Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 SB 381/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Der Bescheid vom 07.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" ab 28.09.2009 festzustellen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger das Merkzeichen "Bl" zusteht.
Bei dem 1934 geborenen Kläger hatte das Zentrum Bayern, Familie und Soziales mit Bescheid vom 05.03.2008 als Behinderungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 festge-stellt: "Hochgradige Sehminderung beidseits, Pseudophakie beidseits, Bluthochdruck" und die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" zuerkannt.
Im Juni 2008 beantragte der Kläger Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz und außerdem die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens nach dem SGB IX. Mit Bescheid vom 06.11.2008 lehnte der Beklagte den Anspruch auf Blindengeld ab und mit Bescheid vom 07.11.2008 die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl". Der Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" (Blindheit) sei abzulehnen gewesen, da nach Art und Ausmaß der Behinderung die geforderten gesundheitlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Als blind seien Personen anzusehen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 betrage oder bei denen andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schwe-regrad vorlägen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleich zu achten seien. Die Sehschärfe auf dem besseren rechten Auge betrage 0,05, also mehr als 1/50.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 wies der Beklagte den dagegen eingelegten Widerspruch zurück. Die Begründung entsprach derjenigen im Bescheid vom 07.11.2008.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben (Eingang am 08.05.2009). Er habe auf Veranlassung des behandelnden Augenarztes Professor Dr. L. den Antrag gestellt. Durch die Augenerkrankung sei er im Alltag derartig stark eingeschränkt, dass er vom allgemeinen gesellschaftlichen Leben nahezu ausgeschlossen sei. Ohne die Hilfe seiner Frau könne er praktisch das Haus nicht mehr verlassen. Die Ablehnung seines Antrages basiere auf dem Gutachten des Augenarztes Dr. R., der ihm unterstelle, dass er bei der Begutachtung eine "Show abgezogen" habe und außerdem das Tasten nicht mit dem Makulabefund vereinbar sei. Zudem hat er einen Bericht des Professor Dr. L. vom 29.01.2009 beigelegt, der bei der Vorstellung am 03.12.2008 einen Visus für rechts und links für Handbewegungen festgestellt hat, Gläser würden das Sehvermögen nicht bessern.
Der Kläger stellt sinngemäß folgenden Antrag:
I. Der Bescheid vom 07.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, die Voraussetzungen für das gewünschte Merkzeichen seien nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Im Bereich zwischen hochgradiger Sehbehinderung und Blindheit gebe es keine objektivierenden Untersuchungsverfahren, die zwischen einer Sehschärfe von z.b. 1/35 und 1/50 differenzieren könnten. In diesem Bereich sei der Gutachter zur Gänze auf die Angaben des Probanden angewiesen. Die Angaben zur Sehschärfe stünden aus versorgungsärztlicher Sicht keinesfalls außer Zweifel, insbesondere angesichts der unzutreffenden Angaben bei der Gesichtsfeldprüfung. Der einzige Unterschied zwischen den Angaben zur Sehschärfe bei Dr. R. und bei den Sachverständigen bestehe darin, dass der morphologische Befund die angegebene Blindheit nunmehr erkläre.
Die Kammer hat zum Verfahren die Behindertenakte des Beklagten beigezogen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung gerichtsärztlicher Sachverständigengutachten durch den Augenarzt Dr. S. und den Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde Prof. Dr. R. Die Sachverständigen gelangen in ihren Gutachten vom 05.10.2009, bzw. 15.04.2010 übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine Minderung der Sehschärfe auf unter 1/50 an beiden Augen vor-liege. Seit der Begutachtung am 28.09.2009 durch Dr. S. bestehe Blindheit und die damit verbundenen Vergünstigungen. Zur Feststellung der Blindheit seien keine weiteren Untersuchungen erforderlich. Eine wesentliche Funktionsbesserung sei nicht denkbar. Eine spätere Nachprüfung sei daher nicht erforderlich.
Die Kammer hat den Beteiligten mit Schreiben vom 07.06.2010 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Klage im schriftlichen Verfahren mit Gerichtsbescheid zu entscheiden und eine Frist zur Stellungnahme bis 30.06.2010 gesetzt. Der Kläger hat am 21.06.2010 gegen die Absicht, die Klage im schriftlichen Verfahren mit Gerichtsbescheid zu entscheiden, keine Bedenken geäußert. Der Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der beigezogenen Behindertenakte und auf den Inhalt der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Kammer folgt den Gutachten der beiden gerichtsärztlichen Sachverständigen, die übereinstimmend von einer Blindheit des Klägers ausgehen.
Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist möglich, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher gehört wurden.
Das Merkzeichen "Bl" ist in den Ausweis im Sinne des § 69 Abs. 5 SGB IX einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind ist im Sinne des § 72 Abs. 5 SGB XII oder ent-sprechender Vorschriften.
Gemäß § 72 Abs. 5 SGB XII stehen Personen blinden Menschen gleich, deren beidäugi-ge Gesamtschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleich zu achtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.
Nach den Feststellungen des Dr. S. und des Professor Dr. R. ist der Kläger als blind im Sinne einer hochgradigen Sehbehinderung anzusehen, da die Sehschärfe auf beiden Augen weniger als 1/50 beträgt.
Aufgrund der Gutachten des Dr. S. und des Professor Dr. R. hat sich das Gericht die volle Überzeugung von den beweiserheblichen Tatsachen verschafft. Die volle Überzeugung verlangt keine absolute Sicherheit bei der Sachverhaltsfeststellung, die im Übrigen kaum je zu erzielen wäre. Sie erfordert eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, das heißt einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, Rdnrn. 6a zu § 103, 5 zu § 118, 3b zu § 128 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Beide Sachverständige gehen nachvollziehbar zweifelsfrei von einer schweren degenerativen Erkrankung mit einer Sehschärfereduktion auf unter 1/50 aus. Die hochgradige Einschränkung der Sehschärfe ist auch durch die an beiden Augen vorliegende, weit fortgeschrittene altersabhängige trockene Makuladegeneration im Sinne einer geographischen Atrophie des retinalen Pigmentepithels eindeutig zu erklären. Diese Veränderungen des gesamten hinteren Pols am Augenhintergrund reichen an beiden Augen nahezu bis an die großen Gefäßbögen heran, sodass eine Sehschärfeminderung auf 0,02 oder weniger ohne jeden Zweifel erklärt ist. Im Rahmen der Untersuchung durch Professor Dr. R. wurde zusätzlich die Auslösbarkeit eines optokinetischen Nystagmus getestet, ein solcher war für ein Streifenmuster mit 1 cm Abstand erst in einem Untersuchungsabstand von 50 cm fraglich auslösbar. Dies entspricht einer Sehschärfe von etwa 0,014 – mithin einer Sehschärfe von unter 0,02 oder 1/50. Auch ein zusätzlich durchgeführter Simulationstest bezüglich der Angaben zur Sehschärfe ergab für eine Sehschärfe von 0,055 keinen Nachweis für fehlerhafte Angaben des Klägers. Auch die Ergebnisse der visuell evozierten Potentiale stützen eine solche erhebliche Funktionsschädigung bei grundsätz-lich normaler Reizleitung vom Auge zur Sehrinde. So war das Blitz-VEP vollkommen normal, im Muster-VEP ließen sich weder für eine Auflösung von 60 noch von 15 Winkelsekunden normale und reproduzierbare Antworten ableiten. Unter Berücksichtigung der auch fotographisch dokumentierten und bereits anlässlich der Untersuchung durch Dr. S. am 28.09.2009 festgestellten großflächigen Veränderungen am Augenhintergrund ist die subjektiv angegebene hochgradige Sehschärfeeinschränkung vollkommen glaubhaft und zweifelsfrei nachgewiesen. Es bestehen auch keinerlei Zweifel an den Angaben des Klägers.
Die Kammer folgt nicht den Bedenken des Beklagten, das kein zweifelsfreier Nachweis vorliege, weil im Bereich zwischen hochgradiger Sehbehinderung und Blindheit es keine objektivierenden Untersuchungsverfahren gebe, die zwischen einer Sehschärfe von z.B. 1/35 und 1/50 differenzieren könnten und deshalb in diesem Bereich der Gutachter zur Gänze auf die Angaben des zu Untersuchenden angewiesen sei. Denn Professor Dr. R. führt nachvollziehbar an, dass angesichts der seit den am 28.09.2009 nachgewiesenen erheblich schwerwiegenderen und ausgeprägteren Veränderungen an beiden Augen des Klägers die Angaben zur Sehschärfe eindeutig nicht nur plausibel und glaubhaft, sondern in Folge der objektiven Funktionsergebnisse wie VEP und optokinetischer Nystagmus ausreichend untermauert sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" ab 28.09.2009 festzustellen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger das Merkzeichen "Bl" zusteht.
