Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 4839/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II schließt einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bei alleinstehenden Leistungsbeziehern, die Arbeitslosengeld II lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II beziehen, nicht aus.
2. § 21 SGB XII schließt einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bei alleinstehenden Leistungsbeziehern, die Arbeitslosengeld II lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II beziehen, ebenfalls nicht aus, da diese Arbeitslosengeld II nicht "als Erwerbsfähige" beziehen. "Als Erwerbsfähiger" werden Leistungen nur dann bezogen, wenn positiv feststeht oder jedenfalls von niemandem der Beteiligten (Leistungsbezieher, Leistungsträger nach dem SGB II und Leistungsträger nach dem SGB XII) bezweifelt wird, dass der Leistungsbezieher erwerbsfähig ist. Ein Dissens zwischen den Leistungsträgern, insbesondere Zweifel des Leistungsträgers nach dem SGB II an der Erwerbsfähigkeit, sind dafür nicht erforderlich.
3. Ein Individualanspruch eines Leistungsbeziehers nach dem SGB II gegen den Leistungsträger nach dem SGB II auf Überprüfung der Erwerbsfähigkeit oder auf Einleitung des Verfahrens vor der Gemeinsamen Einigungsstelle nach § 45 SGB II besteht nicht. Ein genereller Vorbehalt der Überprüfung und Entscheidung über die Erwerbsfähigkeit zugunsten des Leistungsträgers nach dem SGB II besteht daher im Hauptsacheverfahren ebenfalls nicht, da ansonsten bei Konsens der Leistungsträger nach dem SGB II und SGB XII, aber anderslautender Auffassung des Leistungsbeziehers, diesem keine Rechtsschutzmöglichkeiten zur Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit offen stünden.
4. Ein Individualanspruch auf die Zuordnung zum korrekten Leistungsträger und zur korrekten Art der Grundsicherung (SGB II - SGB XII) besteht aufgrund der strukturellen Unterschiede der laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einerseits und der laufenden Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII andererseits. Im Hauptsacheverfahren- anders als im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG - scheidet eine dauerhafte Verweisung des Betroffenen auf die "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II bei ungeklärter Erwerbsfähigkeit aus.
2. § 21 SGB XII schließt einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bei alleinstehenden Leistungsbeziehern, die Arbeitslosengeld II lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II beziehen, ebenfalls nicht aus, da diese Arbeitslosengeld II nicht "als Erwerbsfähige" beziehen. "Als Erwerbsfähiger" werden Leistungen nur dann bezogen, wenn positiv feststeht oder jedenfalls von niemandem der Beteiligten (Leistungsbezieher, Leistungsträger nach dem SGB II und Leistungsträger nach dem SGB XII) bezweifelt wird, dass der Leistungsbezieher erwerbsfähig ist. Ein Dissens zwischen den Leistungsträgern, insbesondere Zweifel des Leistungsträgers nach dem SGB II an der Erwerbsfähigkeit, sind dafür nicht erforderlich.
3. Ein Individualanspruch eines Leistungsbeziehers nach dem SGB II gegen den Leistungsträger nach dem SGB II auf Überprüfung der Erwerbsfähigkeit oder auf Einleitung des Verfahrens vor der Gemeinsamen Einigungsstelle nach § 45 SGB II besteht nicht. Ein genereller Vorbehalt der Überprüfung und Entscheidung über die Erwerbsfähigkeit zugunsten des Leistungsträgers nach dem SGB II besteht daher im Hauptsacheverfahren ebenfalls nicht, da ansonsten bei Konsens der Leistungsträger nach dem SGB II und SGB XII, aber anderslautender Auffassung des Leistungsbeziehers, diesem keine Rechtsschutzmöglichkeiten zur Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit offen stünden.
4. Ein Individualanspruch auf die Zuordnung zum korrekten Leistungsträger und zur korrekten Art der Grundsicherung (SGB II - SGB XII) besteht aufgrund der strukturellen Unterschiede der laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einerseits und der laufenden Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII andererseits. Im Hauptsacheverfahren- anders als im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG - scheidet eine dauerhafte Verweisung des Betroffenen auf die "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II bei ungeklärter Erwerbsfähigkeit aus.
1. Der Bescheid des beklagten Landkreises vom 13.6.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.9.2006 wird aufgehoben. 2. Der beklagte Landkreis wird verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2005 laufende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren. 3. Der beklagte Landkreis trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
Tatbestand:
Die Klage richtet sich auf die Gewährung laufender Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.
Der Kläger, geboren ..., bezog seit 1992 mit Unterbrechungen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom beklagten Landkreis. Seit 1999 lebt er in L. (Landkreis B.). Bereits zum Inkrafttreten des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) Anfang 2003 hatte der Kläger beim beklagten Landkreis Leistungen nach diesem Gesetz beantragt. Den Antrag hatte er damit begründet, dass seine religiöse Überzeugung ihm verbiete, eine Arbeit anzunehmen. Er empfinde sich vielmehr als zu einem weltfernen, kontemplativen Leben angehalten, das sich nicht vereinbaren lasse mit einer gewöhnlichen Erwerbstätigkeit. Der beklagte Landkreis ersuchte daraufhin den Ärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung (damals: Landesversicherungsanstalt) Baden-Württemberg um eine Begutachtung des Klägers gemäß § 5 Abs. 2 GSiG. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. kam in seinem Gutachten vom 6.5.2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung leide, seine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber nicht unter drei Stunden arbeitstäglich liege. Daraufhin lehnte der beklagte Landkreis den Antrag mit Bescheid vom 15.8.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2003 ab und der Kläger bezog weiterhin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Die dagegen gerichtete Klage beim Verwaltungsgericht F. (Az ...) endete mit einem Vergleich vom 15.2.2005, durch den sich der beklagte Landkreis bereiterklärte, den Kläger unter dem Aspekt seiner Erwerbsfähigkeit erneut begutachten zu lassen.
Seit dem 1.1.2005 bezieht der Kläger laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) von der Arbeitsgemeinschaft B ...
