Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
39
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 39 AS 588/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist die zulässige Klageart, wenn die Behörde über eine gebundene Entscheidung im Ausgangsbescheid eine Sachentscheidung getroffen und den Widerspruch als unzulässig verworfen hat. Für eine Klage, die auf eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides gerichtet ist, fehlt das Rechtsschutzinteresse (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2011, Aktenzeichen B 14 AS 151/10 R, Rn 9; a.A. Landessozialgericht Nordrhein – Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2011, Aktenzeichen L 7 AS 552/11 B; Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Teilurteil vom 30. September 2010, Aktenzeichen L 1 AL 122/09).
2. Bei der Anforderung einer Vollmacht der Behörde nach § 13 Abs.1 S.3 SGB X übt diese kein Sachentscheidungs- sondern Verfahrensermessen im Sinne des § 20 Abs.1 S.2 SGB X aus (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juni 2015, Aktenzeichen L 4 R 3235/14).
3. Eine Behörde handelt rechtsmissbräuchlich, wenn sie einen schriftlichen Vollmachtnachweis anfordert, obwohl ihr bereits aus anderweitigen Gründen ein
Vollmachtnachweis vorliegt (Anschluss:
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 19. Juni 2017, Aktenzeichen L 7 AS 2038/16 B). Für einen anderweitigen Vollmachtnachweis reicht es indessen nicht aus, wenn der Bevollmächtigte in einer Untätigkeitsklage für den Kläger aufgetreten ist, wenn er in dieser ebenfalls keine schriftliche Vollmacht eingereicht hatte.
2. Bei der Anforderung einer Vollmacht der Behörde nach § 13 Abs.1 S.3 SGB X übt diese kein Sachentscheidungs- sondern Verfahrensermessen im Sinne des § 20 Abs.1 S.2 SGB X aus (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juni 2015, Aktenzeichen L 4 R 3235/14).
3. Eine Behörde handelt rechtsmissbräuchlich, wenn sie einen schriftlichen Vollmachtnachweis anfordert, obwohl ihr bereits aus anderweitigen Gründen ein
Vollmachtnachweis vorliegt (Anschluss:
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 19. Juni 2017, Aktenzeichen L 7 AS 2038/16 B). Für einen anderweitigen Vollmachtnachweis reicht es indessen nicht aus, wenn der Bevollmächtigte in einer Untätigkeitsklage für den Kläger aufgetreten ist, wenn er in dieser ebenfalls keine schriftliche Vollmacht eingereicht hatte.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines vom Prozessbevollmächtigten des Klägers für diesen eingereichten Widerspruches sowie um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum September 2016 bis August 2017.
Der 1961 geborene Kläger stand seit dem Jahr 2010 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II des Beklagten.
Mit Schreiben vom 25. September 2013 teilten die Vermieter des Klägers diesem mit, dass sie die Miete für die Wohnung des Klägers an die Miethöhe der anderen Wohnungen angleichen werden. Zum 1. Januar 2014 werde die Grundmiete auf monatlich 230,00 Euro angehoben. Die Betriebskosten für Heizung und Warmwasser sowie die weiteren Betriebskosten verblieben bei jeweils monatlich 60,00 Euro.
Mit Änderungsbescheiden vom 10. Dezember 2013 passte der Beklagte die Leistungsgewährung für den Kläger an und gewährte diesem für die Monate Januar 2014 bis Juni 2014 Leistungen in Höhe von monatlich 741,00 Euro (391,00 Euro Regelsatzleistung + die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 350,00 Euro). Ab dem Monat Juli 2014 kürzt der Beklagte die monatliche Leistungsgewährung des Klägers bei den Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst monatlich um einen Betrag von 5,00 Euro.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 wandte sich die Vermieterin des Klägers an den Kläger mit der Forderung einer Zustimmung zu einem weiteren Mieterhöhungsverlangen ab dem 1. Oktober 2015. Gestützt auf die Werte des Mietspiegels für die Stadt E vom 18. November 2013 verlangte die Vermieterin einen Grundmiete von 264,50 Euro bei unveränderten Betriebskostenvorauszahlungen. Dieses Schreiben reichte der Kläger beim Beklagten ein.
Mit einem als Bescheid ausgestaltetem Schreiben vom 21. Juli 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er bereits derzeit nur die nach seiner Ansicht angemessene Grundmiete von 225,00 Euro monatlich berücksichtige. Diese ergebe sich aus dem Produkt des Kaltmietpreises von 4,50 Euro pro Quadratmeter x angemessener Wohnfläche von 50,00 Quadratmetern.
Mit dem Bewilligungsbescheid vom 17. August 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 744,00 Euro (399,00 Euro Regelsatzleistung + 345,00 Kosten der Unterkunft und Heizung). Der Beklagte führte in der Begründung aus, dass er bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft und Heizung nur die angemessene Grundmiete von 225,00 Euro berücksichtigt habe.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 16. August 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum September 2016 bis August 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 749,00 Euro (404,00 Euro Regelsatzleistung + 345,00 Kosten der Unterkunft und Heizung). Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. September 2016 legte der Kläger gegen die vorgenannte Entscheidung Widerspruch ein. Wörtlich schrieb er:
" ,hiermit bestelle ich mich für Herrn P und lege gegen den o.g. Bescheid Widerspruch ein, "
Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass fehlerhaft zu geringe Kosten der Unterkunft bewilligt worden seien. Die BG – Nummer des Klägers hatte der Prozessbevollmächtigte im vorgenannten Schreiben in der Betreffzeile ebenso aufgeführt, wie den angegriffenen Zeitraum und den konkreten Bewilligungsbescheid.
Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 754,00 Euro (409,00 Euro Regelleistung + 345,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung).
Am 24. November 2016 reichte der Kläger die Betriebskostenabrechnung vom 18. November 2016 beim Beklagten ein. Diese ergab einen Nachzahlungsbetrag von 64,71 Euro. Hierbei hatte der Kläger im abgerechneten Jahr Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 973,07 Euro.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2016 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachzahlung ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Heizkosten des Klägers im Jahr 2015 die jährlich angemessenen Heizkosten um 118,07 Euro überstiegen hätten. Dieses müsse in Abzug gebracht werden.