Bei dem 1934 geborenen Kläger hatte das Zentrum Bayern, Familie und Soziales mit Bescheid vom 05.03.2008 als Behinderungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 festge-stellt: "Hochgradige Sehminderung beidseits, Pseudophakie beidseits, Bluthochdruck" und die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" zuerkannt.
Im Juni 2008 beantragte der Kläger Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz und außerdem die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens nach dem SGB IX. Mit Bescheid vom 06.11.2008 lehnte der Beklagte den Anspruch auf Blindengeld ab und mit Bescheid vom 07.11.2008 die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl". Der Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" (Blindheit) sei abzulehnen gewesen, da nach Art und Ausmaß der Behinderung die geforderten gesundheitlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Als blind seien Personen anzusehen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 betrage oder bei denen andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schwe-regrad vorlägen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleich zu achten seien. Die Sehschärfe auf dem besseren rechten Auge betrage 0,05, also mehr als 1/50.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 wies der Beklagte den dagegen eingelegten Widerspruch zurück. Die Begründung entsprach derjenigen im Bescheid vom 07.11.2008.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben (Eingang am 08.05.2009). Er habe auf Veranlassung des behandelnden Augenarztes Professor Dr. L. den Antrag gestellt. Durch die Augenerkrankung sei er im Alltag derartig stark eingeschränkt, dass er vom allgemeinen gesellschaftlichen Leben nahezu ausgeschlossen sei. Ohne die Hilfe seiner Frau könne er praktisch das Haus nicht mehr verlassen. Die Ablehnung seines Antrages basiere auf dem Gutachten des Augenarztes Dr. R., der ihm unterstelle, dass er bei der Begutachtung eine "Show abgezogen" habe und außerdem das Tasten nicht mit dem Makulabefund vereinbar sei. Zudem hat er einen Bericht des Professor Dr. L. vom 29.01.2009 beigelegt, der bei der Vorstellung am 03.12.2008 einen Visus für rechts und links für Handbewegungen festgestellt hat, Gläser würden das Sehvermögen nicht bessern.
Der Kläger stellt sinngemäß folgenden Antrag:
I. Der Bescheid vom 07.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, die Voraussetzungen für das gewünschte Merkzeichen seien nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Im Bereich zwischen hochgradiger Sehbehinderung und Blindheit gebe es keine objektivierenden Untersuchungsverfahren, die zwischen einer Sehschärfe von z.b. 1/35 und 1/50 differenzieren könnten. In diesem Bereich sei der Gutachter zur Gänze auf die Angaben des Probanden angewiesen. Die Angaben zur Sehschärfe stünden aus versorgungsärztlicher Sicht keinesfalls außer Zweifel, insbesondere angesichts der unzutreffenden Angaben bei der Gesichtsfeldprüfung. Der einzige Unterschied zwischen den Angaben zur Sehschärfe bei Dr. R. und bei den Sachverständigen bestehe darin, dass der morphologische Befund die angegebene Blindheit nunmehr erkläre.
Die Kammer hat zum Verfahren die Behindertenakte des Beklagten beigezogen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung gerichtsärztlicher Sachverständigengutachten durch den Augenarzt Dr. S. und den Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde Prof. Dr. R. Die Sachverständigen gelangen in ihren Gutachten vom 05.10.2009, bzw. 15.04.2010 übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine Minderung der Sehschärfe auf unter 1/50 an beiden Augen vor-liege. Seit der Begutachtung am 28.09.2009 durch Dr. S. bestehe Blindheit und die damit verbundenen Vergünstigungen. Zur Feststellung der Blindheit seien keine weiteren Untersuchungen erforderlich. Eine wesentliche Funktionsbesserung sei nicht denkbar. Eine spätere Nachprüfung sei daher nicht erforderlich.
Die Kammer hat den Beteiligten mit Schreiben vom 07.06.2010 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Klage im schriftlichen Verfahren mit Gerichtsbescheid zu entscheiden und eine Frist zur Stellungnahme bis 30.06.2010 gesetzt. Der Kläger hat am 21.06.2010 gegen die Absicht, die Klage im schriftlichen Verfahren mit Gerichtsbescheid zu entscheiden, keine Bedenken geäußert. Der Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der beigezogenen Behindertenakte und auf den Inhalt der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Kammer folgt den Gutachten der beiden gerichtsärztlichen Sachverständigen, die übereinstimmend von einer Blindheit des Klägers ausgehen.
Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist möglich, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher gehört wurden.
Das Merkzeichen "Bl" ist in den Ausweis im Sinne des § 69 Abs. 5 SGB IX einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind ist im Sinne des § 72 Abs. 5 SGB XII oder ent-sprechender Vorschriften.
Gemäß § 72 Abs. 5 SGB XII stehen Personen blinden Menschen gleich, deren beidäugi-ge Gesamtschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleich zu achtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.
Nach den Feststellungen des Dr. S. und des Professor Dr. R. ist der Kläger als blind im Sinne einer hochgradigen Sehbehinderung anzusehen, da die Sehschärfe auf beiden Augen weniger als 1/50 beträgt.
Aufgrund der Gutachten des Dr. S. und des Professor Dr. R. hat sich das Gericht die volle Überzeugung von den beweiserheblichen Tatsachen verschafft. Die volle Überzeugung verlangt keine absolute Sicherheit bei der Sachverhaltsfeststellung, die im Übrigen kaum je zu erzielen wäre. Sie erfordert eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, das heißt einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, Rdnrn. 6a zu § 103, 5 zu § 118, 3b zu § 128 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Beide Sachverständige gehen nachvollziehbar zweifelsfrei von einer schweren degenerativen Erkrankung mit einer Sehschärfereduktion auf unter 1/50 aus. Die hochgradige Einschränkung der Sehschärfe ist auch durch die an beiden Augen vorliegende, weit fortgeschrittene altersabhängige trockene Makuladegeneration im Sinne einer geographischen Atrophie des retinalen Pigmentepithels eindeutig zu erklären. Diese Veränderungen des gesamten hinteren Pols am Augenhintergrund reichen an beiden Augen nahezu bis an die großen Gefäßbögen heran, sodass eine Sehschärfeminderung auf 0,02 oder weniger ohne jeden Zweifel erklärt ist. Im Rahmen der Untersuchung durch Professor Dr. R. wurde zusätzlich die Auslösbarkeit eines optokinetischen Nystagmus getestet, ein solcher war für ein Streifenmuster mit 1 cm Abstand erst in einem Untersuchungsabstand von 50 cm fraglich auslösbar. Dies entspricht einer Sehschärfe von etwa 0,014 – mithin einer Sehschärfe von unter 0,02 oder 1/50. Auch ein zusätzlich durchgeführter Simulationstest bezüglich der Angaben zur Sehschärfe ergab für eine Sehschärfe von 0,055 keinen Nachweis für fehlerhafte Angaben des Klägers. Auch die Ergebnisse der visuell evozierten Potentiale stützen eine solche erhebliche Funktionsschädigung bei grundsätz-lich normaler Reizleitung vom Auge zur Sehrinde. So war das Blitz-VEP vollkommen normal, im Muster-VEP ließen sich weder für eine Auflösung von 60 noch von 15 Winkelsekunden normale und reproduzierbare Antworten ableiten. Unter Berücksichtigung der auch fotographisch dokumentierten und bereits anlässlich der Untersuchung durch Dr. S. am 28.09.2009 festgestellten großflächigen Veränderungen am Augenhintergrund ist die subjektiv angegebene hochgradige Sehschärfeeinschränkung vollkommen glaubhaft und zweifelsfrei nachgewiesen. Es bestehen auch keinerlei Zweifel an den Angaben des Klägers.
Die Kammer folgt nicht den Bedenken des Beklagten, das kein zweifelsfreier Nachweis vorliege, weil im Bereich zwischen hochgradiger Sehbehinderung und Blindheit es keine objektivierenden Untersuchungsverfahren gebe, die zwischen einer Sehschärfe von z.B. 1/35 und 1/50 differenzieren könnten und deshalb in diesem Bereich der Gutachter zur Gänze auf die Angaben des zu Untersuchenden angewiesen sei. Denn Professor Dr. R. führt nachvollziehbar an, dass angesichts der seit den am 28.09.2009 nachgewiesenen erheblich schwerwiegenderen und ausgeprägteren Veränderungen an beiden Augen des Klägers die Angaben zur Sehschärfe eindeutig nicht nur plausibel und glaubhaft, sondern in Folge der objektiven Funktionsergebnisse wie VEP und optokinetischer Nystagmus ausreichend untermauert sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved