Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 5447/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei Unterbrechung des Leistungsbezugs durch Wegfall der Hilfebedürftigkeit wirkt der Hinweis des Leistungsträgers, welche Anforderungen hinsichtlich der Wohnungsgröße und des Kaltmietpreises pro m² an eine angemessene Unterkunft gestellt werden, bei erneuter Hilfebedürftigkeit weiter, soweit die tatsächlichen Verhältnisse, abgesehen von dem Umstand, der zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit geführt hat, unverändert sind.
2. Bei dem Begriff der Unzumutbarkeit in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll überprüfbar ist, und dessen Bedeutung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln ist. Bei Unterbrechung des Leistungsbezugs durch Wegfall der Hilfebedürftigkeit wegen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist bei erneuter Hilfebedürftigkeit wegen Beendigung der Beschäftigung ein Wohnungswechsel umso eher zumutbar, je kürzer die Beschäftigung dauerte. Die Dauer der Beschäftigung und die einzuräumende Übergangsfrist verhalten sich daher proportional zu einander.
2. Bei dem Begriff der Unzumutbarkeit in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll überprüfbar ist, und dessen Bedeutung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln ist. Bei Unterbrechung des Leistungsbezugs durch Wegfall der Hilfebedürftigkeit wegen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist bei erneuter Hilfebedürftigkeit wegen Beendigung der Beschäftigung ein Wohnungswechsel umso eher zumutbar, je kürzer die Beschäftigung dauerte. Die Dauer der Beschäftigung und die einzuräumende Übergangsfrist verhalten sich daher proportional zu einander.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragstellern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für die Unterkunft für die Zeit vom 06.09.2007 bis 05.01.2008 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Verfahren geht es um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Der am xx.xx.1968 geborene Antragsteller (Ast) Ziff. 1 hat seit Februar 2003 eine 3-Zimmer-Wohnung angemietet, die er seit Anfang 2004 alleine mit seinem am xx.xx.2002 geborenen Sohn (Ast Ziff. 2) bewohnt. Die Wohnfläche umfasst 80 m². Nach der Mietbescheinigung vom 19.03.2004 beträgt die Grundmiete 420,-EUR. Die Antragsgegnerin (Ageg) bewilligte antragsgemäß Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis einschließlich Oktober 2005 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für die Unterkunft. Im Bewilligungsbescheid vom 15.04.2005 für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 war der Hinweis enthalten, dass die Wohnung nach Größe und Höhe der Miete nicht angemessen sei. Für einen Zwei-Personen-Haushalt seien nur 60 m² anzuerkennen. Als Miethöhe könnten lediglich 276,- EUR zuzüglich der anfallenden Heiz- und Nebenkosten als angemessen angesehen werden. Die tatsächliche Miete könne daher längstens noch für sechs Monate als Bedarf berücksichtigt werden. Mit Bescheid vom 17.10.2005 bewilligte die Ageg für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 Leistungen unter Berücksichtigung einer Grundmiete von 365,00 EUR. Mit Bescheid vom 18.04.2006 bewilligte die Ageg entsprechend der Ankündigung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 Leistungen unter Berücksichtigung von lediglich noch der für angemessen erachteten Grundmiete von 276,- EUR. Die Ast erhoben erfolglos Widerspruch. Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006 richtet sich die am 30.08.2007 eingegangene (wegen verzögerter Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids zulässige) Klage, über die noch nicht entschieden ist. Im Klageverfahren wird geltend gemacht, dass für die lediglich noch übernommene Miete am fraglichen Wohnort keine Wohnung anmietbar sei.
Die Folgebewilligungen (Bescheide vom 18.09.2006 und 03.04.2007 bis einschließlich Oktober 2007) erfolgten weiterhin unter Berücksichtigung der für angemessen erachteten Miete. Am 01.04.2007 nahm der Ast Ziff. 1 eine unbefristete versicherungspflichtige Beschäftigung als Parkettleger-Helfer auf (Arbeitsvertrag vom 11.04.2007), weshalb die Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab 01.05.2007 aufhob (der Ast Ziff. 1 hatte im April noch keinen Lohn erhalten) und die Leistungen einstellte.
Das Beschäftigungsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 01.09.2007 während der Probezeit. Die Ageg bewilligte antragsgemäß Leistungen ab 06.09.2007, wiederum nur unter Berücksichtigung der für angemessen erachteten Grundmiete. Als Begründung war angegeben, dass es bis zur Entscheidung im Klageverfahren bei der Berücksichtigung der herabgesetzten Miete bleibe. Die Ast erhoben Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Gegen die Entscheidung der Ageg richtet sich der am 18.10.2007 eingegangene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Die Ast machen geltend, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft jedenfalls für die ersten sechs Monate des Leistungsbezugs, der aus ihrer Sicht am 06.09.2007 begonnen habe, zu übernehmen seien. Sie beantragen sinngemäß,
die Ageg im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihnen Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gesamtakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang sachlich begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage sachdienlich ist, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Vorliegend geht es um die Gewährung gegenwärtiger und zukünftiger Leistungen und damit um den Erlass einer Regelungsanordnung. Dies verlangt die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Widerspruchs- oder Klageverfahren) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Erfolgsaussicht (Anordnungsanspruch) und Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen für den Antragsteller wiegen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind bei grundrechtlicher Relevanz der erstrebten Entscheidung unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind dabei regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Im Fall der Ast besteht ein Anordnungsanspruch. Die Kosten der Unterkunft übersteigen zwar im Hinblick auf die zu zahlende Grundmiete den angemessenen Umfang. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft sind aber für vier Monate ab dem Beginn des aktuellen Leistungsbezugs zu übernehmen.
Gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind die Kosten der Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch für längstens sechs Monate. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Im Fall der Ast spricht viel für die Unangemessenheit der Kosten für die Unterkunft. Was unter angemessenen Aufwendungen für eine Unterkunft zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht zum Bundessozialhilferecht entwickelten Grundsätzen, die unter Geltung der Vorschriften über die Grundsicherung für Arbeitsuchende, Erwerbsgeminderte und im Alter (SGB II und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) weiter zu berücksichtigen sind, sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwG 97, 110, 112; 101, 194, 197 f). Die angemessene Höhe der Kosten der Unterkunft ist dabei das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessene Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen (abstrakt) angemessenen Mietzins pro m². Dabei ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für einen Haushalt mit zwei Haushaltsangehörigen eine Wohnfläche von 60 m² als angemessen anzusehen (Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV - SozWo vom 12.02.2002 (GABl S. 240) i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 (GABl S. 248)).
Die Unangemessenheit der von den Ast bewohnten Wohnung ergibt sich damit bereits aus der Wohnfläche von 80 m², die die für einen Zwei-Personen-Haushalt angemessene Wohnfläche erheblich (um 1/4) überschreitet. Hieraus ergibt sich mittelbar die Unangemessenheit der Grundmiete von 420,-EUR. Ausgehend von einer Wohnfläche von 60 m² ergäbe sich nämlich ein Mietzins von 6,83 EUR pro m², der nach den Verhältnissen am Wohnort der Ast (einer gerichtsbekannt relativ abgelegenen kleinen Gemeinde nördlich des im weiteren ländlich geprägten Umfeld der Großen Kreisstadt E ) im Hinblick auf das untere Segment des Mietwohnungsmarktes als deutlich unangemessen anzusehen wäre. So weist der IVD Preisspiegel für Immobilien in Baden-Württemberg 2007 (Herausg.: IVD Süd e.V. Baden-Württemberg, 70173 Stuttgart, Calwer Straße 11) für Neuvermietungen von Wohnungen mit 60 bis 100 m² Wohnfläche im einfachen bis normalen Segment in E. einen Mietzins von nur 5,2 bis 6,0 EUR aus. Dies zeigt die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft der Ast bei Berücksichtigung einer angemessenen Wohnfläche. Vor dem Hintergrund des gemeinkundigen Mietpreisgefälles zwischen Stadt und Land bestehen keine Bedenken gegen den Ansatz der Ageg von 276,- EUR für eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 m² (Mietzins pro m²: 4,60EUR). Unter Berücksichtigung der Gesetzesbindung der Verwaltung geht das Gericht davon aus, dass die Ageg, die als örtlicher Träger der Grundsicherung einen Überblick über die örtlichen Verhältnisse besitzt, die angemessenen Mieten zutreffend festsetzt. Zweifel hieran ergeben sich insbesondere nicht aus dem pauschalen Vorbringen der Ast, zu dem angegebenen Mietzins lasse sich "in E. " nichts anmieten (Klageschrift vom 30.08.2007).
Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung allerdings auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 25.01.2006 ( L 8 AS 4296/05 ER-B )). Dies ist allerdings entbehrlich, wenn der Hilfebedürftige keine erfolgversprechenden Bemühungen um angemessenen Wohnraum unternimmt (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 09.11.2006 ( L 8 AS 4787/06 ER-B )). So liegt es im Fall der Ast. Bemühungen in dieser Hinsicht sind nämlich weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
Aus der Verletzung der Obliegenheit zur Wohnungssuche dürfen allerdings nur nachteilige Konsequenzen gezogen werden, wenn der Hilfebedürftige zuvor vom Leistungsträger darauf hingewiesen worden ist, welche Anforderungen hinsichtlich der Wohnungsgröße und des Kaltmietpreises pro m² gestellt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 30.01.2007 ( L 8 AS 5755/06 ER-B )). Im Fall der Ast ist der Hinweis im Bescheid vom 15.04.2005 enthalten. Der Hinweis dient der Bekanntgabe der Gesichtspunkte, nach denen sich der Hilfebedürftige bei der ihm obliegenden Wohnungssuche zu richten hat, um - im eigenen Interesse - die Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Träger der Grundsicherung sicherzustellen. Dieser Hinweis wirkt trotz des für vier Monate unterbrochenen Leistungsbezugs fort, denn der Zweck des Hinweises wird (bei im Übrigen unveränderten tatsächlichen Verhältnissen) weiterhin erfüllt. Dies ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortwirkung eines bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes erteilten Hinweises im Hinblick auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (BSG vom 07.11.2006 ( B 7b AS 18/06 R )).
Die Ast haben aber Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für eine weitere Übergangsfrist ab dem Beginn des (aktuellen) Leistungsbezugs. Vor dem Ablauf von vier Monaten ab dem 06.09.2007 ist es ihnen nicht zuzumuten, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken. Bei dem Begriff der Unzumutbarkeit in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll überprüfbar ist, und dessen Bedeutung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln ist. Die Ast standen von Mai bis September 2007 wegen des Wegfalls der Hilfebedürftigkeit wegen der Aufnahme einer unbefristeten versicherungspflichtigen Beschäftigung durch den Ast Ziff. 1 nicht im Leistungsbezug. Nunmehr kommt es darauf an, ob ihnen bei erneutem Leistungsbezug ein sofortiger Wohnungswechsel zumutbar ist, oder ob eine weitere (gem. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II in der Regel sechsmonatige) Übergangsfrist einzuräumen ist. Grundsätzlich steht jedermann die Entscheidung frei, wo er wohnt, und welche Miete er bezahlt. Erst mit dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit und dem Beginn des Leistungsbezugs besteht ggf. die Obliegenheit zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf einen angemessenen Betrag, wobei das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass dem Hilfebedürftigen in der Regel sechs Monate einzuräumen sind, in denen er sich nach angemessenem Wohnraum umsehen und diesen anmieten kann. Diese Ausgangslage ändert sich bei der Aufnahme einer unbefristeten versicherungspflichtigen Beschäftigung mit Wegfall der Hilfebedürftigkeit. Dem ehemals Hilfebedürftigen steht es nun wieder frei, ohne unmittelbar nachteilige Konsequenzen selbst zu bestimmen, wo und wie teuer er wohnt. Allerdings wird der Betreffende zunächst nicht davon ausgehen können, dass seine Hilfebedürftigkeit bereits mit dem ersten Tag der Beschäftigung auf Dauer entfällt. Vielmehr wird er sich anfangs (insbesondere bei Vereinbarung einer Probezeit) noch darauf einzustellen haben, dass möglicherweise wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber erneut Hilfebedürftigkeit eintritt. Dies wird den ehemals Hilfebedürftigen veranlassen, für einen gewissen Zeitraum mit den Bemühungen um die Anmietung angemessenen Wohnraums fortzufahren. Mit der Dauer der Beschäftigung wird sich die Wahrscheinlich des endgültigen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit letztlich zur Gewissheit verdichten, sodass die Bemühungen ohne sich aufdrängendes Risiko eingestellt werden können. Unter diesen Umständen ist ein Wohnungswechsel umso früher zumutbar, je kürzer die Beschäftigung und der Wegfall der Hilfebedürftigkeit dauert. Die Dauer der Beschäftigung und die einzuräumende Übergangsfrist verhalten sich damit proportional zueinander.
