Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 24 AL 969/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 AL 127/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Berufungszulassung im schriftlich niedergelegten Tenor eines ohne mündliche Verhandlung ergangenen, nicht kraft Gesetzes berufungsfähigen Urteils mit nachfolgender Bekanntgabe des Urteils ohne Zulassung der Berufung und erfolgter Rechtsmittelbelehrung über die Nichtzulassungsbeschwerde
1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht in eine Berufung umgedeutet werden.
2. Ist über ein nicht statthaftes Rechtsmittel belehrt worden, steht dies dem Fall gleich, dass fälschlich darüber belehrt worden ist, es sei kein Rechtsbehelf gegeben; die Jahresfrist findet keine Anwendung (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG; Anschluss an BVerwG, Urteil vom 25.06.1985 - 8 C 116.84 - BVerwGE 71, 359; BFH, Urteil vom 25.06.1985 - VII R 33/04; BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 3).
3. Ist die Nichtzulassungsentscheidung des LSG durch eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts wegen Willkür aufgehoben worden, ist das LSG an die darin zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung, die Berufung sei vom SG zugelassen worden, auch dann gebunden, wenn die Auffassung des Landesverfassungsgerichts von einem Urteil des BSG abweicht. Das LSG ist aber in diesem Fall verpflichtet, die Revision zuzulassen.
4. Ein gefällter, aber nicht bekanntgegebener Tenor (hier: Berufungszulassung) bleibt ein nach außen unbeachtliches Internum (Anschluss an BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 23/77 - SozR 1500 § 124 Nr. 5). Eine nachträgliche Abänderung des bekanntgegeben Tenors ist ausgeschlossen.
5. Soweit eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 138 SGG in Betracht kommt, darf im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das LSG die Korrektur nicht von Amts wegen vornehmen, weil ansonsten § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG umgangen würde, wonach ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler vom Beschwerdeführer geltend zu machen ist.
1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht in eine Berufung umgedeutet werden.
2. Ist über ein nicht statthaftes Rechtsmittel belehrt worden, steht dies dem Fall gleich, dass fälschlich darüber belehrt worden ist, es sei kein Rechtsbehelf gegeben; die Jahresfrist findet keine Anwendung (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG; Anschluss an BVerwG, Urteil vom 25.06.1985 - 8 C 116.84 - BVerwGE 71, 359; BFH, Urteil vom 25.06.1985 - VII R 33/04; BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 3).
3. Ist die Nichtzulassungsentscheidung des LSG durch eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts wegen Willkür aufgehoben worden, ist das LSG an die darin zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung, die Berufung sei vom SG zugelassen worden, auch dann gebunden, wenn die Auffassung des Landesverfassungsgerichts von einem Urteil des BSG abweicht. Das LSG ist aber in diesem Fall verpflichtet, die Revision zuzulassen.
4. Ein gefällter, aber nicht bekanntgegebener Tenor (hier: Berufungszulassung) bleibt ein nach außen unbeachtliches Internum (Anschluss an BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 23/77 - SozR 1500 § 124 Nr. 5). Eine nachträgliche Abänderung des bekanntgegeben Tenors ist ausgeschlossen.
5. Soweit eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 138 SGG in Betracht kommt, darf im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das LSG die Korrektur nicht von Amts wegen vornehmen, weil ansonsten § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG umgangen würde, wonach ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler vom Beschwerdeführer geltend zu machen ist.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. November 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2005 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger entsprechend ihrem Anerkenntnis durch Schreiben vom 07. Juni 2010 und 22. September 2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 03. November 2010 einen Betrag in Höhe von 157,25 EUR zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Reise- und Bewerbungskosten für ein Vorstellungsgespräch in Großbritannien.
Der am ... geborene Kläger absolvierte nach Ablegung der Reifeprüfung eine Ausbildung als medizinisch-technischer Radiologieassistent. Nach Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in der Schweiz meldete er sich bei der Beklagten ab 01.01.2005 arbeitslos. Er verfügte zu diesem Zeitpunkt in seinem erlernten Beruf sowohl über Berufserfahrung als auch über eine Zulassung, seinen Beruf in Großbritannien und der Schweiz auszuüben.
Am 17.02.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen "Antrag auf Gewährung von Reisekosten" zu einem Vorstellungsgespräch am 24./25.02.2005 im H H , Pield Heath Road, Uxbridge, Middlesex, UK. Seinem am 25.02.2005 unterzeichneten und am 10.03.2005 bei der Beklagten eingegangenen förmlichen Antrag fügte er Nachweise über die ihm entstandenen Fahrkosten bei: 1. einen Nachweis über Kosten von 82,10 EUR für einen Flug mit Ryanair von Berlin Schönefeld nach London Stansted und zurück, 2. einen Zahlungsbeleg über 6,00 &8356; für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels am 24.02.2005 vom Flughafen zum Ort des Vorstellungsgesprächs, 3. einen Zahlungsbeleg über 10,00 &8356; für die Benutzung eines Taxis für eine am 25.02.2005 um 04.05 Uhr durchgeführte Fahrt vom Ort des Vorstellungsgesprächs zum Flughafen.
Ferner machte er einen Betrag von 20,00 EUR für eine Mitfahrgelegenheit für den Weg von seiner damaligen Wohnung in R nach Berlin und zurück geltend. Die Reise habe am 24.02.2005 um 5.00 Uhr begonnen und am 25.02.2005 um 14.00 Uhr geendet.
Mit Bescheid vom 22.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erstattung von Reisekosten mit der Begründung ab, die §§ 45 und 46 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) böten keine rechtliche Grundlage für die Gewährung von Reisekosten ins Ausland. Hiergegen legte der Kläger bei der Beklagten am 11.04.2005 Widerspruch ein, den er mit E-Mail vom 25.06.2005 begründete. Der Anwendungsbereich der §§ 45 und 46 SGB III sei nicht auf das Bundesgebiet beschränkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Gewährung von Reisekosten nach § 45 SGB III komme nicht in Betracht, da diese Leistung nur gezahlt werden könne, wenn die Arbeitsaufnahme im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches erfolge. Denn allein dadurch könne eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III begründet werden. Zwar könne im Einzelfall eine Erstattung im Rahmen der Freien Förderung nach § 10 SGB III erfolgen. Dabei handele es sich jedoch um eine Ermessensleistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Zu dem Personenkreis, der vorrangig nach § 10 SGB III gefördert werden solle, gehörten unter anderem Langzeitarbeitslose und Berufsrückkehrer sowie solche Arbeitslose, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten oder unter gesundheitlichen Einschränkungen litten. Der Kläger gehöre nicht zu diesem Personenkreis.