Am 19.1.2005 beantragte der Kläger beim beklagten Landkreis die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er werde fälschlicherweise dem Kreis der Erwerbsfähigen und damit den Leistungsberechtigten nach dem SGB II zugeordnet.
In einer Stellungnahme vom 22.2.2005 für den beklagten Landkreis und die Arbeitsgemeinschaft B. führte der behandelnde Psychiater Dr. von K. aus, dass der Kläger aufgrund einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung auf Dauer als erwerbsunfähig anzusehen sei. Am 7.11.2005 wurde der Kläger im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft B. durch den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Dr. H.) begutachtet. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit anankastischen und querulatorischen Zügen leide, trotzdem aber in der Lage sei, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest im Umfang von 3 - 6 Stunden arbeitstäglich - mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen - zu verrichten. Körperliche Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit seien nicht gegeben. Der beklagte Landkreis legte dieses Gutachten dem Ärztlichen Dienst der Rentenversicherung zur Stellungnahme vor; dieser schloss sich der dortigen Beurteilung an. Mit Bescheid vom 13.6.2006 lehnte der beklagte Landkreis daraufhin den Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ab. Der Kläger beziehe laufende Leistungen nach dem SGB II. Nach § 5 SGB II sowie § 21 Satz 1 SGB XII seien diese Leistungen vorrangig und ein Leistungsbezug nach dem SGB XII ausgeschlossen. Der Umstand, dass der Kläger sich selbst nicht für erwerbsfähig halte, stehe dem nicht entgegen. Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers sei dem Leistungsträger nach dem SGB II vorbehalten. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 19.6.2006 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.9.2006 mit der gleichen Begründung als unbegründet zurückgewiesen.
Am 29.9.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. In diesem Zusammenhang hat er klargestellt, dass er nicht eine Erwerbsminderung aus religiösen Gründen geltend mache, sondern eine Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen, da seine Religiosität und die damit verbundenen Verhaltensweisen nach den üblichen Maßstäben seiner Umgebung als psychische Erkrankung eingestuft würden.
Mit Beschluss vom 28.11.2006 hat das Gericht die Arbeitsgemeinschaft B. nach §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG zum Verfahren beigeladen.
Zur Klärung der Erwerbsfähigkeit des Klägers hat das Gericht zunächst eine sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Nervenarztes des Klägers eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. von K. hat den Kläger laut seiner Auskunft vom 28.11.2006 seit dem Jahr 1995 mehrfach, allerdings seit Ende 2000 nur noch sporadisch behandelt. Er könne der bereits für den beklagten Landkreis im Verwaltungsverfahren gefertigten Stellungnahme zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers vom 22.2.2005 nichts hinzufügen. Wegen des weiteren Inhalts der sachverständigen Zeugenauskunft wird auf diese Bezug genommen.
Ferner hat das Gericht zur Klärung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ein psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. E., Universitätsklinik F., Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik, vom 20.6.2007 eingeholt. Prof. Dr. E. diagnostiziert bei dem Kläger ein Asperger-Autismus-Syndrom. Nahezu alle typischen Symptome dieser Erkrankung lägen bei dem Kläger vor und ließen sich anhand der erhobenen Anamnese bereits in dessen Kindesalter feststellen. Die zuvor von anderen Ärzten getroffene Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung greife zu kurz und erfasse das Ausmaß bzw. die wahre Ursache der Störung nicht. Es bestehe aufgrund der Erkrankung ein massiv gestörtes Sozial- und Kommunikationsverhalten, welches es dem Kläger unmöglich mache, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Anhaltspunkte für eine Simulation oder Aggravation seien nicht erkennbar. Diese Störungen seien durch eine willentliche Anstrengung nicht zu überwinden. Es sei von einer dauerhaften Einschränkung auszugehen; sie bestehe in dieser Form wahrscheinlich bereits seit Beginn des Erwachsenenalters.
Auf ein Ersuchen des beklagten Landkreises nach § 45 Abs. 1 SGB XII hin stellte der Ärztliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg - in Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. E. - daraufhin fest, dass der Kläger in der Tat jedenfalls seit dem Jahr 2005 als voll erwerbsgemindert anzusehen sei und dass es unwahrscheinlich sei, dass dieser Zustand behoben werden könne.
Mit Schriftsatz vom 11.2.2008 teilte der beklagte Landkreis mit, dass er nunmehr auch davon ausgehe, dass der Kläger ohne Wahrscheinlichkeit der Besserung voll erwerbsgemindert sei. Der Landkreis sei allerdings nur bereit, den Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII dem Grunde nach anzuerkennen, wenn der Kläger sich gleichzeitig einverstanden erkläre mit Leistungen in bestimmter Höhe. Dies lehnte der Kläger seinerseits mit Schriftsatz vom 24.2.2008 ab.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des beklagten Landkreises vom 13.6.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.9.2006 aufzuheben und den beklagten Landkreis zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1.1.2005 laufende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Der beklagte Landkreis beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des beklagten Landkreises sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, die das Gericht zum Verfahren beigezogen hatte, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise angehört wurden.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von laufenden Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ab dem 1.1.2005 gegen den beklagten Landkreis. Die anders lautenden Bescheide des beklagten Landkreises sind also rechtswidrig und waren daher aufzuheben.
Der Kläger gehört nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung zum leistungsberechtigten Personenkreis der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach § 41 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Denn er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises, hat das 18. Lebensjahr vollendet, ist unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI und es ist darüber hinaus auch unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Damit sind die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfüllt.
