Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 4 AS 834/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 91/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung über einen Widerspruch i.S.d. § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG kann bei einer vorübergehenden besonderen Belastung, etwa wenn aufgrund einer Gesetzesänderung für einen begrenzten Zeitraum viele Anträge zu bearbeiten sind, oder bei einem Umzug oder organisatorischen Änderungen einer Behörde gegeben sein.
2. Kein zureichender Grund liegt jedoch bei dauerhaftem Personalmangel oder dauerhaft unzureichender Ausstattung mit sachlichen Mitteln vor. Ein Amtswalter kann sich nicht darauf berufen, zur Aufgabenerfüllung mangels hinreichender Ausstattung mit den erforderlichen Mitteln nicht in der Lage zu sein. Der gesetzliche Auftrag schließt aus, sich dauerhaft auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Unmöglichkeit zu berufen.
2. Kein zureichender Grund liegt jedoch bei dauerhaftem Personalmangel oder dauerhaft unzureichender Ausstattung mit sachlichen Mitteln vor. Ein Amtswalter kann sich nicht darauf berufen, zur Aufgabenerfüllung mangels hinreichender Ausstattung mit den erforderlichen Mitteln nicht in der Lage zu sein. Der gesetzliche Auftrag schließt aus, sich dauerhaft auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Unmöglichkeit zu berufen.
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 10.12.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Tragung der außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren, in dem die Klägerin eine Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben hatte.
Die Beklagte gewährte der 1952 geborenen Klägerin auf deren Antrag mit Bescheid vom 14.02.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.03.2006 bis 31.08.2006 in Höhe von monatlich 254,40 EUR. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 28.02.2006. Die Beklagte habe bei der Berechnung der Leistungen die Versicherungspauschale und den Beitrag zur Kfz-Versicherung nicht berücksichtigt.
Am 01.06.2006 hat die Klägerin ihr Begehren mit der zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Untätigkeitsklage weiter verfolgt. Die Beklagte habe über ihren Widerspruch nicht in angemessener Zeit entschieden. Daher sei die Untätigkeitsklage zulässig.
Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2006 den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Daraufhin hat diese ihre Klage zurückgenommen und beantragt, der Beklagten aufzuerlegen, ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu tragen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten, es habe ihrerseits keine Untätigkeit vorgelegen. In einem älteren Verfahren habe die Bevollmächtigte der Klägerin um Akteneinsicht gebeten. Jedoch habe die Bevollmächtigte auf ein Schreiben vom 27.04.2006, in welchem die Modalitäten der Akteneinsicht mitgeteilt worden seien, nicht reagiert. Aus diesem Grund habe man über beide Widersprüche nicht entscheiden können. Aus prozessökonomischen Gründen sei die Beklagte auch gehalten gewesen, das Ergebnis der beantragten Akteneinsicht abzuwarten.
Das SG hat mit Beschluss vom 10.12.2007 entschieden, die Beklagte habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang zu erstatten. Die gemäß § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene Untätigkeitsklage sei zulässig und begründet. Sie sei zulässig, weil die Beklagte nicht innerhalb der in § 88 Abs. 2 SGG nor-mierten Frist von drei Monaten über den Widerspruch der Klägerin entschieden habe. Es könne dahinstehen, ob der Beklagten ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG für die Nichtentscheidung innerhalb der Frist zur Verfügung gestanden habe. Nach herrschender Meinung habe die Beklagte bei einer zulässigen Untätigkeitsklage in der Regel die außergerichtlichen Kosten der Klägerseite zu tragen, weil letztere mit einer Bescheidung innerhalb der 3-Monats-Frist habe rechnen dürfen. Dieser Auffassung schließe sich das SG an. Entscheide die Beklagte nicht innerhalb der in § 88 Abs. 2 SGG genannten Frist, gebe sie der Klägerin Veranlassung zur Erhebung der Untätigkeitsklage, es sei denn, diese könne bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung erkennen, dass ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Verwaltung bestanden habe. Im vorliegenden Verfahren lägen keine sachlichen Gründe für eine nicht fristgemäße Entscheidung vor. Im hier streitigen Widerspruchsverfahren habe die Bevollmächtigte auch nicht Akteneinsicht beantragt. Die Beklagte sei somit nicht daran gehindert gewesen, über den Widerspruch der Klägerin rechtzeitig zu entscheiden. Sie habe insbesondere nicht das Widerspruchsverfahren bezüglich des früheren Widerspruchs abwarten müssen.
Gegen den der Beklagten am 27.12.2007 zugestellten Beschluss hat diese am 28.01.2008 beim SG Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Untätigkeitsklage der Klägerin habe weder zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hinreichende Erfolgsaussichten gehabt, weil der Beklagten ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 SGG für die Nichtentscheidung innerhalb der 3-Monats-Frist zur Seite gestanden habe. Dieser liege in einer in einem unverhältnismäßigen Maße steigenden Arbeitsüberlastung der Beklagten infolge einer eklatanten Vervielfältigung zu bearbeitender Fälle aus dem Bereich des SGB II.
Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 10.12.2007 entschieden, die Beklagte habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang zu tragen.
Gemäß § 193 SGG hat das Gericht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Bei einer Entscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG sind nach sachgerechtem Ermessen einerseits die Erfolgsaussichten der Klage maßgebend und andererseits, ob einer der Beteiligten Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben hat (Meyer-Ladewig/Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr. 12b). Eine Sachaufklärung ist nur zur Herbeiführung der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache nicht mehr zulässig (Meyer-Ladewig/Leitherer, a.a.O., § 193 Rdnr. 13d).
1. Zwar endete das allein auf den Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtete Hauptsacheverfahren durch mit Schriftsatz vom 26.10.2007 nach Erlass eines Widerspruchsbescheides erklärter Klagerücknahme, weil nach Erlass des Widerspruchsbescheides eine Untätigkeit der Beklagten nicht mehr vorlag.
2. Die von der Klägerin eingereichte Untätigkeitsklage war jedoch – wie vom SG zutreffend ausgeführt – bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.
a) Sie war zulässig. Gemäß § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG ist die Untätigkeitsklage zulässig, wenn über einen Widerspruch in einer angemessenen Frist von drei Monaten seit der Einreichung des Widerspruchs nicht entschieden worden ist. Das war vorliegend der Fall. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 14.02.2006 ging bei der Beklagten am 28.02.2006 ein. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Untätigkeitsklage beim SG am 01.06.2006 war die 3-Monats-Frist seit Widerspruchseinlegung folglich abgelaufen.
b) Die Untätigkeitsklage war auch begründet. Die Beklagte hat ohne zureichenden Grund nicht innerhalb der genannten Frist über den Widerspruch der Klägerin entschieden. Ein zureichender Grund kann – wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt – bei einer vorü-bergehenden besonderen Belastung, etwa wenn aufgrund einer Gesetzesänderung für einen begrenzten Zeitraum viele Anträge zu bearbeiten sind, oder bei einem Umzug oder organisatorischen Änderungen einer Behörde gegeben sein (BVerwG, Urteil vom 23.03.1973 – IV C 2.71 –, BVerwGE 42, 108; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 88 Rdnr. 7a). Kein zureichender Grund liegt jedoch bei dauerhaftem Personalman-gel oder dauerhaft unzureichender Ausstattung mit sachlichen Mitteln vor (BSG, Urteil vom 08.12.1993 – 14a RKa 1/93, zitiert nach Juris, Rdnr. 26; Leitherer, a.a.O., Rn. 7b). Das BSG hat in seiner o.g. Entscheidung klargestellt, dass ein Amtswalter sich nicht dauerhaft darauf berufen kann, zur Aufgabenerfüllung mangels hinreichender Ausstattung mit den erforderlichen Mitteln nicht in der Lage zu sein. Der gesetzliche Auftrag schließe es aus, sich dauerhaft auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Unmöglichkeit zu berufen (BSG, Urteil vom 08.12.1993, a.a.O., Rdnr. 26).
Vorliegend ist kein zureichender Grund für die Nichtentscheidung innerhalb der 3-Monats-rist gegeben, weil es sich – wie von der Beklagten selbst eingeräumt – bei ihrer Arbeitsüberlastung nicht nur um eine vorübergehende im Sinne o.g. Rechtsprechung, sondern um eine dauerhafte, handelt. Eine mehrjährige Arbeitsüberlastung (hier: seit Inkrafttreten des SGB II am 01.01.2005) stellt keine lediglich vorübergehende Arbeitsüberlastung dar. Dies umso mehr als die Beklagte selbst einräumt, dass ein Ende dieser extrem hohen Arbeitsbe-lastung nicht sichtbar ist.
Das gefundene Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber nach Erlass des SGB II und unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Arbeitsbelastung für die mit dieser Materie betrauten Behörden § 88 SGG nicht geändert hat. Auch im Rahmen der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Achten SGG-Änderungsnovelle ist eine Änderung von § 88 SGG nicht beabsichtigt (Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes, BR-Drucks. 820/07; Tabara, NZS 2008, S.8 ff.).