Gegen den ihm am 03.09.2005 in Großbritannien zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 06.10.2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die Auslegung der §§ 45, 46 SGB III verstoße gegen Gemeinschaftsrecht (Niederlassungsfreiheit und Diskriminierungsverbot). Zudem habe ihm die Beklagte im Jahre 2004 für die Aufnahme einer Beschäftigung in der Schweiz Mobilitätshilfe bewilligt. Die Beklagte könne daher nicht argumentieren, eine Erstattung der Kosten für Bewerbungen im Ausland stehe nicht mit dem Sozialgesetzbuch im Einklang. Eine Beschränkung der Regelungen des Sozialgesetzbuchs auf das Bundesgebiet sei dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Seine Reise- und Bewerbungskosten hat der Kläger nunmehr auf insgesamt 279,10 EUR beziffert (5,00 EUR für Porto und Kopien, 82,10 EUR für den Flug, 152,00 EUR als Pauschale für eine Übernachtung und 40,00 EUR als Pauschale für seine Verpflegung).
Die Beklagte hat an ihrer bisherigen Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 19.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter folgenden undatierten Urteilstenor schriftlich niedergelegt: "I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten der Parteien sind nicht zu erstatten. III. Die Berufung wird zugelassen." In dem schriftlich begründeten, nur von der Vorsitzenden unterzeichneten und dem Kläger zugestellten Urteil ist "III. Die Berufung wird zugelassen." im Tenor nicht enthalten. Auch in der Begründung findet sich kein Hinweis auf eine Zulassung der Berufung. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es, das Urteil könne nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen sei und vom SG nicht zugelassen worden sei. Die Nichtzulassung der Berufung könne durch Beschwerde angefochten werden.
Gegen das an ihn am 30.11.2007 abgesandte Urteil hat der Kläger am 19.12.2007 Nichtzulassungsbeschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Verfahrensfehler hat der Kläger, abgesehen von der Verfahrensdauer, nicht gerügt.
Mit Beschluss vom 08.10.2009 hat das LSG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückgewiesen.
Auf die hiergegen am 22.10.2009 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen (SächsVerfGH) mit Beschluss vom 20.04.2010 den Beschluss des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen. Nach Darstellung des Sachverhalts hat der SächsVerfGH unter II. zur Begründung seiner Entscheidung wie folgt ausgeführt:
"1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Beschluss des Landessozialgerichts verletze das Willkürverbot (Art. 18 Abs. 1 SächsVerf), ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet.
a) Das in Art. 18 Abs. 1 SächsVerf verbürgte Willkürverbot ist verletzt, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren mit den Vorgaben der Verfassung des Freistaates Sachsen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vereinbar ist. Insoweit wird ein Beschwerdeführer nur durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, die bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist. Willkür liegt dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – Vf. 66-IV-09; st. Rspr.). Dabei ist Willkür nicht im Sinne eines subjektiven Vorwurfs sondern objektiv zu verstehen, als eine Maßnahme, die im Verhältnis zu der Situation, derer sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (SächsVerfGH, a.a.O.).
b) Hieran gemessen erweist sich der Beschluss des Landessozialgerichts als willkürlich.
Das Sozialgericht hat in dem schriftlich niedergelegten Tenor die Berufung zugelassen. Diese Zulassung ist nicht dadurch aufgehoben worden, dass die dem Beschwerdeführer zugestellte und dem Landessozialgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zugrunde gelegte Fassung des Urteils einen entsprechenden Ausspruch nicht enthielt. Das Landessozialgericht hat die objektiv wirksame Zulassung der Berufung, an die es gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden ist, in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Sie ist darum bei objektiver Betrachtung offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich.
2. Es bedarf keiner Entscheidung mehr, ob die angegriffenen Entscheidungen weitere Grundrechte des Beschwerdeführers verletzen, weil der Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verletzung des Art. 18 Abs. 1 SächsVerfGH stattzugeben ist."
Mit Schreiben vom 05.05.2010 hat der Senat den Kläger in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen L 1 AL 113/10 NZB-ZVW darauf hingewiesen, sein Verfahren werde als Nichtzulassungsbeschwerde geführt, weil er mit Schreiben vom 17.12.2007 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung nicht in Betracht. Sofern er deshalb von dem Rechtsmittel der Berufung Gebrauch machen wolle, müsse er die Berufung schriftlich und unterschrieben beim LSG einreichen.
Mit am 17.05.2010 beim LSG eingegangenem Schreiben vom 12.05.2010 hat der Kläger daraufhin einen Schriftsatz mit der Überschrift "Begründung der Berufung" übersandt und seine Rechtsauffassung näher dargelegt.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 279,10 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, soweit sie die von ihm geltend gemachten Ansprüche nicht anerkannt hat.
Mit Schreiben vom 07.06.2010 und vom 22.09.2010 hat die Beklagte anerkannt, sämtliche vom Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Reisekosten in Höhe von insgesamt 141,25 EUR zu übernehmen. Ferner hat sie anerkannt, dem Grunde nach die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in den Verfahren S 24 AL 969/05 und L 1 AL 127/10 zu übernehmen.
Dieses Anerkenntnis hat der Kläger nicht angenommen.
Mit zum Aktenzeichen L 1 AL 113/10 NZB-ZVW übersandtem Schreiben vom 03.07.2010 hat der Kläger "noch eine Übernahme von Übernachtungs- und Verpflegungskosten als Pauschale in Analogie zum Einkommenssteuergesetz" beantragt, die er bereits in seinem Klageantrag mit 152,00 EUR bzw. 40,00 EUR beziffert hatte.
Mit Schreiben vom 18.08.2010 hat die Beklagte es abgelehnt, einer Klageerweiterung auf Erstattung einer Verpflegungs- und Übernachtungspauschale in Analogie zum Einkommensteuergesetz zuzustimmen. Diese Kosten seien nicht Inhalt des klägerischen Antrags vom 25.02.2005 und nicht Gegenstand des Bescheides vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2005 gewesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.11.2010 hat die Beklagte auf Anregung des Senats weiterhin anerkannt, dem Kläger eine Übernachtungskostenpauschale in Höhe von 16,00 EUR zu zahlen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen, außerdem die Akte des SächsVerfGH mit dem Aktenzeichen Vf. 108-IV-09.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat ausweislich seiner im Oktober 2010 mittels Elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übersandten Nachricht (Eingang auf dem Server am 08.10.2010, 14.45 Uhr) und des nicht unterschriebenen, undatierten Schreibens (Eingang bei Gericht am 29.10.2010) rechtzeitig Kenntnis von dem anberaumten Termin erlangt. Die Terminsmitteilung ist ihm tatsächlich zugegangen. Es war ihm auch noch möglich, auf die Ablehnung seines Verlegungsgesuchs mittels EGVP-Nachricht vom 01.11.2010 (identisch mit Telefax vom 03.11.2010) zu antworten. Dort hat er zum Ausdruck gebracht, mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit einverstanden zu sein. Gründe, die eine Aufhebung des Termins gerechtfertigt hätten, hat er ohnehin nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass er sich in Großbritannien aufhält, lässt in Anbetracht der bestehenden Flug- und Zugverbindungen nach Deutschland keine andere Sichtweise zu.
