S 4 R 58/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 R 58/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente der Klägerin und hierbei insbesondere die Bewertung der Kindererziehungszeiten streitig. Die 1942 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist am 25.04.1980 aus Rumänien nach Deutschland zugezogen und verfügt nach ihren Angaben über einen Vertriebenenausweis. Am 16.10.2002 hat die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres gestellt. Sie hat hierbei angegeben in Rumänien außer Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten keine rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt zu haben. Mit Bescheid vom 23.10.2002 hat die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für Frauen ab 01.01.2003 in Höhe von monatlich 278,85 Euro bewilligt. Sie hat hierbei Beitragszeiten zur Deutschen Sozialversicherung ab April 1980 berücksichtigt. Ferner weist der Versicherungsverlauf in den Jahren 1963 bis 1966 4 Monate Mutterschutzzeiten und 24 Monate Pflichtbeiträge für Kindererziehungszeiten aus. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sind für die Zeit vom 26.03.1963 bis 22.06.1975 festgehalten. Die Pflichtbeiträge für Kindererziehung wurden als Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gekennzeichnet und bei der Bewertung zu 60% berücksichtigt. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 31.10.2002 Widerspruch ein. Beiträge für Kindererziehungszeiten würden in der Höhe des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten vom Bund gesichert und seien mit einem Entgeltpunkt pro Kind zu bewerten. Beitragszeiten würden für alle Kinder gewährt, ganz egal ob sie im In- oder Ausland geboren seien. Die Klägerin sei deutsche Staatsangehörige und deshalb seien Kürzungen der geleisteten Beiträge eines Versicherten nach dem Fremdrentengesetz auf 60% verfassungswidrig. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2003 - zur Post am 22.01.2003 - zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28.01.2003 am 29.01.2003 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Sie führte aus, dass Erziehungszeiten im Herkunftsland der Erziehung im Bundesgebiet gleichgesetzt seien und die vom Bund dafür geleisteten Beiträge nicht unterschiedlich bewertet werden dürften. Es sei ihr bekannt, dass für die Anrechnung von Beitragszeiten nach dem FRG eine Kürzungsregelung bestehe und hierfür die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes abgewartet werden müsse. In ihrem Fall handle es sich jedoch nicht um Beiträge nach dem FRG, sondern um anerkannte Kindererziehungszeiten. In einem Erörterungstermin am 16.12.2005 erklären die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Die Klägerin beantragt sinngemäß: Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23.10.2002 und des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2003 dazu verurteilt, die mir zuerkannten Kindererziehungszeiten mit dem Faktor 1,0 zu bewerten und nicht zu kürzen und die mir gewährte Altersrente für Frauen ab Rentenbeginn entsprechend erhöht auszuzahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Rentenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung einer höheren Rente. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich in ihrem Fall eine Zuerkennung von Kindererziehungszeiten nur über das FRG. Nach § 56 Abs. l des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und der Elternteil nicht von einer Anrechnung ausgeschlossen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Fall der Klägerin aufgrund der Sondervorschrift des § 249 SGB VI die Kindererziehungszeit auf 12 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt begrenzt ist. § 56 Abs. 3 SGB VI definiert, dass eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Dies ist bei der Klägerin unstrittig in den entsprechenden Zeiträumen nicht der Fall gewesen. § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI legt fest, dass einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleichsteht, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Die Klägerin hat sich mit ihrem Kind im Ausland aufgehalten. Sie fällt dennoch nicht unter den von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis, weil sie nicht während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten aufzuweisen hat. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und der einhelligen Kommentierung (z.B. Text und Erläuterungen zum SGB VI herausgegeben von der Bf A § 56 Nr. 6). In Fällen des gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland führt nämlich nicht die Tatsache der Erziehung, sondern bereits der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland zu Nachteilen in der Deutschen Rentenversicherung. Daher sollen Zeiten der Erziehung im Ausland nur dann berücksichtigt werden, wenn der Erziehende eine enge Bindung zum sozialen Sicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland hat. Die Klägerin hat im fraglichen Zeitraum keine Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung entrichtet und auch nicht in anderer Weise die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 i.V.m. § 56 Abs. l SGB VI erfüllt. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass nach den bisherigen Unterlagen auch keine Pflichtbeitragszeiten in der rumänischen Sozialversicherung belegt sind. Auf der anderen Seite ist es zwischen den Beteiligten nicht strittig, dass der Klägerin Zeiten der Kindererziehung dem Grunde nach in der Deutschen Rentenversicherung zuzuerkennen sind. Die Beklagte leitet dies zutreffend aus § 28b FRG ab, wonach Zeiten der Erziehung in den Vertreibungsgebieten mit einer Erziehung im Bundesgebiet gleichgestellt werden. Durch die Erweiterung des Personenkreises im Rahmen dieser Vorschrift hat die Klägerin also trotz ihres Aufenthaltes im Ausland einen Anspruch auf Zuerkennung von Kindererziehungszeiten. Diese Kindererziehungszeiten werden nach § 22 Abs. l Nr. 9 FRG zunächst in gleicher Weise bewertet, wie wenn sie im Bundesgebiet geleistet worden wären. Allerdings bestimmt § 22 Abs. 4 FRG, dass sämtliche in § 22 Abs. l FRG ermittelnden Entgeltpunkte mit einem pauschalen Faktor zu vervielfältigen sind, was der von der Beklagten so beschriebenen Kürzung auf 60% entspricht. Nach dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift ist dabei eindeutig, dass sich dieser Faktor auf sämtliche in § 22 Abs. l FRG genannten Zeiten und nicht nur auf die in dieser Vorschrift enthaltenen Zeiten der Beitragszahlung an eine fremde Rentenversicherung bezieht. Die Auffassung der Klägerin, dass ihr bereits unmittelbar aus dem SGB VI Kindererziehungszeiten zustünden oder die Kindererziehungszeiten nach dem Fremdrentengesetz nicht dem Pauschalfaktor des § 22 Abs. 4 FRG unterfallen würden, ist somit unzutreffend. Das Gericht sah sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, über die streitgegenständliche Frage zu entscheiden. Ein Abwarten auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG wurde von der Seite der Klägerin nicht gewünscht. Das Gericht sah den Gesetzgeber nicht verpflichtet an, Kindererziehungszeiten generell mit einem gleichen Entgeltfaktor zu versehen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Bezug zur Deutschen Sozialversicherung, den er bei einem Aufenthalt in Deutschland als gegeben ansieht und bei einem Aufenthalt im Ausland nur bei zeitnahen Beitragszahlungen unterstellt. Damit werden beispielsweise Kindererziehungszeiten deutscher Staatsangehöriger, die im Ausland abgeleistet werden und bei denen keine zeitnahe Beitragszahlung zur Deutschen Sozialversicherung erfolgt, überhaupt nicht berücksichtigt, d.h. letztlich mit einem Entgeltfaktor 0 bedacht. Dass der Gesetzgeber dem zusätzlich aufgenommenen Personenkreis des Fremdrentengesetzes diese Zeiten mit einem Faktor 0,6 zuerkennt, ist Entscheidung des Gesetzgebers. Innerhalb dieses Personenkreises erfolgt eine Gleichbehandlung. Es besteht eine sachliche Abgrenzung gegenüber den Personen, die keinerlei Bezug zur Deutschen Sozialversicherung aufweisen, und denen, die zum Zeitpunkt der Geburt einen starken Bezug zur Deutschen Sozialversicherung hatten. Zudem ist auch nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten eine höhere Bewertung der Kindererziehungszeiten der Klägerin geboten. Zum Zeitpunkt des Zuzuges nach Deutschland hat die Regelung der Zuerkennung von Kindererziehungszeiten noch gar nicht bestanden; sie wurde erst zum 01.01.1986 in das System der gesetzlichen Rentenversicherung aufgenommen. Dementsprechend waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten aus Sicht des Gerichtes nicht zu beanstanden und die Klage war abzuweisen. Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage keinen Erfolg hatte, sind ihr außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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