oder Gestaltungsklage erreichen könnte. Wegen der spezifischen Grundrechtsrelevanz des Verwaltungshandelns (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Grundgesetz <GG>) ist auch vom Vorliegen eines qualifizierten Feststellungsinteresses auszugehen. Dieses ist erforderlich, da  die vorliegend streitgegenständlichen Aktenübersendungen in der Vergangenheit liegen und die Sachverhalte abgeschlossen sind.

Hinsichtlich der Anträge zu 1. bis 5. ist die Klage jedoch voraussichtlich unbegründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Vorsitzende der Kammer über  die Verfahren mit den Aktenzeichen S 24 AS 941/17, S 24 AS 1111/17, S 24 AS 1467/17 und S 24 AS 1908/17 zunächst mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 wegen der aufgetretenen Unklarheiten im Rahmen der Vergütungsfestsetzung im Zusammenhang mit einer deswegen bei der Staatsanwaltschaft M gestellten Strafanzeige diese bzw. die Rechtsanwaltskammer T über die Verfahren  informiert und anschließend auf Anforderung der Kriminalpolizeiinspektion N1 mit weiterer Verfügung vom 29. November 2018 die genannten Gerichtsakten der Kriminalpolizeiinspektion N1 zur Einsicht übermittelt hat.

Rechtsgrundlage für die Mitteilung von Sozialdaten bzw. die Übermittlung der Akten können nicht die vom Kläger herangezogenen Vorschriften der §§ 67b Abs. 1 Satz 1 und 67g Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sein, denn diese Vorschriften richten sich an eine Stelle nach § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Sie haben als Adressaten nur Leistungsträger, zu denen die Gerichte nicht gehören. Ebenso ist die vom Sozialgericht herangezogene Vorschrift des § 18 Abs. 1 S. 2, 3  des Thüringer Datenschutzgesetzes (ThürDSG) nicht anwendbar. Danach prüft die übermittelnde Stelle, soweit die Übermittlung aufgrund des Ersuchens eines öffentlichen Empfängers erfolgt nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht. Da vorliegend unstreitig Sozialdaten des Klägers im Sinne des § 67 Abs. 2 S. 1 SGB X betroffen sind, ist die Regelung der Übermittlungsgrundsätze in § 67d Abs. 1 SGB X für Sozialdaten vorrangig. Die den Sozialdatenschutz regelnden Normen gehen als andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz den Vorschriften des BDSG (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG) und auch landesrechtlichen Datenschutzvorschriften vor (§ 35 Abs. 2 SGB I). § 67 Absatz 1 Satz 1 SGB X legt den Grundsatz fest, dass die übermittelnde Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung trägt. Die übermittelnde Stelle ist „Herrin der Daten“ und muss entscheiden, ob und welche Daten übermittelt werden dürfen. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Übermittlung auf Ersuchen des Dritten (hier Kriminalpolizei) erfolgt. In diesem Fall trägt gem. § 67d Absatz 1 Satz 2 SGB X zwar der Dritte die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Angaben (auf Grund der Nähe zum Sachverhalt), die übermittelnde Stelle bleibt jedoch in der Entscheidungsverantwortung (vgl. Fromm in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 67d SGB X, 1. Überarbeitung Stand: 02.05.2018, Rn. 18).

Die erforderliche Rechtsgrundlage für die Mitteilung von Sozialdaten bzw. die Übermittlung der Akten kann sich daher nur aus dem SGB X ergeben und hier dessen § 78 SGB X. Denn für Sozialdaten greift in diesen Fällen die Vorschrift des § 78 SGB X. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB X darf der Empfänger grundsätzlich die Daten nicht zu einem anderen als dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihm befugt übermittelt worden sind. Die Vorschrift betrifft die Rechtstellung von Empfängern, soweit sie nicht Stellen im Sinne von § 35 SGB I sind, welche ohnehin an die sozialrechtlichen Geheimhaltungsvorschriften gebunden sind. Durch die Vorschrift werden die entsprechenden Datenschutzverpflichtungen auf sie verlängert. Von dieser Zweckbindung darf nur abgewichen werden, wenn die Voraussetzungen von § 78 Abs. 1 S. 4 bis 6 SGB X vorliegen.

§ 78 Abs. 1 Satz 4 SGB X ist vorliegend nicht einschlägig. Danach sind für den Fall, dass Sozialdaten an Gerichte, wie vorliegend, übermittelt worden sind, die Gerichte berechtigt die gerichtliche Entscheidung mit Sozialdaten weiter zu übermitteln, wenn eine in § 35 SGB I genannte Stelle zur Übermittlung an den weiteren Dritten befugt wäre. Im Einklang mit Art. 6 Abs. 2 DSGVO i. V. m. Erwägung (50) kann § 78 Abs. 1 Satz 4 SGB X regeln, dass  gerichtliche Entscheidungen, die Sozialdaten enthalten, auch zu einem anderen als dem vom Sozialleistungsträger mit der Übermittlung an sie verfolgten Zweck an Dritte weiter übermittelt werden können, aber nur dann, wenn dies der Sozialleistungsträger als Erstübermittler auch könnte. In diesem Sinne enthält das Justizprivileg des § 78 Abs. 1 Satz 4 SGB X eine Ausnahme von der Zweckbindung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB X für Gerichte oder Staatsanwaltschaften als Datenempfänger. Die Übermittlungsbefugnis der Justiz ist insoweit akzessorisch der des Sozialleistungsträgers, sie ist lediglich von ihm abgeleitet (vgl. im Einzelnen: Gunkel in Schlegel/Völzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage, § 78 SGB X, Stand: 21.06.2021, Rn. 25 ff.). Die Vorschrift kann daher bereits deshalb nicht einschlägig sein, weil sie als akzessorisch ausgestaltete Übermittlungsbefugnis zu der Prüfung führt, ob es dem Sozialleistungsträger erlaubt wäre, die Sozialdaten an die Staatsanwaltschaft bzw. die Rechtsanwaltskammer zu übermitteln. Daher wäre zu prüfen, ob nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X eine Übermittlung der Sozialdaten an die Staatsanwaltschaft bzw. die Rechtsanwaltskammer durch das Jobcenter zulässig gewesen wäre. Abzustellen wäre insoweit auf die Vorschrift des § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 SGB X. Danach ist die Übermittlung von Sozialdaten auch zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle, hier also des Jobcenters. Im Hinblick auf die Gebührenerhebung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers im Gerichtsverfahren ist jedoch keine gesetzliche Aufgabe des Jobcenters betroffen. Denn die beanstandete Vorgehensweise bezog sich darauf, dass der Prozessbevollmächtigte nach Abrechnung seiner Vergütung wegen der gewährten PKH gegenüber der Staatskasse eine Differenzvergütung von seinen Mandanten gefordert haben soll.

Rechtsgrundlage für die Mitteilung von Sozialdaten bzw. die Übermittlung der Akten  ist vielmehr § 78 Abs. 1 Satz 6 SGB X.  Die Vorschrift räumt den Gerichten im Unterschied zu § 78 Abs. 1 S. 4 SGB  X eine originäre Übermittlungsbefugnis ein. Nach der Vorschrift dürfen Gerichte an sie übermittelte Sozialdaten unabhängig vom Zweck der Übermittlung sowohl für Zwecke der Gefahrenabwehr als auch für Zwecke der Strafverfolgung und der Strafvollstreckung speichern, verändern, nutzen, übermitteln, in der Verarbeitung einschränken oder löschen. Daher war das Sozialgericht berechtigt, aufgrund des bestehenden Verdachts der Gebührenübererhebung sowohl die Rechtsanwaltskammer zu unterrichten, als auch nach Stellung der Strafanzeige die Akten der Kriminalpolizei zuzuleiten. Unerheblich ist insoweit, dass sich das Verfahren nicht auf den Kläger bezog, sondern auf das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten. Die Regelung ist erforderlich, weil die prozessualen Vorschriften im SGG als Übermittlungsbefugnis für Sozialdaten nicht ausreichen. Dies schließt auch mögliche Straftaten eines Prozessbevollmächtigten ein. Auch das Gericht kann Strafanzeige stellen, wenn es im Zusammenhang mit der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens möglicherweise zu Straftaten gekommen ist. Nicht erforderlich ist dabei, dass sich das Verfahren auf den jeweiligen Betroffenen bezieht (vgl. Rombach in Hauck/Nord, SGB X, § 69 Rn. 35). Die Übermittlung der Sozialdaten durch den Beklagten an die Kriminalpolizei, welche im Auftrag der Staatsanwaltschaft handelte und die Rechtsanwaltskammer war daher im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige bzw. des Überprüfungsbegehrens wegen des aus Sicht des Gerichts gegebenen Verdachts der Gebührenübererhebung erlaubt. Anhaltspunkte im Hinblick auf eine fehlende Erforderlichkeit der Zurverfügungstellung der ganzen Gerichtsakte bzw. Verhältnismäßigkeit liegen nicht vor. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 76 SGB X scheidet bereits deshalb aus, weil besonders schutzwürdige Daten im Sinne dieser Vorschrift nicht betroffen sind. Nach § 76 SGB X werden Daten besonders geschützt, die von einem Arzt oder anderen nach § 203 Abs. 1 und 4 StGB zur Geheimhaltung besonders verpflichtenden Person zugänglich gemacht worden sind. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die Übermittlung von Gerichts- und Beiakten an die Staatsanwaltschaft bzw. hier die Kriminalpolizeiinspektion ist in dem für die Ermittlung erforderlichen Umfang zulässig.

Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 2 ThürDSG ist wegen des bereits dargelegten Vorrangs der Regelungen des SGB  X nicht anwendbar.

Soweit der Kläger mit dem Antrag zu 6. eine Verurteilung des Beklagten zur Erteilung der mit Schreiben vom 8. November 2019 geforderten Auskünfte nach Art. 15 DSGVO begehrt, hat die Klage ebenfalls voraussichtlich keinen Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Auskünfte der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch begehrt. Durch die Vielzahl der geführten Verfahren ist ihm umfassend Einsicht in alle Vorgänge gewährt worden. Zudem ergibt sich aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M vom 22. Juli 2019, dass der Kläger in dem dortigen Ermittlungsverfahren als Zeuge gehört worden ist und über den Sachverhalt vollumfänglich informiert war. Ausdrücklich wird dort ausgeführt, dass dem Kläger offensichtlich bekannt war, dass die Rechnungen überhöht waren. Soweit er in diesem Zusammenhang die Frage aufwirft, aus welchem Grund die Anwaltskammer T über Rechtsstreitigkeiten von ihm und einer weiteren Person informiert wurde, ergibt sich dies aus dem dem Kläger vorliegenden Schreiben an die Rechtsanwaltskammer selbst. Auch die Frage, warum er nicht über die Ermittlung seiner Daten an die Anwaltskammer informiert worden ist, ist damit beantwortet.

Kosten sind nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. m. § 124 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.

Rechtskraft
Aus
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