1. Die Berufung ist statthaft.
Das LSG ist gemäß § 14 Abs. 1 des Sächsischen Verfassungsgerichtshofgesetzes (SächsVerfGHG) vom 18.02.1993 (SächsGVBl. S. 177, 495) – zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofgesetzes vom 27.09.1995 (SächsGVBl. S. 321) – an die Entscheidung des SächsVerfGH in dem Beschluss vom 20.04.2010 – Vf. 108-IV-09 – gebunden. Danach ist vorliegend die Berufung statthaftes Rechtsmittel.
Zwar ergibt sich aus dem Tenor des Beschlusses des SächsVerfGH vom 20.04.2010 lediglich, dass der Beschluss des LSG vom 08.10.2009 aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen wurde. Das bedeutet formal, dass nach wie vor in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eine Entscheidung zu ergehen hat. Im Wege der Auslegung ergibt sich jedoch, dass der SächsVerfGH nur gemeint haben kann, dass dem Kläger auch tatsächlich das Rechtsmittel der Berufung kraft Zulassung im angegriffenen erstinstanzlichen Urteil eröffnet und an diese Rechtsauffassung das LSG gebunden ist. Der erkennende Senat hat daher den Tenor im Beschluss des SächsVerfGH dahin ausgelegt, dass die Zurückverweisung die bindende Feststellung beinhaltet, dass das SG die Berufung wirksam zugelassen hat. Folgerichtig hätte der SächsVerfGH allerdings dann den Beschluss des erkennenden Senats vom 08.10.2009 nicht aufheben dürfen, weil der Beschluss dann, wenngleich aus ganz anderen Gründen, im Ergebnis zu Recht ergangen wäre. Denn eine Nichtzulassungsbeschwerde, die gegen ein sozialgerichtliches Urteil eingelegt wird, das bereits die Berufung zugelassen hat, ist nicht statthaft, jedenfalls aber entfällt nachträglich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn durch eine das LSG bindende Feststellung die Zulassung als erfolgt anzusehen ist. Auch ist die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung nicht möglich (zum Fall der Umdeutung einer Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde vgl. nur: BSG, Urteil vom 11.05.1999 – B 11/10 AL 1/98 R – juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 20.05.2003 – B 1 KR 25/01 R – SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 Rn. 11 ff.; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage, VIII Rn. 43 f. m.w.N.; ausdrücklich gegen die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung: Zeihe, SGG, Stand November 2010, § 145 Rn. 2a; Burkiczak, Anmerkung zum Beschluss des SächsVerfGH vom 20.04.2010 – Vf. 108-IV-09 – SGb 2010, 552, 553; "idR kein Raum" für eine Umdeutung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl., Vor § 60 Rn. 11b; überwiegend wird für den Fall der ausdrücklichen Nichtzulassung der Berufung oder der Erteilung des Hinweises auf die Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsmittelbelehrung bei kraft Gesetzes zugelassener Berufung die Auffassung vertreten, dass der Ausspruch der Nichtzulassung der Berufung aufgehoben bzw. eine Klarstellung der Berufungsfähigkeit erfolgen kann, nicht aber, dass das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt wird: Krasney/Udsching, a. a. O., Rn. 46; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl., Rn. 451 f.; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 145 Rn. 6; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 145 Rn. 17, Stand September 1996; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.05.2007 – L 9 KR 205/04 NZB – juris Rn. 6; wohl auch BSG, Urteil vom 03.06.2004 – B 11 AL 75/03 R – SozR 4-1500 § 144 Nr. 1; a. A., nämlich Fortführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens als Berufung: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 144 Rn. 46a; nur referierend Lüdtke in Lüdtke, SGG, 3. Aufl., § 145 Rn. 4 unter Hinweis auf LSG Niedersachsen, Beschluss vom 07.03.1996 – L 5 S (Ka) 26/95 – NdsRpfl 1996, 171; zur ausgeschlossenen Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision vgl. BSG, Beschluss vom 21.04.1975 – 2 BU 3/75 – SozR 1500 § 160a Nr. 2). Deshalb hat der Senat dem Kläger in dem unter dem Aktenzeichen L 1 AL 113/10 NZB ZVW geführten Verfahren mit Schreiben vom 05.05.2010 einen entsprechenden Hinweis erteilt, der den Kläger dazu veranlasst hat, einen mit "Begründung der Berufung" überschriebenen Schriftsatz zu übersenden, den der Senat zugleich als Einlegung der Berufung ansieht.
2. Der Kläger hat die Berufung auch fristgerecht eingelegt.
Dem Kläger war die Einlegung der Berufung innerhalb eines Jahres seit Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung infolge höherer Gewalt unmöglich.
Gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, sofern die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 SGG gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend (§ 66 Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).
Dem Fall, dass eine unrichtige schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, steht der Fall gleich, dass über ein nicht statthaftes Rechtsmittel belehrt worden ist und der Rechtsmittelführer deswegen nicht in der Lage war, das richtige Rechtsmittel einzulegen (vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 25.06.1985 – 8 C 116.84 – BVerwGE 71, 359, 361; Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 31.01.2005 – VII R 33/04 – juris Rn. 31; BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 4 R 19/06 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 3 Rn. 54; jedenfalls bei nicht rechtskundig vertretenen Personen zustimmend Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 66 Rn. 13b und 13c; ebenso Ulmer, SGb 1996, 208, 211 f.; ablehnend Zeihe, Urteilsanmerkung zu BSG, Urteil vom 06.02.1997 – 14/10 BKg 14/96, SGb 1998, 321, 322; Düring in Jansen, SGG, 3. Aufl., § 66 Rn. 8).
Nach der den Senat bindenden Rechtsauffassung des SächsVerfGH zur Berufungszulassung war es dem Kläger aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil und dem Ausbleiben eines Hinweises des LSG auf die Notwendigkeit der Einlegung einer Berufung innerhalb der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich, seine Berufung fristgerecht einzulegen (§ 66 Abs 2 SGG i. V. m. § 67 Abs. 3 SGG). Höhere Gewalt ist ein Ereignis, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 67 Rn. 14a m. w. N.). Der Kläger konnte nicht erkennen, dass das SG die Berufung zugelassen hatte, weil dieser Umstand gerichtsintern blieb und er dem an den Kläger am 30.11.2007 abgesandten Urteil vom 19.11.2007 nicht zu entnehmen war. Akteneinsicht hat der Kläger – ebenso wie die Beklagte – zu keinem Zeitpunkt genommen. Dies war von ihm, da er seinen Wohnsitz im Zeitpunkt des SG-Urteils bereits in England hatte, auch nicht zu verlangen. Zudem hätte er, selbst wenn er Akteneinsicht genommen hätte, nicht erwarten müssen, dass der SächsVerfGH abweichend von der Rechtsprechung der obersten Gerichte des Bundes (näher dazu unter 6.) annehmen würde, das SG habe die Berufung wirksam zugelassen. Ihm steht deshalb ein Wiedereinsetzungsgrund zur Seite.