Soweit sich die Beklagte auf das Akteneinsichtsgesuch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bezüglich eines nicht streitgegenständlichen anderen Widerspruchs berufen hat, wird auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen. Dies gilt umso mehr, als der streitgegenständliche Widerspruch ordnungsgemäß begründet war, und die Beklagte im hier maßgeblichen Verfahren nicht darauf hingewiesen hatte, dass die Akteneinsicht der Klägerin und eine sich ggf. hieran anschließende weitere Begründung des nicht streitgegenständlichen weiteren Widerspruchs abgewartet werden sollte.
Nach alledem war die Beschwerde der Beklagten zurückzuweisen.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Tragung der außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren, in dem die Klägerin eine Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben hatte.
Die Beklagte gewährte der 1952 geborenen Klägerin auf deren Antrag mit Bescheid vom 14.02.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.03.2006 bis 31.08.2006 in Höhe von monatlich 254,40 EUR. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 28.02.2006. Die Beklagte habe bei der Berechnung der Leistungen die Versicherungspauschale und den Beitrag zur Kfz-Versicherung nicht berücksichtigt.
Am 01.06.2006 hat die Klägerin ihr Begehren mit der zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Untätigkeitsklage weiter verfolgt. Die Beklagte habe über ihren Widerspruch nicht in angemessener Zeit entschieden. Daher sei die Untätigkeitsklage zulässig.
Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2006 den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Daraufhin hat diese ihre Klage zurückgenommen und beantragt, der Beklagten aufzuerlegen, ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu tragen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten, es habe ihrerseits keine Untätigkeit vorgelegen. In einem älteren Verfahren habe die Bevollmächtigte der Klägerin um Akteneinsicht gebeten. Jedoch habe die Bevollmächtigte auf ein Schreiben vom 27.04.2006, in welchem die Modalitäten der Akteneinsicht mitgeteilt worden seien, nicht reagiert. Aus diesem Grund habe man über beide Widersprüche nicht entscheiden können. Aus prozessökonomischen Gründen sei die Beklagte auch gehalten gewesen, das Ergebnis der beantragten Akteneinsicht abzuwarten.
Das SG hat mit Beschluss vom 10.12.2007 entschieden, die Beklagte habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang zu erstatten. Die gemäß § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene Untätigkeitsklage sei zulässig und begründet. Sie sei zulässig, weil die Beklagte nicht innerhalb der in § 88 Abs. 2 SGG nor-mierten Frist von drei Monaten über den Widerspruch der Klägerin entschieden habe. Es könne dahinstehen, ob der Beklagten ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG für die Nichtentscheidung innerhalb der Frist zur Verfügung gestanden habe. Nach herrschender Meinung habe die Beklagte bei einer zulässigen Untätigkeitsklage in der Regel die außergerichtlichen Kosten der Klägerseite zu tragen, weil letztere mit einer Bescheidung innerhalb der 3-Monats-Frist habe rechnen dürfen. Dieser Auffassung schließe sich das SG an. Entscheide die Beklagte nicht innerhalb der in § 88 Abs. 2 SGG genannten Frist, gebe sie der Klägerin Veranlassung zur Erhebung der Untätigkeitsklage, es sei denn, diese könne bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung erkennen, dass ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Verwaltung bestanden habe. Im vorliegenden Verfahren lägen keine sachlichen Gründe für eine nicht fristgemäße Entscheidung vor. Im hier streitigen Widerspruchsverfahren habe die Bevollmächtigte auch nicht Akteneinsicht beantragt. Die Beklagte sei somit nicht daran gehindert gewesen, über den Widerspruch der Klägerin rechtzeitig zu entscheiden. Sie habe insbesondere nicht das Widerspruchsverfahren bezüglich des früheren Widerspruchs abwarten müssen.
Gegen den der Beklagten am 27.12.2007 zugestellten Beschluss hat diese am 28.01.2008 beim SG Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Untätigkeitsklage der Klägerin habe weder zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hinreichende Erfolgsaussichten gehabt, weil der Beklagten ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 SGG für die Nichtentscheidung innerhalb der 3-Monats-Frist zur Seite gestanden habe. Dieser liege in einer in einem unverhältnismäßigen Maße steigenden Arbeitsüberlastung der Beklagten infolge einer eklatanten Vervielfältigung zu bearbeitender Fälle aus dem Bereich des SGB II.
Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 10.12.2007 entschieden, die Beklagte habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang zu tragen.
Gemäß § 193 SGG hat das Gericht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Bei einer Entscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG sind nach sachgerechtem Ermessen einerseits die Erfolgsaussichten der Klage maßgebend und andererseits, ob einer der Beteiligten Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben hat (Meyer-Ladewig/Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr. 12b). Eine Sachaufklärung ist nur zur Herbeiführung der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache nicht mehr zulässig (Meyer-Ladewig/Leitherer, a.a.O., § 193 Rdnr. 13d).
1. Zwar endete das allein auf den Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtete Hauptsacheverfahren durch mit Schriftsatz vom 26.10.2007 nach Erlass eines Widerspruchsbescheides erklärter Klagerücknahme, weil nach Erlass des Widerspruchsbescheides eine Untätigkeit der Beklagten nicht mehr vorlag.
2. Die von der Klägerin eingereichte Untätigkeitsklage war jedoch – wie vom SG zutreffend ausgeführt – bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.
a) Sie war zulässig. Gemäß § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG ist die Untätigkeitsklage zulässig, wenn über einen Widerspruch in einer angemessenen Frist von drei Monaten seit der Einreichung des Widerspruchs nicht entschieden worden ist. Das war vorliegend der Fall. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 14.02.2006 ging bei der Beklagten am 28.02.2006 ein. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Untätigkeitsklage beim SG am 01.06.2006 war die 3-Monats-Frist seit Widerspruchseinlegung folglich abgelaufen.
b) Die Untätigkeitsklage war auch begründet. Die Beklagte hat ohne zureichenden Grund nicht innerhalb der genannten Frist über den Widerspruch der Klägerin entschieden. Ein zureichender Grund kann – wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt – bei einer vorü-bergehenden besonderen Belastung, etwa wenn aufgrund einer Gesetzesänderung für einen begrenzten Zeitraum viele Anträge zu bearbeiten sind, oder bei einem Umzug oder organisatorischen Änderungen einer Behörde gegeben sein (BVerwG, Urteil vom 23.03.1973 – IV C 2.71 –, BVerwGE 42, 108; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 88 Rdnr. 7a). Kein zureichender Grund liegt jedoch bei dauerhaftem Personalman-gel oder dauerhaft unzureichender Ausstattung mit sachlichen Mitteln vor (BSG, Urteil vom 08.12.1993 – 14a RKa 1/93, zitiert nach Juris, Rdnr. 26; Leitherer, a.a.O., Rn. 7b). Das BSG hat in seiner o.g. Entscheidung klargestellt, dass ein Amtswalter sich nicht dauerhaft darauf berufen kann, zur Aufgabenerfüllung mangels hinreichender Ausstattung mit den erforderlichen Mitteln nicht in der Lage zu sein. Der gesetzliche Auftrag schließe es aus, sich dauerhaft auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Unmöglichkeit zu berufen (BSG, Urteil vom 08.12.1993, a.a.O., Rdnr. 26).
Vorliegend ist kein zureichender Grund für die Nichtentscheidung innerhalb der 3-Monats-rist gegeben, weil es sich – wie von der Beklagten selbst eingeräumt – bei ihrer Arbeitsüberlastung nicht nur um eine vorübergehende im Sinne o.g. Rechtsprechung, sondern um eine dauerhafte, handelt. Eine mehrjährige Arbeitsüberlastung (hier: seit Inkrafttreten des SGB II am 01.01.2005) stellt keine lediglich vorübergehende Arbeitsüberlastung dar. Dies umso mehr als die Beklagte selbst einräumt, dass ein Ende dieser extrem hohen Arbeitsbe-lastung nicht sichtbar ist.
Das gefundene Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber nach Erlass des SGB II und unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Arbeitsbelastung für die mit dieser Materie betrauten Behörden § 88 SGG nicht geändert hat. Auch im Rahmen der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Achten SGG-Änderungsnovelle ist eine Änderung von § 88 SGG nicht beabsichtigt (Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes, BR-Drucks. 820/07; Tabara, NZS 2008, S.8 ff.).
Soweit sich die Beklagte auf das Akteneinsichtsgesuch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bezüglich eines nicht streitgegenständlichen anderen Widerspruchs berufen hat, wird auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen. Dies gilt umso mehr, als der streitgegenständliche Widerspruch ordnungsgemäß begründet war, und die Beklagte im hier maßgeblichen Verfahren nicht darauf hingewiesen hatte, dass die Akteneinsicht der Klägerin und eine sich ggf. hieran anschließende weitere Begründung des nicht streitgegenständlichen weiteren Widerspruchs abgewartet werden sollte.
Nach alledem war die Beschwerde der Beklagten zurückzuweisen.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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