L 1 B 132/06 AL-PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AL 19/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 132/06 AL-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bezieht ein Versicherter aufgrund des § 133 Abs. 1 SGB III in der Fassung des 2. SGB III-ÄndG i.V.m. § 434j Abs. 3 SGB III Arbeitslosengeld nach einem bestandsgeschützten Bemessungsentgelt ist allein das Bemessungsentgelt maßgeblich, nach dem die zuletzt im Dreijahreszeitraum bezogene Lohnersatzleistung berechnet wurde. Wird im Dreijahreszeitraum erst Arbeitslosengeld und dann Arbeitslosenhilfe bezogen, ist das um Einmalzahlungen verminderte und nach § 200 Abs. 3 SGB III um drei Prozent abgesenkte Bemessungsentgelt maßgeblich.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) zur Führung des beim Sozialgericht Dresden (SG) anhängigen Rechtsstreits S 20 AL 19/06.

Gegenstand dieses Rechtsstreits ist der von der Beschwerdeführerin angefochtene Be-scheid der Beklagten vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16.12.2005, mit dem der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld (Alg) nach einem Bemes-sungsentgelt von 66,70 EUR/Tag bewilligt wurde. Die Beschwerdeführerin begehrt in der Hauptsache Alg, das nach einem höheren Bemessungsentgelt berechnet ist.

Die am ...1975 geborene, ledige und kinderlose Beschwerdeführerin war vom 01.09.1994 bis 12.06.1997 Auszubildende in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes. Am 17.06.1997 meldete sie sich arbeitslos und bezog ab diesem Tag bis zum 30.08.1997 Alg. Am 01.09.1997 begann sie eine weitere Ausbildung bei der D ... AG, die bis zum 31.07.2000 dauerte. Im Anschluss daran war sie bis 30.11.2001 als Tischlerin und Monteu-rin beschäftigt. Die Beschwerdeführerin meldete sich am 11.10.2001 erneut arbeitslos. Mit Bescheid vom 24.01.2002 wurde der Beschwerdeführerin ab 01.12.2001 bis 31.12.2001 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 1040 DM/Woche (Leistungssatz: 379,33 DM/Woche) und mit weiterem Bescheid vom 11.02.2002 für die Dauer von weiteren 329 Tagen Alg nach einem Bemessungsentgelt von 530 EUR (Leistungssatz: 193,97 EUR/Woche) bewilligt. Hieran haben die Bescheide vom 22.07.2002 und vom 19.11.2002 nichts geändert. Die Beschwerdeführerin bezog Alg bis zur Erschöpfung des Anspruchs. Der Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 11.02.2002 wegen Dauer und Hö-he des bewilligten Alg wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2002 bestandskräftig zurückgewiesen. Am 20.10.2002 beantragte die Beschwerdeführerin Arbeitslosenhilfe (Alhi), die ihr mit Bescheid vom 19.11.2002 nach einem Bemessungsentgelt von 480 EUR/Woche (Leistungssatz: 158,97 EUR/Woche) bewilligt wurde. Mit Fortzahlungsbe-scheid vom 18.11.2003 wurde das Bemessungsentgelt ab 26.11.2003 auf 465 EUR/Woche abgesenkt (Leistungssatz: 154,28 EUR/Woche). Ab dem 15.11.2004 bis 14.11.2005 arbei-tete die Beschwerdeführerin bei den E ... GmbH als Kunststoffbearbeiterin. Sie meldete sich am 18.10.2005 arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 15.11.2005 Alg. Als Lohnsteuerklasse gab sie I an.

Auf der Grundlage der Arbeitsbescheinigung des bisherigen Arbeitgebers errechnete sich ein Bemessungsentgelt von 65,85 EUR/Tag. Die Beklagte bewilligte der Beschwerdefüh-rerin mit Bescheid vom 30.11.2005 unter Heranziehung des der Alhi zugrunde gelegten Bemessungsentgelts Alg ab dem 15.11.2005 nach einem Bemessungsentgelt von 66,70 EUR/Tag (entspricht dem bisherigen gerundeten Bemessungsentgelt von 465 EUR/Woche; Leistungssatz: 26,08 EUR/Tag) für 180 Kalendertage. Dagegen legte die Beschwerdefüh-rerin Widerspruch mit der Begründung ein, sie habe Anspruch auf Berechnung des Alg nach einem Bemessungsentgelt von 530 EUR/Woche. Der dreijährige Bestandsschutz fin-de auf sie Anwendung. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Maßgeblicher Bemessungszeitraum nach § 130 Drittes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB III) sei hier das Jahr der Beschäftigung vor dem Beginn der Arbeitslo-sigkeit. Habe allerdings der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen, sei Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden sei (§ 133 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 434j Abs. 3 SGB III). Die Beschwerdeführerin habe jedoch innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Alg-Anspruchs Alhi nach einem Bemessungsentgelt von 66,70 EUR/Tag bezogen. Da das tatsächlich im Bemessungszeitraum erzielte Bemessungsentgelt geringfügig niedriger sei, finde das Alhi-Bemessungsentgelt Berücksichti-gung.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit dem Ziel der Abänderung des Bewilligungsbe-scheids am 05.01.2006 beim SG Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Be-klagte lege § 133 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung nicht rich-tig aus. Nach der genannten Vorschrift sei als Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt heranzuziehen, nach dem zuvor Alg oder Alhi bemessen worden sei, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen habe. Zweck der Vorschrift sei es, dem Betroffenen eine Art Besitzschutz zu gewähren. Dieser solle durch die Aufnahme einer geringer entlohnten Beschäftigung mit der Folge der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit nicht schlechter gestellt werden als ohne die Auf-nahme dieser Beschäftigung, wenn er erneut innerhalb von drei Jahren arbeitslos werde. Maßgeblich sei jedoch nach § 133 Abs. 1 SGB III nicht das Bemessungsentgelt, sondern das zuvor erzielte Bruttoarbeitsentgelt (§ 129 SGB III), das gleichermaßen Grundlage der Berechnung von Alg und Alhi sei, mithin ein Bemessungsentgelt von 530 EUR/Woche. Zwischenzeitlich vorgenommene Anpassungen des Bemessungsentgelts müssten außer Betracht bleiben. Die Regelung sei ausschließlich darauf gerichtet, dass die Leistungshöhe nach dem Bemessungsentgelt des früheren Alg-Anspruchs bestimmt werde, wenn ein neu-er Alg-Anspruch begründet werde und der frühere erloschen sei. Außerdem widerspreche die Heranziehung des letzten Alhi-Bemessungsentgeltes auch dem Günstigkeitsprinzip, da die Beschwerdeführerin im Dreijahreszeitraum auch Alg bezogen hätte.

Die Beklagte hat ausgeführt, im Alg-Bemessungsentgelt seien Einmalzahlungen von insge-samt 4.972,67 DM mit enthalten gewesen, die bei der Berechnung der Alhi nach § 200 SGB III in der Fassung des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Daher sei das Bemessungsentgelt zunächst auf 480 EUR/Woche abgesenkt worden. Die Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Berechnung der Alhi habe das Bundessozialgericht (BSG) als rechtmäßig bestätigt (Urteil vom 05.06.2003 – B 11 AL 67/02 R). Ab dem 26.11.2003 sei gemäß § 200 Abs. 3 SGB III in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung eine dreiprozentige Absenkung auf 465 EUR/Woche vorzunehmen gewesen. Dieses Bemessungsentgelt sei auch maßgeblich, weil das in der den neuen Alg-Anspruch begründenden Beschäftigung erzielte Bemessungsentgelt niedri-ger sei. Anzuwenden sei § 131 (richtig: § 133) Abs. 1 SGB III in der bis 31.12.2004 (rich-tig: 2003) geltenden Fassung i.V.m. § 434j Abs. 3 SGB III in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung. Es komme danach allein auf die zuletzt bezogene Leistung an und dies sei hier die der Beschwerdeführerin gewährte Alhi mit einem gerundeten Bemessungsentgelt von 465 EUR/Woche gewesen. § 133 Abs. 1 SGB III in der bis 31.12.2004 (richtig: 2003) gel-tenden Fassung stelle nicht ausschließlich auf die Höhe des Bemessungsentgeltes bei der Entstehung des Anspruchs bzw. nur auf die Leistungsart Alg ab. PKH sei daher mangels Erfolgsaussicht zu versagen.

Mit Beschluss vom 21.02.2006 hat das SG – nach vorherigem Hinweis an die Beschwerde-führerin, dass die Rechtsauffassung der Beklagten als zutreffend angesehen werde – die beantragte Bewilligung von PKH abgelehnt, weil die Klage keine Erfolgsaussicht habe. Aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ergebe sich, dass jeweils das Bemessungs-entgelt entscheidend sei, das dem letzten Leistungsbezug vor Entstehung des neuen An-spruchs zugrunde gelegt worden sei. Das sei hier das Bemessungsentgelt der Alhi in Höhe von 66,70 EUR/Tag gewesen. Auch sonst sei das Alg fehlerfrei berechnet worden.

Hiergegen hat die Beschwerdeführerin beim SG Beschwerde eingelegt, das der Beschwer-de mit Verfügung vom 12.04.2006 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Sächsischen Landessozialgericht vorgelegt hat.

Die Beschwerdeführerin vertritt ihre Rechtsauffassung mit den bisherigen Argumenten weiterhin und führt zum Prüfungsmaßstab der Erfolgsaussicht aus, dass hinreichende Erfolgsausicht bereits dann vorliege, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstel-lers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar halte. Es müsse aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen werde. Die Anforderungen an die rechtlichen und tatsächlichen Erfolgsaussichten dürften dabei jedoch nicht überspannt werden. Es sei lediglich eine summarische Prüfung durchzuführen. Ergänzend hebt sie vor, nach dem Wortlaut der hier auszulegenden Vorschrift des § 133 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung sei die Rechtsfolge nur ein-deutig, wenn der Leistungsbezieher innerhalb des Dreijahreszeitraums nur Alg- oder nur Alhi-Ansprüche habe. Die Rechtsfolge, die sich aus dem kumulativen Vorbezug von Alg und Alhi im Dreijahreszeitraum ergebe, sei dagegen nicht eindeutig geregelt.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 21. Februar 2006 aufzuheben und ihr unter Beiordnung von Rechtsanwältin B ... Prozesskostenhilfe ohne Raten-zahlung für den Rechtsstreit S 20 AL 19/06 ab Antragstellung zu gewähren.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Bewertung der Erfolgsaussicht verweist er auf die Gründe des SG und ist im Übrigen der Auffassung, die Beschwerdeführerin müsse ihre Einkommensverhältnisse noch näher belegen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat mit Beschluss vom 21.02.2006 zu Recht die Ge-währung von PKH abgelehnt. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; erforderlich ist darüber hinaus, dass der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Das Grundgesetz (GG) gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittel-ten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (Bundesverfassungsge-richt [BVerfG], Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88BVerfGE 81, 347, 356 f. m.w.N.; st. Rspr.). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrund-satz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet. Im Institut der PKH sind die notwendigen Vorkehrungen getroffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen.

Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz gebietet dabei keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Der Unbemittelte braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der sei-ne Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Es ist demnach verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von PKH davon ab-hängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Er-folgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH (vor)zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem ge-nügt das Gesetz in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, in dem es die Gewährung von PKH bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Erfolg schon gewiss sein muss (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2001 – 2 BvR 569/01 – ZFSH/SGB 2001, 731; st. Rspr.). Maßgebend ist der letzte Erkenntnistand in der Tatsacheninstanz (Philippi in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rn. 44).

Gemessen an diesen Erwägungen liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht nur vor, wenn der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht das Gericht auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage da-von überzeugt ist, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend ge-machten Anspruchs gegeben ist, mithin der Antragsteller im Sinne einer gewissen Wahr-scheinlichkeit mit seinem Begehren Erfolg haben kann.

Hier fehlt es der Klage nach diesem Maßstab bereits an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg.

Die Beschwerdeführerin macht vorliegend geltend, dass ihr Alg-Anspruch, den die Beklag-te mit dem streitgegenständlichen Bescheid dem Grunde und der Höhe nach zuerkannt hat – was auch von Seiten des Senats keinen Bedenken begegnet –, wegen Ansetzung eines zu geringen Bemessungsentgelts falsch berechnet worden sei.

§ 133 Abs. 1 SGB III in der Fassung des Art. 1 des 2. SGB III-Änderungsgesetzes (2. SGB III-ÄndG) vom 21.07.1999 (BGBl I S. 1648), der bis zum 31.12.2003 in Geltung war, hat bestimmt:

"Hat der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen, ist Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe zuletzt bemessen wor-den ist."