Die Voraussetzungen von § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG liegen vor. Seine in der Berufungsbegründung vom 17.05.2010 mit enthaltene Berufung ging innerhalb eines Monats nach Zugang des Beschlusses des SächsVerfGH vom 20.04.2010 – Vf. 108-IV-09 – beim LSG ein. Wiedereinsetzung war zu gewähren, ohne dass es eines gesonderten Antrags des Klägers bedürft hätte (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist auch begründet, soweit die Beklagte sein Begehren anerkannt hat. Insoweit bedarf es nicht der Entscheidungsgründe (§ 202 SGG in Verbindung mit § 313 b Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).
4. Über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehende Ansprüche des Klägers bestehen nicht. Insoweit ist die Berufung zurückzuweisen.
a) Im Hinblick auf die erstmals im Verfahren vor dem SG geltend gemachten Porto- und Kopierkosten in Höhe von 5,00 EUR liegt schon kein Antrag des Klägers gegenüber der Beklagten vor, so dass es an der Durchführung des erforderlichen Verwaltungsverfahrens fehlt. Denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten nur Reisekosten, nicht aber Bewerbungskosten beantragt. Die Klage ist insoweit bereits unzulässig.
Im Übrigen fehlt es jedenfalls am tatsächlichen Nachweis dieser Kosten. Bewerbungskosten im Sinne von § 45 Satz 2 Nr. 1 SGB III in der vom 01.01.2003 bis 31.12.2008 geltenden Fassung sind nur dann erstattungsfähig, wenn ihre konkrete Entstehung substantiiert dargelegt wird (s. nur LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.04.2005 – L 8 AL 111/02 – juris Rn. 28, und Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 46 Rn. 8). Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen des § 324 Abs. 1 SGB III nicht vor.
b) Für die über einen Betrag von 16,00 EUR hinaus geltend gemachten Übernachtungskosten hat der Kläger ebenfalls keinen Nachweis vorgelegt. Nach § 46 Abs. 2 Satz 6 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2008 geltenden Fassung verlangt der Gesetzgeber für eine Erstattung höherer Übernachtungskosten aber einen entsprechenden Nachweis.
Da in § 46 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2008 geltenden Fassung eine spezielle Regelung für Übernachtungskosten enthalten ist, kommt eine analoge Anwendung sonstiger Vorschriften nicht in Betracht.
c) Hinsichtlich der geltend gemachten Verpflegungskosten besteht kein über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehender Anspruch des Klägers. Denn sowohl für den 24.02.2005 als auch für den 25.02.2005 hat die Beklagte einen Betrag von jeweils 8,00 EUR anerkannt. Damit hat sie der Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2008 geltenden Fassung Rechnung getragen. Sie sieht vor, dass bei mehrtägigen Fahrten zusätzlich für jeden vollen Kalendertag ein Betrag von 16,00 EUR und für den Tag des Antritts und den Tag der Beendigung der Fahrt ein Betrag von jeweils 8,00 EUR erbracht werden kann. Da der Kläger nach seinen Angaben weder am 24.02.2005 noch am 25.02.2005 einen vollen Kalendertag – also von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr – unterwegs war, entspricht der von der Beklagten anerkannte Betrag der gesetzlichen Regelung (vgl. hierzu Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 46 Rn. 34, Stand August 2006). Das mit Schriftsatz der Beklagten vom 07.06.2010 zuerkannte Tagegeld von insgesamt 16,00 EUR hat die Funktion, entstandenen Verpflegungsmehraufwand zu kompensieren. Für eine analoge Anwendung sonstiger Bestimmungen ist danach kein Raum.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Anerkenntnis der Beklagten.
6. Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des BSG abweicht und auch auf dieser Abweichung beruht. Auch insoweit darf der erkennende Senat trotz der Bindungswirkung von § 14 Abs. 1 SächsVerfGHG nicht von einer Zulassung der Revision absehen. Denn das vom erkennenden Senat gesprochene Urteil weicht von der Rechtsprechung des BSG ab, und allein dieser Umstand ist insoweit maßgeblich (vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.02.1981 – 6 ABN 20/80 – juris Rn. 7 f.). Unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG hätte der erkennende Senat kein Sachurteil erlassen dürfen, weil danach die Berufung nicht wirksam zugelassen worden war.
Das BSG verlangt in Übereinstimmung mit anderen Bundesgerichten für das Wirksamwerden eines beschlossenen Urteils zumindest eine irgendwie geartete Verlautbarung nach außen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1978 – 2 RU 23/77 – SozR 1500 § 124 Nr. 5 S. 9 f.; vgl. auch BVerwG 21.06.1979 – 5 C 47.78 – BVerwGE 58, 146, 148: ein gefälltes, noch nicht verkündetes Urteil sei ein Internum; es sei abänderbar; ebenso BFH, Urteil vom 28.11.1995 – IX R 16/93 – juris Rn. 13). Bindungswirkung erlangt nur das Urteil, das bekanntgegeben wurde, und sei dies auch bloß formlos am Telefon durch den Urkundsbeamten geschehen. Eine nachträgliche Abänderung des verlautbarten Urteils schließt das BSG (a. a. O.) aus. An einer Verlautbarung nach außen fehlt es hier im Hinblick auf den undatierten Urteilstenor. Der vom SG ohne mündliche Verhandlung und unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter niedergelegte und undatierte Urteilstenor ("III. Die Berufung wird zugelassen.") ist bis zum Zugang des Beschlusses des SächsVerfGH, und damit nach Zugang des die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückweisenden Beschlusses des erkennenden Senats, ein gerichtsinterner Vorgang ohne Außenwirkung geblieben. Hingegen ist mit der Bekanntgabe des SG-Urteils vom 19.11.2007 die Nichtzulassung der Berufung verlautbart worden. Selbst wenn die Nichtzulassung der Berufung durch das SG willkürlich sein sollte, darf das LSG weder die Berufung von Amts wegen zulassen noch als statthaft behandeln und in der Sache entscheiden (so ausdrücklich Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. VIII Rn. 43).