Nachdem der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 7. Dezember 2016 eine Untätigkeitsklage gegen den Beklagten erhoben und im Rahmen dieser Untätigkeitsklage ein Faxprotokoll vom 7. September 2016 über die Versendung des Widerspruchs per Fax an den Beklagten übersandt hatte (Aktenzeichen S 39 AS 2151/16), registrierte der Beklagte den Widerspruch des Klägers am 16. März 2017. Am gleichen Tag verfasste der Beklagte ein Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, in dem dieser unter Fristsetzung bis zum 23. März 2017 (gern auch per Fax) aufgefordert wurde, seine Vertretungsvollmacht einzureichen. Sollten diese Unterlagen bis zum angegeben Termin nicht vorliegen, werde der Widerspruch als unzulässig verworfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2017 verwarf der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers weder anwaltlich versichert habe, Inhaber einer Vollmacht des Klägers zu sein, noch habe er im Untätigkeitsverfahren die entsprechende Vollmacht mit der Kopie des Faxprotokolls übersandt. Insofern sei zweifelhaft, ob eine Vollmacht für das Widerspruchsverfahren überhaupt vorliege. Deshalb sei der Rechtsanwalt nach pflichtgemäßem Ermessen mit Eingangsbestätigung vom 16. März 2017 im Wege des § 13 Abs.1 S.3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nochmals schriftlich aufgefordert worden, die Vollmacht bis spätesten 23. März 2017 zu übersenden. Dieses sei weiterhin nicht geschehen. Eine Vollmacht genüge nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn sich aus ihren Inhalt das jeweilige Widerspruchsverfahren zweifellos erkennen lasse. Das sei im Fall des Rechtsanwaltes nicht gegeben. Damit sei die Widerspruchseinlegung durch den Rechtsanwalt unwirksam. Der Widerspruch sei als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. März 2017 hat der Kläger gegen die vorgenannte Entscheidung des Beklagten Klage erhoben. Zur Klagebegründung führte er aus, dass er den Widerspruch im Auftrag des Klägers erhoben habe. Er habe keine Vollmacht an den Beklagten übersandt. Die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig sei trotzdem rechtswidrig, da der Beklagte missbräuchlich eine Vollmacht angefordert habe. Ob der Beklagte eine Vollmacht nach § 13 Abs.1 S.3 SGB X anfordere, stehe in seinem Ermessen. Der Beklagte habe sein Ermessen vorliegend nicht ausgeübt, da nicht die geringsten Zweifel an der Vertretungsbefugnis des Prozessbevollmächtigten bestanden hätten. Er sei Rechtsanwalt und damit Organ der Rechtspflege, so dass vom Vorliegen einer Vertretungsvollmacht auszugehen sei. Es habe auch kein Anhaltspunkt dafür bestanden, dass er in diesem konkreten Einzelfall nicht bevollmächtigt gewesen sei. Weiterhin fehle es der Aufforderung zur Vollmachtvorlage vom 16. März 2017 bereits an Ausführungen, dass sich der Beklagte der Pflicht zur Ausübung von Ermessen überhaupt bewusst gewesen sei. Im Übrigen habe der Beklagte in mehreren weiteren Widerspruchsverfahren von ihm Vollmachten angefordert, obwohl dem Beklagten bekannt sei, dass er die jeweiligen Widerspruchsführer in anderen Verfahren vertrete oder er bereits Vollmachten für die Kläger eingereicht habe.
Mit Rücksicht darauf, dass der Beklagte den Widerspruch rechtswidrig verworfen habe und er damit über den Widerspruch in der Sache noch nicht entschieden habe, sei der Widerspruchsbescheid isoliert aufzuheben.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis 30. August 2017 in Höhe von monatlich 779,00 Euro (409,00 Euro + 370,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Hierbei berücksichtigte der Beklagte die nach seiner Auffassung seit dem 1. April 2017 in E für eine Person angemessene Grundmiete in Höhe von monatlich 250,00 Euro.
Der Prozessbevollmächtigte hat im Verhandlungstermin vom 11. April 2018 eine auf sich lautende, vom Kläger am 18. August 2016 ausgestellte Vollmacht eingereicht, die diesen unter anderem zum Führen von Verfahren in Bezug auf ALG II – Leistungen ab dem 1. September 2016 bevollmächtigt.
Der Kläger beantragt,
den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 26. August 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 26. November 2016, des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 sowie des Änderungsbescheides vom 22. Juni 2017 abzuändern, den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlich in diesem Zeitraum fälligen Kosten zu gewähren.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
den Widerspruchsbescheid vom 27. März 2017 isoliert aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte rügt die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das Klageverfahren. Weder habe dieser das Vorliegen einer Vollmacht anwaltlich versichert, noch habe er eine Vollmacht im Klageverfahren eingereicht.
Der Beklagte verweist erneut darauf, dass die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren erkennen lassen muss, für welches Verfahren der Rechtsanwalt bevollmächtigt wurde. Dieses ist in Ermangelung der Vorlage einer Vollmacht im Widerspruchsverfahren nicht der Fall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2018, die Gerichtsakte mit den Aktenzeichen S 39 AS 2151/16 sowie beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, BG - Nummer , die der Kammer zur Entscheidung vorlagen, Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist in Bezug auf den Prozessantrag des Klägers zu 1.) in zulässiger Weise als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden.
Der Kläger war insbesondere nicht verpflichtet, mit Rücksicht auf die Verwerfung seines Widerspruches als unzulässig einen isolierten Antrag auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 zu stellen und im Übrigen die Aussetzung des Klageverfahrens zu beantragen. Sachurteilsvoraussetzung für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 und 4 SGG ist nach der überzeugenden Auffassung nach § 78 Abs.1 SGG nicht, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, sondern dass das Widerspruchsverfahren durch Erlass eines Widerspruchsbescheides abgeschlossen wurde, wobei prozessrechtlich unerheblich ist, ob dieser als unbegründet zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen wurde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2011, Aktenzeichen B 14 AS 151/10 R, Rn 9; A.A. Landessozialgericht Nordrhein – Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2011, Aktenzeichen L 7 AS 552/11 B; Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Teilurteil vom 30. September 2010, Aktenzeichen L 1 AL 122/09, alle vorgenannten Entscheidungen zu recherchieren unter www.juris.de). Insbesondere ist die Norm des § 79 Abs. 2 S.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur getrennten Aufhebbarkeit von Widerspruchsbescheiden wegen wesentlicher Verfahrensfehler grundsätzlich nicht entsprechend beziehungsweise nach ihrem Rechtsgedanken auf sozialgerichtliche Verfahren anzuwenden (A.A. Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat es in § 78 SGG bewusst unterlassen, eine entsprechende Regelung einzuführen und eine Sachentscheidung der Behörde im Widerspruchsverfahren als Sachentscheidungsvoraussetzung des Klageverfahrens vorzusehen, da es ansonsten in der Hand der Behörde liegen würde, dem Kläger durch das Unterlassen einer Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren den Gerichtsweg abzuschneiden oder zumindest erheblich zu verzögern. Die Zulässigkeit der Klage wäre dann von der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Behörde im Widerspruchsverfahren abhängig, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (in diesem Sinne auch Bundessozialgericht, a.a.O.; Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, zu § 78 SGG, Rn 20 m.w.N.).
Eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides des Beklagten wegen Vorliegen eines Verfahrensfehlers ist daher nur dann möglich und gegebenenfalls auch nötig, wenn der Widerspruchsbescheid auf dem Verfahrensfehler beruht und zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Widerspruchsverfahren bei richtiger Verfahrensweise einen anderen Ausgang gehabt hätte. Dieses ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn im Widerspruchsverfahren noch eine Ermessensentscheidung zu treffen war, während bei gebundenen Entscheidungen grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides beziehungsweise eine entsprechende Anwendung der Norm des § 79 Abs.2 S.2 VwGO besteht (Giesbert, a.a.O, so auch Leitherer in Meyer – Ladewig / Keller / Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage 2014, zu § 95 SGG, Rn 3c m.w.N.).
