S 18 KR 439/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 439/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 27/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.420,28 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus EUR 2.452,42 vom 03.12.2008 bis zum 22.10.2012 und aus 1.420,28 seit dem 23.10.2012 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes. Die Klägerin ist Trägerin der C. in C-Stadt. Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte E. (Versicherter) befand sich in der Zeit vom 22.10.2008 bis zum 24.10.2008 in der Klinik für Neurologie der Klägerin zur vollstationären Behandlung.

Mit Rechnung vom 03.11.2008 bezifferte die Klägerin die Behandlungskosten in Höhe von 2.452,42 EUR. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG B72A (Infektion des Nervensystems außer Virusmeningitis).

Am 02.12.2008 forderte die Beklagte von der Klägerin per Datenaustauschverfahren (DAT) eine Rechnungsänderung. Aufgrund der Wiederaufnahme innerhalb von 24 Stunden seien Verlegungsabschläge vorzunehmen. Der Versicherte habe sich bereits am 21.10.2008 bis 16:00 Uhr in der Tagesklinik der Klinik für Psychiatrie der Klägerin aufgehalten.

Am 22.12.2008 forderte die Beklagte von der Klägerin per Datenaustauschverfahren (DAT) erneut eine Rechnungsänderung. Nach erneuter Prüfung sei gemäß § 3 Abs. 4 Fallpauschalenvereinbarung 2008 eine interne Verlegung zwischen zwei Entgeltbereichen (BPflV und KHEntG) wie die Verlegung zwischen zwei Krankenhäusern zu beurteilen. Eine Unterscheidung zwischen voll- und teilstationären Aufenthalten werde nicht gemacht. Daher seien vorrangig Verlegungsabschläge vor Abschlägen wegen Nichterreichung der unteren Grenzverweildauer (UGVD) zu berücksichtigen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.10.2012 wurde die Beklagte an die Zahlung der Rechnung 03.11.2008 erinnert. Eine interne bzw. externe Verlegung habe nicht stattgefunden, da eine tagesklinische Behandlung damit nicht gleichzusetzen sei. Behandlungsdauer und Zeitpunkt der Entlassung seien bei Tageskliniken nicht entscheidend für die Berechnung der Leistung und könnten daher auch nicht analog zu externen Verlegungen bewertet werden.

Am 22.10.2012 hat die Beklagte auf die Rechnung der Klägerin vom 03.11.2008 einen Teilbetrag in Höhe von 1.032,14 EUR überwiesen.

Die Klägerin hat am 19.12.2012 Klage erhoben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.420,28 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 2.452,42 vom 03.12.2008 bis zum 22.10.2012 und aus EUR 1.420,28 seit dem 23.10.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Patientenakte der Klägerin und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 90, 1 ff.). Es ist demnach weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist zu beachten.

Die Klage ist begründet, denn der Klägerin steht der streitgegenständliche Vergütungsanspruch zu. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V mit Verweis auf das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), sowie der "Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V" zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen (-verbänden). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistungen des Krankenhauses durch einen Versicherten der Krankenkasse, wenn die Versorgung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus und die Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin war auch erforderlich.

Streitig ist allein die Höhe des Vergütungsanspruches. Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntGG aus einem diagnosebezogenen, pauschalierendem (DRG-)Vergütungssystem, das der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherungen gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbart hat. Das Vergütungssystem besteht aus einer Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalenkatalog (G-DRG). Der Fallpauschalenkatalog soll das vollständige Krankheits- und Leistungsspektrum der deutschen Krankenhäuser abbilden. Er basiert im Wesentlichen auf der Klassifikation der Diagnosen und Prozeduren. Zunächst werden die Diagnosen nach der Internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD-10) in der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Deutschen Fassung (ICD-10-GM) und die medizinischen Prozeduren nach dem ebenfalls vom DIMDI herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) kodiert. Zur Durchführung der Kodierung haben die Vertragsparteien "Deutsche Kodierrichtlinien" (DKR) vereinbart, die jährlich aktualisiert werden. Aus den ermittelten Diagnose- sowie Operationen- und Prozedurenkodes wird mithilfe eines zertifizierten Software-Programms unter Einbeziehung von weiteren fallbezogenen Variablen (Alter des Patienten, Verweildauer, usw.) eine DRG-Fallpauschale sowie die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung und Entgeltermittlung liegt ein festgelegter, von den Beteiligten nicht zu beeinflussender Algorithmus zugrunde (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07R).

Das Vergütungssystem, das für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn es allgemein streng nach seinem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind die Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. Die – nach Auffassung eines Beteiligten – bloße Unter-, Über-, oder Nichtbewertung eines Leistungsbestandteils einer Krankenhausbehandlung als solche rechtfertigt demgegenüber kein Abweichen von einer strengen Wortlaut- und ergänzenden systematischen Auslegung (BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R).

Auf den streitgegenständlichen Fall finden die für das Jahr 2008 maßgeblichen Normverträge und Regelwerke Anwendung.

In Streit steht vorliegend nicht die Kodierung und Zuordnung des Behandlungsfalles zur DRG-Fallpauschale G-DRG B72A (Infektion des Nervensystems außer Virusmeningitis). Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Abschlag vorzunehmen ist, weil der Versicherte vor der vollstationären Aufnahme in die Klinik für Neurologie der Klägerin am 22.10.2008, bereits am 21.10.2008 in der Tagesklinik der Klinik für Psychiatrie der Klägerin behandelt worden ist.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV werden die Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der voll- oder teilstationären Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 FPV rechnet jedes beteiligte Krankenhaus im Falle der Verlegung in ein anderes Krankenhaus eine Fallpauschale ab. Diese wird gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 FPV nach Maßgabe des § 3 FPV gemindert. Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV liegt eine Verlegung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 FPV vor, wenn zwischen der Entlassung aus dem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind.

Dementsprechend hat die Klägerin die streitgegenständliche Behandlung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2008 nach dem im Jahr 2008 geltenden Fallpauschalenkatalog auf der Grundlage der DRG-Fallpauschale G-DRG B72A (Infektion des Nervensystems außer Virusmeningitis) ohne Verlegungsabschlag in Höhe von 2.452,42 EUR abgerechnet.

Eine Verlegung des Versicherten in ein anderes Krankenhaus, die nach § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 i. V. m. § 3 FPV 2008 zu einem Abschlag von der Pauschale führen könnte, fand nicht statt.

Der Wechsel von der teilstationären in die vollstationäre Behandlung innerhalb eines Krankenhauses sowie der Wechsel von der vollstationären in die teilstationäre Behandlung innerhalb eines Krankenhauses stellt keine Verlegung in ein anderes Krankenhaus im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 FPV 2008 dar. Die Fallpauschalenvereinbarung 2008 unterscheidet in § 1 Abs. 1 FPV 2008 zwischen der voll- und der teilstationären Behandlung in einem Krankenhaus (Satz 1) und der Verlegung in ein anderes Krankenhaus (Satz 2 und 3). In § 6 FPV 2008 wird der Wechsel von vollstationäre in teilstationäre Behandlung (Abs. 2) sowie von teilstationäre in vollstationäre Behandlung (Abs. 3) innerhalb eines Krankenhauses abschließend geregelt. Wird ein Patient an demselben Tag innerhalb des Krankenhauses von einer tagesbezogen vergüteten teilstationären Behandlung in eine vollstationäre Behandlung verlegt, kann nach § 6 Abs. 3 FPV für den Verlegungstag kein tagesbezogenes teilstationäres Entgelt berechnet werden. Dementsprechend hat die Klägerin ausweislich der Rechnung vom 27.10.2008 für den 21.10.2008 auch kein tagesbezogenes teilstationäres Entgelt berechnet.

Eine Regelungslücke für eine analoge Anwendung der Vergütungsregeln bei Verlegungen zwischen Krankenhäusern auf die Fälle des Patientenwechsels von einer teilstationären in eine vollstationäre Behandlung innerhalb eines Krankenhauses ist unter diesen Voraussetzungen nicht ersichtlich.

Der streitgegenständliche Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 10 Abs. 5 des Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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