Ist eine Rechtsmittelzulassung beschlossen, aber versehentlich nicht in das Urteil aufgenommen worden, kann die Zulassung nur dann wirksam durch einen Berichtigungsbeschluss nach § 138 SGG nachgeholt werden, wenn das Urteil hinsichtlich des fehlenden Ausspruches offenbar, das heißt für jeden Außenstehenden erkennbar, unrichtig ist (BSG, Urteil vom 23.10.1962 – 9 RV 214/62 – SozR Nr. 37 zu § 150 SGG). Ein derartiger Berichtigungsbeschluss ist bereits nicht ergangen. Angesichts der besonderen Umstände hätte hier auch allenfalls das SG – wenn überhaupt – einen derartigen Berichtigungsbeschluss erlassen können. Denn es gibt für die Außenstehenden keine Gewissheit darüber, dass der von den ehrenamtlichen Richtern mit unterschriebene undatierte Tenor das "wahre" Beratungsergebnis wiedergibt. Der formularmäßig aus dem Fachverfahren (EUREKA-Fach) heraus erstellte Urteilstenor, der eine Berufungszulassung enthalten hat, wurde der Akte beigefügt, aber nicht unterschrieben. Unterschrieben wurde der vom SG nochmals erstellte zweite Urteilstenor. Dieser enthält zwar auch die Berufungszulassung. Es ist aber nicht auszuschließen, dass hier versehentlich das Wort "nicht" bei der Entscheidung über die Berufungszulassung vergessen wurde. Denn ansonsten hätte es keines zweiten, individuell (außerhalb des Fachverfahrens EUREKA-Fach) erstellten Urteilstenors bedurft. Infolgedessen besteht keine Gewissheit darüber, dass der erstinstanzliche Berufsrichter vom Beratungsergebnis tatsächlich abgewichen ist. Hinzu kommt, dass in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das angerufene LSG keinen eventuell verfahrensrechtlich von Amts wegen zu behebenden Fehler unaufgefordert korrigieren darf, wenn dies zur Zulassung der Berufung führen würde, weil dadurch gerade die Vorschrift des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG umgangen würde, wonach ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler vom Beschwerdeführer geltend zu machen ist.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Reise- und Bewerbungskosten für ein Vorstellungsgespräch in Großbritannien.
Der am ... geborene Kläger absolvierte nach Ablegung der Reifeprüfung eine Ausbildung als medizinisch-technischer Radiologieassistent. Nach Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in der Schweiz meldete er sich bei der Beklagten ab 01.01.2005 arbeitslos. Er verfügte zu diesem Zeitpunkt in seinem erlernten Beruf sowohl über Berufserfahrung als auch über eine Zulassung, seinen Beruf in Großbritannien und der Schweiz auszuüben.
Am 17.02.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen "Antrag auf Gewährung von Reisekosten" zu einem Vorstellungsgespräch am 24./25.02.2005 im H H , Pield Heath Road, Uxbridge, Middlesex, UK. Seinem am 25.02.2005 unterzeichneten und am 10.03.2005 bei der Beklagten eingegangenen förmlichen Antrag fügte er Nachweise über die ihm entstandenen Fahrkosten bei: 1. einen Nachweis über Kosten von 82,10 EUR für einen Flug mit Ryanair von Berlin Schönefeld nach London Stansted und zurück, 2. einen Zahlungsbeleg über 6,00 &8356; für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels am 24.02.2005 vom Flughafen zum Ort des Vorstellungsgesprächs, 3. einen Zahlungsbeleg über 10,00 &8356; für die Benutzung eines Taxis für eine am 25.02.2005 um 04.05 Uhr durchgeführte Fahrt vom Ort des Vorstellungsgesprächs zum Flughafen.
Ferner machte er einen Betrag von 20,00 EUR für eine Mitfahrgelegenheit für den Weg von seiner damaligen Wohnung in R nach Berlin und zurück geltend. Die Reise habe am 24.02.2005 um 5.00 Uhr begonnen und am 25.02.2005 um 14.00 Uhr geendet.
Mit Bescheid vom 22.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erstattung von Reisekosten mit der Begründung ab, die §§ 45 und 46 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) böten keine rechtliche Grundlage für die Gewährung von Reisekosten ins Ausland. Hiergegen legte der Kläger bei der Beklagten am 11.04.2005 Widerspruch ein, den er mit E-Mail vom 25.06.2005 begründete. Der Anwendungsbereich der §§ 45 und 46 SGB III sei nicht auf das Bundesgebiet beschränkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Gewährung von Reisekosten nach § 45 SGB III komme nicht in Betracht, da diese Leistung nur gezahlt werden könne, wenn die Arbeitsaufnahme im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches erfolge. Denn allein dadurch könne eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III begründet werden. Zwar könne im Einzelfall eine Erstattung im Rahmen der Freien Förderung nach § 10 SGB III erfolgen. Dabei handele es sich jedoch um eine Ermessensleistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Zu dem Personenkreis, der vorrangig nach § 10 SGB III gefördert werden solle, gehörten unter anderem Langzeitarbeitslose und Berufsrückkehrer sowie solche Arbeitslose, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten oder unter gesundheitlichen Einschränkungen litten. Der Kläger gehöre nicht zu diesem Personenkreis.
Gegen den ihm am 03.09.2005 in Großbritannien zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 06.10.2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die Auslegung der §§ 45, 46 SGB III verstoße gegen Gemeinschaftsrecht (Niederlassungsfreiheit und Diskriminierungsverbot). Zudem habe ihm die Beklagte im Jahre 2004 für die Aufnahme einer Beschäftigung in der Schweiz Mobilitätshilfe bewilligt. Die Beklagte könne daher nicht argumentieren, eine Erstattung der Kosten für Bewerbungen im Ausland stehe nicht mit dem Sozialgesetzbuch im Einklang. Eine Beschränkung der Regelungen des Sozialgesetzbuchs auf das Bundesgebiet sei dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Seine Reise- und Bewerbungskosten hat der Kläger nunmehr auf insgesamt 279,10 EUR beziffert (5,00 EUR für Porto und Kopien, 82,10 EUR für den Flug, 152,00 EUR als Pauschale für eine Übernachtung und 40,00 EUR als Pauschale für seine Verpflegung).
Die Beklagte hat an ihrer bisherigen Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 19.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter folgenden undatierten Urteilstenor schriftlich niedergelegt: "I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten der Parteien sind nicht zu erstatten. III. Die Berufung wird zugelassen." In dem schriftlich begründeten, nur von der Vorsitzenden unterzeichneten und dem Kläger zugestellten Urteil ist "III. Die Berufung wird zugelassen." im Tenor nicht enthalten. Auch in der Begründung findet sich kein Hinweis auf eine Zulassung der Berufung. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es, das Urteil könne nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen sei und vom SG nicht zugelassen worden sei. Die Nichtzulassung der Berufung könne durch Beschwerde angefochten werden.
Gegen das an ihn am 30.11.2007 abgesandte Urteil hat der Kläger am 19.12.2007 Nichtzulassungsbeschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Verfahrensfehler hat der Kläger, abgesehen von der Verfahrensdauer, nicht gerügt.