Vorliegend handelt es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen des Klägers auf höhere Leistungen aus §§ 19, 20 und 22 SGB II um gebundene Ansprüche, so dass die Kammer nach dem Vorgenannten nicht daran gehindert wäre, eine Sachentscheidung zu treffen. Daher ist die kombiniert erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs.1 und 4 SGG wie bereits ausgeführt die zulässige Klageart.
Schließlich dringt auch die Rüge des Beklagten für das Fehlen einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für die Führung des Klageverfahrens nicht durch. Der Prozessbevollmächtigte hat eine auf ihn lautende und zur Überzeugung der Kammer auch für die Führung des Klageverfahrens ausreichende schriftliche Verfahrensvollmacht des Klägers im Sinne des § 73 Abs.6 S.1 SGG im Verhandlungstermin vom 11. April 2018 überreicht. Diese konnte nach den Vorgaben des § 73 Abs.6 S.2 SGG auch im Verhandlungstermin noch nachgereicht werden.
II. 1. Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen, da die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 nachgewiesen wurde und der Kläger selbst keinen Widerspruch erhoben hat. Bereits aus diesem Grund ist die Klage unbegründet. Eine Prüfung der materiell- rechtlichen Rechtslage bezüglich der Höhe der SGB II - Ansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 findet vor diesem Hintergrund nicht mehr statt.
Der Beklagte war berechtigt und auch verpflichtet, den Widerspruch des Klägers als unzulässig zu verwerfen, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Bevollmächtigung trotz Aufforderung des Beklagten unter angemessener Fristsetzung nicht bis zum Abschluss des Widerspruchverfahrens nachgewiesen hat.
Die streitentscheidende Rechtsnorm ist § 13 Abs.1 SGB X. Gemäß § 13 Abs.1 S.1 SGB X kann sich der Kläger im Widerspruchsverfahren von einem Bevollmächtigten vertreten lassen. Es besteht jedoch gemäß § 13 Abs.1 S.3 SGB X die Pflicht, die Vertretungsbefugnis des Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beklagten schriftlich nachzuweisen, wenn dieser dieses im Verwaltungsverfahren ausdrücklich verlangt. Die vorzitierte Regelung des § 13 SGB X gilt gemäß § 62 2. Halbsatz nicht nur für das Ausgangs- sondern auch für das Widerspruchsverfahren, da die Regelung zur Vertretung im Klageverfahren des § 73 SGG zwar nicht nach ihrer systematischen Stellung jedoch nach ihrem Wortlaut nur das gerichtliche Verfahren betrifft (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juni 2015, Aktenzeichen L 4 R 3235/14, Rn 23 m.w.N., zu recherchieren unter www.juris.de).
Der Beklagte war auch berechtigt, mit dem Schreiben vom 16. März 2016 den schriftlichen Nachweis einer Bevollmächtigung vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zu fordern. Die Norm des § 13 Abs.1 S.3 SGB X bindet den Beklagten hierbei nach ihrem Wortlaut nicht an besondere Voraussetzungen. Der Beklagte ist auch bei der geltend gemachten Vertretung des Widerspruchsführers durch einen Rechtsanwalt berechtigt, im Widerspruchsverfahren die Vorlage einer Vollmacht zu verlangen. Es besteht insbesondere keine Veranlassung, die Norm des § 73 Abs. 6 S. 5 SGG durch entsprechende Anwendung auf das Widerspruchsverfahren mit der Folge zur Anwendung zu bringen, dass auch in diesem eine Vollmachtsvorlage grundsätzlich nicht zu fordern ist, wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt (A.A. zumindest im Ergebnis wohl Pitz in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., Rn 9, der bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt eine Vollmachtsanforderung nur bei wiederholt aufgetretenen Bevollmächtigungsmängeln befürwortet). Schon wegen des im Bereich des Sozialrechtes sehr bedeutsamen Schutzes von Sozialdaten im Sinne der §§ 67 ff. SGB X muss für die Behörde zweifelsfrei erkennbar sein, ob ein Beteiligter mit der Weitergabe seiner Sozialdaten an den als Vertreter auftretenden Rechtsanwalt, einverstanden ist. Ist nämlich ein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, muss sich die Behörde gemäß § 13 Abs.3 S.1 SGB X an diesen wenden, (vergleiche Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, Aktenzeichen L 3 AS 98 / 13, zu recherchieren unter www.juris.de; so auch bereits zutreffend Sozialgericht Frankfurt (Oder), Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2018, Aktenzeichen S 17 AS 921/17, nicht veröffentlicht; in diesem Sinne auch Mutschler in Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 97. Ergänzungslieferung Dezember 2017, zu § 13 SGB X, Randnummer 10). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu § 73 Abs. 6 S. 5 SGG im Verwaltungsverfahren – anders als in einem sozialgerichtlichen Verfahren - kein Dreiecksverhältnis besteht, bei dem die Rüge fehlender Vollmacht erhoben werden könnte (Pitz, a.a.O., SG Frankfurt (Oder), a.a.O.).
Der Beklagte war bei der Anforderung der Vollmacht auch nicht verpflichtet, Ermessen auszuüben und die tragenden Gründe seiner Ermessensentscheidung im Rahmen der Vollmachtanforderung bekannt zu geben, da es sich bei der Frage, ob eine Vollmacht angefordert wird nicht um eine materiell – rechtliche Ermessensentscheidung sondern um die Ausübung von Verfahrensermessen im Sinne des § 20 Abs.1 S.2 SGB X handelt. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg führt hierzu in seinem Beschluss vom 23. Juni 2015, Aktenzeichen L 4 R 3235/14Folgendes aus: "Die Beklagte war auch berechtigt, den schriftlichen Nachweis der Bevollmächtigung zu verlangen. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X bindet die Behörde bei ihrem Nachweisverlangen nicht an bestimmte Voraussetzungen. Soweit formuliert wird, das Nachweisverlangen stehe im Ermessen der Behörde (so BSG, Urteil vom 15. Oktober 1981 – 5b/5 RJ 90/80 – in juris, Rn. 21; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 – L 4 KA 3/07 – juris, Rn. 23; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13 – juris, Rn. 17; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Juni 2014 – L 6 AS 522/13 B PKH – in juris, Rn. 7) ist dies zumindest missverständlich, weil es für die Rechtmäßigkeit des Nachweisverlangens eine Nähe zu den bei materiellen Ermessensentscheidungen maßgeblichen Maßstäben suggeriert. Abgesehen davon, dass § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht etwa davon spricht, dass die Behörde eine Nachweis verlangen "kann", sondern gegenüber dem Bürger anordnet, dass er den Nachweis zu erbringen hat, wenn dies die Behörde verlangt, handelt es sich bei dem Nachweisverlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X um eine Verfahrenshandlung, für die die gleichen, durch § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X gezogenen Maßstäbe gelten wie bei sonstigen Verfahrenshandlungen (insofern übereinstimmend LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 – L 4 KA 3/07 – juris, Rn. 23). Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X bestimmt die Behörde Art und Umfang ihrer Ermittlungen. Dies bedeutet, dass die Ausübung des "Verfahrensermessens" nur dahingehend gerichtlich überprüfbar ist, ob die Verfahrenshandlung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Außerdem bedarf die Ausübung des Verfahrensermessens – anders als die Ausübung materiellen Ermessens – keiner Begründung durch die Behörde (im Ergebnis ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13 – juris, Rn. 17)."
Diesen rechtlichen Ausführungen des Landessozialgerichts Baden- Württemberg schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an. Eine Überprüfung der Anforderung der Vollmacht erfolgt durch die Kammer daher nicht an Hand der gesetzlichen Vorgaben des § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, sondern nur dahingehend, ob die Anforderung der Vollmacht im Übrigen gegen gesetzliche Vorgaben verstößt. (so im Ergebnis auch VG Augsburg, Urteil vom 9. Mai 2016, Aktenzeichen 3 K 16.114, zu recherchieren unter www.juris.de; Mutschler, a.a.O., Rn 12a).
Die Aufforderung des Beklagten zur Vorlage eines schriftlichen Nachweises der Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren vom 16. März 2017 entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Die Rechtsprechung hat aus den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen der Klarheit und der Fairness des Verfahrens und des Verbots von Überraschungsentscheidungen abgeleitet, dass eine Verwerfung eines Widerspruches mit Rücksicht auf einen fehlenden Nachweis der Bevollmächtigung des als Bevollmächtigten Auftretenden nur dann rechtmäßig ist, wenn die Behörde den Vertreter unter Setzung einer angemessenen Frist zur Führung des Vollmachtnachweises auffordert und für den Fall, dass der Vollmachtnachweis nicht erfolgt, die Verwerfung des Widerspruches als unzulässig (und nicht etwa eine "Entscheidung nach Aktenlage") ankündigt (grundlegend: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Juni 2016, Aktenzeichen L 7 AS 233/16 B ER, Rn 30, zu recherchieren unter www.juris.de; Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a.a.O., Rn 19). Diesen Anforderungen entspricht die Vollmachtanforderung des Beklagten vom 16. März 2013. Der Beklagte hat den Prozessbevollmächtigten des Klägers unmissverständlich aufgefordert, seine Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren schriftlich nachzuweisen und angekündigt, für den Fall, dass die Nachweisführung nicht erfolgt, den Widerspruch des Klägers als unzulässig zu verwerfen. Der Beklagte hat für die Nachweisführung eine Frist von einer Woche gesetzt. Diese Frist erachtet die Kammer noch als angemessen, da ein Rechtsanwalt normalerweise eine Vollmacht in der Mandantenakte haben sollte und der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Nachweisführung auch per Fax erfolgen kann. Im Normalfall sollte diese Frist also zu halten sein. Anderenfalls obläge es dem Rechtsanwalt bei einer Wochenfrist zumindest sich zu melden und unter Darlegung der Gründe um eine Fristverlängerung zu bitten. Im Übrigen verlängerte sich die Frist zur Nachweisführung auch dadurch, dass der Beklagte tatsächlich erst am 27. März 2017 über den Widerspruch entschieden hat und der Prozessbevollmächtigte des Klägers bis dahin noch die Möglichkeit gehabt hätte, die Nachweisführung für die Bevollmächtigung nachzuholen, da der Beklagte mit der Anforderung des schriftlichen Nachweises zwar eine behördliche Frist im Sinne des § 26 SGB X, aber nicht eine Ausschlussfrist setzen kann (vgl. Roller in von Wulffen / Schütze, Kommentar zum SGB X, 11. Auflage 2014, Rn 8; Mutschler, a.a.O.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Verhandlungstermin vom 11. April 2018 auch eingeräumt, die Aufforderung zum Vollmachtnachweis vor dem 23. März 2017 erhalten zu haben und die Möglichkeit gehabt zu haben, die Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bewusst verzichtet.
Schließlich hat die Rechtsprechung entschieden, dass eine Vollmachtanforderung im Sinne des § 13 Abs.1 S.3 SGB X nicht zur Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig führen darf, wenn die Bevollmächtigung der als Bevollmächtigten auftretenden Person bereits anderweitig gegenüber der Behörde des Widerspruchsverfahrens nachgewiesen war (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2017, Aktenzeichen L 7 AS 2038/16 B, zu recherchieren unter www.juris.de, Rn 20). Das überzeugt auch, da es in einer solchen Konstellation für eine erneute Vollmachtanforderung keinen objektiven Grund gibt und eine Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig daher rechtsmissbräuchlich wäre. Vorliegend ist der Prozessbevollmächtigte im Widerspruchsverfahren jedoch erstmalig für den Kläger aufgetreten. Dem Beklagten lag somit kein anderweitiger Nachweis einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für den Kläger vor. Dieser ergibt sich auch nicht daraus, dass der Prozessbevollmächtigte während des laufenden Widerspruchsverfahrens das unter dem Aktenzeichen S 39 AS 2151/16 geführte Untätigkeitsklageverfahren für den Kläger geführt hat. Denn auch in diesem Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte keine schriftliche Vollmacht des Klägers eingereicht. Auch wenn das Gericht gemäß § 73 Abs.6 S.5 SGG im Untätigkeitsklageverfahren nicht gehalten war, eine Vollmacht vom Prozessbevollmächtigten anzufordern und das Gericht in Bezug auf die Untätigkeitsklage keine Zweifel hatte, dass der Prozessbevollmächtigte zur Führung der Untätigkeitsklage berechtigt war, lässt sich hieraus doch kein sicherer Nachweis für das Bestehen und den Umfang einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten außerhalb des Untätigkeitsklageverfahrens ziehen.
Schließlich kann der Mangel des Vollmachtnachweises nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht mehr geheilt werden. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte am 11. April 2018 eine vom Kläger am 18. August 2016 unterschriebene Vollmacht zur Gerichtsakte gereicht, welche nach Auffassung der Kammer wohl ausreichend gewesen wäre, die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das streitgegenständlichen Widerspruchsverfahren nachzuweisen. Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens kann der Nachweis des Bestehens einer Bevollmächtigung nicht mehr nachgeholt werden, da es Sinn und Zweck der Norm des § 13 Abs.1 S.3 SGB X ist, Rechtssicherheit bezüglich des Bestehens oder Nichtbestehens einer Vollmacht im Verwaltungsverfahren herbeizuführen. Der entscheidende Zeitpunkt hierfür ist spätestens der Erlass des Widerspruchsbescheides, da es dem im Widerspruchsverfahren Unterlegenen ansonsten möglich wäre, einer verfahrensmäßig rechtmäßig ergangenen Entscheidung nachträglich die Grundlage zu entziehen und die nach dem Sinn und Zweck des § 78 Abs.1 SGG grundsätzlich vorgesehene Sachprüfung im Widerspruchsverfahren zu umgehen (vgl. Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a.a.O., Rn 26; Landessozialgericht Baden – Württemberg, a.a.O., 34, m.w.N., jeweils auch unter Darlegung der Gegenauffassung).
2. Der Hilfsantrag des Klägers ist bereits als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 und 4 SGG in Bezug auf die von ihm geltend gemachten höheren SGB II – Leistungen als gebundene Leistungsansprüche kein Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 hat (vgl. oben unter I; Leitherer, a.a.O.). Im Übrigen ist der Hilfsantrag mit Rücksicht auf die unter 1.) dargestellten Gründe aber auch unbegründet.
3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens.
4. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die Kammer musste gemäß § 144 Abs.1 S.1 und 2 SGG über die Zulassung der Berufung entscheiden, da der Kläger nicht mit Geldleistungen in Höhe von mehr als 750,00 Euro unterlegen ist und keine Leistungen von mehr als einem Jahr im Streit stehen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Gewährung von Geldleistungen von in der Summe etwas über 400,00 Euro für einen streitgegenständlichen Zeitraum von 12 Monaten.
Die Berufung war gemäß § 144 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen. Aus Sicht der Kammer bestehen grundsätzliche und auch entscheidungserhebliche Rechtsfragen dahingehend, ob bei der Verwerfung eines Widerspruchs als unzulässig trotzdem eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben werden kann, wenn der Kläger die Gewährung höherer Leistungen begehrt, über die der Beklagte gebundene Entscheidungen zu treffen hat und ob die Behörde bei der Anforderung der Vollmacht für einen im Widerspruchsverfahren auftretenden Rechtsanwalt Ermessenserwägungen anzustellen und offenzulegen hat oder ob sie hiervon auf Grund des Vorliegens von Verfahrensermessen im Sinne des § 20 Abs.1 SGB X absehen kann.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines vom Prozessbevollmächtigten des Klägers für diesen eingereichten Widerspruches sowie um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum September 2016 bis August 2017.
Der 1961 geborene Kläger stand seit dem Jahr 2010 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II des Beklagten.
Mit Schreiben vom 25. September 2013 teilten die Vermieter des Klägers diesem mit, dass sie die Miete für die Wohnung des Klägers an die Miethöhe der anderen Wohnungen angleichen werden. Zum 1. Januar 2014 werde die Grundmiete auf monatlich 230,00 Euro angehoben. Die Betriebskosten für Heizung und Warmwasser sowie die weiteren Betriebskosten verblieben bei jeweils monatlich 60,00 Euro.
Mit Änderungsbescheiden vom 10. Dezember 2013 passte der Beklagte die Leistungsgewährung für den Kläger an und gewährte diesem für die Monate Januar 2014 bis Juni 2014 Leistungen in Höhe von monatlich 741,00 Euro (391,00 Euro Regelsatzleistung + die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 350,00 Euro). Ab dem Monat Juli 2014 kürzt der Beklagte die monatliche Leistungsgewährung des Klägers bei den Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst monatlich um einen Betrag von 5,00 Euro.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 wandte sich die Vermieterin des Klägers an den Kläger mit der Forderung einer Zustimmung zu einem weiteren Mieterhöhungsverlangen ab dem 1. Oktober 2015. Gestützt auf die Werte des Mietspiegels für die Stadt E vom 18. November 2013 verlangte die Vermieterin einen Grundmiete von 264,50 Euro bei unveränderten Betriebskostenvorauszahlungen. Dieses Schreiben reichte der Kläger beim Beklagten ein.
Mit einem als Bescheid ausgestaltetem Schreiben vom 21. Juli 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er bereits derzeit nur die nach seiner Ansicht angemessene Grundmiete von 225,00 Euro monatlich berücksichtige. Diese ergebe sich aus dem Produkt des Kaltmietpreises von 4,50 Euro pro Quadratmeter x angemessener Wohnfläche von 50,00 Quadratmetern.
Mit dem Bewilligungsbescheid vom 17. August 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 744,00 Euro (399,00 Euro Regelsatzleistung + 345,00 Kosten der Unterkunft und Heizung). Der Beklagte führte in der Begründung aus, dass er bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft und Heizung nur die angemessene Grundmiete von 225,00 Euro berücksichtigt habe.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 16. August 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum September 2016 bis August 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 749,00 Euro (404,00 Euro Regelsatzleistung + 345,00 Kosten der Unterkunft und Heizung). Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. September 2016 legte der Kläger gegen die vorgenannte Entscheidung Widerspruch ein. Wörtlich schrieb er:
" ,hiermit bestelle ich mich für Herrn P und lege gegen den o.g. Bescheid Widerspruch ein, "
Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass fehlerhaft zu geringe Kosten der Unterkunft bewilligt worden seien. Die BG – Nummer des Klägers hatte der Prozessbevollmächtigte im vorgenannten Schreiben in der Betreffzeile ebenso aufgeführt, wie den angegriffenen Zeitraum und den konkreten Bewilligungsbescheid.
Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 754,00 Euro (409,00 Euro Regelleistung + 345,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung).
Am 24. November 2016 reichte der Kläger die Betriebskostenabrechnung vom 18. November 2016 beim Beklagten ein. Diese ergab einen Nachzahlungsbetrag von 64,71 Euro. Hierbei hatte der Kläger im abgerechneten Jahr Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 973,07 Euro.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2016 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachzahlung ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Heizkosten des Klägers im Jahr 2015 die jährlich angemessenen Heizkosten um 118,07 Euro überstiegen hätten. Dieses müsse in Abzug gebracht werden.
Nachdem der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 7. Dezember 2016 eine Untätigkeitsklage gegen den Beklagten erhoben und im Rahmen dieser Untätigkeitsklage ein Faxprotokoll vom 7. September 2016 über die Versendung des Widerspruchs per Fax an den Beklagten übersandt hatte (Aktenzeichen S 39 AS 2151/16), registrierte der Beklagte den Widerspruch des Klägers am 16. März 2017. Am gleichen Tag verfasste der Beklagte ein Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, in dem dieser unter Fristsetzung bis zum 23. März 2017 (gern auch per Fax) aufgefordert wurde, seine Vertretungsvollmacht einzureichen. Sollten diese Unterlagen bis zum angegeben Termin nicht vorliegen, werde der Widerspruch als unzulässig verworfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2017 verwarf der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers weder anwaltlich versichert habe, Inhaber einer Vollmacht des Klägers zu sein, noch habe er im Untätigkeitsverfahren die entsprechende Vollmacht mit der Kopie des Faxprotokolls übersandt. Insofern sei zweifelhaft, ob eine Vollmacht für das Widerspruchsverfahren überhaupt vorliege. Deshalb sei der Rechtsanwalt nach pflichtgemäßem Ermessen mit Eingangsbestätigung vom 16. März 2017 im Wege des § 13 Abs.1 S.3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nochmals schriftlich aufgefordert worden, die Vollmacht bis spätesten 23. März 2017 zu übersenden. Dieses sei weiterhin nicht geschehen. Eine Vollmacht genüge nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn sich aus ihren Inhalt das jeweilige Widerspruchsverfahren zweifellos erkennen lasse. Das sei im Fall des Rechtsanwaltes nicht gegeben. Damit sei die Widerspruchseinlegung durch den Rechtsanwalt unwirksam. Der Widerspruch sei als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. März 2017 hat der Kläger gegen die vorgenannte Entscheidung des Beklagten Klage erhoben. Zur Klagebegründung führte er aus, dass er den Widerspruch im Auftrag des Klägers erhoben habe. Er habe keine Vollmacht an den Beklagten übersandt. Die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig sei trotzdem rechtswidrig, da der Beklagte missbräuchlich eine Vollmacht angefordert habe. Ob der Beklagte eine Vollmacht nach § 13 Abs.1 S.3 SGB X anfordere, stehe in seinem Ermessen. Der Beklagte habe sein Ermessen vorliegend nicht ausgeübt, da nicht die geringsten Zweifel an der Vertretungsbefugnis des Prozessbevollmächtigten bestanden hätten. Er sei Rechtsanwalt und damit Organ der Rechtspflege, so dass vom Vorliegen einer Vertretungsvollmacht auszugehen sei. Es habe auch kein Anhaltspunkt dafür bestanden, dass er in diesem konkreten Einzelfall nicht bevollmächtigt gewesen sei. Weiterhin fehle es der Aufforderung zur Vollmachtvorlage vom 16. März 2017 bereits an Ausführungen, dass sich der Beklagte der Pflicht zur Ausübung von Ermessen überhaupt bewusst gewesen sei. Im Übrigen habe der Beklagte in mehreren weiteren Widerspruchsverfahren von ihm Vollmachten angefordert, obwohl dem Beklagten bekannt sei, dass er die jeweiligen Widerspruchsführer in anderen Verfahren vertrete oder er bereits Vollmachten für die Kläger eingereicht habe.