Nach § 434j Abs. 3 SGB III ist § 133 Abs. 1 SGB III in der Fassung des 2. SGB III-ÄndG weiterhin für Personen anzuwenden, deren Alg-Anspruch bis zum 31.01.2006 entstanden ist. Hiernach findet § 133 Abs. 1 SGB III in der Fassung des 2. SGB III-ÄndG auch auf die Berechnung des am 15.11.2005 entstandenen Alg-Anspruchs der Beschwerdeführerin An-wendung.

Soweit die Beschwerdeführerin aus dieser Vorschrift einen Anspruch auf höheres Alg ableiten will und die dafür bemühte Auslegung für zumindest vertretbar im Sinne der oben stehenden Ausführungen hält, folgt ihr der Senat nicht.

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, es liege eine erhebliche Normunklarheit vor, teilt der Senat nicht. Allerdings ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass die Wortlautaus-legung allein nicht bereits eindeutig ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Vorschrift etwa den folgenden Wortlaut hätte: " ... mindestens das Entgelt, nach dem eine unmittelbar zeitlich vorausgehend vor Entstehung eines neuen Anspruchs auf Arbeitslosengeld gewährte Leistung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 8 SGB III bemessen wurde." Jedoch folgt aus dem Zweck der Vorschrift als Bestandsschutzvorschrift, mit der der Arbeitslose, der eine neue Beschäftigung aufnimmt, vor Nachteilen bei erneutem Beschäftigungsverlust geschützt werden soll, dass es nur darum gehen kann, das letzte Leistungsniveau hinsichtlich des Bemessungsentgeltes für die Zeit einer Wiedereingliederung in das Erwerbsleben für einen begrenzten Zeitraum zu schützen. Damit soll die Motivation des Arbeitslosen, die ansonsten einer Rückkehr in das Erwerbsleben entgegenstehen könnte, für die Aufnahme einer neuen Beschäftigung gestärkt werden (vgl. auch die Begründung im 1. Entwurf eines Arbeitsförderungs-Reformgesetzes: BT-Drucks. 13/4941 S. 178, die etwas euphemistisch von "Hemmnissen" spricht, aber nichts anderes meint). Der Arbeitslose, der faktisch einen sanktionsfreien (aber nicht rechtlichen, vgl. §§ 121, 144 SGB III) Spielraum hat, ob er eine neue Beschäftigung aufnimmt, soll in seiner individuellen Interessenabwägung dahingehend beeinflusst werden, dass er eine neue, nach ihrem Bruttoentgelt schlechter bezahlte Beschäftigung als die der Bemessung der zuletzt bezogenen Alg- oder Alhi-Leistung zugrunde liegende Beschäftigung aufnimmt, weil er das bisherige Bemessungsentgelt in die neue Anwartschaft "mitnehmen" kann. Er soll sich nicht von der Überlegung abhalten lassen, dass eine befristete oder zwar unbefristete, aber in ihrem Bestand unsichere Beschäftigung deswegen ein schlechtes Geschäft für ihn sei, weil er zwar zunächst mehr verdienen würde, aber nach Wiedereintritt einer nicht absehbar endenden Arbeitslosigkeit dauerhaft ein niedrigeres Leistungsniveau hinnehmen müsste. Diese Überlegung spielt zwar seit Inkrafttreten des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und der Abschaffung der Alhi eine geringere Rolle, nämlich nur noch für die Dauer des Alg-Bezugs. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen waren aber in der Zeit, als die Vorschrift geschaffen wurde, und aus der sich ihr Zweck herleitet, von erheblicher Bedeutung für den rentengleichen jahrelangen Bezug von Alhi. Ausgehend davon kann nur das Bemessungsentgelt der zuletzt bezogenen Leistung mit dem Bemessungsentgelt der anwartschaftsbegründenden neuen Beschäftigung verglichen werden. Der Arbeitslose, der (bis maximal 31.12.2004) bereits Alhi bezogen hat, kann durch die Nichtaufnahme einer Beschäftigung erst recht keinen Anspruch auf das höhere Bemessungsentgelt einer zuvor gewährten, aber nicht mehr zu beanspruchenden Leistung im Rahmen der gerade bezogenen Leistung realisieren. Wer wie die Beschwerdeführerin im Alhi-Bezug stand, hatte ohne Aufnahme einer besser bezahlten Beschäftigung keine rechtliche Möglichkeit eine Lohnersatzleistung zu erhalten, die sich bemessungsentgeltlich an dem vorher bezogenen Alg orientierte. Es bestand daher in ihrem Falle der Aufnahme einer schlechter bezahlten Beschäftigung erst recht kein schutzwürdiges Interesse, an das Bemessungsentgelt des vorbezogenen Alg anzuknüpfen.

Träfe die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin zu, würde ihr unter Zuerkennung des dem früheren Alg-Bezug zugrunde liegenden Bemessungsentgelts nicht nur bemessungs-entgeltlicher Bestandsschutz hinsichtlich ihrer aktuellen Situation vor der Aufnahme der Beschäftigung bei den E ... GmbH gewährt, sondern darüber hinausgehend würde ihre Bereitschaft, eine neue Beschäftigung aufzunehmen, gleichsam mit einem gar nicht mehr im vorhergehenden Leistungsbezug zu realisierenden Bemessungsentgelt zusätzlich prämiert. Dies ist aber nicht der Zweck des § 133 Abs. 1 SGB III in der Fassung des 2. SGB III-ÄndG.

Soweit in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) nur das Bemessungsentgelt des vorausgehen-den Alg mit dem Entgelt der neuen Beschäftigung verglichen wird, hat die Gesetzesbe-gründung erkennbar nur den Hauptanwendungsfall vor Augen gehabt, dass jemand Alg bezieht und die Aufnahme einer neuen Beschäftigung im Raum steht. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs kann dagegen nicht abgeleitet werden, dass immer das Bemessungs-entgelt des im Dreijahreszeitraum bezogenen Alg maßgeblich sein soll. Dies folgt schon daraus, dass die Vorschrift selbst die Alhi als Vergleichsmaßstab erwähnt.

Auch ist nicht auf das ursprüngliche, der erstmaligen Alhi-Bewilligung zugrunde liegende Bemessungsentgelt von 480 EUR/Woche (statt 465 EUR/Woche) abzustellen, weil § 133 Abs. 1 SGB III schon nach seinem Wortlaut ausdrücklich auf das Entgelt abstellt, nach dem die den Vergleichsmaßstab bildende Leistung "zuletzt" bemessen wurde. Soweit aus-geführt wird, dass Anpassungen des Bemessungsentgelts nicht zu berücksichtigen seien (vgl. nur Pawlak in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Juni 2003, § 133 Rn. 34; siehe ferner Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Juni 2000, § 133 Rn. 12), bezieht sich dies auf den durch das 2. SGB III-ÄndG herbeigeführten Wegfall des § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III, der bestimmte, dass zwischenzeitliche Anpassungen, nämlich solche die während der Be-schäftigung erfolgt wären, wenn die Lohnersatzleistung weiterhin bezogen worden wäre, zu berücksichtigen seien. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität wurde eine fiktive Fortschreibung des bisherigen, als Vergleichsmaßstab dienenden Bemessungsentgelts wäh-rend der Beschäftigungszeit ersatzlos gestrichen.

Ein von der Beschwerdeführerin in allgemeiner Form postuliertes sozialrechtliches Güns-tigkeitsprinzip gibt es nicht. Auch ergibt sich schon aus dem dargelegten Zweck der Vorschrift, dass die Anwendung eines Günstigkeitsprinzips, so wie es die Beschwerdeführerin versteht, mit diesem Zweck nicht Einklang gebracht werden kann.

Bei summarischer Prüfung der sonstigen Berechnungselemente drängen sich gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten keine Bedenken auf, die ihrerseits eine hinreichende Erfolgsausicht begründen könnten. Insoweit wird auf die ausführlichen Darlegungen der Beklagten zur weiteren Berechnung, die im Wesentlichen auch unter I. wie-dergegeben sind, Bezug genommen. Ergänzend wird lediglich zur Nichtberücksichtigungsfähigkeit von Einmalzahlungen auf den Beschluss des BVerfG vom 26.09.2005 (1 BvR 1773/03NZS 2006, 247 f.) verwiesen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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