Dass der Kläger voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist, also dass er wegen Krankheit bzw. Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, ist nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung unter den Beteiligten nicht mehr streitig. Der von dem beklagten Landkreis nach § 45 Abs. 1 SGB XII eingeschaltete Ärztliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hat dies am 28.12.2007 aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. E. festgestellt, woran der beklagte Landkreis nach § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gebunden ist. Auch nach Auffassung des Gerichts geht dies aus dem Gutachten von Prof. Dr. E. mit hinreichender Klarheit und nachvollziehbarer Begründung hervor. Prof. Dr. E. setzt sich in seinem Gutachten insbesondere auch ausführlich mit den Vorbefunden auseinander und begründet aus Sicht des Gerichts überzeugend, weswegen sich die bisher gestellten psychiatrischen Diagnosen und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen für das Leistungsvermögen des Klägers nicht oder nur sehr bedingt halten lassen. Prof. Dr. E. ist letztlich der bisher einzige mit dem Kläger befasste Gutachter, der die Natur der Erkrankung sowie all ihre Symptome und Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers wirklich erfasst hat. Deswegen konnte auch erst Prof. Dr. E. die sehr stark ausgeprägte Religiosität des Klägers korrekt einordnen und den - im Rahmen der vorausgegangenen Begutachtungen durchaus im Raum stehende - Verdacht der Simulation abschließend und überzeugend entkräften. Streitig ist ebenfalls nicht mehr, ob es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung wieder behoben werden kann, da sich der Ärztliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung im Einklang mit dem Gutachter Prof. Dr. E. zu dieser Frage ebenfalls im Sinne des Klagebegehrens ausgesprochen hat.
Der Kläger ist auch bedürftig im Sinne des § 41 Abs. 2 SGB II. Ausweislich der in den Verwaltungsakten des beklagten Landkreises sowie der Beigeladenen vorhandenen Unterlagen bezieht der Kläger kein sonstiges Einkommen und verfügt über kein Vermögen, so dass der Kläger dem Grunde nach hilfebedürftig ist.
Dem Leistungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seit dem 1.1.2005 laufende Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) von der Beigeladenen bezieht. Das Gericht ist durch diese Tatsache nicht daran gehindert, dem Kläger für die Zeit ab der Antragstellung beim beklagten Landkreis Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zuzusprechen. Allerdings ist die entstandene Nachzahlung selbstverständlich vom beklagten Landkreis an die Beigeladene zu erstatten, soweit diese einen Erstattungsanspruch geltend macht.
Der beklagte Landkreis hat in den mit der Klage angefochtenen Bescheiden Bezug genommen auf § 5 Abs. 2 SGB II, der den Vorrang des Arbeitslosengeldes II vor der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII regele. Aus § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II ergibt sich ein solcher Vorrang jedoch nicht. Die Vorschrift bestimmt nur, dass Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vor dem Sozialgeld nach § 28 SGB II vorrangig sind. Allerdings bezieht der Kläger kein Sozialgeld nach § 28 SGB II, sondern Arbeitslosengeld II, da er der Beigeladenen bisher als erwerbsfähig galt. Damit sind die Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nicht nach § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss auch aus § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II, der das Arbeitslosengeld II ausdrücklich für vorrangig gegenüber Leistungen nach dem Dritten - nicht aber nach dem Vierten - Kapitel des SGB XII erklärt. Bei den Leistungen nach dem Vierten Kapitel handelt es sich nicht um Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel. § 42 Satz 1 SGB XII verweist zwar auf diese, um Art und Umfang der Grundsicherungsleistungen zu definieren; ihrem Rechtscharakter nach handelt es sich aber jeweils um Leistungen eigener Art, die lediglich in der Regel in gleicher Höhe erbracht und nach weitgehend gleichen rechtlichen Grundsätzen berechnet werden wie die Leistungen nach dem Dritten Kapitel.
Auch nach § 21 SGB XII schließt der Bezug von Arbeitslosengeld II die Berechtigung zu Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nicht in jedem Fall zwingend aus. § 21 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als deren Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten. § 21 Satz 1 SGB XII also bei alleinstehenden Personen einen Leistungsausschluss nach dem SGB XII nur dann vor, wenn der Betroffene das Arbeitslosengeld II als Erwerbsfähiger bezieht. Dies bedeutet, dass das Arbeitslosengeld II nicht bereits dann vorrangig ist, wenn es tatsächlich bezogen wird, sondern nur dann, wenn gleichzeitig positiv feststeht oder jedenfalls von niemandem der Beteiligten (Leistungsbezieher, Leistungsträger nach dem SGB II und Leistungsträger nach dem SGB XII) bezweifelt wird, dass der Leistungsbezieher erwerbsfähig ist. Diese Feststellung wird, wenn sich die Leistungsträger untereinander nicht einig sind, durch die Gemeinsame Einigungsstelle nach § 45 SGB II getroffen. Wenn in einer solchen Situation aus Sicht des Leistungsträgers nach dem SGB XII Zweifel an der Erwerbsfähigkeit berechtigt sind, wendet sich dieser mit einem Ersuchen nach § 45 Abs. 1 SGB XII an die Rentenversicherung und legt das entsprechende Ergebnis dem Leistungsträger nach dem SGB II vor. Nicht ausreichend für den Vorrang des Arbeitslosengeldes II nach § 21 Satz 1 SGB XII ist dagegen, dass die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen ungeklärt ist, er also Arbeitslosengeld II lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II bezieht. Ungeklärt ist die Erwerbsfähigkeit dann, wenn entweder der Leistungsträger nach dem SGB II, der Leistungsträger nach dem SGB XII oder der Betroffene selbst - oder auch mehrere der Genannten - diese substantiiert anzweifeln.
Diese Auslegung der Konkurrenzregelung des § 21 Satz 1 SGB XII ergibt sich aus dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Denn es ist die Situation denkbar, dass die Leistungsträger nach dem SGB II und nach dem SGB XII sich untereinander einig sind, dass der Betroffene erwerbsfähig und daher leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, und nur der Betroffene selbst dem widerspricht. Genau dieses Situation lag im Fall des Klägers bisher vor. Wollte man annehmen, dass in einer solchen Situation der Vorrang des Arbeitslosengeldes II nach § 21 Satz 1 SGB XII stets eingreift, dann stünde dem Betroffenen keine Rechtsschutzmöglichkeit und damit kein Weg zur Überprüfung der Richtigkeit der Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit durch die Behörden offen. Denn ein Anspruch gegen den Leistungsträger nach dem SGB II auf Überprüfung der Erwerbsfähigkeit oder auf Einleitung des Verfahrens vor der Gemeinsamen Einigungsstelle steht dem Leistungsbezieher nicht zu. Seine einzige Möglichkeit, eine solche Überprüfung herbeizuführen, besteht demnach in einem Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Diesen Antrag hat der Kläger bei dem beklagten Landkreis im Januar 2005 gestellt. Diesem Antrag hätte - ggf. unter Einschaltung der Gemeinsamen Einigungsstelle - eine Prüfung und Bescheidung dieser Frage in der Sache gegenüberstehen müssen, die jedoch jedenfalls zunächst nicht erfolgte. Damit bezog der Kläger - mangels positiven Feststehens seiner Erwerbsfähigkeit - Arbeitslosengeld II bisher lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II. Ein solcher Leistungsbezug fällt aber, wie oben dargelegt, nicht unter die Konkurrenzregelung des § 21 Satz 1 SGB XII. Vielmehr liegt es gerade in der Natur einer "Vorläufigkeitsregelung" wie § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II, dass sie lediglich vorläufig bis zu einer endgültigen Klärung wirkt und damit auch für die Vergangenheit korrigierbar ist.
Der teilweise in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Feststellung der Erwerbsfähigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers allein dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vorbehalten (LSG Hamburg, Beschluss vom 28.1.2005, Az. L 3 B 16/05 ER SO und Beschluss vom 22.3.2005, Az. L 3 B 46/05 ER SO; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 1.6.2005, Az. L 7 SO 1840/05 ER-B; LSG Bayern Beschluss vom 13.12.2005, Az. L 11 B 487/05 SO ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.3.2006, Az. L 23 B 1065/05 SO ER - alle veröffentlicht in juris) und der Träger der Grundsicherung nach dem SGB XII daher zu einer solchen Überprüfung nicht berechtigt bzw. jedenfalls nicht verpflichtet ist, kann jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation, in der weder der Leistungsträger nach dem SGB II noch der Leistungsträger nach dem SGB XII, wohl aber der Betroffene selbst an seiner Erwerbsfähigkeit zweifeln, nicht gefolgt werden. Denn in einem solchen Fall wäre der Betroffene nach der soeben zitierten Auffassung im Extremfall möglicherweise genötigt, bis zum 65. Lebensjahr "vorläufig" Leistungen nach dem SGB II anstatt nach dem SGB XII zu beziehen, auch wenn er tatsächlich auf Dauer voll erwerbsgemindert ist, da er gegen den Leistungsträger nach dem SGB II keinen Rechtsanspruch auf Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit hat. Dies würde nicht nur zu einer unerwünschten Verlagerung von Kosten von den Kommunalhaushalten (SGB XII) auf den Bundeshaushalt (Regelleistung nach dem SGB II) führen, sondern auch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen beschneiden. Ein Individualanspruch auf Zuordnung zur richtigen Leistungsart bzw. zum richtigen Leistungsträger besteht in jedem Fall, da das Arbeitslosengeld II und die Grundsicherung bei Erwerbsminderung sich in wesentlichen Punkten strukturell unterscheiden. Dies betrifft beispielsweise die - gegebenenfalls durch Sanktionen nach § 31 SGB II durchsetzbare - Verpflichtung zur Aufnahme einer Arbeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 SGB II, die selbstverständlich keine Entsprechung im Vierten Kapitel des SGB XII hat; die unterschiedlichen Regelungen zur Vermögensanrechnung nach § 12 SGB II bzw. § 90 SGB XII; die unterschiedlichen Mehrbedarfs-Tatbestände des § 21 SGB II im Vergleich zu § 30 SGB XII; sowie nicht zuletzt die Möglichkeit der abweichenden Festsetzung der Regelleistungshöhe nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die wiederum im SGB II keine Entsprechung findet. Zusammenfassend überzeugt daher das Argument, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspreche, die Überprüfung der Erwerbsfähigkeit eines Leistungsbeziehers allein in die Zuständigkeit - und damit mangels eines Rechtsanspruchs des Betroffenen auf eine solche Überprüfung letztlich ins Belieben - des Leistungsträgers nach dem SGB II zu stellen, nicht. Es ist kaum vorstellbar, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben sollte, einem tatsächlich voll Erwerbsgeminderten auf Dauer z. B. einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII oder eine nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erhöhte Regelleistung vorzuenthalten; ihm die ggf. sanktionsbewehrte Verpflichtung aufzuerlegen, seinen Lebensunterhalt durch die Aufnahme einer Arbeit zu sichern; bei ihm andererseits aber nach § 12 SGB II deutlich großzügigere Kriterien bei der Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen anzulegen als es nach § 90 SGB XII möglich wäre; und dies alles nur, weil der Leistungsträger nach dem SGB II keine Veranlassung sieht, die Erwerbsfähigkeit zu überprüfen. Dies ganz zu schweigen von der daraus folgenden strukturellen Verzerrung der Finanzierung existenzsichernder Leistungen zu Lasten des Bundes. Der dahingehenden sozialgerichtlichen Rechtssprechung kann daher nicht gefolgt werden. Hinzuzufügen ist in diesem Zusammenhang, dass die oben zitierten Entscheidungen sämtlich im Rahmen von Eilverfahren nach § 86b Abs. 2 SGG ergangen sind, also die Abgrenzung zwischen SGB II und SGB XII in den dortigen Verfahren - anders als hier - lediglich nach summarischer Prüfung vorläufig bis zur endgültigen Klärung der Erwerbsfähigkeit der Betroffenen zu treffen war. Darüber hinaus hatten sich in sämtlichen dieser Fälle die Antragsteller geweigert, bei den Leistungsträgern nach dem SGB II überhaupt einen Antrag nach § 37 SGB II zu stellen, da sie ausschließlich Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII beziehen wollten. In einer solchen Situation ist der Betroffene selbstverständlich bis zum Abschluss der notwendigen medizinischen Ermittlungen einstweilen auf den Leistungsbezug nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II zu verweisen. Für die endgültige Entscheidung im Verwaltungs-, Widerspruchs- oder Klageverfahren beim bzw. gegen den Leistungsträger nach dem SGB XII ist dieser Verweis - wie oben dargelegt - jedoch nicht zulässig, und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene - wie hier - überhaupt einen Antrag nach § 37 SGB II auf "vorläufiges" Arbeitslosengeld II nach § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II gestellt hat oder nicht.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der beklagte Landkreis den Leistungsantrag des Klägers nicht unter schlichter Berufung auf den Vorrang des zu dieser Zeit bezogenen Arbeitslosengeldes II ablehnen durfte. Der beklagte Landkreis hätte vielmehr entweder zunächst die Rentenversicherung nach § 45 Abs. 1 SGB XII einschalten oder bereits im Verwaltungsverfahren bei der Beigeladenen anfragen müssen, ob dort Erkenntnisse zur Frage der Erwerbsfähigkeit vorlagen und wie diese Frage von der Beigeladenen beurteilt werde. Bei übereinstimmender Annahme der Erwerbsfähigkeit hätte der Leistungsantrag des Klägers dann aufgrund fehlender voller Erwerbsminderung in der Sache abgelehnt werden dürfen; bei divergierenden Auffassungen hätte die Gemeinsame Einigungsstelle angerufen werden müssen. In jedem Fall aber hätte sich der beklagte Landkreis bereits im Rahmen des Antragsverfahrens in eigener Zuständigkeit - ggf. mit Hilfe der Rentenversicherung - mit der medizinischen Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers befassen müssen.
Über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen war im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu entscheiden. Der beklagte Landkreis hatte mit seinen mit der Klage angefochtenen Bescheiden die Leistungsberechtigung bereits dem Grunde nach verneint. Er hat auch im Laufe des Verfahrens kein Anerkenntnis abgegeben oder gar einen Bewilligungsbescheid über die begehrten Leistungen erlassen, der nach § 96 SGG Gegenstand des hier anhängigen Klageverfahrens geworden wäre. Er hat lediglich mit Schriftsatz vom 11.2.2008 dem Kläger eine unstreitige Erledigung des Klageverfahrens angeboten für den Fall, dass der Kläger gleichzeitig Leistungen in einer bestimmten Höhe akzeptiert. Dies hat der Kläger seinerseits abgelehnt. Damit ist die Frage der genauen Höhe der zustehenden Leistungen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, da dahingehende Entscheidungen des beklagten Landkreises bisher nicht vorliegen. Im vorliegenden Verfahren war daher lediglich ein Grundurteil zu erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Klage richtet sich auf die Gewährung laufender Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.
Der Kläger, geboren ..., bezog seit 1992 mit Unterbrechungen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom beklagten Landkreis. Seit 1999 lebt er in L. (Landkreis B.). Bereits zum Inkrafttreten des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) Anfang 2003 hatte der Kläger beim beklagten Landkreis Leistungen nach diesem Gesetz beantragt. Den Antrag hatte er damit begründet, dass seine religiöse Überzeugung ihm verbiete, eine Arbeit anzunehmen. Er empfinde sich vielmehr als zu einem weltfernen, kontemplativen Leben angehalten, das sich nicht vereinbaren lasse mit einer gewöhnlichen Erwerbstätigkeit. Der beklagte Landkreis ersuchte daraufhin den Ärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung (damals: Landesversicherungsanstalt) Baden-Württemberg um eine Begutachtung des Klägers gemäß § 5 Abs. 2 GSiG. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. kam in seinem Gutachten vom 6.5.2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung leide, seine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber nicht unter drei Stunden arbeitstäglich liege. Daraufhin lehnte der beklagte Landkreis den Antrag mit Bescheid vom 15.8.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2003 ab und der Kläger bezog weiterhin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Die dagegen gerichtete Klage beim Verwaltungsgericht F. (Az ...) endete mit einem Vergleich vom 15.2.2005, durch den sich der beklagte Landkreis bereiterklärte, den Kläger unter dem Aspekt seiner Erwerbsfähigkeit erneut begutachten zu lassen.
Seit dem 1.1.2005 bezieht der Kläger laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) von der Arbeitsgemeinschaft B ...
Am 19.1.2005 beantragte der Kläger beim beklagten Landkreis die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er werde fälschlicherweise dem Kreis der Erwerbsfähigen und damit den Leistungsberechtigten nach dem SGB II zugeordnet.
In einer Stellungnahme vom 22.2.2005 für den beklagten Landkreis und die Arbeitsgemeinschaft B. führte der behandelnde Psychiater Dr. von K. aus, dass der Kläger aufgrund einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung auf Dauer als erwerbsunfähig anzusehen sei. Am 7.11.2005 wurde der Kläger im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft B. durch den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Dr. H.) begutachtet. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit anankastischen und querulatorischen Zügen leide, trotzdem aber in der Lage sei, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest im Umfang von 3 - 6 Stunden arbeitstäglich - mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen - zu verrichten. Körperliche Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit seien nicht gegeben. Der beklagte Landkreis legte dieses Gutachten dem Ärztlichen Dienst der Rentenversicherung zur Stellungnahme vor; dieser schloss sich der dortigen Beurteilung an. Mit Bescheid vom 13.6.2006 lehnte der beklagte Landkreis daraufhin den Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ab. Der Kläger beziehe laufende Leistungen nach dem SGB II. Nach § 5 SGB II sowie § 21 Satz 1 SGB XII seien diese Leistungen vorrangig und ein Leistungsbezug nach dem SGB XII ausgeschlossen. Der Umstand, dass der Kläger sich selbst nicht für erwerbsfähig halte, stehe dem nicht entgegen. Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers sei dem Leistungsträger nach dem SGB II vorbehalten. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 19.6.2006 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.9.2006 mit der gleichen Begründung als unbegründet zurückgewiesen.
Am 29.9.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. In diesem Zusammenhang hat er klargestellt, dass er nicht eine Erwerbsminderung aus religiösen Gründen geltend mache, sondern eine Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen, da seine Religiosität und die damit verbundenen Verhaltensweisen nach den üblichen Maßstäben seiner Umgebung als psychische Erkrankung eingestuft würden.
Mit Beschluss vom 28.11.2006 hat das Gericht die Arbeitsgemeinschaft B. nach §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG zum Verfahren beigeladen.
Zur Klärung der Erwerbsfähigkeit des Klägers hat das Gericht zunächst eine sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Nervenarztes des Klägers eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. von K. hat den Kläger laut seiner Auskunft vom 28.11.2006 seit dem Jahr 1995 mehrfach, allerdings seit Ende 2000 nur noch sporadisch behandelt. Er könne der bereits für den beklagten Landkreis im Verwaltungsverfahren gefertigten Stellungnahme zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers vom 22.2.2005 nichts hinzufügen. Wegen des weiteren Inhalts der sachverständigen Zeugenauskunft wird auf diese Bezug genommen.
Ferner hat das Gericht zur Klärung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ein psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. E., Universitätsklinik F., Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik, vom 20.6.2007 eingeholt. Prof. Dr. E. diagnostiziert bei dem Kläger ein Asperger-Autismus-Syndrom. Nahezu alle typischen Symptome dieser Erkrankung lägen bei dem Kläger vor und ließen sich anhand der erhobenen Anamnese bereits in dessen Kindesalter feststellen. Die zuvor von anderen Ärzten getroffene Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung greife zu kurz und erfasse das Ausmaß bzw. die wahre Ursache der Störung nicht. Es bestehe aufgrund der Erkrankung ein massiv gestörtes Sozial- und Kommunikationsverhalten, welches es dem Kläger unmöglich mache, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Anhaltspunkte für eine Simulation oder Aggravation seien nicht erkennbar. Diese Störungen seien durch eine willentliche Anstrengung nicht zu überwinden. Es sei von einer dauerhaften Einschränkung auszugehen; sie bestehe in dieser Form wahrscheinlich bereits seit Beginn des Erwachsenenalters.
Auf ein Ersuchen des beklagten Landkreises nach § 45 Abs. 1 SGB XII hin stellte der Ärztliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg - in Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. E. - daraufhin fest, dass der Kläger in der Tat jedenfalls seit dem Jahr 2005 als voll erwerbsgemindert anzusehen sei und dass es unwahrscheinlich sei, dass dieser Zustand behoben werden könne.
Mit Schriftsatz vom 11.2.2008 teilte der beklagte Landkreis mit, dass er nunmehr auch davon ausgehe, dass der Kläger ohne Wahrscheinlichkeit der Besserung voll erwerbsgemindert sei. Der Landkreis sei allerdings nur bereit, den Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII dem Grunde nach anzuerkennen, wenn der Kläger sich gleichzeitig einverstanden erkläre mit Leistungen in bestimmter Höhe. Dies lehnte der Kläger seinerseits mit Schriftsatz vom 24.2.2008 ab.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des beklagten Landkreises vom 13.6.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.9.2006 aufzuheben und den beklagten Landkreis zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1.1.2005 laufende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Der beklagte Landkreis beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des beklagten Landkreises sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, die das Gericht zum Verfahren beigezogen hatte, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise angehört wurden.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von laufenden Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ab dem 1.1.2005 gegen den beklagten Landkreis. Die anders lautenden Bescheide des beklagten Landkreises sind also rechtswidrig und waren daher aufzuheben.
Der Kläger gehört nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung zum leistungsberechtigten Personenkreis der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach § 41 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Denn er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises, hat das 18. Lebensjahr vollendet, ist unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI und es ist darüber hinaus auch unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Damit sind die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfüllt.
Dass der Kläger voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist, also dass er wegen Krankheit bzw. Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, ist nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung unter den Beteiligten nicht mehr streitig. Der von dem beklagten Landkreis nach § 45 Abs. 1 SGB XII eingeschaltete Ärztliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hat dies am 28.12.2007 aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. E. festgestellt, woran der beklagte Landkreis nach § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gebunden ist. Auch nach Auffassung des Gerichts geht dies aus dem Gutachten von Prof. Dr. E. mit hinreichender Klarheit und nachvollziehbarer Begründung hervor. Prof. Dr. E. setzt sich in seinem Gutachten insbesondere auch ausführlich mit den Vorbefunden auseinander und begründet aus Sicht des Gerichts überzeugend, weswegen sich die bisher gestellten psychiatrischen Diagnosen und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen für das Leistungsvermögen des Klägers nicht oder nur sehr bedingt halten lassen. Prof. Dr. E. ist letztlich der bisher einzige mit dem Kläger befasste Gutachter, der die Natur der Erkrankung sowie all ihre Symptome und Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers wirklich erfasst hat. Deswegen konnte auch erst Prof. Dr. E. die sehr stark ausgeprägte Religiosität des Klägers korrekt einordnen und den - im Rahmen der vorausgegangenen Begutachtungen durchaus im Raum stehende - Verdacht der Simulation abschließend und überzeugend entkräften. Streitig ist ebenfalls nicht mehr, ob es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung wieder behoben werden kann, da sich der Ärztliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung im Einklang mit dem Gutachter Prof. Dr. E. zu dieser Frage ebenfalls im Sinne des Klagebegehrens ausgesprochen hat.
Der Kläger ist auch bedürftig im Sinne des § 41 Abs. 2 SGB II. Ausweislich der in den Verwaltungsakten des beklagten Landkreises sowie der Beigeladenen vorhandenen Unterlagen bezieht der Kläger kein sonstiges Einkommen und verfügt über kein Vermögen, so dass der Kläger dem Grunde nach hilfebedürftig ist.
Dem Leistungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seit dem 1.1.2005 laufende Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) von der Beigeladenen bezieht. Das Gericht ist durch diese Tatsache nicht daran gehindert, dem Kläger für die Zeit ab der Antragstellung beim beklagten Landkreis Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zuzusprechen. Allerdings ist die entstandene Nachzahlung selbstverständlich vom beklagten Landkreis an die Beigeladene zu erstatten, soweit diese einen Erstattungsanspruch geltend macht.
Der beklagte Landkreis hat in den mit der Klage angefochtenen Bescheiden Bezug genommen auf § 5 Abs. 2 SGB II, der den Vorrang des Arbeitslosengeldes II vor der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII regele. Aus § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II ergibt sich ein solcher Vorrang jedoch nicht. Die Vorschrift bestimmt nur, dass Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vor dem Sozialgeld nach § 28 SGB II vorrangig sind. Allerdings bezieht der Kläger kein Sozialgeld nach § 28 SGB II, sondern Arbeitslosengeld II, da er der Beigeladenen bisher als erwerbsfähig galt. Damit sind die Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nicht nach § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss auch aus § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II, der das Arbeitslosengeld II ausdrücklich für vorrangig gegenüber Leistungen nach dem Dritten - nicht aber nach dem Vierten - Kapitel des SGB XII erklärt. Bei den Leistungen nach dem Vierten Kapitel handelt es sich nicht um Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel. § 42 Satz 1 SGB XII verweist zwar auf diese, um Art und Umfang der Grundsicherungsleistungen zu definieren; ihrem Rechtscharakter nach handelt es sich aber jeweils um Leistungen eigener Art, die lediglich in der Regel in gleicher Höhe erbracht und nach weitgehend gleichen rechtlichen Grundsätzen berechnet werden wie die Leistungen nach dem Dritten Kapitel.
Auch nach § 21 SGB XII schließt der Bezug von Arbeitslosengeld II die Berechtigung zu Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nicht in jedem Fall zwingend aus. § 21 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als deren Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten. § 21 Satz 1 SGB XII also bei alleinstehenden Personen einen Leistungsausschluss nach dem SGB XII nur dann vor, wenn der Betroffene das Arbeitslosengeld II als Erwerbsfähiger bezieht. Dies bedeutet, dass das Arbeitslosengeld II nicht bereits dann vorrangig ist, wenn es tatsächlich bezogen wird, sondern nur dann, wenn gleichzeitig positiv feststeht oder jedenfalls von niemandem der Beteiligten (Leistungsbezieher, Leistungsträger nach dem SGB II und Leistungsträger nach dem SGB XII) bezweifelt wird, dass der Leistungsbezieher erwerbsfähig ist. Diese Feststellung wird, wenn sich die Leistungsträger untereinander nicht einig sind, durch die Gemeinsame Einigungsstelle nach § 45 SGB II getroffen. Wenn in einer solchen Situation aus Sicht des Leistungsträgers nach dem SGB XII Zweifel an der Erwerbsfähigkeit berechtigt sind, wendet sich dieser mit einem Ersuchen nach § 45 Abs. 1 SGB XII an die Rentenversicherung und legt das entsprechende Ergebnis dem Leistungsträger nach dem SGB II vor. Nicht ausreichend für den Vorrang des Arbeitslosengeldes II nach § 21 Satz 1 SGB XII ist dagegen, dass die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen ungeklärt ist, er also Arbeitslosengeld II lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II bezieht. Ungeklärt ist die Erwerbsfähigkeit dann, wenn entweder der Leistungsträger nach dem SGB II, der Leistungsträger nach dem SGB XII oder der Betroffene selbst - oder auch mehrere der Genannten - diese substantiiert anzweifeln.
Diese Auslegung der Konkurrenzregelung des § 21 Satz 1 SGB XII ergibt sich aus dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Denn es ist die Situation denkbar, dass die Leistungsträger nach dem SGB II und nach dem SGB XII sich untereinander einig sind, dass der Betroffene erwerbsfähig und daher leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, und nur der Betroffene selbst dem widerspricht. Genau dieses Situation lag im Fall des Klägers bisher vor. Wollte man annehmen, dass in einer solchen Situation der Vorrang des Arbeitslosengeldes II nach § 21 Satz 1 SGB XII stets eingreift, dann stünde dem Betroffenen keine Rechtsschutzmöglichkeit und damit kein Weg zur Überprüfung der Richtigkeit der Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit durch die Behörden offen. Denn ein Anspruch gegen den Leistungsträger nach dem SGB II auf Überprüfung der Erwerbsfähigkeit oder auf Einleitung des Verfahrens vor der Gemeinsamen Einigungsstelle steht dem Leistungsbezieher nicht zu. Seine einzige Möglichkeit, eine solche Überprüfung herbeizuführen, besteht demnach in einem Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Diesen Antrag hat der Kläger bei dem beklagten Landkreis im Januar 2005 gestellt. Diesem Antrag hätte - ggf. unter Einschaltung der Gemeinsamen Einigungsstelle - eine Prüfung und Bescheidung dieser Frage in der Sache gegenüberstehen müssen, die jedoch jedenfalls zunächst nicht erfolgte. Damit bezog der Kläger - mangels positiven Feststehens seiner Erwerbsfähigkeit - Arbeitslosengeld II bisher lediglich nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II. Ein solcher Leistungsbezug fällt aber, wie oben dargelegt, nicht unter die Konkurrenzregelung des § 21 Satz 1 SGB XII. Vielmehr liegt es gerade in der Natur einer "Vorläufigkeitsregelung" wie § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II, dass sie lediglich vorläufig bis zu einer endgültigen Klärung wirkt und damit auch für die Vergangenheit korrigierbar ist.