Mit Rücksicht darauf, dass der Beklagte den Widerspruch rechtswidrig verworfen habe und er damit über den Widerspruch in der Sache noch nicht entschieden habe, sei der Widerspruchsbescheid isoliert aufzuheben.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis 30. August 2017 in Höhe von monatlich 779,00 Euro (409,00 Euro + 370,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Hierbei berücksichtigte der Beklagte die nach seiner Auffassung seit dem 1. April 2017 in E für eine Person angemessene Grundmiete in Höhe von monatlich 250,00 Euro.
Der Prozessbevollmächtigte hat im Verhandlungstermin vom 11. April 2018 eine auf sich lautende, vom Kläger am 18. August 2016 ausgestellte Vollmacht eingereicht, die diesen unter anderem zum Führen von Verfahren in Bezug auf ALG II – Leistungen ab dem 1. September 2016 bevollmächtigt.
Der Kläger beantragt,
den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 26. August 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 26. November 2016, des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 sowie des Änderungsbescheides vom 22. Juni 2017 abzuändern, den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlich in diesem Zeitraum fälligen Kosten zu gewähren.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
den Widerspruchsbescheid vom 27. März 2017 isoliert aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte rügt die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das Klageverfahren. Weder habe dieser das Vorliegen einer Vollmacht anwaltlich versichert, noch habe er eine Vollmacht im Klageverfahren eingereicht.
Der Beklagte verweist erneut darauf, dass die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren erkennen lassen muss, für welches Verfahren der Rechtsanwalt bevollmächtigt wurde. Dieses ist in Ermangelung der Vorlage einer Vollmacht im Widerspruchsverfahren nicht der Fall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2018, die Gerichtsakte mit den Aktenzeichen S 39 AS 2151/16 sowie beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, BG - Nummer , die der Kammer zur Entscheidung vorlagen, Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist in Bezug auf den Prozessantrag des Klägers zu 1.) in zulässiger Weise als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden.
Der Kläger war insbesondere nicht verpflichtet, mit Rücksicht auf die Verwerfung seines Widerspruches als unzulässig einen isolierten Antrag auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 zu stellen und im Übrigen die Aussetzung des Klageverfahrens zu beantragen. Sachurteilsvoraussetzung für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 und 4 SGG ist nach der überzeugenden Auffassung nach § 78 Abs.1 SGG nicht, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, sondern dass das Widerspruchsverfahren durch Erlass eines Widerspruchsbescheides abgeschlossen wurde, wobei prozessrechtlich unerheblich ist, ob dieser als unbegründet zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen wurde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2011, Aktenzeichen B 14 AS 151/10 R, Rn 9; A.A. Landessozialgericht Nordrhein – Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2011, Aktenzeichen L 7 AS 552/11 B; Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Teilurteil vom 30. September 2010, Aktenzeichen L 1 AL 122/09, alle vorgenannten Entscheidungen zu recherchieren unter www.juris.de). Insbesondere ist die Norm des § 79 Abs. 2 S.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur getrennten Aufhebbarkeit von Widerspruchsbescheiden wegen wesentlicher Verfahrensfehler grundsätzlich nicht entsprechend beziehungsweise nach ihrem Rechtsgedanken auf sozialgerichtliche Verfahren anzuwenden (A.A. Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat es in § 78 SGG bewusst unterlassen, eine entsprechende Regelung einzuführen und eine Sachentscheidung der Behörde im Widerspruchsverfahren als Sachentscheidungsvoraussetzung des Klageverfahrens vorzusehen, da es ansonsten in der Hand der Behörde liegen würde, dem Kläger durch das Unterlassen einer Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren den Gerichtsweg abzuschneiden oder zumindest erheblich zu verzögern. Die Zulässigkeit der Klage wäre dann von der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Behörde im Widerspruchsverfahren abhängig, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (in diesem Sinne auch Bundessozialgericht, a.a.O.; Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, zu § 78 SGG, Rn 20 m.w.N.).
Eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides des Beklagten wegen Vorliegen eines Verfahrensfehlers ist daher nur dann möglich und gegebenenfalls auch nötig, wenn der Widerspruchsbescheid auf dem Verfahrensfehler beruht und zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Widerspruchsverfahren bei richtiger Verfahrensweise einen anderen Ausgang gehabt hätte. Dieses ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn im Widerspruchsverfahren noch eine Ermessensentscheidung zu treffen war, während bei gebundenen Entscheidungen grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides beziehungsweise eine entsprechende Anwendung der Norm des § 79 Abs.2 S.2 VwGO besteht (Giesbert, a.a.O, so auch Leitherer in Meyer – Ladewig / Keller / Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage 2014, zu § 95 SGG, Rn 3c m.w.N.).
Vorliegend handelt es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen des Klägers auf höhere Leistungen aus §§ 19, 20 und 22 SGB II um gebundene Ansprüche, so dass die Kammer nach dem Vorgenannten nicht daran gehindert wäre, eine Sachentscheidung zu treffen. Daher ist die kombiniert erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs.1 und 4 SGG wie bereits ausgeführt die zulässige Klageart.
Schließlich dringt auch die Rüge des Beklagten für das Fehlen einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für die Führung des Klageverfahrens nicht durch. Der Prozessbevollmächtigte hat eine auf ihn lautende und zur Überzeugung der Kammer auch für die Führung des Klageverfahrens ausreichende schriftliche Verfahrensvollmacht des Klägers im Sinne des § 73 Abs.6 S.1 SGG im Verhandlungstermin vom 11. April 2018 überreicht. Diese konnte nach den Vorgaben des § 73 Abs.6 S.2 SGG auch im Verhandlungstermin noch nachgereicht werden.
II. 1. Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen, da die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 nachgewiesen wurde und der Kläger selbst keinen Widerspruch erhoben hat. Bereits aus diesem Grund ist die Klage unbegründet. Eine Prüfung der materiell- rechtlichen Rechtslage bezüglich der Höhe der SGB II - Ansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 findet vor diesem Hintergrund nicht mehr statt.
