S 7 SO 51/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 SO 51/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 201/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Der Einsatz zusätzlicher Betreuungsleistungen nach §45b SGB XI zur Begleitung eines an Autismus leidenden Jugendlichen stellt sich im Verhältnis zum Leistungen der Eingliederungshilfe erbringenden Träger der Sozialhilfe als anderweitige Bedarfsdeckung dar.
Der Bescheid vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2011 wird aufgehoben, soweit der Beklagte von den Klägern - vorbehaltlich der Begrenzung auf die erbrachten Leistungen - einen höheren Kostenbeitrag fordert als 544,28 EUR für Februar 2011, 493,10 EUR für März 2011, 541,78 EUR für April 2011, 945,85 EUR für Mai 2011 und 575,15 EUR für Juni 2011. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen einen Kostenbeitrag für Leistungen nach dem SGB XII in dem Zeitraum vom 01.02.2011 bis zum 29.06.2011. Die Kläger sind die Eltern des 1995 geborenen Sohnes D. Dieser leidet an frühkindlichem Autismus ohne geistige Behinderung, aber mit aggressiven Verhaltensmustern, insbesondere Beißattacken. Ab seiner Einschulung benötigte und erhielt der Sohn der Kläger eine Begleitperson, nicht nur während des Unterrichts, sondern bereits während der Busfahrt zur Schule und wieder nach Hause. Entsprechend einer zwischen den Beteiligten informell getroffenen Vereinbarung beauftragten die Kläger einen Träger, bei dem die Begleitperson angestellt wurde. Der Träger rechnete seinerseits die Kosten mit dem Beklagten ab, die dieser auf der Grundlage der §§ 53 ff. SGB XII übernahm. Dem Sohn D. der Kläger ist vom Hessischen Amt für Versorgung und Soziales im hier maßgeblichen Zeitraum ein Grad der Behinderung von 80 zuerkannt worden. Die Pflegekasse gewährt D. Pflegegeld der Stufe III; darüber hinaus werden zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI in Höhe von 200,00 EUR monatlich geleistet. Am 17.06.2010 beantragte der Kläger zu 1) weitere Unterstützung auch außerhalb der Schulöffnungszeiten an den jeweils kurzen Schultagen - montags und freitags -, da es mit den zusätzlichen Betreuungsleistungen in Höhe von 200,00 EUR pro Monat lediglich möglich sei, einen dieser Nachmittage abzudecken. Mit Bescheiden vom 12.08.2010 und 20.09.2010 erklärte sich der Beklagte bereit, dem Sohn D. an 2 Nachmittagen in der Woche jeweils von 11:50 -17:00 Uhr Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß den §§ 53, 54 SGB XII in Form der Übernahme von Betreuungskosten zu gewähren. Diese Bescheide betrafen den Zeitraum vom 16.08.2010 bis zum 31.01.2011. Die für diesen Zeitraum vom Beklagten mit Bescheid vom 05.01.2011 geltend gemachten Kostenbeiträge sind Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens Sozialgericht Fulda – S 7 SO 13/11. Am 23.12.2010 beantragte der Kläger zu 1) die Weitergewährung der weiteren Betreuung über den 31.01.2011 hinaus. Antragsgemäß gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2011 gem. §§ 53, 54 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme von Betreuungskosten durch die Sozialen TT. e. V. für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis zum 24.06.2011 (Schuljahresende). Für die Nachmittagsbetreuung des Sohnes D. der Kläger wurde nach Abzug der Leistungen nach § 45 b SGB XI mit dem Träger - den Sozialen TT. für behinderte Menschen e. V. - folgende Beträge abgerechnet: Februar 2011 709,26 EUR, März 2011 709,26 EUR, April 2011 683,74 EUR, Mai 2011 482,00 EUR und Juni 2011 595,74 EUR.