Der teilweise in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Feststellung der Erwerbsfähigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers allein dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vorbehalten (LSG Hamburg, Beschluss vom 28.1.2005, Az. L 3 B 16/05 ER SO und Beschluss vom 22.3.2005, Az. L 3 B 46/05 ER SO; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 1.6.2005, Az. L 7 SO 1840/05 ER-B; LSG Bayern Beschluss vom 13.12.2005, Az. L 11 B 487/05 SO ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.3.2006, Az. L 23 B 1065/05 SO ER - alle veröffentlicht in juris) und der Träger der Grundsicherung nach dem SGB XII daher zu einer solchen Überprüfung nicht berechtigt bzw. jedenfalls nicht verpflichtet ist, kann jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation, in der weder der Leistungsträger nach dem SGB II noch der Leistungsträger nach dem SGB XII, wohl aber der Betroffene selbst an seiner Erwerbsfähigkeit zweifeln, nicht gefolgt werden. Denn in einem solchen Fall wäre der Betroffene nach der soeben zitierten Auffassung im Extremfall möglicherweise genötigt, bis zum 65. Lebensjahr "vorläufig" Leistungen nach dem SGB II anstatt nach dem SGB XII zu beziehen, auch wenn er tatsächlich auf Dauer voll erwerbsgemindert ist, da er gegen den Leistungsträger nach dem SGB II keinen Rechtsanspruch auf Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit hat. Dies würde nicht nur zu einer unerwünschten Verlagerung von Kosten von den Kommunalhaushalten (SGB XII) auf den Bundeshaushalt (Regelleistung nach dem SGB II) führen, sondern auch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen beschneiden. Ein Individualanspruch auf Zuordnung zur richtigen Leistungsart bzw. zum richtigen Leistungsträger besteht in jedem Fall, da das Arbeitslosengeld II und die Grundsicherung bei Erwerbsminderung sich in wesentlichen Punkten strukturell unterscheiden. Dies betrifft beispielsweise die - gegebenenfalls durch Sanktionen nach § 31 SGB II durchsetzbare - Verpflichtung zur Aufnahme einer Arbeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 SGB II, die selbstverständlich keine Entsprechung im Vierten Kapitel des SGB XII hat; die unterschiedlichen Regelungen zur Vermögensanrechnung nach § 12 SGB II bzw. § 90 SGB XII; die unterschiedlichen Mehrbedarfs-Tatbestände des § 21 SGB II im Vergleich zu § 30 SGB XII; sowie nicht zuletzt die Möglichkeit der abweichenden Festsetzung der Regelleistungshöhe nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die wiederum im SGB II keine Entsprechung findet. Zusammenfassend überzeugt daher das Argument, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspreche, die Überprüfung der Erwerbsfähigkeit eines Leistungsbeziehers allein in die Zuständigkeit - und damit mangels eines Rechtsanspruchs des Betroffenen auf eine solche Überprüfung letztlich ins Belieben - des Leistungsträgers nach dem SGB II zu stellen, nicht. Es ist kaum vorstellbar, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben sollte, einem tatsächlich voll Erwerbsgeminderten auf Dauer z. B. einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII oder eine nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erhöhte Regelleistung vorzuenthalten; ihm die ggf. sanktionsbewehrte Verpflichtung aufzuerlegen, seinen Lebensunterhalt durch die Aufnahme einer Arbeit zu sichern; bei ihm andererseits aber nach § 12 SGB II deutlich großzügigere Kriterien bei der Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen anzulegen als es nach § 90 SGB XII möglich wäre; und dies alles nur, weil der Leistungsträger nach dem SGB II keine Veranlassung sieht, die Erwerbsfähigkeit zu überprüfen. Dies ganz zu schweigen von der daraus folgenden strukturellen Verzerrung der Finanzierung existenzsichernder Leistungen zu Lasten des Bundes. Der dahingehenden sozialgerichtlichen Rechtssprechung kann daher nicht gefolgt werden. Hinzuzufügen ist in diesem Zusammenhang, dass die oben zitierten Entscheidungen sämtlich im Rahmen von Eilverfahren nach § 86b Abs. 2 SGG ergangen sind, also die Abgrenzung zwischen SGB II und SGB XII in den dortigen Verfahren - anders als hier - lediglich nach summarischer Prüfung vorläufig bis zur endgültigen Klärung der Erwerbsfähigkeit der Betroffenen zu treffen war. Darüber hinaus hatten sich in sämtlichen dieser Fälle die Antragsteller geweigert, bei den Leistungsträgern nach dem SGB II überhaupt einen Antrag nach § 37 SGB II zu stellen, da sie ausschließlich Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII beziehen wollten. In einer solchen Situation ist der Betroffene selbstverständlich bis zum Abschluss der notwendigen medizinischen Ermittlungen einstweilen auf den Leistungsbezug nach der "Vorläufigkeitsregelung" des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II zu verweisen. Für die endgültige Entscheidung im Verwaltungs-, Widerspruchs- oder Klageverfahren beim bzw. gegen den Leistungsträger nach dem SGB XII ist dieser Verweis - wie oben dargelegt - jedoch nicht zulässig, und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene - wie hier - überhaupt einen Antrag nach § 37 SGB II auf "vorläufiges" Arbeitslosengeld II nach § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II gestellt hat oder nicht.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der beklagte Landkreis den Leistungsantrag des Klägers nicht unter schlichter Berufung auf den Vorrang des zu dieser Zeit bezogenen Arbeitslosengeldes II ablehnen durfte. Der beklagte Landkreis hätte vielmehr entweder zunächst die Rentenversicherung nach § 45 Abs. 1 SGB XII einschalten oder bereits im Verwaltungsverfahren bei der Beigeladenen anfragen müssen, ob dort Erkenntnisse zur Frage der Erwerbsfähigkeit vorlagen und wie diese Frage von der Beigeladenen beurteilt werde. Bei übereinstimmender Annahme der Erwerbsfähigkeit hätte der Leistungsantrag des Klägers dann aufgrund fehlender voller Erwerbsminderung in der Sache abgelehnt werden dürfen; bei divergierenden Auffassungen hätte die Gemeinsame Einigungsstelle angerufen werden müssen. In jedem Fall aber hätte sich der beklagte Landkreis bereits im Rahmen des Antragsverfahrens in eigener Zuständigkeit - ggf. mit Hilfe der Rentenversicherung - mit der medizinischen Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers befassen müssen.
Über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen war im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu entscheiden. Der beklagte Landkreis hatte mit seinen mit der Klage angefochtenen Bescheiden die Leistungsberechtigung bereits dem Grunde nach verneint. Er hat auch im Laufe des Verfahrens kein Anerkenntnis abgegeben oder gar einen Bewilligungsbescheid über die begehrten Leistungen erlassen, der nach § 96 SGG Gegenstand des hier anhängigen Klageverfahrens geworden wäre. Er hat lediglich mit Schriftsatz vom 11.2.2008 dem Kläger eine unstreitige Erledigung des Klageverfahrens angeboten für den Fall, dass der Kläger gleichzeitig Leistungen in einer bestimmten Höhe akzeptiert. Dies hat der Kläger seinerseits abgelehnt. Damit ist die Frage der genauen Höhe der zustehenden Leistungen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, da dahingehende Entscheidungen des beklagten Landkreises bisher nicht vorliegen. Im vorliegenden Verfahren war daher lediglich ein Grundurteil zu erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Rechtskraft
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