Der Beklagte war berechtigt und auch verpflichtet, den Widerspruch des Klägers als unzulässig zu verwerfen, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Bevollmächtigung trotz Aufforderung des Beklagten unter angemessener Fristsetzung nicht bis zum Abschluss des Widerspruchverfahrens nachgewiesen hat.
Die streitentscheidende Rechtsnorm ist § 13 Abs.1 SGB X. Gemäß § 13 Abs.1 S.1 SGB X kann sich der Kläger im Widerspruchsverfahren von einem Bevollmächtigten vertreten lassen. Es besteht jedoch gemäß § 13 Abs.1 S.3 SGB X die Pflicht, die Vertretungsbefugnis des Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beklagten schriftlich nachzuweisen, wenn dieser dieses im Verwaltungsverfahren ausdrücklich verlangt. Die vorzitierte Regelung des § 13 SGB X gilt gemäß § 62 2. Halbsatz nicht nur für das Ausgangs- sondern auch für das Widerspruchsverfahren, da die Regelung zur Vertretung im Klageverfahren des § 73 SGG zwar nicht nach ihrer systematischen Stellung jedoch nach ihrem Wortlaut nur das gerichtliche Verfahren betrifft (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juni 2015, Aktenzeichen L 4 R 3235/14, Rn 23 m.w.N., zu recherchieren unter www.juris.de).
Der Beklagte war auch berechtigt, mit dem Schreiben vom 16. März 2016 den schriftlichen Nachweis einer Bevollmächtigung vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zu fordern. Die Norm des § 13 Abs.1 S.3 SGB X bindet den Beklagten hierbei nach ihrem Wortlaut nicht an besondere Voraussetzungen. Der Beklagte ist auch bei der geltend gemachten Vertretung des Widerspruchsführers durch einen Rechtsanwalt berechtigt, im Widerspruchsverfahren die Vorlage einer Vollmacht zu verlangen. Es besteht insbesondere keine Veranlassung, die Norm des § 73 Abs. 6 S. 5 SGG durch entsprechende Anwendung auf das Widerspruchsverfahren mit der Folge zur Anwendung zu bringen, dass auch in diesem eine Vollmachtsvorlage grundsätzlich nicht zu fordern ist, wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt (A.A. zumindest im Ergebnis wohl Pitz in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., Rn 9, der bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt eine Vollmachtsanforderung nur bei wiederholt aufgetretenen Bevollmächtigungsmängeln befürwortet). Schon wegen des im Bereich des Sozialrechtes sehr bedeutsamen Schutzes von Sozialdaten im Sinne der §§ 67 ff. SGB X muss für die Behörde zweifelsfrei erkennbar sein, ob ein Beteiligter mit der Weitergabe seiner Sozialdaten an den als Vertreter auftretenden Rechtsanwalt, einverstanden ist. Ist nämlich ein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, muss sich die Behörde gemäß § 13 Abs.3 S.1 SGB X an diesen wenden, (vergleiche Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, Aktenzeichen L 3 AS 98 / 13, zu recherchieren unter www.juris.de; so auch bereits zutreffend Sozialgericht Frankfurt (Oder), Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2018, Aktenzeichen S 17 AS 921/17, nicht veröffentlicht; in diesem Sinne auch Mutschler in Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 97. Ergänzungslieferung Dezember 2017, zu § 13 SGB X, Randnummer 10). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu § 73 Abs. 6 S. 5 SGG im Verwaltungsverfahren – anders als in einem sozialgerichtlichen Verfahren - kein Dreiecksverhältnis besteht, bei dem die Rüge fehlender Vollmacht erhoben werden könnte (Pitz, a.a.O., SG Frankfurt (Oder), a.a.O.).
Der Beklagte war bei der Anforderung der Vollmacht auch nicht verpflichtet, Ermessen auszuüben und die tragenden Gründe seiner Ermessensentscheidung im Rahmen der Vollmachtanforderung bekannt zu geben, da es sich bei der Frage, ob eine Vollmacht angefordert wird nicht um eine materiell – rechtliche Ermessensentscheidung sondern um die Ausübung von Verfahrensermessen im Sinne des § 20 Abs.1 S.2 SGB X handelt. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg führt hierzu in seinem Beschluss vom 23. Juni 2015, Aktenzeichen L 4 R 3235/14Folgendes aus: "Die Beklagte war auch berechtigt, den schriftlichen Nachweis der Bevollmächtigung zu verlangen. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X bindet die Behörde bei ihrem Nachweisverlangen nicht an bestimmte Voraussetzungen. Soweit formuliert wird, das Nachweisverlangen stehe im Ermessen der Behörde (so BSG, Urteil vom 15. Oktober 1981 – 5b/5 RJ 90/80 – in juris, Rn. 21; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 – L 4 KA 3/07 – juris, Rn. 23; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13 – juris, Rn. 17; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Juni 2014 – L 6 AS 522/13 B PKH – in juris, Rn. 7) ist dies zumindest missverständlich, weil es für die Rechtmäßigkeit des Nachweisverlangens eine Nähe zu den bei materiellen Ermessensentscheidungen maßgeblichen Maßstäben suggeriert. Abgesehen davon, dass § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht etwa davon spricht, dass die Behörde eine Nachweis verlangen "kann", sondern gegenüber dem Bürger anordnet, dass er den Nachweis zu erbringen hat, wenn dies die Behörde verlangt, handelt es sich bei dem Nachweisverlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X um eine Verfahrenshandlung, für die die gleichen, durch § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X gezogenen Maßstäbe gelten wie bei sonstigen Verfahrenshandlungen (insofern übereinstimmend LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 – L 4 KA 3/07 – juris, Rn. 23). Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X bestimmt die Behörde Art und Umfang ihrer Ermittlungen. Dies bedeutet, dass die Ausübung des "Verfahrensermessens" nur dahingehend gerichtlich überprüfbar ist, ob die Verfahrenshandlung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Außerdem bedarf die Ausübung des Verfahrensermessens – anders als die Ausübung materiellen Ermessens – keiner Begründung durch die Behörde (im Ergebnis ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13 – juris, Rn. 17)."
Diesen rechtlichen Ausführungen des Landessozialgerichts Baden- Württemberg schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an. Eine Überprüfung der Anforderung der Vollmacht erfolgt durch die Kammer daher nicht an Hand der gesetzlichen Vorgaben des § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, sondern nur dahingehend, ob die Anforderung der Vollmacht im Übrigen gegen gesetzliche Vorgaben verstößt. (so im Ergebnis auch VG Augsburg, Urteil vom 9. Mai 2016, Aktenzeichen 3 K 16.114, zu recherchieren unter www.juris.de; Mutschler, a.a.O., Rn 12a).