Mit Bescheid vom 09.09.2011 setzte der Beklagte den Kostenbeitrag der Kläger gem. §§ 85 ff. SGB XII für die Zeit von Februar bis Juni 2011 auf insgesamt 3.051,69 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Prüfung der Vermögensverhältnisse ergeben habe, dass die Kläger keinen Beitrag aus ihrem Vermögen leisten müssten. Nach § 19 Abs. 3 i. V. m. Abs. 5 und § 87 Abs. 1 SGB XII sei, soweit das Einkommen die Einkommensgrenzen übersteige, die Aufbringung in angemessenem Umfang zuzumuten. Bei der Entscheidung über den angemessenen Umfang sei insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Begrenzt sei die Höhe des Einkommensansatzes bei Schwerstpflegebedürftigkeit und blinden Menschen regelmäßig auf 60 %, so dass unter Würdigung der besonderen persönlichen Verhältnisse ein Einkommenseinsatz von 50 % als angemessen angesehen werde. Dagegen legten die Kläger mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14.09.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Beklagte keine wirklich ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen habe. Darüber hinaus wende der Beklagte die Regresskosten nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII an sich fehlerhaft an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2011 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.09.2011 zurückgewiesen.

Dagegen haben die Kläger am 31.10.2001 Klage erhoben. Zur Begründung wird vorgetragen, dass D. weiterhin Pflegeleistungen in Höhe der Pflegestufe III erhalte. D. sei schwer pflegebedürftig und die psychischen und physischen Auswirkungen der Krankheit von D. seien insbesondere auf die Eltern immens. Diese seien voll angespannt, könnten keinen Urlaub alleine machen und hätten D. mit Ausnahme der Schulzeiten vollumfänglich um sich. Insoweit gehe der Kläger zu 1) ganztags arbeiten und die Klägerin zu 2) habe eine Nebentätigkeit, um insbesondere auch ihre sozialen Kompetenzen durch die Betreuung nicht ganz verkümmern zu lassen. Zur Entlastung hätten die Eltern deshalb die hier streitgegenständlichen Leistungen für D. an 2 Nachmittagen beantragt, damit einerseits die Kindesmutter ihre bisherige Erwerbstätigkeit weiter ausüben könne, aber auch um notwendigste Wege zu erledigen. Hierdurch erführen die Kindeseltern eine wichtige Beruhigung der sonst stetig angespannten Situation. Der Beklagte wende im vorliegenden Verfahren § 87 SGB XII fehlerhaft an, da er insbesondere die Kriterien nach § 87 Abs. 1 SGB XII bzgl. des Einsatzes des Einkommens überhaupt nicht bzw. fehlerhaft berücksichtige. Der Beklagte verkenne hier die Schwere der Behinderung und der notwendigen Pflegebedürftigkeit, er verkenne die erheblichen Belastungen, die auf die Eltern ausstrahlten. Der Beklagte verkenne, dass ohne den Einsatz der Kindeseltern eine wesentlich teuerere Heimunterbringung die Folge wäre. Letztlich verkenne der Beklagte, dass bei schwer pflegebedürftigen Menschen wie hier - lediglich ein Einkommenseinsatz von maximal nur 40 % verlangt werden könne. Der hier festgestellte Regress in Höhe von 50 % sei insoweit völlig überhöht. Im Rahmen der Auslegung des § 87 Abs. 1 SGB XII sei im vorliegenden Verfahren insbesondere § 92 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen, der feststelle, dass bei Unterbringung behinderter Menschen in einer stationären Einrichtung den Eltern unter bestimmten Voraussetzungen nur die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhaltes zuzumuten sei und insoweit eine entsprechende Regress gegenüber den Eltern begrenzt werde. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der angegriffene Kostenbeitragsbescheid auch deshalb falsch sei, weil er das unzweifelhaft den Eltern bzw. D. zustehende Pflegegeld in Höhe von 200,00 EUR von der Pflegeversicherung aufgrund eines erheblich höheren Betreuungsaufwandes zunächst bei der Ermittlung der monatlichen Betreuungskosten abziehe. Hierfür gebe es jedoch keinen Grund. Tatsache sei, dass es sich bei dem Pflegegeld von 200,00 EUR um Leistungen handele, über die die Eltern frei verfügen könnten und welches insbesondere auch den Mehraufwand der Kindeseltern abdeckten. Das Pflegegeld sei grundsätzlich Einkommen der Eltern, im vorliegenden Fall jedoch im Rahmen der Einkommensermittlung privilegiert und nicht anzusetzen. Gleichwohl stellten diese Zahlungen von 200,00 EUR jedoch bereits einen entsprechenden Einkommenseinsatz der Kindeseltern in Höhe dieses Betrages dar.

Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 09.09.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2011 aufzuheben.
Hilfsweise ermessensfehlerfrei unter Berücksichtigung der Entscheidung des Sozialgerichts erneut über den Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf den Widerspruchsbescheid. Ergänzend wird ausgeführt, dass den Klägern nicht gefolgt werden könne, soweit diese die angesetzten 200,00 EUR an zusätzlichen Betreuungsleistungen als Kostenbeitrag werteten. Selbstverständlich stehe es den Klägern frei, sich die erkauften Leistungen getrennt in Rechnung stellen zu lassen; dies ändere jedoch nichts an den tatsächlichen Nettoaufwendungen und dem festgesetzten Kostenbeitrag, da sich das bewilligte "freiwillige" Stundenkontingent dann natürlich um diesen Stundenumfang reduzieren und dementsprechend sich der monatliche Rechnungsbetrag auch mindern würde.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ausdrücklich zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die einschlägige Behördenakte (6 Hefter) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil, die Voraussetzungen des § 105 SGG gegeben sind und die Beteiligten zu dieser Vorgehensweise ihre Zustimmung erklärt haben.

Soweit die Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2011 begehren, ist die Klage zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Teil auch begründet. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und - wie hier -, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist. Im Einzelnen richten sich Umfang und Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes nach den §§ 82 ff. SGB XII. Der Beklagte hat in den Anlagen zu seinem Bescheid vom 09.09.2011 das Einkommen der Kläger nach Maßgabe von § 82 SGB XII in Verbindung mit der dazu ergangenen Durchführungsverordnung ebenso wie die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII nicht zutreffend berechnet. Gegenteiliges wird von den Klägern nicht vorgetragen noch ist solches für das Gericht ersichtlich. Daraus errechnet sich ein Einkommen über der Einkommensgrenze nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB XII zwischen 1.232,75 EUR (im März 2011) und 2.364,63 EUR (im Mai 2011). Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Bescheid vom 09.09.2011 beigefügten Berechnungen des Beklagten, die den Beteiligten bekannt sind, verwiesen. Diese Einkommensüberhänge sind nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB XII nur "in angemessenem Umfang" einzusetzen; ein Ermessen des Beklagten auf Rechtsfolgenseite besteht nicht. Bei dem "angemessenen Umfang" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Behörde auch keinen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene einräumt, sondern der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (BVerwG, Urteil vom 26.10.1989 - NVwZ 1990, 370 - zur Vorgängerregelung des § 84 BSHG - m.w.N.). Bei der Prüfung, welcher Umfang des Einkommenseinsatzes angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen (§ 87 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Nach § 87 Abs. 1 S. 3 SGB XII ist bei schwerstpflegebedürftigen Menschen nach § 64 Abs. 3 und blinden Menschen nach § 72 ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 vom 100 nicht zuzumuten. Der Sohn D. der Kläger erhält Pflegegeld der Pflegestufe III, ist also schwerstpflegebedürftig i. S. des § 64 Abs. 3 SGB XII und erfüllt damit die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 S. 3 SGB XII. Die Regelung des Satzes 3 bestimmt eine Höchstgrenze der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes mit 40 von 100 des Einkommensüberhanges, bezogen auf die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII. Unter Zugrundelegung der übrigen Kriterien des § 87 Abs. 1 S. 2 SGB XII kann jedoch auch eine noch niedrigere Belastung in Betracht kommen. Das Gesetz regelt in § 87 Abs. 1 S. 2 SGB XII - wie oben dargelegt - welche Kriterien bei der Bestimmung des angemessenen Umfangs insbesondere zu berücksichtigen sind und schreibt in S. 3 für eines dieser Kriterien, nämlich "Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit" eine verbindliche Mindestgrenze ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.02.2012 - L 7 SO 3580/11 - Juris Rn. 35). Soweit die Kläger meinen, dass Art und Schwere der Behinderung von dem Beklagten überhaupt nicht berücksichtigt worden sei, ist also darauf hinzuweisen, dass die Bewertung in diesem speziellen Fall insoweit vom Gesetzgeber weitgehend vorweggenommen wurde. Allerdings ist der Beklagte in Anwendung von § 87 Abs. 1 SGB XII zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei Schwerstpflegebedürftigkeit höchstens 60 % des Einkommensüberhanges eingesetzt werden dürfen, während § 87 Abs. 1 S. 3 diesen Einsatz auf höchstens 40 % beschränkt. Auf der Grundlage der die Einkommensgrenze übersteigenden Beträge in den Monaten Februar 2011 bis Juni 2011 und einer Höchstgrenze der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes von 40 von 100 ergibt sich danach ein maximal einzusetzendes Einkommen im Monat Februar 2011 von 544,28 EUR, im März 2011 von 493,10 EUR, im April 2011 von 541,78 EUR, im Mai 2011 und 945,85 EUR und im Juni 2011 von 575,15 EUR. Gründe, den angemessenen Umfang des Einkommenseinsatzes noch tiefer als 40 von 100 zu bemessen, sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht ersichtlich. Insbesondere ist für weitere besondere Belastungen der nachfragenden Personen - der Kläger - oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen nichts ersichtlich. Gemeint sind damit insbesondere finanzielle Verpflichtungen, die über den normalen Lebensbedarf hinausgehen. Soweit die Kläger vortragen, dass ihnen die Autismusstörung ihres Sohnes D. alles abverlange, bezieht sich dies ersichtlich nicht auf eine finanzielle Beanspruchung der Kläger, sondern auf die physische und psychische Belastung, die mit der elterlichen Betreuung eines an einer Autismusstörung leidenden Jugendlichen einhergehen. Auch erhöhte Lebenshaltungskosten infolge der Pflegebedürftigkeit des Sohnes D., die - in Anwendung des Kriteriums "Art des Bedarfs" - zu einer weiteren Absenkung der Zumutbarkeitsgrenze führen könnten, sind vorliegend nicht erkennbar.

Andererseits darf nicht übersehen werden, dass das Einkommen der Kläger die Einkommensgrenze der §§ 82 ff. SGB XII in nicht unerheblicher Weise überschreitet. Insbesondere dient die den Klägern gewährte Unterstützung an den beiden so genannten kurzen Schultagen auch dazu, der Klägerin zu 2) eine Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen. Es wäre mit dem in § 87 Abs. 1 SGB XII auch zum Tragen kommenden Nachranggrundsatz der Sozialhilfe kaum vereinbar, einer einsatzpflichtigen Person die Erwirtschaftung finanzieller Vorteile zu ermöglichen, die damit verbundenen Kosten aber ganz überwiegend auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Deshalb ist das erkennende Gericht zusammenfassend der Überzeugung, dass den Klägern ein Einsatz in Höhe von 40 % des Einkommensüberhanges vorliegend zuzumuten ist. Soweit die Kläger der Auffassung sind, im vorliegenden Fall sei in Anwendung von § 92 SGB XII von einem Kostenbeitrag generell abzusehen, wird dies vom erkennenden Gericht nicht geteilt. Vielmehr ergibt sich in Anwendung von § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII, dass den in § 19 Abs. 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu. Dem trägt der Beklagte dadurch Rechnung, dass er die Kläger an den Kosten der Schulbegleitung, die er gemäß §§ 53, 54 SGB XII trägt, nicht beteiligt. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, sondern die Hilfe erfolgt gerade an 2 Nachmittagen in der Woche im Anschluss an den Schulbesuch. Im Übrigen handelt es sich bei der Vorschrift des § 92 SGB XII um eine Durchbrechung des die Sozialhilfe prägenden Nachrangprinzips, ist also der Sache nach eine Ausnahmevorschrift, die einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist.

Schließlich ist auch die Berücksichtigung der dem Sohn D. der Kläger gewährten zusätzlichen Betreuungsleistungen in Höhe von 200,00 EUR pro Monat nach § 45 b SGB XI durch den Beklagte nicht zu beanstanden. Die Auffassung der Kläger, dass sie über die ihnen bzw. D. zustehenden zusätzlichen Betreuungsleistungen frei verfügen könnten, so dass der Beklagte diesen Betrag bei der Ermittlung der monatlichen Betreuungskosten nicht abziehen könne, wird dem Gehalt von § 45 b SGB XI nicht gerecht. Die Regelung des § 45 b SGB XI sieht für die zusätzlichen Betreuungsleistungen ein zweiteilig gestuftes Verfahren der Leistungsgewährung vor. In einem ersten Schritt wird entschieden, ob der Versicherte dem Grunde nach leistungsberechtigt ist und wie hoch der Betrag ausfällt, den er ausschöpfen kann, falls er eines der in § 45 b Abs. 1 S. 6 SGB XI genannten Pflege- und Betreuungsangebote wahrnimmt (§ 45 b Abs. 1 S. 1-3 SGB XI). In einem zweiten Schritt wird dann festgelegt, wie hoch die Kostenerstattung für tatsächlich in Anspruch genommene zusätzliche Betreuungsleistungen ausfällt (§ 45 b Abs. 2 S. 1 SGB XI). Der Gesetzgeber hat hier keine Sachleistungen der Pflegekasse vorgesehen, sondern ein reines Kostenerstattungsverfahren eingeführt (§ 45 b Abs. 1 S. 2 und 6 sowie Abs. 2 S. 1 SGB XI). Dabei dürfte es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.08.2010 - Breithaupt 2011,105 (106)) im Interesse der Rechtssicherheit für die Versicherten und ihre pflegenden Angehörigen empfehlen, zunächst eine grundsätzliche Bewilligungsentscheidung herbeizuführen, damit der Versicherte die finanziellen Auswirkungen der beabsichtigten Inanspruchnahme von Leistungen nach § 45 b Abs. 1 S. 6 SGB XI sicher kalkulieren und abschätzen kann, ob und in welchem Umfang er einen eigenen Beitrag aufzubringen haben wird. Über die Höhe der Kostenerstattung entscheidet dann die Pflegekasse nach Vorlage der entsprechenden Belege gemäß § 45 b Abs. 2 S. 1 SGB XI (Erstattungsbescheid). Die zusätzlichen Betreuungsleistungen gemäß § 45 b SGB XI werden dem Pflegebedürftigen also nicht wie das Pflegegeld im Voraus und weitgehend zur freien Verwendung ausgezahlt. Vielmehr werden nur Aufwendungen erstattet, die den einzelnen Pflegebedürftigen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen sowie von Leistungen der nach § 45 c SGB XI förderungsfähigen so genannten niederschwelligen Betreuungsangeboten entstehen oder entstanden sind.

Soweit die Kläger bzw. deren Sohn D. Betreuungsleistungen in Anspruch genommen hatten und entstandene Kosten über die Pflegekasse nach Maßgabe von § 45 b SGB XI "abrechneten", handelt es sich sozialhilferechtlich nicht um die Anrechnung von Einkommen der Kläger bzw. ihres Sohnes D., sondern um die Berücksichtigung von anderweitig gedecktem Bedarf (§ 9 Abs. 1 SGB XII). Soweit also die Kläger mit den zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI die Betreuung ihres Sohnes D. sicherstellen, ist für eine Inanspruchnahme des Beklagten kein Raum. Dem steht auch § 13 Abs. 3 a SGB XI nicht entgegen, da hier der Beklagte keine Leistungen zur Pflege erbrachte.

Soweit deshalb der Beklagte die Kläger im Zeitraum von Februar 2011 bis Juni 2011 in Höhe der im Tenor genannten Beträge zu einem Kostenbeitrag gem. § 85 ff. SGB XII heranzog, hat der angefochtene Bescheid in Gestalt des darauf bezüglichen Widerspruchsbescheides Bestand; soweit von den Klägern ein darüber hinausgehender Kostenbeitrag verlangt wurde, unterliegen die Bescheide der Aufhebung.

Soweit die Kläger darüber hinaus begehren, dass ermessensfehlerfrei unter Berücksichtigung der Entscheidung des Sozialgerichts erneut über den Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII entschieden werden soll, kann die Klage keinen Erfolg haben. Im vorliegenden Verfahren streitbefangen und von den Klägern angefochten ist die Entscheidung des Beklagten, von den Klägern einen Kostenbeitrag zu verlangen. Ein Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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