Im Fall der Ast gilt demnach Folgendes: Diese standen wegen der Aufnahme der Beschäftigung für die Zeit von Mai bis September 2007, mithin für vier Monate, nicht im Leistungsbezug. In Anbetracht des vorangegangenen Leistungsbezugs und der lediglich viermonatigen Unterbrechung ist es ausreichend, wenn den Ast jetzt lediglich noch weitere vier Monate bis 05.01.2008 für einen Wohnungswechsel eingeräumt werden. Von der Regelübergangsfrist von sechs Monaten war daher entsprechend abzuweichen.
Die Ageg war daher wie tenoriert zu verpflichten. Zwar kommt eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist. Dies gilt aber nicht, wenn ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 01.08.2005 ( L 7 AS 2875/05 ER-B )). Hiervon geht das Gericht vorliegend angesichts der aktenkundigen Zahlungsrückstände hinsichtlich der Stromkosten aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Verfahren geht es um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Der am xx.xx.1968 geborene Antragsteller (Ast) Ziff. 1 hat seit Februar 2003 eine 3-Zimmer-Wohnung angemietet, die er seit Anfang 2004 alleine mit seinem am xx.xx.2002 geborenen Sohn (Ast Ziff. 2) bewohnt. Die Wohnfläche umfasst 80 m². Nach der Mietbescheinigung vom 19.03.2004 beträgt die Grundmiete 420,-EUR. Die Antragsgegnerin (Ageg) bewilligte antragsgemäß Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis einschließlich Oktober 2005 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für die Unterkunft. Im Bewilligungsbescheid vom 15.04.2005 für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 war der Hinweis enthalten, dass die Wohnung nach Größe und Höhe der Miete nicht angemessen sei. Für einen Zwei-Personen-Haushalt seien nur 60 m² anzuerkennen. Als Miethöhe könnten lediglich 276,- EUR zuzüglich der anfallenden Heiz- und Nebenkosten als angemessen angesehen werden. Die tatsächliche Miete könne daher längstens noch für sechs Monate als Bedarf berücksichtigt werden. Mit Bescheid vom 17.10.2005 bewilligte die Ageg für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 Leistungen unter Berücksichtigung einer Grundmiete von 365,00 EUR. Mit Bescheid vom 18.04.2006 bewilligte die Ageg entsprechend der Ankündigung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 Leistungen unter Berücksichtigung von lediglich noch der für angemessen erachteten Grundmiete von 276,- EUR. Die Ast erhoben erfolglos Widerspruch. Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006 richtet sich die am 30.08.2007 eingegangene (wegen verzögerter Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids zulässige) Klage, über die noch nicht entschieden ist. Im Klageverfahren wird geltend gemacht, dass für die lediglich noch übernommene Miete am fraglichen Wohnort keine Wohnung anmietbar sei.
Die Folgebewilligungen (Bescheide vom 18.09.2006 und 03.04.2007 bis einschließlich Oktober 2007) erfolgten weiterhin unter Berücksichtigung der für angemessen erachteten Miete. Am 01.04.2007 nahm der Ast Ziff. 1 eine unbefristete versicherungspflichtige Beschäftigung als Parkettleger-Helfer auf (Arbeitsvertrag vom 11.04.2007), weshalb die Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab 01.05.2007 aufhob (der Ast Ziff. 1 hatte im April noch keinen Lohn erhalten) und die Leistungen einstellte.
Das Beschäftigungsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 01.09.2007 während der Probezeit. Die Ageg bewilligte antragsgemäß Leistungen ab 06.09.2007, wiederum nur unter Berücksichtigung der für angemessen erachteten Grundmiete. Als Begründung war angegeben, dass es bis zur Entscheidung im Klageverfahren bei der Berücksichtigung der herabgesetzten Miete bleibe. Die Ast erhoben Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Gegen die Entscheidung der Ageg richtet sich der am 18.10.2007 eingegangene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Die Ast machen geltend, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft jedenfalls für die ersten sechs Monate des Leistungsbezugs, der aus ihrer Sicht am 06.09.2007 begonnen habe, zu übernehmen seien. Sie beantragen sinngemäß,
die Ageg im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihnen Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gesamtakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang sachlich begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage sachdienlich ist, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Vorliegend geht es um die Gewährung gegenwärtiger und zukünftiger Leistungen und damit um den Erlass einer Regelungsanordnung. Dies verlangt die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Widerspruchs- oder Klageverfahren) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Erfolgsaussicht (Anordnungsanspruch) und Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen für den Antragsteller wiegen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind bei grundrechtlicher Relevanz der erstrebten Entscheidung unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind dabei regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Im Fall der Ast besteht ein Anordnungsanspruch. Die Kosten der Unterkunft übersteigen zwar im Hinblick auf die zu zahlende Grundmiete den angemessenen Umfang. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft sind aber für vier Monate ab dem Beginn des aktuellen Leistungsbezugs zu übernehmen.
Gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind die Kosten der Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch für längstens sechs Monate. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Im Fall der Ast spricht viel für die Unangemessenheit der Kosten für die Unterkunft. Was unter angemessenen Aufwendungen für eine Unterkunft zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht zum Bundessozialhilferecht entwickelten Grundsätzen, die unter Geltung der Vorschriften über die Grundsicherung für Arbeitsuchende, Erwerbsgeminderte und im Alter (SGB II und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) weiter zu berücksichtigen sind, sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwG 97, 110, 112; 101, 194, 197 f). Die angemessene Höhe der Kosten der Unterkunft ist dabei das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessene Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen (abstrakt) angemessenen Mietzins pro m². Dabei ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für einen Haushalt mit zwei Haushaltsangehörigen eine Wohnfläche von 60 m² als angemessen anzusehen (Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV - SozWo vom 12.02.2002 (GABl S. 240) i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 (GABl S. 248)).
Die Unangemessenheit der von den Ast bewohnten Wohnung ergibt sich damit bereits aus der Wohnfläche von 80 m², die die für einen Zwei-Personen-Haushalt angemessene Wohnfläche erheblich (um 1/4) überschreitet. Hieraus ergibt sich mittelbar die Unangemessenheit der Grundmiete von 420,-EUR. Ausgehend von einer Wohnfläche von 60 m² ergäbe sich nämlich ein Mietzins von 6,83 EUR pro m², der nach den Verhältnissen am Wohnort der Ast (einer gerichtsbekannt relativ abgelegenen kleinen Gemeinde nördlich des im weiteren ländlich geprägten Umfeld der Großen Kreisstadt E ) im Hinblick auf das untere Segment des Mietwohnungsmarktes als deutlich unangemessen anzusehen wäre. So weist der IVD Preisspiegel für Immobilien in Baden-Württemberg 2007 (Herausg.: IVD Süd e.V. Baden-Württemberg, 70173 Stuttgart, Calwer Straße 11) für Neuvermietungen von Wohnungen mit 60 bis 100 m² Wohnfläche im einfachen bis normalen Segment in E. einen Mietzins von nur 5,2 bis 6,0 EUR aus. Dies zeigt die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft der Ast bei Berücksichtigung einer angemessenen Wohnfläche. Vor dem Hintergrund des gemeinkundigen Mietpreisgefälles zwischen Stadt und Land bestehen keine Bedenken gegen den Ansatz der Ageg von 276,- EUR für eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 m² (Mietzins pro m²: 4,60EUR). Unter Berücksichtigung der Gesetzesbindung der Verwaltung geht das Gericht davon aus, dass die Ageg, die als örtlicher Träger der Grundsicherung einen Überblick über die örtlichen Verhältnisse besitzt, die angemessenen Mieten zutreffend festsetzt. Zweifel hieran ergeben sich insbesondere nicht aus dem pauschalen Vorbringen der Ast, zu dem angegebenen Mietzins lasse sich "in E. " nichts anmieten (Klageschrift vom 30.08.2007).
Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung allerdings auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 25.01.2006 ( L 8 AS 4296/05 ER-B )). Dies ist allerdings entbehrlich, wenn der Hilfebedürftige keine erfolgversprechenden Bemühungen um angemessenen Wohnraum unternimmt (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 09.11.2006 ( L 8 AS 4787/06 ER-B )). So liegt es im Fall der Ast. Bemühungen in dieser Hinsicht sind nämlich weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
Aus der Verletzung der Obliegenheit zur Wohnungssuche dürfen allerdings nur nachteilige Konsequenzen gezogen werden, wenn der Hilfebedürftige zuvor vom Leistungsträger darauf hingewiesen worden ist, welche Anforderungen hinsichtlich der Wohnungsgröße und des Kaltmietpreises pro m² gestellt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 30.01.2007 ( L 8 AS 5755/06 ER-B )). Im Fall der Ast ist der Hinweis im Bescheid vom 15.04.2005 enthalten. Der Hinweis dient der Bekanntgabe der Gesichtspunkte, nach denen sich der Hilfebedürftige bei der ihm obliegenden Wohnungssuche zu richten hat, um - im eigenen Interesse - die Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Träger der Grundsicherung sicherzustellen. Dieser Hinweis wirkt trotz des für vier Monate unterbrochenen Leistungsbezugs fort, denn der Zweck des Hinweises wird (bei im Übrigen unveränderten tatsächlichen Verhältnissen) weiterhin erfüllt. Dies ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortwirkung eines bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes erteilten Hinweises im Hinblick auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (BSG vom 07.11.2006 ( B 7b AS 18/06 R )).
Die Ast haben aber Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für eine weitere Übergangsfrist ab dem Beginn des (aktuellen) Leistungsbezugs. Vor dem Ablauf von vier Monaten ab dem 06.09.2007 ist es ihnen nicht zuzumuten, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken. Bei dem Begriff der Unzumutbarkeit in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll überprüfbar ist, und dessen Bedeutung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln ist. Die Ast standen von Mai bis September 2007 wegen des Wegfalls der Hilfebedürftigkeit wegen der Aufnahme einer unbefristeten versicherungspflichtigen Beschäftigung durch den Ast Ziff. 1 nicht im Leistungsbezug. Nunmehr kommt es darauf an, ob ihnen bei erneutem Leistungsbezug ein sofortiger Wohnungswechsel zumutbar ist, oder ob eine weitere (gem. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II in der Regel sechsmonatige) Übergangsfrist einzuräumen ist. Grundsätzlich steht jedermann die Entscheidung frei, wo er wohnt, und welche Miete er bezahlt. Erst mit dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit und dem Beginn des Leistungsbezugs besteht ggf. die Obliegenheit zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf einen angemessenen Betrag, wobei das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass dem Hilfebedürftigen in der Regel sechs Monate einzuräumen sind, in denen er sich nach angemessenem Wohnraum umsehen und diesen anmieten kann. Diese Ausgangslage ändert sich bei der Aufnahme einer unbefristeten versicherungspflichtigen Beschäftigung mit Wegfall der Hilfebedürftigkeit. Dem ehemals Hilfebedürftigen steht es nun wieder frei, ohne unmittelbar nachteilige Konsequenzen selbst zu bestimmen, wo und wie teuer er wohnt. Allerdings wird der Betreffende zunächst nicht davon ausgehen können, dass seine Hilfebedürftigkeit bereits mit dem ersten Tag der Beschäftigung auf Dauer entfällt. Vielmehr wird er sich anfangs (insbesondere bei Vereinbarung einer Probezeit) noch darauf einzustellen haben, dass möglicherweise wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber erneut Hilfebedürftigkeit eintritt. Dies wird den ehemals Hilfebedürftigen veranlassen, für einen gewissen Zeitraum mit den Bemühungen um die Anmietung angemessenen Wohnraums fortzufahren. Mit der Dauer der Beschäftigung wird sich die Wahrscheinlich des endgültigen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit letztlich zur Gewissheit verdichten, sodass die Bemühungen ohne sich aufdrängendes Risiko eingestellt werden können. Unter diesen Umständen ist ein Wohnungswechsel umso früher zumutbar, je kürzer die Beschäftigung und der Wegfall der Hilfebedürftigkeit dauert. Die Dauer der Beschäftigung und die einzuräumende Übergangsfrist verhalten sich damit proportional zueinander.
Im Fall der Ast gilt demnach Folgendes: Diese standen wegen der Aufnahme der Beschäftigung für die Zeit von Mai bis September 2007, mithin für vier Monate, nicht im Leistungsbezug. In Anbetracht des vorangegangenen Leistungsbezugs und der lediglich viermonatigen Unterbrechung ist es ausreichend, wenn den Ast jetzt lediglich noch weitere vier Monate bis 05.01.2008 für einen Wohnungswechsel eingeräumt werden. Von der Regelübergangsfrist von sechs Monaten war daher entsprechend abzuweichen.
Die Ageg war daher wie tenoriert zu verpflichten. Zwar kommt eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist. Dies gilt aber nicht, wenn ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 01.08.2005 ( L 7 AS 2875/05 ER-B )). Hiervon geht das Gericht vorliegend angesichts der aktenkundigen Zahlungsrückstände hinsichtlich der Stromkosten aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
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