Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 31 SF 35/08 AS-F
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 B 337/08 AS-KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
PKH-Vergütung in Sozialrechtsangelegenheiten
Zur \"Mitwirkung des Anwalts\" durch Erledigungserklärung.
Abgrenzung zum Anerkenntnis
Zur \"Mitwirkung des Anwalts\" durch Erledigungserklärung.
Abgrenzung zum Anerkenntnis
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 11.04.2008 abgeändert. Die dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 452,20 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Vergütungsfestsetzung des Beschwerdegegners im Rahmen der Prozesskostenhilfe.
Der Beschwerdegegner, der den Kläger schon im Widerspruchsverfahren vertreten hatte, erhob am 09.03.2007 Klage zum Sozialgericht Chemnitz mit folgenden Anträgen:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06.02.2007, Geschäftszeichen 611-BG. Nr.: 07802BG0008351, wird in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2007, Geschäftszeichen 698.2-BG-Nr.: 07802BG0008351-W161/06, aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis 31.01.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.087,05 EUR zu bewilligen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Mit Bescheid vom 27.12.2005 hatte die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.01.2005 in Höhe von 535,93 EUR aufgehoben. Dieser Bescheid war mit Bescheid vom 06.02.2007 dahingehend abgeändert worden, dass sich der Aufhebungsbetrag auf insgesamt 252,62 EUR ermäßigte. Während des Klageverfahrens erging ein weiterer Änderungsbescheid (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26.07.2007), welcher den Rückforderungsbetrag noch einmal ermäßigte und zwar auf insgesamt 65,51 EUR. Nach kurzer schriftlicher Erörterung von einigen Randfragen erklärte der Beschwerdegegner im Namen und Auftrag der Klägerin den Rechtsstreit am 06.11.2007 für erledigt.
Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 13.11.2007 bewilligt.
Mit Schreiben vom 25.01.2008 bezifferte der Beschwerdegegner seine Vergütungsforderung wie folgt:
Text VV RVG Nr. Betrag Verfahrensgebühr 3102, 3103 170,00 EUR Terminsgebühr 3106 200,00 EUR Erledigungsgebühr 1000, 1005, 1006 190,00 EUR Auslagenpauschale 7002 20,00 EUR Zwischensumme 580,00 EUR Mehrwertsteuer 110,20 EUR Gesamtsumme 690,20 EUR
Die zuständige Kostenbeamtin setzte die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Bescheid vom 27.02.2008 auf 226,10 EUR fest. Es sei weder eine Terminsgebühr noch eine Erledigungsgebühr verdient worden. Auf die Erinnerung hat das Sozialgericht Chemnitz mit Beschluss vom 11. April 2008 die Vergütung auf 464,10 EUR festgesetzt. Die Terminsgebühr sei angefallen. Das Nachgeben der Beklagten stelle nämlich ein Anerkenntnis dar, die Erledigungserklärung sei als Annahme dieses Anerkenntnisses auszulegen. Gemäß Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG entstehe eine Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung ende.
Gegen die dem Bezirksrevisor am 16.04.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich dessen am 24.04.2008 beim Sozialgericht Chemnitz – mithin rechtzeitig, § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors, mit der beantragt wird, die PKH-Vergütung auf 226,10 EUR festzusetzen. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Es sei nämlich kein Anerkenntnis abgegeben worden. Im Übrigen sei gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kostentragung des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden gewesen, anstatt die Staatskasse ohne Weiteres in der Zahlungspflicht zu belassen. Dies sei jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerde ist der Beschwerdegegner mit dem Argument entgegengetreten, die Beklagte habe im Wege der einseitigen Erklärung das Zugeständnis abgegeben, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch im Wesentlichen bestehe. Dies sei ein Anerkenntnis (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 101 Rdnr. 20). Die Beklagte habe als solche eine prozessbeendende Erklärung nur in der Form eines Anerkenntnisses abgeben können. Eine Erledigungserklärung wäre ihr selbst nicht möglich gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem geltend gemachten Streitpunkt vollumfänglich begründet, allerdings führt sie nur zu einer unwesentlichen Herabsetzung des Erstattungsbetrages, da statt der Terminsgebühr eine Erledigungsgebühr angefallen ist.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wird schon alleine mit dem Vorbringen, die Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR sei nicht angefallen, die Mindestbeschwer des § 33 Abs. 3 Satz 1 erreicht, denn einschließlich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer wird damit der Betrag von 200,00 EUR überschritten.
In rechtlicher Hinsicht ist die Beschwerde begründet, denn eine Terminsgebühr ist nicht entstanden. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung oder ein Erörterungstermin hat nicht stattgefunden. Gemäß VV RVG Nr. 3106 entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Die Beendigung der Rechtshängigkeit durch angenommenes Anerkenntnis gemäß § 101 Abs. 2 SGG ist in den deutschen Prozessordnungen singulär. Grundsätzlich wird der Gegenstand der Klage durch den "ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG) umrissen. Im Rahmen der auch im Sozialgerichtsverfahren geltenden Dispositionsmaxime hat es aber der Kläger in der Hand, einen hiervon mehr oder weniger abweichenden Klageantrag zu stellen. Sofern kein Vorverfahren stattgefunden hat, kann dieser Antrag unzulässig sein, gleichwohl steht es dem Versicherungsträger frei, auch solch einen geltend gemachten Klageanspruch anzuerkennen. Ob mit diesem Anerkenntnis tatsächlich der gesamte Streitstoff, also insbesondere auch der Streit um den "ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" seine Erledigung gefunden hat, entscheidet der Kläger dann durch die Annahme des Anerkenntnisses. Nimmt er es nicht an, bleibt der Rechtsstreit anhängig, es wäre also unabhängig von der Frage, ob die Beteiligten sich über diesen Punkt längst einig sind, über den gestellten und im gewählten Beispielsfall unzulässigen Antrag zu entscheiden. Ein so genanntes Anerkenntnisurteil kann nur auf zulässigen Klageantrag ergehen. Wurde allerdings die Annahme des Anerkenntnisses erklärt, so kann kein Anerkenntnisurteil mehr ergehen, da die Rechtshängigkeit beseitigt ist. Durch das angenommene Anerkenntnis ist die Rechtshängigkeit auch dann beseitigt, wenn der "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" ausgeklammert blieb. Wenn dem Kläger dann einfällt, dass er eigentlich doch auch eine Entscheidung über den klageauslösenden Verwaltungsakt gewünscht hat, ist es hierfür zu spät. Dies macht zweierlei deutlich: - Nicht umsonst ist die Rechtsfigur des angenommenen Anerkenntnisses in demselben Paragrafen geregelt, der auch den Vergleich regelt. Durch die weitgehenden Dispositionsmöglichkeiten der Beteiligten ist die Beilegung des Rechtsstreits durch angenommenes Anerkenntnis dem gerichtlichen Vergleich sehr ähnlich. - Konstitutiv für die wirksame Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind drei Elemente: ein bestimmter Antrag, das sich exakt deckungsgleich auf diesen bestimmten Antrag beziehende Anerkenntnis und die Annahme dieses Anerkenntnisses. Im vorliegenden Falle hatte der Beschwerdegegner kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben. Die Beklagte hat niemals erklärt, diesen Klageanspruch anerkennen zu wollen. Sie ist auch, dies sei nebenbei bemerkt, dem Klageanspruch nicht "wortlos" nachgekommen. Abgesehen davon, dass hierdurch gerade nicht ein prozessual wirksames Anerkenntnis erklärt worden wäre, ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte weder die angefochtenen Bescheide zurückgenommen noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.087,05 EUR bewilligt hat. Sie hat lediglich die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Summe aus den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden reduziert.
Die Rechtshängigkeit wurde durch Erledigterklärung der Klägerseite, die im Sozialgerichtsprozess – kostenunschädlich – als Klagerücknahme auszulegen ist, erledigt. Eine Umdeutung in ein "angenommenes Anerkenntnis" ist aus den erwähnten Gründen ausgeschlossen. Dies würde auch in dem Fall gelten, wenn die Beklagte dem klägerischen Begehren vollständig nachgekommen wäre. Die Auffassung, im solchen Fall sei das Verhalten "so gut wie ein Anerkenntnis", verkennt die prozessuale Besonderheit des angenommenen Anerkenntnisses gemäß § 101 Abs. 2 SGG. Ob die Rechtshängigkeit durch Vergleich, Anerkenntnis oder Klagerücknahme erledigt wird, ist eine prozessuale Frage und hängt nicht davon ab, ob die Klägerseite ganz, teilweise oder überhaupt nicht bekommen hat, was sie ursprünglich begehrte.
Während also die Terminsgebühr zweifelsfrei nicht entstanden ist, steht dem Rechtsanwalt gleichwohl eine höhere Vergütung als die ursprünglich bewilligte in Höhe von 226,10 EUR zu. Nicht zu beanstanden ist die Ansetzung der Verfahrensgebühr als Mittelgebühr; Erhöhungstatbestände wie sie gegeben sind, wenn Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind oder eine Kausalitätsproblematik gegeben ist, lagen nicht vor, auf der anderen Seite waren auch keine Tatbestände gegeben, die eine Abweichung von der Mittelgebühr nach unten gerechtfertigt hätten wie z. B. der Fall, dass lediglich um eine Rechtsfrage gestritten wird oder ein Grundurteil nach § 130 SGG begehrt wird. Streitig war in dem SG-Verfahren auch der Betrag.
Die ursprünglich geltend gemachte Erledigungsgebühr, die dann im Erinnerungsverfahren nicht mehr diskutiert wurde, ist entstanden. Sie ist ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr entstanden, da insoweit dieselben Kriterien gelten, wie für die Verfahrensgebühr.
Gemäß Nrn. 1006, 1005, 1002 entsteht in sozialrechtlichen Angelegenheiten nach § 183 SGG kostenprivilegierter Kläger im Gerichtsverfahren eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Die objektiven Voraussetzungen dieser Gebühr sind gegeben: Die angefochtenen Verwaltungsakte wurden geändert (Änderungsbescheid vom 26.07.2007) und die Rechtssache, nämlich die Klage, hat sich danach erledigt (Erledigungserklärung des Beschwerdegegners). Was unter der anwaltlichen Mitwirkung zu verstehen ist, ist nicht immer ganz klar. So wird teilweise unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 07.11.2006 (B 1 KR 23/06 R – NZS 2007, 612 – 615; – B 1 KR 13/06 R – Rechtspfleger 2007, 346 – 348) die Auffassung vertreten, es müsse ein besonderes Bemühen bzw. ein besonderes Engagement des Rechtsanwalts, gerichtet auf das entsprechende Verhalten der Gegenseite (Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Verwaltungsakts) erkennbar sein. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts sich auf die Erledigungsgebühr im Widerspruchsverfahren bezogen. Insofern gilt die Selbstverständlichkeit, dass allein dadurch, dass das Widerspruchsverfahren ganz oder teilweise erfolgreich ist (denn schon dann hat ja die Beklagte den angefochtenen Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben) die Erledigungsgebühr nicht automatisch mitverdient wird. Im Gerichtsverfahren ein entsprechendes – in der Regel also auf einen Teilerfolg gerichtetes – Verhalten des Anwalts zu fordern, würde aber keinen Sinn machen. Denn wie sehr der Anwalt seinen Mandanten gedrängt hat, beispielsweise einen Vergleichsvorschlag anzunehmen, ergibt sich allenfalls aus den Handakten, die nicht zum Vergütungsfestsetzungsverfahren beizuziehen sind. Es wäre sicher auch wenig sinnvoll, von dem Rechtsanwalt neben dem Kämpfen um den vollen Erfolg auch immer ein ausdrückliches Betteln bei der Gegenseite um den Teilerfolg zu verlangen, damit er sich im Fall der Fälle die Erledigungsgebühr sichert. Im vorliegenden Fall besteht die "Mitwirkung des Anwalts" darin, dass er nach dem Änderungsbescheid der Rechtsstreit für erledigt erklärt hat. Ohne diese Erledigungserklärung wäre der Rechtsstreit nicht erledigt worden, seine "Mitwirkung" an der Erledigung steht also ganz zweifelsohne fest. Dass es sich bei diesem Verhalten lediglich um eine "Verfahrenshandlung" gehandelt hat, steht dem nicht entgegen. In der Kommentarliteratur (vgl. Gerold/Schmidt-von Eicken RVG, VV 1002 Rdnr. 17) wird darauf hingewiesen, dass ein Meinungsstreit bestehe, ob "bloße Verfahrenshandlungen" die Erfolgsgebühr auslösen könnten. Mit diesen Verfahrenshandlungen sind jedoch Klageschrift, Klagebegründung, Widerspruchsbegründung etc. gemeint, also all die Handlungen, die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten sind. Die Verfahrenshandlung Erledigungserklärung genügt allerdings. Dass derlei nicht ohne vorheriges Gespräch mit dem Mandanten und mit entsprechender Abstimmung geschehen darf, versteht sich von selbst. Ein solches Gespräch als im Gegensatz zur Verfahrenshandlung die Gebühr auslösend zu fordern, macht daher keinen Sinn. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Text der Nr. 1002 VV RVG für die Alternative, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt, die ausdrückliche "Mitwirkung" des Anwalts gerade nicht gefordert wird. Dies liegt schlicht und einfach daran, dass in dem Fall der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts die Erledigung mit dieser Handlung des öffentlichen Rechtsträgers lediglich temporal verknüpft ist: "nach". Für die Alternative des beantragten Verwaltungsakts hat der Gesetzgeber die kausale Verknüpfung gewählt: "durch". Der Text ist also auf das Widerspruchsverfahren zugeschnitten. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass bei Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes auf Widerspruch ein formeller Widerspruchsbescheid nicht mehr erforderlich ist, dass aber in Anfechtungssachen grundsätzlich das Widerspruchsverfahren so lange anhängig bleibt, bis es auch als solches formell erledigt wird. Dies hängt damit zusammen, dass sich der Anfechtungswiderspruch nur durch ausdrückliche Abhilfeentscheidung gemäß § 72 VwGO "von selbst" erledigt; liegt aber keine Abhilfe vor, sondern eine Rücknahme oder Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts (zum Ganzen vgl. Eyermann-Rennert VwGO, 12. Auflage, München 2006, § 72 VwGO Rdnr. 11), so bleibt das Widerspruchsverfahren anhängig und es bedarf einer Mitwirkung des Widerspruchsführers oder des Anwalts (Rücknahme, Erledigterklärung), um das Widerspruchsverfahren zu beenden. Über den Verpflichtungswiderspruch entscheidet die Widerspruchsbehörde grundsätzlich selbst (vgl. Eyermann-Rennert, a. a. O., § 73 Rdnr. 15), hier erledigt sich das Widerspruchsverfahren automatisch, ohne dass es einer weiteren Mitwirkungshandlung des Antragstellers/Widerspruchsführers bzw. seines Anwaltes bedarf. Konsequenterweise entsteht daher die Gebühr in Verpflichtungssachen auch ohne die anwaltliche Mitwirkung, wie die sprachliche Fassung des Gesetzestextes zweifelsfrei ergibt.
Eine Erledigungsgebühr entsteht daher dann nicht und kann auf diese Weise durch den Anwalt seinem Mandanten erspart werden, wenn er die Mitwirkungshandlung in Fällen des Anfechtungswiderspruchs seinem Mandanten überlässt oder wenn die Ausgangsbehörde gemäß § 72 VwGO selbst abhilft. In den Fällen des Verpflichtungswiderspruchs entfällt nicht nur nach dem eindeutigen Wortlaut eine Mitwirkungshandlung; sie entfällt auch deswegen, weil in diesen Fällen der automatischen Erledigung durch Erlass des begehrten Bescheides eine Mitwirkung des Anwaltes an der Erledigung ohne Widerspruchsbescheid weder erforderlich noch denkbar ist: Wie soll z. B. in den Fällen der vollständigen Stattgabe eine "qualifizierte Mitwirkung" aussehen? Der Anwalt kann nicht mehr tun, als im Widerspruchsschreiben und weiteren Schreiben immer wieder darauf hinweisen, dass nach seiner Auffassung der begehrte Verwaltungsakt zu erlassen ist.
In den Regelungen des SGB X und des SGG findet sich diese Problematik nicht in der Ausprägung wie in der insoweit differenzierter angelegten Lehre und Rechtsprechung zur VwGO; das heißt aber nicht, dass für den Sozialgerichtsprozess Abweichendes gelten würde. Bedarf es im Prozess zur Beseitigung der Rechtshängigkeit einer Verfahrenshandlung, so besteht darin bereits die erforderliche "anwaltliche Mitwirkung", wenn die übrigen Voraussetzungen für die Erledigungsgebühr vorliegen.
Es ergibt sich somit folgende Vergütung:
Verfahrensgebühr 3103 VV 170,00 EUR Erledigungsgebühr 1002, 1005, 1006 VV 190,00 EUR Postauslagen 7002 VV 20,00 EUR Zwischensumme 380,00 EUR 19 % Mehrwertsteuer 7008 VV 72,20 EUR Gesamtsumme 452,20 EUR.
Unschädlich ist, dass der Beschwerdegegner nicht in Anschlussbeschwerde gegangen ist, da es eine Bestandskraft von rechtlichen Bewertungen nicht gibt, mit anderen Worten durch die unangegriffene Nichtberücksichtigung der Erledigungsgebühr in dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts ist diese rechtliche Bewertung nicht etwa "bestandskräftig" geworden. Eine Anschlussbeschwerde wäre nur erforderlich gewesen, wenn sich durch die Berücksichtigung der Erledigungsgebühr eine höhere Gesamtsumme als die im Beschluss vom 11.04.2008 festgestellte ergeben hätte. Dies war aber nicht der Fall.
Es bleibt dem Beschwerdegegner überlassen, ob er gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG (die VwGO findet insofern keine Anwendung, da die Klägerin zu den kostenprivilegierten Personen im Sinne des § 183 SGG gehört) beantragt, die Kosten ganz oder teilweise der Beklagten aufzuerlegen.
Diese Entscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG durch den Einzelrichter des zuständigen Kostensenats. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 und 4 RVG).
Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (§ 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Vergütungsfestsetzung des Beschwerdegegners im Rahmen der Prozesskostenhilfe.
Der Beschwerdegegner, der den Kläger schon im Widerspruchsverfahren vertreten hatte, erhob am 09.03.2007 Klage zum Sozialgericht Chemnitz mit folgenden Anträgen:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06.02.2007, Geschäftszeichen 611-BG. Nr.: 07802BG0008351, wird in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2007, Geschäftszeichen 698.2-BG-Nr.: 07802BG0008351-W161/06, aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis 31.01.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.087,05 EUR zu bewilligen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Mit Bescheid vom 27.12.2005 hatte die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.01.2005 in Höhe von 535,93 EUR aufgehoben. Dieser Bescheid war mit Bescheid vom 06.02.2007 dahingehend abgeändert worden, dass sich der Aufhebungsbetrag auf insgesamt 252,62 EUR ermäßigte. Während des Klageverfahrens erging ein weiterer Änderungsbescheid (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26.07.2007), welcher den Rückforderungsbetrag noch einmal ermäßigte und zwar auf insgesamt 65,51 EUR. Nach kurzer schriftlicher Erörterung von einigen Randfragen erklärte der Beschwerdegegner im Namen und Auftrag der Klägerin den Rechtsstreit am 06.11.2007 für erledigt.
Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 13.11.2007 bewilligt.
Mit Schreiben vom 25.01.2008 bezifferte der Beschwerdegegner seine Vergütungsforderung wie folgt:
Text VV RVG Nr. Betrag Verfahrensgebühr 3102, 3103 170,00 EUR Terminsgebühr 3106 200,00 EUR Erledigungsgebühr 1000, 1005, 1006 190,00 EUR Auslagenpauschale 7002 20,00 EUR Zwischensumme 580,00 EUR Mehrwertsteuer 110,20 EUR Gesamtsumme 690,20 EUR
Die zuständige Kostenbeamtin setzte die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Bescheid vom 27.02.2008 auf 226,10 EUR fest. Es sei weder eine Terminsgebühr noch eine Erledigungsgebühr verdient worden. Auf die Erinnerung hat das Sozialgericht Chemnitz mit Beschluss vom 11. April 2008 die Vergütung auf 464,10 EUR festgesetzt. Die Terminsgebühr sei angefallen. Das Nachgeben der Beklagten stelle nämlich ein Anerkenntnis dar, die Erledigungserklärung sei als Annahme dieses Anerkenntnisses auszulegen. Gemäß Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG entstehe eine Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung ende.
Gegen die dem Bezirksrevisor am 16.04.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich dessen am 24.04.2008 beim Sozialgericht Chemnitz – mithin rechtzeitig, § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors, mit der beantragt wird, die PKH-Vergütung auf 226,10 EUR festzusetzen. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Es sei nämlich kein Anerkenntnis abgegeben worden. Im Übrigen sei gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kostentragung des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden gewesen, anstatt die Staatskasse ohne Weiteres in der Zahlungspflicht zu belassen. Dies sei jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerde ist der Beschwerdegegner mit dem Argument entgegengetreten, die Beklagte habe im Wege der einseitigen Erklärung das Zugeständnis abgegeben, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch im Wesentlichen bestehe. Dies sei ein Anerkenntnis (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 101 Rdnr. 20). Die Beklagte habe als solche eine prozessbeendende Erklärung nur in der Form eines Anerkenntnisses abgeben können. Eine Erledigungserklärung wäre ihr selbst nicht möglich gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem geltend gemachten Streitpunkt vollumfänglich begründet, allerdings führt sie nur zu einer unwesentlichen Herabsetzung des Erstattungsbetrages, da statt der Terminsgebühr eine Erledigungsgebühr angefallen ist.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wird schon alleine mit dem Vorbringen, die Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR sei nicht angefallen, die Mindestbeschwer des § 33 Abs. 3 Satz 1 erreicht, denn einschließlich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer wird damit der Betrag von 200,00 EUR überschritten.
In rechtlicher Hinsicht ist die Beschwerde begründet, denn eine Terminsgebühr ist nicht entstanden. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung oder ein Erörterungstermin hat nicht stattgefunden. Gemäß VV RVG Nr. 3106 entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Die Beendigung der Rechtshängigkeit durch angenommenes Anerkenntnis gemäß § 101 Abs. 2 SGG ist in den deutschen Prozessordnungen singulär. Grundsätzlich wird der Gegenstand der Klage durch den "ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG) umrissen. Im Rahmen der auch im Sozialgerichtsverfahren geltenden Dispositionsmaxime hat es aber der Kläger in der Hand, einen hiervon mehr oder weniger abweichenden Klageantrag zu stellen. Sofern kein Vorverfahren stattgefunden hat, kann dieser Antrag unzulässig sein, gleichwohl steht es dem Versicherungsträger frei, auch solch einen geltend gemachten Klageanspruch anzuerkennen. Ob mit diesem Anerkenntnis tatsächlich der gesamte Streitstoff, also insbesondere auch der Streit um den "ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" seine Erledigung gefunden hat, entscheidet der Kläger dann durch die Annahme des Anerkenntnisses. Nimmt er es nicht an, bleibt der Rechtsstreit anhängig, es wäre also unabhängig von der Frage, ob die Beteiligten sich über diesen Punkt längst einig sind, über den gestellten und im gewählten Beispielsfall unzulässigen Antrag zu entscheiden. Ein so genanntes Anerkenntnisurteil kann nur auf zulässigen Klageantrag ergehen. Wurde allerdings die Annahme des Anerkenntnisses erklärt, so kann kein Anerkenntnisurteil mehr ergehen, da die Rechtshängigkeit beseitigt ist. Durch das angenommene Anerkenntnis ist die Rechtshängigkeit auch dann beseitigt, wenn der "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" ausgeklammert blieb. Wenn dem Kläger dann einfällt, dass er eigentlich doch auch eine Entscheidung über den klageauslösenden Verwaltungsakt gewünscht hat, ist es hierfür zu spät. Dies macht zweierlei deutlich: - Nicht umsonst ist die Rechtsfigur des angenommenen Anerkenntnisses in demselben Paragrafen geregelt, der auch den Vergleich regelt. Durch die weitgehenden Dispositionsmöglichkeiten der Beteiligten ist die Beilegung des Rechtsstreits durch angenommenes Anerkenntnis dem gerichtlichen Vergleich sehr ähnlich. - Konstitutiv für die wirksame Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind drei Elemente: ein bestimmter Antrag, das sich exakt deckungsgleich auf diesen bestimmten Antrag beziehende Anerkenntnis und die Annahme dieses Anerkenntnisses. Im vorliegenden Falle hatte der Beschwerdegegner kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben. Die Beklagte hat niemals erklärt, diesen Klageanspruch anerkennen zu wollen. Sie ist auch, dies sei nebenbei bemerkt, dem Klageanspruch nicht "wortlos" nachgekommen. Abgesehen davon, dass hierdurch gerade nicht ein prozessual wirksames Anerkenntnis erklärt worden wäre, ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte weder die angefochtenen Bescheide zurückgenommen noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.087,05 EUR bewilligt hat. Sie hat lediglich die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Summe aus den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden reduziert.
Die Rechtshängigkeit wurde durch Erledigterklärung der Klägerseite, die im Sozialgerichtsprozess – kostenunschädlich – als Klagerücknahme auszulegen ist, erledigt. Eine Umdeutung in ein "angenommenes Anerkenntnis" ist aus den erwähnten Gründen ausgeschlossen. Dies würde auch in dem Fall gelten, wenn die Beklagte dem klägerischen Begehren vollständig nachgekommen wäre. Die Auffassung, im solchen Fall sei das Verhalten "so gut wie ein Anerkenntnis", verkennt die prozessuale Besonderheit des angenommenen Anerkenntnisses gemäß § 101 Abs. 2 SGG. Ob die Rechtshängigkeit durch Vergleich, Anerkenntnis oder Klagerücknahme erledigt wird, ist eine prozessuale Frage und hängt nicht davon ab, ob die Klägerseite ganz, teilweise oder überhaupt nicht bekommen hat, was sie ursprünglich begehrte.
Während also die Terminsgebühr zweifelsfrei nicht entstanden ist, steht dem Rechtsanwalt gleichwohl eine höhere Vergütung als die ursprünglich bewilligte in Höhe von 226,10 EUR zu. Nicht zu beanstanden ist die Ansetzung der Verfahrensgebühr als Mittelgebühr; Erhöhungstatbestände wie sie gegeben sind, wenn Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind oder eine Kausalitätsproblematik gegeben ist, lagen nicht vor, auf der anderen Seite waren auch keine Tatbestände gegeben, die eine Abweichung von der Mittelgebühr nach unten gerechtfertigt hätten wie z. B. der Fall, dass lediglich um eine Rechtsfrage gestritten wird oder ein Grundurteil nach § 130 SGG begehrt wird. Streitig war in dem SG-Verfahren auch der Betrag.
Die ursprünglich geltend gemachte Erledigungsgebühr, die dann im Erinnerungsverfahren nicht mehr diskutiert wurde, ist entstanden. Sie ist ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr entstanden, da insoweit dieselben Kriterien gelten, wie für die Verfahrensgebühr.
Gemäß Nrn. 1006, 1005, 1002 entsteht in sozialrechtlichen Angelegenheiten nach § 183 SGG kostenprivilegierter Kläger im Gerichtsverfahren eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Die objektiven Voraussetzungen dieser Gebühr sind gegeben: Die angefochtenen Verwaltungsakte wurden geändert (Änderungsbescheid vom 26.07.2007) und die Rechtssache, nämlich die Klage, hat sich danach erledigt (Erledigungserklärung des Beschwerdegegners). Was unter der anwaltlichen Mitwirkung zu verstehen ist, ist nicht immer ganz klar. So wird teilweise unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 07.11.2006 (B 1 KR 23/06 R – NZS 2007, 612 – 615; – B 1 KR 13/06 R – Rechtspfleger 2007, 346 – 348) die Auffassung vertreten, es müsse ein besonderes Bemühen bzw. ein besonderes Engagement des Rechtsanwalts, gerichtet auf das entsprechende Verhalten der Gegenseite (Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Verwaltungsakts) erkennbar sein. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts sich auf die Erledigungsgebühr im Widerspruchsverfahren bezogen. Insofern gilt die Selbstverständlichkeit, dass allein dadurch, dass das Widerspruchsverfahren ganz oder teilweise erfolgreich ist (denn schon dann hat ja die Beklagte den angefochtenen Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben) die Erledigungsgebühr nicht automatisch mitverdient wird. Im Gerichtsverfahren ein entsprechendes – in der Regel also auf einen Teilerfolg gerichtetes – Verhalten des Anwalts zu fordern, würde aber keinen Sinn machen. Denn wie sehr der Anwalt seinen Mandanten gedrängt hat, beispielsweise einen Vergleichsvorschlag anzunehmen, ergibt sich allenfalls aus den Handakten, die nicht zum Vergütungsfestsetzungsverfahren beizuziehen sind. Es wäre sicher auch wenig sinnvoll, von dem Rechtsanwalt neben dem Kämpfen um den vollen Erfolg auch immer ein ausdrückliches Betteln bei der Gegenseite um den Teilerfolg zu verlangen, damit er sich im Fall der Fälle die Erledigungsgebühr sichert. Im vorliegenden Fall besteht die "Mitwirkung des Anwalts" darin, dass er nach dem Änderungsbescheid der Rechtsstreit für erledigt erklärt hat. Ohne diese Erledigungserklärung wäre der Rechtsstreit nicht erledigt worden, seine "Mitwirkung" an der Erledigung steht also ganz zweifelsohne fest. Dass es sich bei diesem Verhalten lediglich um eine "Verfahrenshandlung" gehandelt hat, steht dem nicht entgegen. In der Kommentarliteratur (vgl. Gerold/Schmidt-von Eicken RVG, VV 1002 Rdnr. 17) wird darauf hingewiesen, dass ein Meinungsstreit bestehe, ob "bloße Verfahrenshandlungen" die Erfolgsgebühr auslösen könnten. Mit diesen Verfahrenshandlungen sind jedoch Klageschrift, Klagebegründung, Widerspruchsbegründung etc. gemeint, also all die Handlungen, die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten sind. Die Verfahrenshandlung Erledigungserklärung genügt allerdings. Dass derlei nicht ohne vorheriges Gespräch mit dem Mandanten und mit entsprechender Abstimmung geschehen darf, versteht sich von selbst. Ein solches Gespräch als im Gegensatz zur Verfahrenshandlung die Gebühr auslösend zu fordern, macht daher keinen Sinn. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Text der Nr. 1002 VV RVG für die Alternative, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt, die ausdrückliche "Mitwirkung" des Anwalts gerade nicht gefordert wird. Dies liegt schlicht und einfach daran, dass in dem Fall der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts die Erledigung mit dieser Handlung des öffentlichen Rechtsträgers lediglich temporal verknüpft ist: "nach". Für die Alternative des beantragten Verwaltungsakts hat der Gesetzgeber die kausale Verknüpfung gewählt: "durch". Der Text ist also auf das Widerspruchsverfahren zugeschnitten. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass bei Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes auf Widerspruch ein formeller Widerspruchsbescheid nicht mehr erforderlich ist, dass aber in Anfechtungssachen grundsätzlich das Widerspruchsverfahren so lange anhängig bleibt, bis es auch als solches formell erledigt wird. Dies hängt damit zusammen, dass sich der Anfechtungswiderspruch nur durch ausdrückliche Abhilfeentscheidung gemäß § 72 VwGO "von selbst" erledigt; liegt aber keine Abhilfe vor, sondern eine Rücknahme oder Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts (zum Ganzen vgl. Eyermann-Rennert VwGO, 12. Auflage, München 2006, § 72 VwGO Rdnr. 11), so bleibt das Widerspruchsverfahren anhängig und es bedarf einer Mitwirkung des Widerspruchsführers oder des Anwalts (Rücknahme, Erledigterklärung), um das Widerspruchsverfahren zu beenden. Über den Verpflichtungswiderspruch entscheidet die Widerspruchsbehörde grundsätzlich selbst (vgl. Eyermann-Rennert, a. a. O., § 73 Rdnr. 15), hier erledigt sich das Widerspruchsverfahren automatisch, ohne dass es einer weiteren Mitwirkungshandlung des Antragstellers/Widerspruchsführers bzw. seines Anwaltes bedarf. Konsequenterweise entsteht daher die Gebühr in Verpflichtungssachen auch ohne die anwaltliche Mitwirkung, wie die sprachliche Fassung des Gesetzestextes zweifelsfrei ergibt.
Eine Erledigungsgebühr entsteht daher dann nicht und kann auf diese Weise durch den Anwalt seinem Mandanten erspart werden, wenn er die Mitwirkungshandlung in Fällen des Anfechtungswiderspruchs seinem Mandanten überlässt oder wenn die Ausgangsbehörde gemäß § 72 VwGO selbst abhilft. In den Fällen des Verpflichtungswiderspruchs entfällt nicht nur nach dem eindeutigen Wortlaut eine Mitwirkungshandlung; sie entfällt auch deswegen, weil in diesen Fällen der automatischen Erledigung durch Erlass des begehrten Bescheides eine Mitwirkung des Anwaltes an der Erledigung ohne Widerspruchsbescheid weder erforderlich noch denkbar ist: Wie soll z. B. in den Fällen der vollständigen Stattgabe eine "qualifizierte Mitwirkung" aussehen? Der Anwalt kann nicht mehr tun, als im Widerspruchsschreiben und weiteren Schreiben immer wieder darauf hinweisen, dass nach seiner Auffassung der begehrte Verwaltungsakt zu erlassen ist.
In den Regelungen des SGB X und des SGG findet sich diese Problematik nicht in der Ausprägung wie in der insoweit differenzierter angelegten Lehre und Rechtsprechung zur VwGO; das heißt aber nicht, dass für den Sozialgerichtsprozess Abweichendes gelten würde. Bedarf es im Prozess zur Beseitigung der Rechtshängigkeit einer Verfahrenshandlung, so besteht darin bereits die erforderliche "anwaltliche Mitwirkung", wenn die übrigen Voraussetzungen für die Erledigungsgebühr vorliegen.
Es ergibt sich somit folgende Vergütung:
Verfahrensgebühr 3103 VV 170,00 EUR Erledigungsgebühr 1002, 1005, 1006 VV 190,00 EUR Postauslagen 7002 VV 20,00 EUR Zwischensumme 380,00 EUR 19 % Mehrwertsteuer 7008 VV 72,20 EUR Gesamtsumme 452,20 EUR.
Unschädlich ist, dass der Beschwerdegegner nicht in Anschlussbeschwerde gegangen ist, da es eine Bestandskraft von rechtlichen Bewertungen nicht gibt, mit anderen Worten durch die unangegriffene Nichtberücksichtigung der Erledigungsgebühr in dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts ist diese rechtliche Bewertung nicht etwa "bestandskräftig" geworden. Eine Anschlussbeschwerde wäre nur erforderlich gewesen, wenn sich durch die Berücksichtigung der Erledigungsgebühr eine höhere Gesamtsumme als die im Beschluss vom 11.04.2008 festgestellte ergeben hätte. Dies war aber nicht der Fall.
Es bleibt dem Beschwerdegegner überlassen, ob er gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG (die VwGO findet insofern keine Anwendung, da die Klägerin zu den kostenprivilegierten Personen im Sinne des § 183 SGG gehört) beantragt, die Kosten ganz oder teilweise der Beklagten aufzuerlegen.
Diese Entscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG durch den Einzelrichter des zuständigen Kostensenats. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 und 4 RVG).
Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (§ 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved