S 4 EG 23/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 EG 23/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 05.03.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008 abzuändern und der Klägerin für ihr Kind J., geb. 2007, Elterngeld nach den allgemeinen Vorschriften des § 2 Abs. 1 - 7 BEEG, d.h. unter Absehung von § 2 Abs. 9 BEEG, zu gewähren sowie die Differenz zur bisherigen Zahlung nachzuzahlen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte im vorliegenden Fall das Elterngeld zutreffend berechnet hat bzw. ob der Klägerin höhere Zahlungen zustehen.

Die Klägerin ist die Mutter des 2007 geborenen Kindes J. Mit einem am 11.01.2008 unterschriebenen und am 15.01.2008 beim Zentrum Bayern, Familie und Soziales, Region U. eingegangenen Antrag hat die Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Elterngeld beantragt.

Sie hat hierbei die geforderte Erklärung zum Einkommen ausgefüllt. Im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt habe sie Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen einer vollen Erwerbstätigkeit erzielt. Ferner hat sie angegeben, dass sie auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft habe und zwar im Hinblick auf eine 50 %-ige Beteiligung an einer Photovoltaik-Anlage. Hieraus würde im Zeitraum nach der Geburt des Kindes voraussichtlich durchschnittlich monatlich ein Gewinn von 5,27 EUR erzielt werden.

Vorgelegt wurde eine - nicht unterschriebene - Verdienstbescheinigung mit dem Hinweis, dass sämtliche Unterlagen beim Landesamt für Finanzen vorhanden seien. Vorgelegt wurden ferner der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 und entsprechende Bezügemitteilungen.

Der Beklagte forderte die Klägerin auf, Gehaltsbescheinigungen für die Monate Januar bis einschließlich Dezember 2006 nachzureichen. Die Klägerin wies - nachdem ihr telefonisch die Gewerbeeinkünfte als Grund für die Anforderung benannt worden waren - ergänzend darauf hin, dass es sich bei ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht um solche als Einzelunternehmer, sondern aus Beteiligung gehandelt habe. Ihrer Auffassung nach liege bei diesen Einkünften kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des Elterngeldgesetzes vor. Es handele sich um steuerliche Verluste aus der Stromeinspeisung einer kleinen Photovoltaik-Anlage auf einem privaten Wohnhaus. Die Anlage sei nicht darauf ausgerichtet, aus eventuellen Gewinnen den Lebensunterhalt zu bestreiten oder aufzubessern, sondern sei aus Umweltgesichtspunkten errichtet worden. Aus ihrer Sicht könne es nicht richtig sein, dass sie bei der Berechnung des Elterngeldes mit richtigen Gewerbetreibenden, also Firmeninhabern, gleichgestellt werde und deshalb nicht die Einkünfte aus dem Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes, sondern die Einkünfte des Jahres 2006 insgesamt zugrunde gelegt werden sollten.

Der Beklagte bewilligte mit – vorläufigem - Bescheid vom 05.03.2008 Elterngeld in Höhe von 207,35 EUR für den zweiten Lebensmonat des Kindes und in Höhe von jeweils 1.285,50 EUR für den dritten bis zwölften Lebensmonat. Dies ergebe sich aus einem maßgeblichen durchschnittlichen monatlichen Gewinn aus nichtselbständiger Tätigkeit und Gewerbebetrieb in Höhe von 1.924,03 EUR, aus dem der 67 %-ige Elterngeldzahlbetrag zu errechnen sei. In dem zugehörigen Berechnungsbogen ist das Erwerbseinkommen aus Gewerbebetrieb mit 0,00 EUR und das Erwerbseinkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit (auf der Basis der Zahlungen des Jahres 2006) mit 23.088,36 EUR ausgewiesen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Telefax vom 31.03.2008 Widerspruch ein und verwies auf den sich einkommensteuerrechtlich ergebenden Verlust hinsichtlich der Photovoltaik-Anlage hin. Es sei daher fraglich, ob im Jahr 2008 von einer positiven Gewinnprognose ausgegangen werden könne.

Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008 den Widerspruch zurück. Der Beklagte hätte zutreffend eine Berechnung im Rahmen des § 2 Abs. 8 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vorgenommen. Da sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als auch aus Gewerbebetrieb angefallen seien, komme nur eine Berechnung der Einkünfte nach § 2 Abs. 9 BEEG in Betracht. Mit einem weiteren Telefax vom 26.05.2008 an die Beklagte argumentierte die Klägerin ergänzend folgendermaßen: Für die Behauptung, dass diese Berechnungsweise auch gelten würde, wenn bei der Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit lediglich Verluste erzielt worden seien, seien keine (Gesetzes-)Fundstellen angegeben worden. Vielmehr ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass eine Verlagerung des Ermittlungszeitraumes für Elterngeld nur dann stattfinde, wenn die dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Gewerbebetrieb zugrundeliegende Erwerbstätigkeit auch entsprechend ausgeübt worden sei. Dies sei im Zusammenhang jedoch so zu verstehen, dass es sich nur um vorliegende positive Einkünfte handeln könne, wie § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG eindeutig ausführe. Die Klägerin beabsichtige eine Klage, falls keine entsprechende Quelle für die Aussage zu den Verlusten vorgelegt werde.

Mit Schreiben vom 09.06.2008 äußerte sich der Beklagte dahingehend, dass eine andere Entscheidung nicht möglich sei und die Klägerin kostenfrei Klage beim Sozialgericht Würzburg erheben könne. Es sei daran zu denken, dass die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben sei.

Mit Schreiben vom 18.06.2008 erhob die Klägerin sodann am 19.06.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Sie verwies darauf, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut bei vorliegenden Verlusten aus Gewerbebetrieb nicht ergebe, dass eine Verlagerung des entsprechenden Zeitraumes erfolgen müsse. Ferner sei fraglich, ob Einkünfte aus einer Photovoltaik-Anlage, für die keine Gewerbeanmeldung erforderlich sei, tatsächlich unter diese Vor-schriften fallen. Auch sei zu überprüfen, ob es für die Elterngeldfestsetzung relevant sei, ob den erzielten Einkünften eine Tätigkeit zugrunde gelegen habe und ob gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen den Einkünften von Einzelunternehmern gleichzusetzen seien. Schließlich gehe § 2 Abs. 8 BEEG davon aus, dass aus der gewerblichen Tätigkeit Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung geleistet worden seien, was wohl aus-schließlich bei gewerblichen Tätigkeiten zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der Fall sein dürfte.

Im Übrigen wurden auch dem Ehemann der Klägerin mit Bescheid vom 22.10.2008 Elterngeldleistungen – für sog. Partnermonate – bewilligt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung legte die Klägerin einen aktuellen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2007 vor; für 2008 sei noch kein Einkommensteuerbescheid ergangen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 05.03.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2008 ihr Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes J. (geboren 2007) nach den allgemeinen Vorschriften des § 2 Abs. 1 – 7 BEEG, d.h. unter Absehung von § 2 Abs. 9 BEEG zu gewähren und den Differenzbetrag zur bisherigen Zahlung entsprechend nachzuzahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezoge-nen Akte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist auch begründet, da der Beklagte die Höhe des Elterngeldes unzutreffend ermittelt hat und die Klägerin bei Anwendung der zutreffenden Berechnungsweise augenscheinlich einen Anspruch auf höheres Elterngeld hat.

Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die Klägerin grundsätzlich für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Anspruch auf Elterngeld hat, wobei Gehaltszahlungen in den ersten beiden Lebensmonaten anzurechnen sind (§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2 BEEG). Die Höhe des Elterngeldes bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften des § 2 Abs. 1 bis 7 BEEG für die Ermittlung von Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit. § 2 Abs. 8 BEEG enthält eine Regelung für Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit. Und § 2 Abs. 9 BEEG bestimmt schließlich, dass in Fällen, in denen solches Einkommen sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums, als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums ausgeübt wurde, die Berechnung des monatlichen Einkommens – auch hinsichtlich der nichtselbständigen Ar-beit (§ 2 Abs. 9 Satz 3 BEEG) – auf der Datenlage des jeweiligen Steuerbescheids des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums zu erfolgen hat.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 9 BEEG ist zwingendes Recht, kann nicht abbedungen werden und der Leistungsempfänger hat kein Wahlrecht (vgl. Hambüchen, Kommentar zum Elterngeld-Elternzeit-Kindergeld, § 2 BEEG Rdnr. 27 sowie Rdnr. 30). Aus Sicht des Gerichtes dient diese Vorschrift vor allem der Verwaltungsvereinfachung, weil komplizierte Berechnungen im Bereich der Gewinnermittlung durch den Rückbezug auf entsprechende steuerliche Zeiträume vermieden werden und nach Möglichkeit eine einheitliche steuerli-che Abrechnung übernommen werden sollte.

Der Gesetzgeber hat zur Vermeidung von Härten Regelungen für anerkannte Einkünfte-Ausfälle geschaffen (Rückgriff auf § 2 Abs. 7 Sätze 5 und 6 BEEG) und hat verlangt, dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BEEG auch für das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit vorgelegen haben müssen (§ 2 Abs. 9 Satz 3 BEEG). Eine Regelung, die auf den Schwerpunkt der Einkommenserzielung abstellt, ist dem BEEG dagegen fremd und aus Sicht des Gerichtes auch nicht aus übergeordneten Gründen geboten. Auf den Anteil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Verhältnis zu dem aus anderen Einkommensquellen kommt es daher nicht an. Es gibt auch keine Geringfügigkeitsgrenze.

Das Gericht folgt der Argumentation der Klägerin jedoch dahingehend, dass es für die Anwendung von § 2 Abs. 9 BEEG nicht ausreicht, dass überhaupt Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit vorliegt, sondern dass es sich - wie der Wortlaut verlangt - um "zu berücksichtigendes Einkommen" handeln muss. Der Begriff "zu berücksichtigendes Einkommen" wird in § 2 Abs. 8 Satz 1 BEEG hinsichtlich der Berechnungsweise näher spezifiziert und in § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG hinsichtlich einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit eingeführt. Demnach ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit nur die Summe der positiven Einkünfte nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 (von § 2 BEEG), d.h. der dort genannten Berechnungsweisen und Berechnungszeit-räume, zu berücksichtigen. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen generell offen-sichtlich auch Einkünfte aus Beteiligungen an einem Gewerbebetrieb, die steuerrechtlich mit gewerblichen Einnahmen gleichbehandelt werden.

Da sich bei der Klägerin jedoch eindeutig herausgestellt hat, dass positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht vorliegen, sind solche auch nicht zu berücksichtigen. Es gibt somit kein "zu berücksichtigendes Einkommen" aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, sodass die Anwendung von § 2 Abs. 9 BEEG ausscheidet.

Eine Verlagerung des maßgeblichen Zeitraumes auf den Zeitraum der steuerlichen Veranlagung kam somit zur Überzeugung des Gerichtes nicht in Betracht. Vielmehr war das Einkommen der Klägerin ausschließlich aus nichtselbständiger Tätigkeit angefallen und somit entsprechend den allgemeinen Vorschriften des § 2 Abs. 1 bis 7 BEEG zu ermitteln.

Dementsprechend waren die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufzuheben und der Beklagte war zur Neuberechnung des Elterngeldes sowie zur Nachzahlung der Differenz zur bisherigen Zahlung zu verurteilen.

Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage Erfolg hatte, war der Beklagte auch zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren zu verurteilen. Für das Widerspruchsverfahren hingegen stellt sich dies anders dar, weil die Klägerin zunächst - unzutreffend – das Vorliegen von positiven Einkünften aus Gewerbebetrieb angegeben hatte.
Rechtskraft
Aus
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