Die Aufforderung des Beklagten zur Vorlage eines schriftlichen Nachweises der Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren vom 16. März 2017 entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Die Rechtsprechung hat aus den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen der Klarheit und der Fairness des Verfahrens und des Verbots von Überraschungsentscheidungen abgeleitet, dass eine Verwerfung eines Widerspruches mit Rücksicht auf einen fehlenden Nachweis der Bevollmächtigung des als Bevollmächtigten Auftretenden nur dann rechtmäßig ist, wenn die Behörde den Vertreter unter Setzung einer angemessenen Frist zur Führung des Vollmachtnachweises auffordert und für den Fall, dass der Vollmachtnachweis nicht erfolgt, die Verwerfung des Widerspruches als unzulässig (und nicht etwa eine "Entscheidung nach Aktenlage") ankündigt (grundlegend: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Juni 2016, Aktenzeichen L 7 AS 233/16 B ER, Rn 30, zu recherchieren unter www.juris.de; Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a.a.O., Rn 19). Diesen Anforderungen entspricht die Vollmachtanforderung des Beklagten vom 16. März 2013. Der Beklagte hat den Prozessbevollmächtigten des Klägers unmissverständlich aufgefordert, seine Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren schriftlich nachzuweisen und angekündigt, für den Fall, dass die Nachweisführung nicht erfolgt, den Widerspruch des Klägers als unzulässig zu verwerfen. Der Beklagte hat für die Nachweisführung eine Frist von einer Woche gesetzt. Diese Frist erachtet die Kammer noch als angemessen, da ein Rechtsanwalt normalerweise eine Vollmacht in der Mandantenakte haben sollte und der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Nachweisführung auch per Fax erfolgen kann. Im Normalfall sollte diese Frist also zu halten sein. Anderenfalls obläge es dem Rechtsanwalt bei einer Wochenfrist zumindest sich zu melden und unter Darlegung der Gründe um eine Fristverlängerung zu bitten. Im Übrigen verlängerte sich die Frist zur Nachweisführung auch dadurch, dass der Beklagte tatsächlich erst am 27. März 2017 über den Widerspruch entschieden hat und der Prozessbevollmächtigte des Klägers bis dahin noch die Möglichkeit gehabt hätte, die Nachweisführung für die Bevollmächtigung nachzuholen, da der Beklagte mit der Anforderung des schriftlichen Nachweises zwar eine behördliche Frist im Sinne des § 26 SGB X, aber nicht eine Ausschlussfrist setzen kann (vgl. Roller in von Wulffen / Schütze, Kommentar zum SGB X, 11. Auflage 2014, Rn 8; Mutschler, a.a.O.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Verhandlungstermin vom 11. April 2018 auch eingeräumt, die Aufforderung zum Vollmachtnachweis vor dem 23. März 2017 erhalten zu haben und die Möglichkeit gehabt zu haben, die Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bewusst verzichtet.
Schließlich hat die Rechtsprechung entschieden, dass eine Vollmachtanforderung im Sinne des § 13 Abs.1 S.3 SGB X nicht zur Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig führen darf, wenn die Bevollmächtigung der als Bevollmächtigten auftretenden Person bereits anderweitig gegenüber der Behörde des Widerspruchsverfahrens nachgewiesen war (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2017, Aktenzeichen L 7 AS 2038/16 B, zu recherchieren unter www.juris.de, Rn 20). Das überzeugt auch, da es in einer solchen Konstellation für eine erneute Vollmachtanforderung keinen objektiven Grund gibt und eine Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig daher rechtsmissbräuchlich wäre. Vorliegend ist der Prozessbevollmächtigte im Widerspruchsverfahren jedoch erstmalig für den Kläger aufgetreten. Dem Beklagten lag somit kein anderweitiger Nachweis einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für den Kläger vor. Dieser ergibt sich auch nicht daraus, dass der Prozessbevollmächtigte während des laufenden Widerspruchsverfahrens das unter dem Aktenzeichen S 39 AS 2151/16 geführte Untätigkeitsklageverfahren für den Kläger geführt hat. Denn auch in diesem Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte keine schriftliche Vollmacht des Klägers eingereicht. Auch wenn das Gericht gemäß § 73 Abs.6 S.5 SGG im Untätigkeitsklageverfahren nicht gehalten war, eine Vollmacht vom Prozessbevollmächtigten anzufordern und das Gericht in Bezug auf die Untätigkeitsklage keine Zweifel hatte, dass der Prozessbevollmächtigte zur Führung der Untätigkeitsklage berechtigt war, lässt sich hieraus doch kein sicherer Nachweis für das Bestehen und den Umfang einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten außerhalb des Untätigkeitsklageverfahrens ziehen.
Schließlich kann der Mangel des Vollmachtnachweises nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht mehr geheilt werden. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte am 11. April 2018 eine vom Kläger am 18. August 2016 unterschriebene Vollmacht zur Gerichtsakte gereicht, welche nach Auffassung der Kammer wohl ausreichend gewesen wäre, die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das streitgegenständlichen Widerspruchsverfahren nachzuweisen. Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens kann der Nachweis des Bestehens einer Bevollmächtigung nicht mehr nachgeholt werden, da es Sinn und Zweck der Norm des § 13 Abs.1 S.3 SGB X ist, Rechtssicherheit bezüglich des Bestehens oder Nichtbestehens einer Vollmacht im Verwaltungsverfahren herbeizuführen. Der entscheidende Zeitpunkt hierfür ist spätestens der Erlass des Widerspruchsbescheides, da es dem im Widerspruchsverfahren Unterlegenen ansonsten möglich wäre, einer verfahrensmäßig rechtmäßig ergangenen Entscheidung nachträglich die Grundlage zu entziehen und die nach dem Sinn und Zweck des § 78 Abs.1 SGG grundsätzlich vorgesehene Sachprüfung im Widerspruchsverfahren zu umgehen (vgl. Landessozialgericht Rheinland – Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a.a.O., Rn 26; Landessozialgericht Baden – Württemberg, a.a.O., 34, m.w.N., jeweils auch unter Darlegung der Gegenauffassung).
2. Der Hilfsantrag des Klägers ist bereits als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 und 4 SGG in Bezug auf die von ihm geltend gemachten höheren SGB II – Leistungen als gebundene Leistungsansprüche kein Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 hat (vgl. oben unter I; Leitherer, a.a.O.). Im Übrigen ist der Hilfsantrag mit Rücksicht auf die unter 1.) dargestellten Gründe aber auch unbegründet.
3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens.
4. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die Kammer musste gemäß § 144 Abs.1 S.1 und 2 SGG über die Zulassung der Berufung entscheiden, da der Kläger nicht mit Geldleistungen in Höhe von mehr als 750,00 Euro unterlegen ist und keine Leistungen von mehr als einem Jahr im Streit stehen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Gewährung von Geldleistungen von in der Summe etwas über 400,00 Euro für einen streitgegenständlichen Zeitraum von 12 Monaten.
Die Berufung war gemäß § 144 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen. Aus Sicht der Kammer bestehen grundsätzliche und auch entscheidungserhebliche Rechtsfragen dahingehend, ob bei der Verwerfung eines Widerspruchs als unzulässig trotzdem eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben werden kann, wenn der Kläger die Gewährung höherer Leistungen begehrt, über die der Beklagte gebundene Entscheidungen zu treffen hat und ob die Behörde bei der Anforderung der Vollmacht für einen im Widerspruchsverfahren auftretenden Rechtsanwalt Ermessenserwägungen anzustellen und offenzulegen hat oder ob sie hiervon auf Grund des Vorliegens von Verfahrensermessen im Sinne des § 20 Abs.1 SGB X absehen kann.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved