L 3 B 261/08 AS-PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AS 794/08 AS-PKH
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 261/08 AS-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach dem Tod des Hilfebedürftigen kann ihm nicht mehr Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
2. Zur Frage, ob ausnahmsweise nach dem Tod des Hilfebedürftigen Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, wenn vor dem Eintritt des Todesfalles der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidungsreif war.
3. Zur Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind auch Empfänger von Arbeitslosengeld II verpflichtet.
4. Zur ausnahmsweise bestehenden Möglichkeit, auf eine in einem anderen Verfahren vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug zu nehmen.
5. Auf die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses kann nicht mit der Begründung verzichtet werden, die Bedürftigkeit des Antragstellers sei dem Gericht aus einem Beschluss über eine einstweilige Anordnung und dem nachfolgenden Vollstreckungsantrag bekannt.
6. Prozesskostenhilfe kann nicht für das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens gewährt werden.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 6. März 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerde ist gegen die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Vollstreckungsverfahren gerichtet.

Der 2. Senat des Sächsischen Landessozialgerichtes hatte mit Beschluss vom 21. Januar 2008 (Az.: L 2 B 621/07 AS-ER) die beteiligte ARGE Dresden verpflichtet, der Antragstellerin über den Beschluss des Sozialgerichtes Dresden vom 9. November 2007 hinaus vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren.

Am 18. Februar 2008 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht die Androhung eines Zwangsgeldes gemäß § 201 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegenüber der ARGE Dresden beantragt. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenkostenhilfe beantragt. Dem Antrag war weder eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin beigefügt, noch enthielt er irgendwelche Angaben zu diesen Verhältnissen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 6. März 2008 den Zwangsvollstreckungsantrag wegen inzwischen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Zugleich hat es den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung abgelehnt, dass die gemäß § 117 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Vordrucke nebst Belegen nicht vorgelegt worden seien, und dass nach der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache für die Nachreichung der Unterlagen kein Raum mehr sei (Nummer 3 des Beschlusses).

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat am 27. März 2008 Beschwerde eingelegt und unter anderem beantragt, der Antragstellerin für das Ausgangsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. Auf die Ausführungen der Staatskasse, dass wegen der fehlenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin kein wirksamer Antrag gestellt sei, hat der Antragstellerbevollmächtigte entgegnet, dass es dem Sozialgericht auf Grund des Beschlusses des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 21. Januar 2008 bekannt gewesen sei, dass die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sei, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Jedenfalls hätte das Sozialgericht auf das Fehlen der Erklärung hinweisen und eine Frist zur Nachreichung der Erklärung setzen müssen. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat weder im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch in dem Beschwerdeverfahren (Az.: L 3 B 260/08 AS-ER), das die Ablehnung des Zwangsvollstreckungsantrages betrifft und für das ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, eine Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt oder sonstige Angaben zur aktuellen Bedürftigkeit der Antragstellerin gemacht.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2009 hat das Sozialgericht unter Vorlage einer Sterbeurkunde mitgeteilt, dass die Antragstellerin am 1. Dezember 2008 verstorben ist. Auf wiederholte schriftliche und telephonische Anfragen des Gerichtes, ob das Beschwerdeverfahren fortgeführt werden soll, ist seitens des Antragstellerbevollmächtigten keine Reaktion erfolgt.

Der Antragstellerbevollmächtigte beantragt sinngemäß,

Nummer 3 des Beschlusses des Sozialgerichts Dresden vom 6. März 2008 aufzuheben und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt. (D.) als Bevollmächtigten zu bewilligen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.

Die beteiligte ARGE hat keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft.

Zum 1. April 2008 traten die Beschwerdeausschlussregelungen in § 172 Abs. 3 SGG, die mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444 ff) eingeführt wurden, in Kraft. Zuvor, das heißt bis zum 31. März 2008, war die Beschwerde eines Antragstellers gegen einen ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss nach den Regelungen des Sozialgerichtsgesetzes nicht beschränkt. Die anhängige Beschwerde wurde am 27. März 2008, mithin unter Geltung des bis zum 31. März 2008 geltenden Rechtsmittelrechts, eingelegt und war danach statthaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gebietet der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die nach Maßgabe der Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts gewährleistete Rechtsmittelsicherheit, dass bei einem gesetzlich festgelegten Rechtsmittelausschluss ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90BVerfGE 87, 48 = NJW 1993, 1123; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], Vor § 143 Rdnr. 10e, m. w. N.). Da Abweichendes in diesem Sinne nicht im Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes bestimmt ist, bleibt die Beschwerde vom 27. März 2008 statthaft.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Denn nach dem Versterben der Antragstellerin ist eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe, auch nicht auf Grund eines Ausnahmefalles, möglich.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Prozesskostenhilfe ist eine Form der höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung [67. Aufl., 2009], Übers. § 114 Rdnr. 1, m. w. N.). Da die Prozesskostenhilfe eine an die spezielle Situation des Begünstigten geknüpfte höchstpersönliche Berechtigung ist, endet sie mit dem Tod des hilfsbedürftigen Beteiligten. Nach dem Tod des Hilfebedürftigen kann ihm deshalb nicht mehr Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Dezember 1987 – 1 RA 25/87 – SozR 1750 § 114 Nr. 8 = JURIS-Dokument Rdnr. 3, m. w. N.; Thüringer LSG, Beschluss vom 21. September 2004 – L 6 RJ 964/02 – JURIS-Dokument Rdnr. 5; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Februar 2008 – L 20 B 9/08 SO – JURIS-Dokument Rdnr. 4, m. w. N.; Knittel, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [16. Erg.-Lfg., August 2009], § 73a Rdnr. 56).

Ob hiervon abweichend etwas anderes zu gelten hat, wenn vor dem Eintritt des Todesfalles der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidungsreif war (so BSG, a. a. O., Rdnr. 4, Thüringer LSG, a. a. O.; Knittel, a. a. O.; ablehnend: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, a. a. O., Rdnr. 6 ff.), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn der vom Antragstellerbevollmächtigten gestellte Antrag war zu keinem Zeitpunkt dergestalt entscheidungsreif, dass bei einer anzunehmenden hinreichenden Erfolgsaussicht des Hauptsacheantrages Prozesskostenhilfe hätte bewilligt werden können. Dem Prozesskostenhilfeantrag waren nämlich weder der nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3001) in der Fassung des Art. 36 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) erforderliche Vordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin noch sonstige Unterlagen beigefügt, die eine Prüfung der prozesskostenhilferechtlichen Bedürftigkeit der Antragstellerin ermöglicht hätten. Zur Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind aber auch Empfänger von Arbeitslosengeld II verpflichtet (SächsLSG, Beschluss vom 30. Mai 2007 – L 3 B 91/06 AS-PKH – [nicht veröffentlicht]).

Ausnahmsweise besteht die Möglichkeit, auf eine in einem anderen Verfahren vorgelegten Erklärung Bezug zu nehmen (vgl. zur ausnahmsweise bestehenden Möglichkeit der Bezugnahme auf eine in der Vorinstanz eingereichte Erklärung: BGH, Beschluss vom 27. November 1996 – XII ZB 84/96NJW 1997, 1078 = JURIS-Dokument Rdnr. 5; SächsLSG, Beschluss vom 28. April 2009 – L 3 AS 178/09 B ER – [nicht veröffentlicht]; Knittel, a. a. O., § 73a Rdnr. 8). Selbst von dieser Möglichkeit hat die Antragstellerin keinen Gebrauch gemacht.

Auf die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses konnte entgegen der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Bedürftigkeit der Antragstellerin aus dem Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 21. Januar 2008 über die einstweilige Anordnung und dem nachfolgenden Vollstreckungsantrag bekannt war. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, die Verwendung des Vordrucks das Gericht in die Lage versetzen soll, sich auf Grund der gemachten Angaben und vorgelegten Belege eine ausreichende Gewissheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten, Bestehen oder Nichtbestehen einer Rechtsschutzversicherung) zu verschaffen. Dazu bedarf es aber Erklärungen, welche in dem Vordruck gefordert werden, einschließlich der Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemachten Angaben (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 2 U 131/07 B – JURIS-Dokument Rdnr. 3, m. w. N.). Das Bundessozialgericht hat deshalb weder die Vorlage einer Ablichtung eines im Insolvenzverfahren aufgestellten Vermögensverzeichnisses sowie weiterer Belege Angaben (vgl. BSG, a. a. O.) noch die Vorlage eines Bescheides über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl. BSG, Beschluss vom 17. August 2007 – B 1 KR 6/07 BH – JURIS-Dokument Rdnr. 3, m. w. N.) ausreichen lassen. Entsprechendes gilt vorliegend für die Vorlage eines Beschlusses mit einer einstweiligen Anordnung.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Sozialgericht keine Frist zur Vorlage der entsprechenden Erklärung gemäß § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO gesetzt hat. Denn das Hauptsacheverfahren, hier das Vollstreckungsverfahren nach § 201 SGG, war – auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Sozialgerichtes – entscheidungsreif. Das Sozialgericht musste aber mit der Hauptsachentscheidung nicht zuwarten, bis das Nebenverfahren, hier der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, ebenfalls entscheidungsreif war. Es obliegt vielmehr dem Antragsteller, seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nachzukommen und damit dafür Sorge zu tragen, dass bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auch über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antragsteller rechtskundig vertreten ist.

3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (§ 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, da für das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe gewährt werden kann (ständige Senatsrechtsprechung: vgl. zuletzt SächsLSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – L 3 B 160/07 AL-PKH – [nicht veröffentlicht], m. w. N.; BGH, Beschluss vom 10. Mai 1984 – VIII ZR 298/83BGHZ 91, 311 = JURIS-Dokument Rdnr. 3 ff.; BayLSG, Beschluss vom 21. Februar 2007 – L 11 B 81/07 AS PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 4; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO [30. Aufl., 2009], § 114 Rdnr. 1; Geimer, in: Zöller, ZPO [28. Aufl., 2010], § 114 Rdnr. 3, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 73a Rdnr. 2b; Knittel, a. a. O., § 73a Rdnr. 2). Denn nach § 114 ZPO kann Prozesskostenhilfe für die "Prozessführung" gewährt werden. Unter Prozessführung im Sinne des § 114 ZPO ist das eigentliche Streitverfahren zu verstehen, nicht aber das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (vgl. BGH, a. a. O.).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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