Mit Beschluss vom 08.10.2009 hat das LSG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückgewiesen.
Auf die hiergegen am 22.10.2009 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen (SächsVerfGH) mit Beschluss vom 20.04.2010 den Beschluss des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen. Nach Darstellung des Sachverhalts hat der SächsVerfGH unter II. zur Begründung seiner Entscheidung wie folgt ausgeführt:
"1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Beschluss des Landessozialgerichts verletze das Willkürverbot (Art. 18 Abs. 1 SächsVerf), ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet.
a) Das in Art. 18 Abs. 1 SächsVerf verbürgte Willkürverbot ist verletzt, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren mit den Vorgaben der Verfassung des Freistaates Sachsen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vereinbar ist. Insoweit wird ein Beschwerdeführer nur durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, die bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist. Willkür liegt dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – Vf. 66-IV-09; st. Rspr.). Dabei ist Willkür nicht im Sinne eines subjektiven Vorwurfs sondern objektiv zu verstehen, als eine Maßnahme, die im Verhältnis zu der Situation, derer sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (SächsVerfGH, a.a.O.).
b) Hieran gemessen erweist sich der Beschluss des Landessozialgerichts als willkürlich.
Das Sozialgericht hat in dem schriftlich niedergelegten Tenor die Berufung zugelassen. Diese Zulassung ist nicht dadurch aufgehoben worden, dass die dem Beschwerdeführer zugestellte und dem Landessozialgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zugrunde gelegte Fassung des Urteils einen entsprechenden Ausspruch nicht enthielt. Das Landessozialgericht hat die objektiv wirksame Zulassung der Berufung, an die es gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden ist, in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Sie ist darum bei objektiver Betrachtung offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich.
2. Es bedarf keiner Entscheidung mehr, ob die angegriffenen Entscheidungen weitere Grundrechte des Beschwerdeführers verletzen, weil der Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verletzung des Art. 18 Abs. 1 SächsVerfGH stattzugeben ist."
Mit Schreiben vom 05.05.2010 hat der Senat den Kläger in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen L 1 AL 113/10 NZB-ZVW darauf hingewiesen, sein Verfahren werde als Nichtzulassungsbeschwerde geführt, weil er mit Schreiben vom 17.12.2007 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung nicht in Betracht. Sofern er deshalb von dem Rechtsmittel der Berufung Gebrauch machen wolle, müsse er die Berufung schriftlich und unterschrieben beim LSG einreichen.
Mit am 17.05.2010 beim LSG eingegangenem Schreiben vom 12.05.2010 hat der Kläger daraufhin einen Schriftsatz mit der Überschrift "Begründung der Berufung" übersandt und seine Rechtsauffassung näher dargelegt.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 279,10 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, soweit sie die von ihm geltend gemachten Ansprüche nicht anerkannt hat.
Mit Schreiben vom 07.06.2010 und vom 22.09.2010 hat die Beklagte anerkannt, sämtliche vom Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Reisekosten in Höhe von insgesamt 141,25 EUR zu übernehmen. Ferner hat sie anerkannt, dem Grunde nach die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in den Verfahren S 24 AL 969/05 und L 1 AL 127/10 zu übernehmen.
Dieses Anerkenntnis hat der Kläger nicht angenommen.
Mit zum Aktenzeichen L 1 AL 113/10 NZB-ZVW übersandtem Schreiben vom 03.07.2010 hat der Kläger "noch eine Übernahme von Übernachtungs- und Verpflegungskosten als Pauschale in Analogie zum Einkommenssteuergesetz" beantragt, die er bereits in seinem Klageantrag mit 152,00 EUR bzw. 40,00 EUR beziffert hatte.
Mit Schreiben vom 18.08.2010 hat die Beklagte es abgelehnt, einer Klageerweiterung auf Erstattung einer Verpflegungs- und Übernachtungspauschale in Analogie zum Einkommensteuergesetz zuzustimmen. Diese Kosten seien nicht Inhalt des klägerischen Antrags vom 25.02.2005 und nicht Gegenstand des Bescheides vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2005 gewesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.11.2010 hat die Beklagte auf Anregung des Senats weiterhin anerkannt, dem Kläger eine Übernachtungskostenpauschale in Höhe von 16,00 EUR zu zahlen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen, außerdem die Akte des SächsVerfGH mit dem Aktenzeichen Vf. 108-IV-09.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat ausweislich seiner im Oktober 2010 mittels Elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übersandten Nachricht (Eingang auf dem Server am 08.10.2010, 14.45 Uhr) und des nicht unterschriebenen, undatierten Schreibens (Eingang bei Gericht am 29.10.2010) rechtzeitig Kenntnis von dem anberaumten Termin erlangt. Die Terminsmitteilung ist ihm tatsächlich zugegangen. Es war ihm auch noch möglich, auf die Ablehnung seines Verlegungsgesuchs mittels EGVP-Nachricht vom 01.11.2010 (identisch mit Telefax vom 03.11.2010) zu antworten. Dort hat er zum Ausdruck gebracht, mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit einverstanden zu sein. Gründe, die eine Aufhebung des Termins gerechtfertigt hätten, hat er ohnehin nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass er sich in Großbritannien aufhält, lässt in Anbetracht der bestehenden Flug- und Zugverbindungen nach Deutschland keine andere Sichtweise zu.
1. Die Berufung ist statthaft.
Das LSG ist gemäß § 14 Abs. 1 des Sächsischen Verfassungsgerichtshofgesetzes (SächsVerfGHG) vom 18.02.1993 (SächsGVBl. S. 177, 495) – zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofgesetzes vom 27.09.1995 (SächsGVBl. S. 321) – an die Entscheidung des SächsVerfGH in dem Beschluss vom 20.04.2010 – Vf. 108-IV-09 – gebunden. Danach ist vorliegend die Berufung statthaftes Rechtsmittel.
Zwar ergibt sich aus dem Tenor des Beschlusses des SächsVerfGH vom 20.04.2010 lediglich, dass der Beschluss des LSG vom 08.10.2009 aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen wurde. Das bedeutet formal, dass nach wie vor in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eine Entscheidung zu ergehen hat. Im Wege der Auslegung ergibt sich jedoch, dass der SächsVerfGH nur gemeint haben kann, dass dem Kläger auch tatsächlich das Rechtsmittel der Berufung kraft Zulassung im angegriffenen erstinstanzlichen Urteil eröffnet und an diese Rechtsauffassung das LSG gebunden ist. Der erkennende Senat hat daher den Tenor im Beschluss des SächsVerfGH dahin ausgelegt, dass die Zurückverweisung die bindende Feststellung beinhaltet, dass das SG die Berufung wirksam zugelassen hat. Folgerichtig hätte der SächsVerfGH allerdings dann den Beschluss des erkennenden Senats vom 08.10.2009 nicht aufheben dürfen, weil der Beschluss dann, wenngleich aus ganz anderen Gründen, im Ergebnis zu Recht ergangen wäre. Denn eine Nichtzulassungsbeschwerde, die gegen ein sozialgerichtliches Urteil eingelegt wird, das bereits die Berufung zugelassen hat, ist nicht statthaft, jedenfalls aber entfällt nachträglich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn durch eine das LSG bindende Feststellung die Zulassung als erfolgt anzusehen ist. Auch ist die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung nicht möglich (zum Fall der Umdeutung einer Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde vgl. nur: BSG, Urteil vom 11.05.1999 – B 11/10 AL 1/98 R – juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 20.05.2003 – B 1 KR 25/01 R – SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 Rn. 11 ff.; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage, VIII Rn. 43 f. m.w.N.; ausdrücklich gegen die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung: Zeihe, SGG, Stand November 2010, § 145 Rn. 2a; Burkiczak, Anmerkung zum Beschluss des SächsVerfGH vom 20.04.2010 – Vf. 108-IV-09 – SGb 2010, 552, 553; "idR kein Raum" für eine Umdeutung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl., Vor § 60 Rn. 11b; überwiegend wird für den Fall der ausdrücklichen Nichtzulassung der Berufung oder der Erteilung des Hinweises auf die Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsmittelbelehrung bei kraft Gesetzes zugelassener Berufung die Auffassung vertreten, dass der Ausspruch der Nichtzulassung der Berufung aufgehoben bzw. eine Klarstellung der Berufungsfähigkeit erfolgen kann, nicht aber, dass das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt wird: Krasney/Udsching, a. a. O., Rn. 46; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl., Rn. 451 f.; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 145 Rn. 6; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 145 Rn. 17, Stand September 1996; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.05.2007 – L 9 KR 205/04 NZB – juris Rn. 6; wohl auch BSG, Urteil vom 03.06.2004 – B 11 AL 75/03 R – SozR 4-1500 § 144 Nr. 1; a. A., nämlich Fortführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens als Berufung: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 144 Rn. 46a; nur referierend Lüdtke in Lüdtke, SGG, 3. Aufl., § 145 Rn. 4 unter Hinweis auf LSG Niedersachsen, Beschluss vom 07.03.1996 – L 5 S (Ka) 26/95 – NdsRpfl 1996, 171; zur ausgeschlossenen Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision vgl. BSG, Beschluss vom 21.04.1975 – 2 BU 3/75 – SozR 1500 § 160a Nr. 2). Deshalb hat der Senat dem Kläger in dem unter dem Aktenzeichen L 1 AL 113/10 NZB ZVW geführten Verfahren mit Schreiben vom 05.05.2010 einen entsprechenden Hinweis erteilt, der den Kläger dazu veranlasst hat, einen mit "Begründung der Berufung" überschriebenen Schriftsatz zu übersenden, den der Senat zugleich als Einlegung der Berufung ansieht.
2. Der Kläger hat die Berufung auch fristgerecht eingelegt.
Dem Kläger war die Einlegung der Berufung innerhalb eines Jahres seit Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung infolge höherer Gewalt unmöglich.
Gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, sofern die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 SGG gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend (§ 66 Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).
Dem Fall, dass eine unrichtige schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, steht der Fall gleich, dass über ein nicht statthaftes Rechtsmittel belehrt worden ist und der Rechtsmittelführer deswegen nicht in der Lage war, das richtige Rechtsmittel einzulegen (vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 25.06.1985 – 8 C 116.84 – BVerwGE 71, 359, 361; Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 31.01.2005 – VII R 33/04 – juris Rn. 31; BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 4 R 19/06 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 3 Rn. 54; jedenfalls bei nicht rechtskundig vertretenen Personen zustimmend Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 66 Rn. 13b und 13c; ebenso Ulmer, SGb 1996, 208, 211 f.; ablehnend Zeihe, Urteilsanmerkung zu BSG, Urteil vom 06.02.1997 – 14/10 BKg 14/96, SGb 1998, 321, 322; Düring in Jansen, SGG, 3. Aufl., § 66 Rn. 8).
Nach der den Senat bindenden Rechtsauffassung des SächsVerfGH zur Berufungszulassung war es dem Kläger aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil und dem Ausbleiben eines Hinweises des LSG auf die Notwendigkeit der Einlegung einer Berufung innerhalb der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich, seine Berufung fristgerecht einzulegen (§ 66 Abs 2 SGG i. V. m. § 67 Abs. 3 SGG). Höhere Gewalt ist ein Ereignis, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 67 Rn. 14a m. w. N.). Der Kläger konnte nicht erkennen, dass das SG die Berufung zugelassen hatte, weil dieser Umstand gerichtsintern blieb und er dem an den Kläger am 30.11.2007 abgesandten Urteil vom 19.11.2007 nicht zu entnehmen war. Akteneinsicht hat der Kläger – ebenso wie die Beklagte – zu keinem Zeitpunkt genommen. Dies war von ihm, da er seinen Wohnsitz im Zeitpunkt des SG-Urteils bereits in England hatte, auch nicht zu verlangen. Zudem hätte er, selbst wenn er Akteneinsicht genommen hätte, nicht erwarten müssen, dass der SächsVerfGH abweichend von der Rechtsprechung der obersten Gerichte des Bundes (näher dazu unter 6.) annehmen würde, das SG habe die Berufung wirksam zugelassen. Ihm steht deshalb ein Wiedereinsetzungsgrund zur Seite.
Die Voraussetzungen von § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG liegen vor. Seine in der Berufungsbegründung vom 17.05.2010 mit enthaltene Berufung ging innerhalb eines Monats nach Zugang des Beschlusses des SächsVerfGH vom 20.04.2010 – Vf. 108-IV-09 – beim LSG ein. Wiedereinsetzung war zu gewähren, ohne dass es eines gesonderten Antrags des Klägers bedürft hätte (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist auch begründet, soweit die Beklagte sein Begehren anerkannt hat. Insoweit bedarf es nicht der Entscheidungsgründe (§ 202 SGG in Verbindung mit § 313 b Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).
4. Über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehende Ansprüche des Klägers bestehen nicht. Insoweit ist die Berufung zurückzuweisen.
a) Im Hinblick auf die erstmals im Verfahren vor dem SG geltend gemachten Porto- und Kopierkosten in Höhe von 5,00 EUR liegt schon kein Antrag des Klägers gegenüber der Beklagten vor, so dass es an der Durchführung des erforderlichen Verwaltungsverfahrens fehlt. Denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten nur Reisekosten, nicht aber Bewerbungskosten beantragt. Die Klage ist insoweit bereits unzulässig.
Im Übrigen fehlt es jedenfalls am tatsächlichen Nachweis dieser Kosten. Bewerbungskosten im Sinne von § 45 Satz 2 Nr. 1 SGB III in der vom 01.01.2003 bis 31.12.2008 geltenden Fassung sind nur dann erstattungsfähig, wenn ihre konkrete Entstehung substantiiert dargelegt wird (s. nur LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.04.2005 – L 8 AL 111/02 – juris Rn. 28, und Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 46 Rn. 8). Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen des § 324 Abs. 1 SGB III nicht vor.
b) Für die über einen Betrag von 16,00 EUR hinaus geltend gemachten Übernachtungskosten hat der Kläger ebenfalls keinen Nachweis vorgelegt. Nach § 46 Abs. 2 Satz 6 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2008 geltenden Fassung verlangt der Gesetzgeber für eine Erstattung höherer Übernachtungskosten aber einen entsprechenden Nachweis.
Da in § 46 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2008 geltenden Fassung eine spezielle Regelung für Übernachtungskosten enthalten ist, kommt eine analoge Anwendung sonstiger Vorschriften nicht in Betracht.
c) Hinsichtlich der geltend gemachten Verpflegungskosten besteht kein über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehender Anspruch des Klägers. Denn sowohl für den 24.02.2005 als auch für den 25.02.2005 hat die Beklagte einen Betrag von jeweils 8,00 EUR anerkannt. Damit hat sie der Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2008 geltenden Fassung Rechnung getragen. Sie sieht vor, dass bei mehrtägigen Fahrten zusätzlich für jeden vollen Kalendertag ein Betrag von 16,00 EUR und für den Tag des Antritts und den Tag der Beendigung der Fahrt ein Betrag von jeweils 8,00 EUR erbracht werden kann. Da der Kläger nach seinen Angaben weder am 24.02.2005 noch am 25.02.2005 einen vollen Kalendertag – also von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr – unterwegs war, entspricht der von der Beklagten anerkannte Betrag der gesetzlichen Regelung (vgl. hierzu Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 46 Rn. 34, Stand August 2006). Das mit Schriftsatz der Beklagten vom 07.06.2010 zuerkannte Tagegeld von insgesamt 16,00 EUR hat die Funktion, entstandenen Verpflegungsmehraufwand zu kompensieren. Für eine analoge Anwendung sonstiger Bestimmungen ist danach kein Raum.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Anerkenntnis der Beklagten.
6. Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des BSG abweicht und auch auf dieser Abweichung beruht. Auch insoweit darf der erkennende Senat trotz der Bindungswirkung von § 14 Abs. 1 SächsVerfGHG nicht von einer Zulassung der Revision absehen. Denn das vom erkennenden Senat gesprochene Urteil weicht von der Rechtsprechung des BSG ab, und allein dieser Umstand ist insoweit maßgeblich (vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.02.1981 – 6 ABN 20/80 – juris Rn. 7 f.). Unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG hätte der erkennende Senat kein Sachurteil erlassen dürfen, weil danach die Berufung nicht wirksam zugelassen worden war.
Das BSG verlangt in Übereinstimmung mit anderen Bundesgerichten für das Wirksamwerden eines beschlossenen Urteils zumindest eine irgendwie geartete Verlautbarung nach außen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1978 – 2 RU 23/77 – SozR 1500 § 124 Nr. 5 S. 9 f.; vgl. auch BVerwG 21.06.1979 – 5 C 47.78 – BVerwGE 58, 146, 148: ein gefälltes, noch nicht verkündetes Urteil sei ein Internum; es sei abänderbar; ebenso BFH, Urteil vom 28.11.1995 – IX R 16/93 – juris Rn. 13). Bindungswirkung erlangt nur das Urteil, das bekanntgegeben wurde, und sei dies auch bloß formlos am Telefon durch den Urkundsbeamten geschehen. Eine nachträgliche Abänderung des verlautbarten Urteils schließt das BSG (a. a. O.) aus. An einer Verlautbarung nach außen fehlt es hier im Hinblick auf den undatierten Urteilstenor. Der vom SG ohne mündliche Verhandlung und unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter niedergelegte und undatierte Urteilstenor ("III. Die Berufung wird zugelassen.") ist bis zum Zugang des Beschlusses des SächsVerfGH, und damit nach Zugang des die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückweisenden Beschlusses des erkennenden Senats, ein gerichtsinterner Vorgang ohne Außenwirkung geblieben. Hingegen ist mit der Bekanntgabe des SG-Urteils vom 19.11.2007 die Nichtzulassung der Berufung verlautbart worden. Selbst wenn die Nichtzulassung der Berufung durch das SG willkürlich sein sollte, darf das LSG weder die Berufung von Amts wegen zulassen noch als statthaft behandeln und in der Sache entscheiden (so ausdrücklich Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. VIII Rn. 43).
Ist eine Rechtsmittelzulassung beschlossen, aber versehentlich nicht in das Urteil aufgenommen worden, kann die Zulassung nur dann wirksam durch einen Berichtigungsbeschluss nach § 138 SGG nachgeholt werden, wenn das Urteil hinsichtlich des fehlenden Ausspruches offenbar, das heißt für jeden Außenstehenden erkennbar, unrichtig ist (BSG, Urteil vom 23.10.1962 – 9 RV 214/62 – SozR Nr. 37 zu § 150 SGG). Ein derartiger Berichtigungsbeschluss ist bereits nicht ergangen. Angesichts der besonderen Umstände hätte hier auch allenfalls das SG – wenn überhaupt – einen derartigen Berichtigungsbeschluss erlassen können. Denn es gibt für die Außenstehenden keine Gewissheit darüber, dass der von den ehrenamtlichen Richtern mit unterschriebene undatierte Tenor das "wahre" Beratungsergebnis wiedergibt. Der formularmäßig aus dem Fachverfahren (EUREKA-Fach) heraus erstellte Urteilstenor, der eine Berufungszulassung enthalten hat, wurde der Akte beigefügt, aber nicht unterschrieben. Unterschrieben wurde der vom SG nochmals erstellte zweite Urteilstenor. Dieser enthält zwar auch die Berufungszulassung. Es ist aber nicht auszuschließen, dass hier versehentlich das Wort "nicht" bei der Entscheidung über die Berufungszulassung vergessen wurde. Denn ansonsten hätte es keines zweiten, individuell (außerhalb des Fachverfahrens EUREKA-Fach) erstellten Urteilstenors bedurft. Infolgedessen besteht keine Gewissheit darüber, dass der erstinstanzliche Berufsrichter vom Beratungsergebnis tatsächlich abgewichen ist. Hinzu kommt, dass in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das angerufene LSG keinen eventuell verfahrensrechtlich von Amts wegen zu behebenden Fehler unaufgefordert korrigieren darf, wenn dies zur Zulassung der Berufung führen würde, weil dadurch gerade die Vorschrift des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG umgangen würde, wonach ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler vom Beschwerdeführer geltend zu machen ist.
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