S 14 SO 29/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
14
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 14 SO 29/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 258/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Die Verfahren L 9 SO 258/11, L 9 SO 216/11 und L 4 SO 216/11 werden zusammen in einer Akte geführt.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege für eine ambulante Versorgung in einer eigenen Wohnung.

Der 34 Jahre alte Kläger ist schwerbehindert. Er leidet an einer spastischen Lähmung aller Extremitäten. Er ist aufgrund seiner Behinderung nicht steh- und gehfähig und auf die Benutzung eines elektrischen Rollstuhles angewiesen, den er mit einer Hand steuern kann. Es besteht eine weitgehende Gebrauchsunfähigkeit beider Hände, so dass keine selbständigen Handlungen möglich sind und alles griffbereit zurecht gelegt und gestellt werden muss. Er benötigt Hilfe für die gesamte Körperpflege, das An- und Auskleiden sowie für die mundgerechte Nahrungsvorbereitung und -verabreichung, das Aufstehen und Zubettgehen.

Der Kläger bewohnt seit 1994 den Erwachsenenwohnbereich des AB-Hauses in A-Stadt. Im Jahr 2006 stellte er einen Antrag auf Betreutes Wohnen in einer eigenen Wohnung. Der beigeladene B leitete den Antrag an den seinerzeit sachlich und örtlich zuständigen Beklagten weiter. Am 21.11.2006 stellte der Kläger seine Konzeption eines möglichst selbstbestimmten Lebens in einer eigenen Wohnung im Rahmen einer Hilfeplankonferenz vor. Der Beklagte teilte dem Beigeladenen mit Schreiben vom 30.11.2006 mit, dass die Vorstellungen des Klägers bezüglich seiner weiteren Lebensgestaltung sehr durchdacht und detailliert konzipiert seien. Aufgrund des erheblichen Kostenvolumens sei man jedoch nicht in der Lage, der geplanten Maßnahme voll umfänglich zuzustimmen. Allein die Kosten des Assistenzmodells beliefen sich auf 8.800 EUR monatlich. Hinzu kämen die Kosten für Unterkunft und die Leistungen des betreuten Wohnens für Menschen mit Behinderung. Dem stünden die Kosten der stationären Unterbringung in Höhe von monatlich rund 4.000 EUR gegenüber.

Der Beigeladene bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 04.04.2007 ein Kontingent von 288 Fachleistungsstunden pro Jahr seinen Vergütungssatz von seinerzeit 50,66 EUR pro Stunde. Die Kostenzusage erfolgte unter dem Vorbehalt der Übernahme der Assistenz- kosten durch den Beklagten.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.05.2007 beantragte der Kläger bei dem Beklagten erneut die Gewährung von Leistungen für ein selbstbestimmtes Leben im Rahmen des betreuten Wohnens in einer eigenen Wohnung. Zur Begründung wird vorgetragen, dass dem Kläger trotz der krankheitsbedingten Einschränkungen bei einem Leben in einer eigenen Wohnungen weitaus größeren Möglichkeiten blieben, sein Leben freier und vielfältiger zu gestalten, als dies derzeit in der Erwachsenenwohngruppe des AB-Hauses der Fall sei. Die Sachzwänge im AB-Haus ergäben sich in erster Linie aus dem Verhältnis der Anzahl der bereitgestellten Pflegekräfte zu den Bewohnern.

Im AB-Haus würden 22 meist schwerst Körper- und geistig behinderte Personen mit einer Pflegestufe von I bis III tagsüber von zwei bis vier Pflegekräften pro Schicht versorgt. Sie seien in Einzel- und Doppelzimmern untergebracht. Von 6:30 Uhr bis 11:00 Uhr sei eine examinierte Fachkraft zusammen mit drei nicht examinierten Fachkräften eingesetzt. Von 11:30 Uhr bis 15:30 Uhr arbeite eine examinierte Fachkraft mit einer nicht examinierten Fachkraft. Von 15:30 Uhr bis 22:00 Uhr seien wieder eine examinierte Fachkraft und drei nicht examinierte Fachkräfte im Einsatz. Ab 22:00 Uhr stünden den 22 Bewohnern nur noch eine examinierte Fachkraft und eine nicht examinierte Fachkraft zur Verfügung. Es gebe Nächte, in denen der Kläger bis zu viermal Hilfe benötige. Die Pflegeperson könne zwar per Notrufklingel herbeigerufen werden, es ergäben sich dabei jedoch Wartezeiten bis zu 30 Minuten. Dementsprechend stelle sich die Situation an Wochenenden und Feiertagen auch tagsüber dar. An diesen Tagen stünden den 22 Personen auch tagsüber in der Regel nur zwei bis vier Pflegekräfte zur Verfügung.

Der Kläger könne nicht essen und trinken wann immer er Hunger oder Durst habe und keine Nahrungsmittel nach seiner Wahl zu sich nehmen. Er könne nicht aufstehen, wann er wolle oder sich zu Bett legen und wenn er das Bedürfnis habe, auf die Toilette zu gehen, könne dem nur mit zeitlicher Verzögerung nachgekommen werden. Darüber hinaus würden während der Übergabezeiten und der Pausen Toilettengänge nur unter Protest der Pflegekräfte durchgeführt. Der Kläger habe keine Wahl, welche Personen ihm bei der Intimpflege behilflich seien.

Aufgrund behinderungsbedingter Schwierigkeiten beim Fixieren der Zeilen eines Textes und beim Umblättern der Seiten sei es dem Kläger nicht möglich, Texte eigenständig zu lesen. In der Einrichtung sei es zwar möglich, sich kleinerer Texte vorlesen zu lassen, das Vorlesen längerer Texte oder Bücher könne vom Pflegedienst jedoch nicht geleistet werden.

Grundsätzlich sei es dem Antragsteller zwar nicht verboten, jederzeit Besuch von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten in seinem Zimmer zu empfangen, praktisch durchführbar sei dies jedoch nur, wenn der Besuch selbst nicht hilfebedürftig sei und auch sonst keinerlei Belastung für das Pflegepersonal darstelle. Hilfeleistungen für Besucher seien dem Personal aus versicherungstechnischen Gründen untersagt. Außerdem stünden Besucher derart im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Bewohner und auch des Personals, dass ein Besuch oder gar die Übernachtung zum Beispiel des Partners nicht unter Wahrung der Intimsphäre und des ungestörten Zusammensein stattfinden könne.

Der Kläger bewohne im AB-Haus ein Einzelzimmer mit einer Größe von 16 m². Demgegenüber stünde einem nicht behinderten Bedürftigen grundsätzlich eine Wohnung bis zu einer Größe von 45 m² zu.

Ohne fremde Hilfe könne der Kläger keinerlei Medikamente zu sich nehmen. Dem Pflegepersonal sei es jedoch verwehrt, ihm auf seinen Wunsch irgendein Medikament zu verabreichen, welches nicht zuvor von einem Arzt verschrieben worden sei, selbst wenn es nicht verschreibungspflichtig sei. So sei es dem Kläger nicht möglich, bei akutem Bedarf auf eigene Verantwortung etwa eine nicht verschreibungspflichtige Kopfschmerztablette, einen Hustensaft, etc. einzunehmen.

Aufgrund seiner Behinderung benötige der Kläger zum Verlassen der Einrichtung eine persönliche Begleitung. Eine Begleitung werde jedoch nur sehr eingeschränkt gewährt und sei überhaupt nur nach vorheriger Ankündigung und Absprache möglich. Sie sei darüber hinaus durch die Dienstzeiten des Pflegepersonals sowie sonstige betriebliche Erfordernisse begrenzt. Daraus folge, dass es dem Kläger unmöglich sei, Verwandte oder Freunde zu besuchen, geschweige denn dort zu übernachten. Ein Besuch kultureller Veranstaltungen, wie Kino, Theater, Konzerte etc. oder auch nur ein Einkauf von Bekleidung/Nahrungsmitteln sei nur nach vorheriger Ankündigung und Absprache möglich.

Die öffentlichen Verkehrsmittel seien nur eingeschränkt mit einem Rollstuhl nutzbar. Für den Fahrdienst der Einrichtung stünden dem Kläger im Kalenderjahr 48 Gutscheine zur Verfügung. Damit könne er durchschnittlich zweimal im Monat den Fahrdienst innerhalb der näheren Umgebung nutzen. Für Fahrten zu entfernteren Zielen erhöhe sich die Zahl der einzulösenden Gutscheine.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 20.07.2007 ab. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Auszug des Klägers aus dem stationären Bereich des AB-Hauses zu einer Steigerung der Kosten von derzeit circa 4.000 EUR auf circa 9.000 EUR bis 10.000 EUR führen würde. Eine Kostensteigerung von über 100% widerspräche dem Grundsatz einer wirtschaftlichen Mittelverwaltung und führe zu einer Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechts des Klägers gemäß § 9 SGB VII.

Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.08.2007 gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass ihm die Unterbringung in einer stationären Einrichtung aus den in seinem Antrag genannten Gründen nicht zumutbar sei und daher die Ablehnung seines Antrages nicht mit einem Kostenvergleich begründet werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2007 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 23.02.2008 Klage erhoben. Im Wesentlichen trägt er ergänzend zu seinem Vortrag im Verwaltungsverfahren vor, dass ambulante Leistungen Vorrang vor teilstationären und stationären Leistungen hätten und ihm die Unterbringung in einer stationären Einrichtung unzumutbar sei. Ein Kostenvergleich könne unter diesen Voraussetzungen nicht zur Ablehnung seines Antrages führen. Nur die begehrte ambulante Betreuung sei als Leistung zur Teilhabe an der Gesellschaft geeignet, seine persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Letztlich gewähre auch die von Deutschland unterzeichnete UN-Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderung die Möglichkeit den Wohnort frei zu wählen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 aufzuheben.

Die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Leistungen, deren er Bedarf, um ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung zu führen, insbesondere solcher nach den §§ 53, 54, 60, 64 Abs. 1 SGB XII ab dem Zeitpunkt, da er eine eigene Wohnung bezieht, zu gewähren,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte und der Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass es zwar wünschenswert sei, dem Kläger eine optimale und speziell an seinen Wünschen orientierte Betreuung zukommen zu lassen. Der Kläger verkenne jedoch, dass der Sozialleistungsträger grundsätzlich (nur) die notwendigen Bedarf decken könne und optimale Leistungen nicht beansprucht werden könnten.

Der Beigeladene erklärt, dass er aufgrund einer Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum 12. Buch Sozialgesetzbuch nunmehr für die streitgegenständlichen Leistungen sachlich und zuständig sei. In der Sache schließe er sich den Ausführungen der Beklagten an und nimmt Bezug auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide. Ergänzend führt er aus, dass bei einer Gesamtwürdigung des Klägervortrages eine Unzumutbarkeit der vollstationären Betreuung im AB-Haus nicht erkennbar sei. Vielmehr handele es sich bei dem AB-Haus um eine für die Betreuung körperbehinderter Menschen geeignete Einrichtung. Zur Dokumentation legt der Beigeladene seine Leistungsvereinbarung mit dem WE. Gesellschaft e.V., dem Träger des AB-Haus in A-Stadt, sowie das Konzept des Hauses für den vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte des Beklagten Bezug genommen. Die Akten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Es kann dahinstehen ob der Beigeladene oder der Beklagte für die begehrten Leistungen der Eingliederung des Klägers zur Führung eines eigenen Haushalts gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum 12. Buch Sozialgesetzbuch (HAG/SGB XII) sachlich zuständig ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederhilfe sowie der Hilfe zur Pflege zur Führung eines eigenen Haushalts gemäß § 1 S. 1 SGB IX i.V.m. §§ 53 ff., 61 ff. SGB XII.

Nach § 1 S. 1 SGB IX erhalten Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Zuständiger Träger für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist nach § 5 Nr. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX der Sozialhilfeträger. Nach § 8 Nr. 4 SGB XII umfasst die Sozialhilfe die Eingliederungshilfe für Behinderte Menschen gemäß §§ 53 bis 60 SGB XII. Nach § 7 SGB IX gelten die Vorschriften des SGB IX für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 53 Abs. 4 SGB XII. Nach § 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII gelten für die Leistungen zur Teilhabe die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus dem 12. Buch und den aufgrund des 12. Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Gemäß § 53 Abs. 4 S. 2 richten sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe nach dem 12. Buch. Demzufolge finden auch die Vorschriften des Zweiten Kapitels des SGB IX über die Ausführung von Leistungen zur Teilhabe keine Anwendung, soweit das SGB XII abweichende Regelungen enthält. Dies gilt auch für die Vorschrift des § 19 Abs. 2 SGB IX, der hinsichtlich der Voraussetzungen für ambulante Leistungen durch die Regelung des § 13 SGB XII verdrängt wird.

Nach § 13 Abs. 1 SGB XII können Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalls für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationären oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen. Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen. Diese Regelung widerspricht weder dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG noch Art. 19 des Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Nach Artikel 19 a) gewährleisten die Vertragsstaaten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Diese Vorschrift korrespondiert dem Grundrecht der Freizügigkeit des Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz und verbietet eine Unterbringung von Menschen mit Behinderungen gegen deren Willen. Sie ist vorliegend nicht einschlägig, denn der Kläger wendet sich nicht gegen eine Zwangsmaßnahme einer Behörde im Sinne der Eingriffsverwaltung, sondern er begehrt eine Leistung im Sinne der Leistungsverwaltung. Diesem Begehren korrespondiert Artikel 19 b) des vorgenannten Gesetzes. Danach haben die Vertragsstaaten zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindennahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig sind. Diesen Anforderungen werden die Vorschriften der §§ 13, 53 ff. SGB XII gerecht.

Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich bei dem AB-Haus in A-Stadt um eine geeignete stationäre Einrichtungen, die dem Kläger i.S.d. §§ 13 Abs. 1 S. 3 SGB XII zumutbar ist. Der Beigeladene hat mit dem Träger des AB-Haus im September 2000 eine Leistungsvereinbarung im Sinne der §§ 93 ff. BSHG geschlossen, die den Anforderungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. SGB XII genügt. Gemäß § 3 der Vereinbarung werden in der Einrichtung erwachsene Menschen mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen betreut. Nach § 4 der Leistungsereinbarungen werden neben Unterkunft und Verpflegung Leistungen zur alltäglichen Lebensführung, zur individuellen Basisversorgungen, zur Gestaltung sozialer Beziehungen, zur Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben, zur Kommunikation und Orientierung sowie zur emotionalen und psychischen Entwicklung erbracht. Dem Leistungsangebot ist als Anlage ein ausführliches Konzept für den Erwachsenenwohnbereich beigefügt. Die räumlichen Rahmenbedingungen sind nach diesem Konzept überwiegend von Einzelzimmern bestimmt. Auch der Kläger bewohnt ein Einzelzimmer (16 m²). Seinem Einwand, dass eine nichtbehinderte sozialhilfebedürftige Einzelperson Anspruch auf eine Wohnfläche von 45 m² habe, ist entgegenzuhalten, dass der Kläger im AB-Haus zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen zur Verfügung hat. So verfügt das AB-Haus auf jeder Etage über eine behindertengerechte Küche sowie Gemeinschafts- und Wirtschaftsräume. Im Weiteren gibt es u.a. einen geräumigen Wintergarten sowie eine Parkanlage und ein Café. Die Eignung der Einrichtung wird auch nicht durch den Einwand des Klägers infrage gestellt, dass der weit überwiegende Anteil der Bewohner des Erwachsenenwohnbereichs unter Behinderungen leide, die es dem Kläger nicht ermöglichten, angemessene soziale Beziehungen anzubahnen und zu gestalten. Das Gericht gelangt aufgrund des Sachvortrages des Klägers und den gewonnenen Eindrücken In der mündlichen Verhandlung vielmehr zu der Überzeugung, dass der Kläger bei allen Konflikten, die es in einer stationären Einrichtung mit dem Pflegepersonal und den Bewohnern geben kann, im AB-Haus in A-Stadt sozial integriert ist. So bietet das AB-Haus neben der Erwachsenenwohngruppe ein breites Spektrum an Angeboten für behinderte Menschen, darunter auch eine Schule für Behinderte sowie eine berufliche Schule für Körperbehinderte. Dies ermöglicht dem Kläger ein breites Feld von Betätigungen außerhalb der Wohngruppe. So hat er in der Vergangenheit Englischunterricht erteilt und wurde im Februar dieses Jahres zum 2. Vorsitzender des Fördervereins der beruflichen Schule für Körperbehinderte gewählt, worüber auch die lokalen Medien berichteten. Des Weiteren geht der Kläger im AB-Haus einer geringfügigen Beschäftigung als Bote nach und ist daher nicht allein auf die Kommunikation mit den Bewohnern des Erwachsenenwohnhauses angewiesen.

Dementsprechend hat auch der Kläger wiederholt daraufhingewiesen, dass er die Eignung stationärer Einrichtungen als Form der Versorgung behinderter Menschen nicht grundsätzlich in Frage stelle. Die Einrichtung sei für ihn jedoch aufgrund von Defiziten bei der Betreuung, die er auf einen unzureichenden Pflegeschlüssel zurückführt, unzumutbar. Unbesehen der Frage, ob die von dem Kläger geschilderten Defizite tatsächlich in dem geschilderten Maße vorliegen, gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass etwaige Leistungsmängel im Erwachsenenwohnbereich des AB-Haus die Zumutbarkeit einer stationären Leistung nicht von vornherein in Frage stellen. Der Beigeladene hat mit dem Trägerverein des AB-Haus eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen, die eine Eingliederung des Klägers im Sinne der §§ 53 ff. SGB XII grundsätzlich gewährleistet. Das AB-Haus bietet mit seinem breiten Angebot an Leistungen eine kulturelle und gesellschaftliche Begegnungsstätte, die auch den Bewohnern des Erwachsenenwohnheimes die Teilhabe an der Gesellschaft im Grundsatz ermöglicht. Es ist dem anwaltlich vertretenen Kläger unter diesen Voraussetzungen möglich und zumutbar, etwaige Leistungsmängel in der Einrichtung gegenüber der Leitung des AB-Haus sowie dem Beigeladenen geltend zu machen. Die Vertreter des Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung die Bereitschaft gezeigt mit dem Kläger und der Leitung des AB-Haus entsprechende Gespräche zu führen.

Darüber hinaus sind die Kosten für eine ambulante Leistung unverhältnismäßig im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 3 SGB XII. Während die Kosten für den Aufenthalt des Klägers im Antoniushaus circa 4.100 EUR monatlich betragen, würden die Kosten für eine ambulante Betreuung des Klägers 8.000 bis 10.000 EUR betragen. Die Unverhältnismäßigkeit der Kosten ergibt sich nicht nur bei numerischer Betrachtung, sondern auch aus einem qualitativen Vergleich einer ambulanten mit einer stationären Versorgung. Das AB-Haus bietet den Bewohnern des Erwachsenenwohnbereich neben dem eigenen Zimmer eine ganze Palette von Gemeinschaftsräumen und aufgrund der angegliederten Schulen und sonstigen Einrichtungen, einem Park sowie einen Cafe bereits ein hohes Maß an Eingliederungsmöglichkeiten in die Gesellschaft. Diese Vorteile würden bei einer ambulanten Betreuung des Klägers in einer eigenen Wohnung verloren gehen. Es bedürfte daher für den Kläger und seine Betreuung eines erheblichen Mehraufwandes, um eine entsprechende Teilhabe an der Gesellschaft auch in Zukunft sicherzustellen. Diese Kosten stünden in keinem Verhältnis zu dem Mehraufwand, der gegebenenfalls geboten ist, um die Betreuung im Erwachsenenwohnbereich des AB-Haus den Anforderungen der §§ 53 SGB XII anzupassen.

Liegen die Voraussetzungen für einen Vorrang der ambulanten Leistung nach § 13 Abs. 1 S. 3 SGB XII somit nicht vor, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten über die Versagung einer ambulanten Leistung nicht zu beanstanden. Der Beigeladene hat sich die Ermessensentscheidung des Beklagten zueigen gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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