S 6 AS 1903/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 1903/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Widerspruch ist nicht erfolgreich im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn die vermeintliche Abhilfeentscheidung des Rechtsträgers nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand (hier: nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten) zuzurechnen ist (Anschluss an BSG, 21.7.1992 - 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr 3 und an VG Oldenburg, 17.1.2003 - 13 A 96/02).
Die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt C ... F ..., F ..., werden mangels Erfolgsaussicht der Hauptsache abgelehnt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Erstattung von Kosten im Widerspruchsverfahren. Die Kläger und Antragsteller bezogen auf Grund des Bescheides vom 14.11.2007 Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten. Mit Bescheid vom 22.1.2008 gegenüber dem Kläger und Antragsteller zu 1. entzog die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 1.2.2008 ganz. Der Kläger und Antragsteller sei seinen Mitwirkungspflichten dadurch nicht nachgekommen, dass er fehlende Unterlagen oder Nachweise, nämlich Kontoauszüge vom 15.7.2007 bis zum 15.10.2007, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt habe. Falls er die Mitwirkung noch nachhole und die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, werde die Beklagte prüfen, ob sie die Leistungen ganz oder teilweise nachzahlen könne. Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Kläger und Antragsteller am 1.2.2008 Widerspruch, den er damit begründete, dass ein Aufhebungstatbestand nicht vorliege. Ihn legitimierende Vollmachten legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger und Antragsteller der Beklagten erst am 21.2.2008 vor. Nach dem Faxaufdruck auf dem Widerspruchsschreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger und Antragsteller ist der Widerspruch um 12:39 Uhr bei der Beklagten eingegangen. Ebenfalls am 1.2.2008 legte der Kläger und Antragsteller zu 1. Kontoauszüge über sein Konto für die Zeit vom 2.7.2007 bis zum 22.11.2007 bei der Beklagten vor. Auf der Kopie der Kontoauszüge ist ein Eingang am 1.2.2008, 14 Uhr vermerkt. Daraufhin zahlte die Beklagte dem Kläger und Antragsteller zu 1. noch am 1.2.2008 einen Betrag von 500 Euro aus. Mit Bescheid vom 7.2.2008 teilte die Beklagte dem Kläger und Antragsteller zu 1. "mit, dass auf Grund [seiner] nachgeholten Mitwirkungspflicht (Vorlage der Kontoauszüge vom 15.07.2007 bis 15.10.2007), [seine] o.g. Lei[s]tungen [zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II] wieder angeordnet worden sind." Mit Widerspruchsbescheid vom 13.3.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers und Antragstellers zu 1. zurück. Die Versagung der Leistungen ab 1.2.2008 sei rechtmäßig gewesen. Gleichzeitig entschied sie, dass im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls entstandene notwendige Aufwendungen nicht erstattet werden könnten. Gegen die Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.3.2008 erhoben die Kläger und Antragsteller vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten am 15.4.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg. Sie sind der Auffassung, dass die Beklagte jedenfalls mit Bescheid vom 7.2.2008 dem Widerspruch des Klägers und Antragstellers zu 1. gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.1.2008 abgeholfen habe. Gleichzeitig haben sie beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C ... F ..., F ..., zu gewähren, und zur Glaubhaftmachung ihrer Bedürftigkeit ein von den Klägern und Antragstellern zu 1. und zu 2. unterzeichnetes Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" sowie einen Bewilligungsbescheid der Beklagten vorgelegt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass die Wiedergewährung der Leistungen ausschließlich deshalb erfolgt sei, weil die Mitwirkung am 1.2.2008 nachgeholten worden sei. Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II. Der zulässige Antrag der Kläger und Antragsteller auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung von Rechtsanwalt C ... F ..., F ..., ist unbegründet. Die Klagen haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozesskostenführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Die von den Klägern und Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Es genügt, wenn nach den gesamten Umständen des Falles immerhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges besteht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Kläger und Antragsteller berufen sich zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf § 63 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist ein Widerspruch erfolgreich, auf den hin der angefochtenen Verwaltungsakt völlig oder teilweise aufgehoben wird (von Wulffen-Roos, SGB X, § 63 Rdnr. 18 m. w. N.). Zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung der Behörde muss eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehen (BSG, 21.7.1992 – 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr 3, juris-Rdnr. 18). Dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn außerhalb des Widerspruchsverfahrens liegende, andere sachliche Gründe zum Erlass der den Widerspruchsführer begünstigenden Entscheidung geführt haben (BSG, 21.7.1992 – 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr 3, juris-Rdnr. 19; VG Oldenburg, 17.1.2003 – 13 A 96/02, juris-Rdnr. 6; von Wulffen-Roos, SGB X, § 63 Rdnr. 18; KassKomm-Krasney, § 63 SGB X, Rdnr. 6). So liegt der Fall hier. Nicht der Widerspruch vom 1.2.2008, mit dem geltend gemacht wurde, dass ein Aufhebungsgrund nicht vorliege, sondern die Nachholung der vom Kläger und Antragsteller zu 1. angeforderten Mitwirkungshandlung (Vorlage der Kontoauszügen Juli bis Oktober 2007) führte zum Bescheid der Beklagten vom 7.2.2008. Der Widerspruch ist nicht einmal im Sinne der Äquivalenztheorie ursächlich für diese Entscheidung geworden. Selbst wenn kein Widerspruch eingelegt worden wäre, hätte die Beklagte dennoch nach Nachholung der Mitwirkungshandlung die Leistungen gewährt. Konsequenterweise hat denn die Beklagte auch den Widerspruch des Klägers und Antragstellers zu 1. im Widerspruchsbescheid vom 13.3.2008 zurückgewiesen. Nach Auffassung der Kammer, die im Einklang mit der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung (BSG, 21.7.1992 – 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr 3, juris-Rdnr. 20; VG Oldenburg, 17.1.2003 – 13 A 96/02, juris-Rdnr. 6 [der in juris veröffentlichte Leitsatz gibt den Inhalt der Entscheidung allerdings falsch wieder]) und Schrifttum (von Wulffen-Roos, SGB X, § 63 Rdnr. 18; KassKomm-Krasney, § 63 SGB X, Rdnr. 6) steht, ist der Widerspruch vom 1.2.2008 daher nicht erfolgreich im Rechtssinne gewesen. Da nach alledem die Klagen aller Kläger und Antragsteller voraussichtlich jedenfalls unbegründet sind, braucht im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, ob die Klagen der Klägerinnen und Antragstellerinnen zu 2. bis 4. voraussichtlich auch unzulässig sind. Dafür könnte sprechen, dass der Widerspruchsbescheid ausdrücklich nur an den Kläger und Antragsteller zu 1. gerichtet ist. Andererseits hat das Bundessozialgericht sogar die Möglichkeit anerkannt, dass die Kosten von einen Widerspruchsverfahren überhaupt nicht Beteiligten analog § 63 SGB X erstattet werden (BSG, 11.12.1985 – 6 RKa 35/84, SozR 1300 § 63 Nr 7).
Rechtskraft
Aus
Saved