Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 114/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 258/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.
Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII kommt lediglich hilfsweise in Betracht, wenn Versicherungsschutz nicht bereits gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder aufgrund einer freiwilligen Versicherung oder einer Versicherung kraft Satzung besteht.
2.
Unfallversicherungsschutz eines niedergelassenen Arztes aufgrund freiwilliger Versicherung besteht auch bei einer ärztlichen Hilfeleistung außerhalb der Arbeitszeiten und außerhalb der Praxis, wenn die unfallbringende Tätigkeit dem Zweck des Unternehmens, kranke Personen ärztlich zu versorgen, dient.
3.
Die materielle Bestandskraft (Bindungswirkung) eines Verwaltungsaktes beschränkt sich auf den Entscheidungsanspruch, den so genannten Verfügungssatz.
Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII kommt lediglich hilfsweise in Betracht, wenn Versicherungsschutz nicht bereits gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder aufgrund einer freiwilligen Versicherung oder einer Versicherung kraft Satzung besteht.
2.
Unfallversicherungsschutz eines niedergelassenen Arztes aufgrund freiwilliger Versicherung besteht auch bei einer ärztlichen Hilfeleistung außerhalb der Arbeitszeiten und außerhalb der Praxis, wenn die unfallbringende Tätigkeit dem Zweck des Unternehmens, kranke Personen ärztlich zu versorgen, dient.
3.
Die materielle Bestandskraft (Bindungswirkung) eines Verwaltungsaktes beschränkt sich auf den Entscheidungsanspruch, den so genannten Verfügungssatz.
I. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2009 wird unter I. wie folgt gefasst: Der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 10.06.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 09.07.2008 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Unfallereignis vom 10.12.2006 einen Arbeitsunfall darstellt, für dessen Entschädigung die Beklagte zu 1) zuständig ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte zu 1) trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Unfallereignis vom 10.12.2006 einen Arbeitsunfall darstellt.
Der 1963 geborene und als Arzt tätige Kläger wurde in der Nacht vom 09.12.2006 zum 10.12.2006 gegen 1.45 Uhr durch lautstarkes Geschrei vor seinem Haus geweckt. Um der Ursache auf den Grund zu gehen, verließ er das Haus und wandte sich zunächst in Richtung Kulturzentrum M. Als er einen Rettungswagen in den Lichtenbergweg einbiegen sah, folgte er diesem und bot seine Hilfe als Arzt an, weil er am übernächsten Haus nach seinem Wohnhaus eine leblos am Boden liegende Person gesehen hatte. Nach einem Gespräch mit den Rettungsassistenten im Rettungswagen wurde der Kläger vor dem Rettungswagen von einer Person angerempelt und von einer anderen geschlagen. Dabei wurde seine Brille zerstört, er stürzte. Kurzzeitige Bewusstlosigkeit trat ein. Er wurde mit dem Rettungswagen in die Universität L , Notaufnahme, gefahren. Im H-Arztbericht sind eine Prellung des linken Auges mit Hämatombildung und nachfolgender Hypästhesie der linken Gesichtshälfte, persistierende Kopfschmerzen, ein Schädel-Hirn-Trauma mit kurzer Bewusstlosigkeit, eine Prellung des linken Hüftgelenks und des linken Ellenbogens und Hautabschürfungen am rechten Handballen und linken Ellenbogen diagnostiziert.
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt als niedergelassener Arzt bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert.
Am 18.01.2007 gab die Beklagte zu 1) das Verfahren an die Beklagte zu 2) ab. Die Zuständigkeit der Beklagten zu 2) sei gegeben. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 22.01.2007. Der Unfall habe sich in Ausübung seiner Tätigkeit als Arzt ereignet. Es sei unerheblich, ob er als Arzt oder als ärztlicher Helfer tätig gewesen sei. Für seine ärztliche Tätigkeit sei er bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert.
Am 15.03.2007 entschied die Beklagte zu 2), dem Kläger Verletztengeld als Folge des Versicherungsfalls zu gewähren. Daneben bewilligte sie mit Bescheid vom 26.03.2007 Mehrleistungen in Form von Geldleistungen während der Heilbehandlung bzw. Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zudem gewährte sie mit Bescheid vom 19.07.2007 Leistungen für die Ersatzbeschaffung einer Brille.
Die Beklagte zu 2) lehnte mit Bescheid vom 21.05.2008 die Anerkennung des Ereignisses vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht zu dem bei ihr gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Personenkreis gehört. Nach der genannten Norm seien Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr Nothilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Als der Kläger am Rettungswagen angekommen sei, sei die junge Frau, wegen der der Rettungswagen gerufen worden war, von den beiden Rettungssanitätern bereits versorgt worden. Es habe keine erhebliche Gefahr mehr für ihre Gesundheit bestanden. Die Hilfeleistung sei bereits abgeschlossen gewesen. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers.
Die Beklagte zu 1) lehnte mit Bescheid vom 10.06.2008 die Anerkennung des Unfallereignisses vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall ebenfalls ab. Der Kläger habe für seine selbständige berufliche Tätigkeit als Facharzt für Orthopädie und Notarzt eine freiwillige Versicherung bei ihr abgeschlossen. In der Nacht vom 09.12.2006 zum 10.12.2006 sei er gegen 1.45 Uhr durch lautstarkes Geschrei vor seinem Wohnhaus geweckt worden und zur Klärung der Ursache des Lärms auf die Straße getreten. Als ein Rettungswagen am Kläger vorbeigefahren sei, sei er diesem gefolgt, habe den Rettungswagen geöffnet und nachgefragt, ob ein Arzt benötigt werde. Dies sei von den Rettungssanitätern verneint worden. Der Kläger habe den Ort des Geschehens verlassen. Danach sei er von einer vor dem Rettungswagen stehenden Person geschlagen und zu Boden geworfen worden. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger keine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Darüber hinaus ergebe sich auch kein weiterer Bezug zu seiner Praxistätigkeit. Er sei auch nicht als Notarzt tätig gewesen, da zum Unfallzeitpunkt keine Rufbereitschaft bestanden habe. Auch gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers. Als niedergelassener Vertragsarzt sei er für alle ärztlichen Tätigkeiten liquidationsberechtigt. Daher seien auch alle ärztlichen Tätigkeiten als im Zusammenhang mit seiner Praxistätigkeit stehend zu betrachten.
Die Beklagte zu 1) wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2008 und die Beklagte zu 2) den weiteren Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2008 zurück.
Der Kläger hat sein Begehren mit den am 04.08.2008 und 09.12.2008 beim Sozialgericht Leipzig (SG) eingegangenen Klagen weiter verfolgt. Zwar habe er am Unfalltag keinen Bereitschaftsdienst gehabt. Er sei jedoch in seiner Eigenschaft als Arzt/Notarzt tätig geworden und stehe daher unter Versicherungsschutz.
Das SG hat beide Verfahren mit Beschluss vom 29.07.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Es hat mit Urteil vom 29.07.2009 den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 10.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2008 aufgehoben und die Beklagte zu 1) "verurteilt, das Ereignis vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen". Die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat es abgewiesen. Der Kläger habe zwar nach Überzeugung des SG zum Unfallzeitpunkt Hilfe in Not leisten wollen, dennoch bestehe kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII, weil der Kläger die Hilfe im Rahmen seines Unternehmens geleistet habe. Es sei unerheblich, dass die Nothilfe bei Ankunft des Klägers bereits abgeschlossen bzw. nicht erforderlich gewesen sei und sich das Ereignis auf dem Rückweg des Klägers zu seinem Wohnhaus ereignet habe. Der Kläger sei sowohl auf dem Hin- als auch dem Rückweg versichert. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zur wortgleichen Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII, den § 539 Abs. 1 Nr. 9a Reichsversicherungsordnung (RVO), ausgeführt, § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO bilde eine besondere Gestaltungsform öffentlicher Unfallfürsorge. Dem entspreche es, dass diese Vorschrift und der daraus sich ergebende Unfallversicherungsschutz nur hilfsweise in Betracht komme, wenn die unfallbringende Tätigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht schon im Rahmen anderer gesetzlicher Vorschriften geschützt sei. Durch diese Vorschrift solle das Erfordernis für nicht schon gesetzlich oder kraft Satzung versicherte Unternehmer, freiwillig der Unfallversicherung beizutreten, um so für im Rahmen ihres Unternehmens versicherte Tätigkeiten Versicherungsschutz zu erhalten, nicht umgangen werden. Erst wenn die Hilfeleistung im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens von so untergeordneter Bedeutung sei, dass sie gegenüber den Umständen, die den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO begründeten, zurücktrete, bestehe Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.06.2000 – L 6 U 54/98 -). Durch § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO sollten Fälle erfasst werden, in denen jemand ohne beruflichen Bezug als Helfer tätig werde, wobei die rechtliche Pflicht zum Helfen für den Versicherungsschutz unschädlich sei, so lange die rechtliche Pflicht nicht auf einer vorsätzlichen Herbeiführung der Gefahr beruhe (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Auch die freiwillige Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung habe Vorrang vor dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO. Dabei reiche hier schon die Versicherbarkeit der Tätigkeit aus, um § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO zu verdrängen. Dieser Auffassung schließe sich das SG an. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt als Notarzt im Rahmen der Nothilfe tätig gewesen. Er habe ausschließlich wegen seiner Qualifikation als Notarzt eine qualifizierte ärztliche Tätigkeit leisten wollen. Er habe nicht sonstige Hilfe leisten wollen. So habe sich der Kläger überzeugend in der mündlichen Verhandlung eingelassen, dass er, sofern er keinen Beruf als Arzt und Notarzt erlernt hätte, niemals zur Hilfeleistung zum Krankenwagen gelaufen wäre. Nach Überzeugung des SG könne die Tätigkeit des Arztes nur durch die Beklagte zu 1) versichert sein, da bereits die Hilfeleistungspflicht aufgrund der medizinischen Ausbildung Vorrang genieße. Die versicherte Tätigkeit des Klägers sei nicht an seine Praxisdienste gebunden, sondern ausschließlich an seine ärztliche Tätigkeit. Im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit wollte der Kläger tätig sein, so dass auch der Weg zu bzw. von dieser Tätigkeit versichert sei. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei abzuweisen.
Gegen das der Beklagten zu 1) am 23.11.2009 zugestellte Urteil hat sie am 04.12.2009 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Die berufliche Qualifikation des Klägers als Notarzt reiche nicht aus, um einen inneren Zusammenhang zu dessen selbständiger Tätigkeit anzunehmen. Die zum Unfallzeitpunkt ausgeführte Tätigkeit sei nicht seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Arzt zu dienen bestimmt gewesen. Der hiesige Sachverhalt weiche auch von dem dem Urteil des LSG Niedersachsen vom 14.04.1978 – L 3 U 122/77 – zugrunde liegenden Sachverhalt ab. Im dortigen Fall sei eine Notärztin über die Rettungswache zu einem Einsatz gerufen worden. Vielmehr sei der vorliegende Fall vergleichbar mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des BSG vom 01.02.1996 – 2 RU 3/95 – zugrunde gelegen habe. Dort habe ein niedergelassener Arzt, der freiwillig versichert gewesen sei, in seinem Urlaub an einer Skifreizeit einer Kirchgemeinde teilgenommen und bei der Abfahrt von der Skipiste einen Unfall erlitten. Dieser Unfall habe nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Die Beklagte zu 2) habe zudem – vor Ablehnung der Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit Bescheid 21.05.2008 – mit verschiedenen Verwaltungsakten Leistungen gewährt und damit das Unfallereignis als Arbeitsunfall anerkannt.
Die Beklagte zu 2) ist der Auffassung, der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII werde durch den Versicherungsschutz nach § 6 SGB VII verdrängt. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt aufgrund seiner ärztlichen Verpflichtung aufgrund des hippokratischen Eides Hilfe leisten wollen. Diese Tätigkeit sei von der Unternehmerversicherung umfasst. Aus der Tatsache, dass die Beklagte zu 2) dem Kläger Leistungen wegen des Unfallereignisses vom 10.12.2006 gewährt habe, ergebe sich keine Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall, für den die Beklagte zu 2) zuständig sei.
Die Beklagte zu 1) beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2009 abzuändern und festzustellen, dass zuständiger Versicherungsträger für den Arbeitsunfall vom 10.12.2006 die Beklagte zu 2) ist.
Die Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 29.07.2009 den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 10.06.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 09.07.2008 aufgehoben und sinngemäß festgestellt, dass das Unfallereignis vom 10.12.2006 einen Arbeitsunfall darstellt.
1. Der Kläger stand zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII. Gemäß der genannten Norm sind kraft Gesetzes Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt bei einem Unglücksfall Hilfe leistete, weil der Versicherungsschutz nach dieser Norm nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, lediglich hilfsweise in Betracht kommt, wenn Versicherungsschutz nicht bereits gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder aufgrund einer freiwilligen Versicherung oder einer Versicherung kraft Satzung besteht.
Das BSG hat im Urteil vom 24.01.1991 – 2 RU 29/90 – (zitiert nach Juris, Rdnrn. 18 ff.) ausgeführt: "Gleichwohl besteht kein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO, weil die Hilfe des Klägers im Rahmen der mit den Besatzungsmitgliedern der Segelyacht abgeschlossenen Verträge und damit seines Unternehmens geleistet wurde. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 35, 212, 215; vgl auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975 - 2 RU 233/73 - Breithaupt 1976, 737, 739) kommt ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO dann nicht in Betracht, wenn die Hilfe im Rahmen eines unabhängigen Dienstvertrages erbracht wird, auch und gerade wenn es sich um eine versicherungsfreie Tätigkeit handelt. Aus den vom LSG näher dargelegten Reisebedingungen iVm seiner Stellung als Kapitän der Segelyacht ergab sich für den Kläger die grundsätzliche Verpflichtung, Unglücksfälle bei Durchführung der Segeltouren zu vermeiden und bei dennoch eintretenden Unglücksfällen Hilfe zu leisten. Darüber hinaus gilt sowohl für die Binnenschiffahrt als auch für die Seeschiffahrt als Arbeitsunfall auch ein Unfall beim Retten und Bergen von Menschen oder Sachen (§§ 552 Nr 4, 838 Nr 5 RVO). Daraus folgt, daß die Rettungshandlung des Klägers seinem Unternehmen zuzurechnen ist. Das wird letztlich vom Kläger nicht bestritten. Er vertritt vielmehr die Auffassung, daß es sich bei der Hilfeleistung als einer aufopferungsähnlichen Handlung um ein überobligationsmäßiges Verhalten gehandelt habe, zu dem er nicht verpflichtet gewesen sei. Darauf, ob der im Rahmen des Dienstvertrages Tätige zu der konkreten Rettungshandlung verpflichtet war oder nicht, kommt es für die Entscheidung, ob der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO ausgeschlossen ist, aber nicht an. § 539 Abs 1 Nr 9 RVO bildet eine besondere Gestaltungsform öffentlicher Unfallfürsorge (vgl BSG Urteil vom 11. Juni 1990 - 2 RU 60/89 -; Vollmar, BG 1971, S 148). Ihr entspricht es, daß der sich aus dieser Vorschrift ergebende Unfallversicherungsschutz nur hilfsweise in Betracht kommt, wenn die unfallbringende Tätigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht schon im Rahmen anderer gesetzlicher Vorschriften, insbesondere des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, geschützt ist (BSG SozR Nr 46 zu § 537 RVO aF; BSG Urteil vom 31. März 1976 - 2 RU 287/73 - USK 7629; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 473d; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 Anm 59 Buchst e). Mit ihr soll das Erfordernis für nicht schon gesetzlich oder kraft Satzung versicherte Unternehmer, freiwillig der Unfallversicherung beizutreten, um so für im Rahmen ihres Unternehmens verrichtete Tätigkeiten Versicherungsschutz zu erhalten, nicht umgangen werden. Erst wenn die Hilfeleistung im Rahmen der Tätigkeiten des Unternehmers von so untergeordneter Bedeutung ist, daß sie gegenüber den Umständen, die den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO begründen, zurücktritt, besteht Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift (vgl BSG Urteil vom 15. Dezember 1966 - 2 RU 66/65 -; BSG SozR 2200 § 539 Nr 116 aE; BSG Urteil vom 26. November 1987 - 2 RU 37/87 - HV-Info 1988, 446). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Rettungshandlung des Klägers als Kapitän der Segelyacht und Leiter der Reise stand in enger Verknüpfung mit seinem Aufgabenbereich."
Das LSG Sachsen-Anhalt hat sich mit Urteil vom 27.06.2000 – L 6 U 54/98 – (zitiert nach Juris, Rdnrn. 22 ff.) dieser Rechtsprechung angeschlossen und zur Untersetzung dessen entschieden:
Tenor:
"Durch § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO sollen die Fälle erfasst werden, in denen jemand ohne beruflichen Bezug als Helfer tätig wird, wobei eine rechtliche Pflicht zum Helfen für den Versicherungsschutz unschädlich ist, solange die rechtliche Pflicht nicht auf einer vorsätzlichen Herbeiführung der Gefahr beruht. Für Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind (z.B. DLRG oder Bergwacht), gilt ein besonderer Versicherungsschutz gem. § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO. Erfolgt das Helfen in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, etwa als Haupt- oder Nebenpflicht aus einem Vertrag, greift nicht § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO, sondern der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für die versicherte berufliche Tätigkeit ein. So sind Beschäftigte von Abschleppunternehmen und Bergungsfirmen nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO (bzw. jetzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) versichert und nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO. Dies gilt auch für Beschäftigte, wenn deren Hilfeleistung nur aufgrund einer besonderen beruflichen Situation erfolgt, etwa wenn Bauarbeiter einen umgestürzten Kran sichern oder angestellte Lkw-Fahrer die Unfallstelle. Auch die freiwillige Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung hat Vorrang vor dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO. Dabei reicht hier schon die Versicherbarkeit der Tätigkeit aus, um § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO zu verdrängen, wie das BSG in dem oben zitierten Urteil vom 24. Januar 1991 entschieden hat. Der Senat hält auch dies für überzeugend und dem System der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend. Denn wenn es dem Unternehmer freigestellt ist, den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung durch Beitritt zu begründen, so kann der infolge des Unterbleibens des Beitritts nicht gegebene Versicherungsschutz für an sich versicherbare Tätigkeiten im Rahmen des Betriebes nicht über § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO erreicht werden." (ebenso: LSG Niedersachsen, Urteil vom 14.04.1978 – L 3 U 122/77 -, zitiert nach Juris)
Auch von der Literatur wird diese Auffassung gestützt. So führt Krasney (Ärzte im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, ASUmed 2000, S. 463, 465) aus: "Abgrenzungsschwierigkeiten können nicht selten im Rahmen des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII entstehen, wonach Personen versichert sind, die ‚bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten’. Leistet ein Arzt in diesen Fällen Hilfe, der als frei selbständig tätiger Arzt aus seiner Praxis oder aber als Praxisinhaber außerhalb der Sprechstunden zu einem Unglücksfall gerufen wird, so ist diese Tätigkeit seiner freien selbständigen Arztpraxis zuzurechnen. Entsprechendes wird für den beschäftigten Krankenhausarzt gelten, falls er z. B. im Rahmen seines Einsatzes als Notarzt oder aber auch unabhängig davon aus einem Krankenhaus gerufen wird, um bei einem in der Nähe des Krankenhauses ereigneten Unfall Erste Hilfe zu leisten. Diese Hilfe ist seinem Beschäftigungsverhältnis zuzurechnen, so dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherungsschutz besteht. Aus diesen Ausführungen ist zugleich ersichtlich, dass aber auch bei Ärzten Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII bestehen kann. Dies ist der Fall, wenn – um das vorstehende Beispiel weiterzuführen – ein frei selbständig tätiger Arzt oder ein in einem Krankenhaus beschäftigter Arzt während des Urlaubs oder einer sonst privaten Fahrt Erste Hilfe bei einem Unglücksfall leistet. Hier besteht kein oder zumindest ein ganz untergeordneter Zusammenhang zwischen Tätigkeiten der freien ärztlichen Praxis oder dem Beschäftigungsverhältnis."
Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt nicht in Urlaub und auch nicht auf einer privaten Ausfahrt.
2. Der Kläger stand zum Unfallzeitpunkt gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Er war bei der Beklagten zu 1) freiwillig nach § 6 Abs. 1 SGB VII versichert.
Der Kläger erlitt am 10.12.2006 einen Arbeitsunfall. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die unfallbringende Verrichtung muss in einem inneren Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit, für die die freiwillige Versicherung bestand, stehen. Dabei kommt es nicht wesentlich allein auf Ort oder Zeit der Verrichtung an. Eine dem Unternehmen zu dienen bestimmte Verrichtung begründet den Versicherungsschutz einer versicherten Person auch dann, wenn sie vor oder nach der üblichen Arbeitszeit und/oder zu Hause durchgeführt wird. Dies ist insbesondere auch für Ärzte, sowohl in freier selbständiger Tätigkeit als auch für Ärzte im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses maßgebend. Es ist wertend zu ermitteln, ob das Handeln der Person zur versicherten Tätigkeit gehört.
Rechtsprechung und Schrifttum haben allgemeine Kriterien und Grundsätze für die vorzunehmende Wertung herausgearbeitet. Die Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit bei bestehender freiwilliger Versicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt ist. Hier zeigt sich bereits die Bedeutung der Handlungstendenz. Es ist einerseits nicht erforderlich und reicht andererseits nicht aus, dass eine bestimmte Handlung lediglich losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich ist. Ausreichend ist, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus aufgrund objektiver Anhaltspunkte der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Eine rechtlich unzutreffende Beurteilung des Versicherungsschutzes begründet diesen jedoch nicht. Der Versicherungsschutz ist aber nicht ausgeschlossen, wenn die Arbeit des Versicherten dem Unternehmen objektiv einen Nutzen bringt, z. B. weil er einen im Anrufbeantworter verstümmelten, schlecht verständlichen Anruf unzutreffend auswertete und eine Familie aufsuchte, die tatsächlich nicht um einen Hausbesuch gebeten hatte. Entscheidend ist, dass der Arzt aufgrund der objektiven Umstände tätig geworden ist. Das Kriterium der dem Unternehmen zu dienen bestimmten Verrichtung als Grundlage des Versicherungsschutzes lässt sogleich erkennen, dass dieser sich nicht auf Unfälle beschränkt, die sich bei der Arbeit ereignen, die den im Arbeitsvertrag niedergelegten Aufgaben des Versicherten oder – insbesondere auch bei freiwillig Versicherten – denen des Unternehmens entsprechen. Nicht nur aus der das Beschäftigungsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit oder der Führung einer freien selbständigen ärztlichen Praxis folgt, dass sich der Versicherte oft auch Arbeiten im Unternehmen nicht entziehen kann, die nicht zu seiner eigentlichen Betriebstätigkeit gehören. So ist z. B. auch ein frei praktizierender Arzt versichert, wenn er den Zugang zu seiner Praxis von Schnee frei räumt. Gleiches gilt, wenn er den Ehegatten einer bei ihm beschäftigten Person im Krankenhaus aufsucht, um seinen Beschäftigten und dessen Ehegatten dadurch zu beruhigen, dass er gegebenenfalls die Diagnose und die Behandlung aus seiner Sicht prüft. Hier besteht ein innerer Zusammenhang zu seinem Unternehmen – der ärztlichen Praxis – selbst dann, wenn er für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes den Ehegatten nicht im Rahmen seiner ärztlichen Praxis betreut. Versicherungsschutz besteht auch, wenn der frei praktizierende Arzt einen seiner Patienten im Krankenhaus aufsucht, um ihm dadurch die Gewissheit zu geben, dass er auch während des Krankenhausbesuches nicht gänzlich aus der Betreuung durch den frei praktizierenden Arzt ausgeschlossen ist. Ebenso besteht sowohl für den Beschäftigten als auch für den frei praktizierenden Arzt Versicherungsschutz, wenn er sich bei seinen unmittelbaren ärztlichen Tätigkeiten verletzt, z. B. ausrutscht und einen Armbruch erleidet, sich bei der Injektion durch einen sehr unruhigen Patienten mit der gebrauchten Injektionsnadel verletzt oder durch einen erbosten, sich schlecht behandelt fühlenden oder einen unzurechnungsfähigen Patienten angegriffen wird (Krasney, a.a.O., S. 467 ff.).
Das BSG hat mit Urteil vom 01.02.1996 – 2 RU 3/95 – (zitiert nach Juris, Rdnr. 21) entschieden:
Tenor:
"Der selbständige Arzt hat, ebenso wie andere freiwillig versicherte Unternehmer, für die Art, Weise und den Umfang, wie er seine Praxis betreibt, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl BSG SozR 3-6050 Art 14a Nr 1; SozR 2200 § 548 Nrn 47 und 57; BSGE 52, 89, 91). Damit sind auch ‚unternehmensfremde’ Tätigkeiten grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Zwingendes Erfordernis für eine Anerkennung des Versicherungsschutzes ist jedoch in allen Fällen die innere Beziehung zum Unternehmen. Aus dem Unternehmen herzuleitende Umstände müssen ein wesentliches Glied in der Reihe derjenigen Ursachen bilden, die beim Zustandekommen des Unfalls zusammengewirkt haben (BSGE 52, 89, 91). Im Arzt-Patientenverhältnis kann es notwendig sein, daß sich der Arzt über die eigentliche Behandlung hinaus um das medizinische Wohl des Patienten kümmert. Der niedergelassene Arzt steht nicht nur während der eigentlichen Behandlungstätigkeit für den Patienten unter Versicherungsschutz, sondern auch bei Dienstleistungen über die eigentlichen Behandlungstätigkeiten hinaus, die sich zwanglos in die ärztliche Tätigkeit einordnen lassen. So ist der Arzt auch bei der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit nicht auf die Räumlichkeiten seiner Praxis oder auf bestimmte Sprechzeiten begrenzt. Als Selbständiger kann er vielmehr grundsätzlich frei darüber bestimmen, wann und wo er seine Tätigkeit ausübt (BSG SozR 3-6050 Art 14a Nr 1). In Notfällen kann sogar die Verpflichtung bestehen, außerhalb von Praxisräumen und Dienstzeiten tätig zu werden."
Es kann dahinstehen, ob der Kläger bereits zum Zeitpunkt, als er sein Wohnhaus verließ, gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 SGB VII versichert war. Zunächst wollte er – wie sich aus seinem Schreiben vom 06.01.2007 und seiner gleichlautenden Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergibt – die Ursache des Lärms herausfinden.
Spätestens als der Kläger den Rettungswagen sah, folgte er diesem in der Absicht, seine Hilfe als Arzt anzubieten. Er wusste aus seiner Tätigkeit als Notarzt, dass Rettungswagen zum Einsatz geschickt wurden, die – wie hier – lediglich mit zwei Rettungsassistenten und keinem Notarzt besetzt waren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt stand seine Tätigkeit unter Versicherungsschutz gemäß § 6 Abs. 1 SGB VII. Er handelte nämlich seinem ärztlichen Eid entsprechend in der Absicht, seine Fähigkeiten als Arzt bei der Versorgung verletzter Personen anzubieten.
Es bestand ein innerer Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt. Unbeachtlich ist dabei, dass die Tätigkeit nach der eigentlichen Arbeitszeit und außerhalb der Praxis durchgeführt wurde (Krasney, a.a.O., S. 467). Die Tätigkeit diente dem Zweck seines Unternehmens, kranke Personen ärztlich zu versorgen. Der Kläger hatte als Arzt den hippokratischen Eid geleistet, der ihn verpflichtete, stets, wenn es erforderlich ist, medizinische Hilfe als Arzt zu leisten. Seine Handlungstendenz war darauf gerichtet, seiner ärztlichen Pflicht, jedem Verletzten zu helfen, zu genügen. Der Kläger ist von seinem Standpunkt aus nachvollziehbar aufgrund objektiver Anhaltspunkte zu der Schlussfolgerung gelangt, dass seine ärztliche Hilfe notwendig sein könnte. Er hatte den Rettungswagen gesehen, er wusste aus seiner eigenen Notarzttätigkeit, dass ein Rettungswagen nicht immer mit einem Notarzt besetzt war. Anhaltspunkte dafür, dass die verletzte Person seine Hilfe als Arzt nicht benötigen würde (weil sie lediglich stark alkoholisiert war), waren für ihn, als er sich entschloss, dem Rettungswagen zu folgen, nicht ersichtlich. Der Versicherungsschutz ist nicht ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit des Versicherten dem Unternehmen objektiv keinen Nutzen bringt, weil seine Hilfe nicht benötigt wurde (vorliegend, weil die Person nicht verletzt, sondern nur alkoholisiert war, wegen der der Rettungswagen gerufen worden war).
Der Versicherungsschutz eines niedergelassenen Arztes beschränkt sich nicht auf Unfälle, die sich bei Arbeiten ereignen, die zur reinen Betriebstätigkeit in der Praxis gehören. Es besteht vielmehr auch Versicherungsschutz, wenn er im Rahmen seiner ärztlichen Hilfeleistung von anderen Personen tätlich angegriffen wird (Krasney, a.a.O., S. 467 ff.).
Die Hilfeleistung im Rahmen der Tätigkeit des Klägers als selbständiger Arzt war auch nicht – wie oben bereits ausgeführt – von untergeordneter Bedeutung gegenüber den Umständen, die den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII begründen. Der Kläger hat ausweislich des Berichts des Rehabilitationsberaters R vom 28.04.2008 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend glaubhaft ausgesagt, er wäre dem Rettungswagen nicht gefolgt, wenn er nicht Arzt gewesen wäre. Dann wäre für ihn mit Erscheinen des Rettungswagens die Sache erledigt gewesen.
Der Versicherungsschutz war auch nicht mit dem Verlassen des Rettungswagens beendet. Der gesamte Weg vom Folgen des Rettungswagens bis zum Erreichen der Außentür seines Wohnhauses war von der Handlungstendenz geleitet, dem hippokratischen Eid folgend, ärztliche Hilfe zu leisten.
Auch die übrigen Voraussetzungen des Versicherungsschutzes gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII liegen vor. Der Kläger erlitt ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis, das ausweislich des H-Arztberichtes vom 11.12.2006 zu einem Gesundheitsschaden (u. a. Prellung des linken Auges mit Hämatombildung und nachfolgender Hypästhesie der linken Gesichtshälfte, Schädelhirntrauma mit kurzzeitiger Bewusstlosigkeit, Prellung des linken Hüftgelenks und linken Ellenbogens und Hautabschürfungen) geführt hat.
3. Der Versicherungsschutz der Beklagten zu 1) ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte zu 2) bereits vorher das Unfallereignis vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall anerkannt hätte. Zwar hat die Beklagte zu 2) dem Kläger mit Bescheid vom 15.03.2007 Verletztengeld wegen des Unfallereignisses vom 10.12.2006 gewährt und im Bescheid ausgeführt: "Sie haben Anspruch auf Verletztengeld, solange sie wegen der Folgen des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind und kein Arbeitsentgelt beziehen (§ 45 SGB VII). Wir haben der AOK Sachsen den Auftrag erteilt, Verletztengeld an Sie auszuzahlen." Auch hat sie mit Bescheid vom 26.03.2007 dem Kläger Mehrleistungen bewilligt. Mit Bescheid vom 19.07.2007 (Bl. 41 LSG) hat sie ausgeführt: ".wenn ein Brille infolge eines Arbeitsunfalls beschädigt oder zerstört wurde, tragen wir die Kosten der Wiederherstellung bzw. Ersatzbeschaffung in Höhe der ursprünglichen Kosten dieser Brille. Rechtgrundlage ist § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) in Verbindung mit § 8 Abs. 3 SGB VII. Den entstandenen Brillenschaden ersetzen wir wie folgt: für das Gestell EUR 249,00 für die Gläser EUR 480,20 für Reparaturkosten EUR insgesamt EUR 729,20"
Das BSG hat mit Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 36/03 R – (zitiert nach Juris, Rdnr. 16 ff.) entschieden:
Tenor:
"Die materielle Bestandskraft (Bindungswirkung) eines Verwaltungsakts beschränkt sich auf den Entscheidungsausspruch, den so genannten Verfügungssatz, wobei ein Verwaltungsakt mehrere Verfügungssätze enthalten kann (ständige Rechtsprechung und allgemeine Meinung in der Literatur; siehe BSG SozR 2200 § 589 Nr 8; BSG SozR 2200 § 587 Nr 7; BSG SozR 1500 § 77 Nr 18; BSGE 46, 236 = SozR 1500 § 77 Nr 29; BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 77 RdNr 3; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl 2001, § 31 RdNr 51, jeweils mwN). Zur Klärung des Umfangs der Bindungswirkung kann daneben zwar auch die Begründung des Verwaltungsakts berücksichtigt werden, jedoch nur innerhalb des Verfügungssatzes und nur, wenn dieser unklar ist und Raum für eine Auslegung lässt (BSGE 37, 177, 180 = SozR 2200 § 581 Nr 1; BSG Urteil vom 27. Januar 1976 - 8 RU 138/75 -). Sofern Verwaltungsakte keine strenge Trennung zwischen Verfügungssatz und Begründung aufweisen, ist die gesamte Begründung daraufhin zu prüfen, inwieweit sie für einen Verwaltungsakt typische, der Bindung fähige Regelungen trifft (BSG SozR 2200 § 587 Nr 7). Aber auch wenn Verfügungssatz und Begründung klar voneinander getrennt sind, können Teile der Begründung eines Verwaltungsakts als weiterer Verfügungssatz bewertet werden, wenn ihnen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht eine solche Bedeutung zukommt (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21; Engelmann in von Wulffen, aaO). Der hier maßgebliche Bescheid der Beklagten vom 27. September 1989 enthält zwei Verfügungssätze, nämlich zum einen die Entscheidung über den Entzug der vorläufigen Rente mit Ablauf des Monats Oktober 1989 und zum anderen die Entscheidung über die Verneinung des Anspruchs auf Dauerrente. Die übrigen Ausführungen stehen unter der Überschrift ‚Begründung’, sind also ersichtlich nicht als Verfügungssätze gestaltet, sondern dienen allein der Begründung der in den Verfügungssätzen getroffenen Regelungen. Das gilt sowohl für die von der Beklagten aufgezählten, nach ärztlicher Begutachtung noch bestehenden Unfallfolgen als auch für die Formulierung ‚die Erwerbsminderung beträgt zur Zeit 10 vom Hundert der Vollrente’. Für den Empfänger war deshalb schon aus dem äußeren Aufbau des Bescheides und der logischen Zuordnung der Aussagen über die verbliebenen Unfallfolgen und die Höhe der MdE ohne weiteres erkennbar, dass eine verbindliche Entscheidung allein über den Rentenanspruch getroffen werden sollte."
Vorliegend ergab sich aus dem Wortlaut des Bescheides vom 26.03.2007 der Beklagten zu 2) eine Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall nicht. Auch dem Bescheid vom 15.03.2007 ist eine solche nicht zu entnehmen. In Bestandskraft erwachsender Verfügungssatz (vgl. zu Tatbestands- und Feststellungswirkung von Verwaltungsakten: Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, Vor § 39, Rdnrn. 4 ff.) war vielmehr lediglich "Wir gewähren Ihnen Verletztengeld, das über die AOK Sachsen zur Auszahlung gelangt". Als Verfügungssatz des Bescheides vom 19.07.2007 erwuchs lediglich in Rechtskraft "Wir ersetzen Ihnen Ihren Brillenschaden i.H.v. 729,20 EUR". Alle anderen Ausführungen in den Bescheiden dienten lediglich der Begründung.
Zu beachten ist hierbei, dass die Beklagte zu 2) in dem als Begründung gewerteten Teilen der Bescheide vom 15.03.2007 und 19.07.2007 lediglich den Gesetzestext wiedergab und keine Individualisierung auf den konkreten Einzelfall vornahm.
Eine Verfügung dergestalt, dass das Unfallereignis vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall anerkannt wird, fand sich in keinem der drei Bescheide. Daher hat der Kläger zutreffend, wie sich aus der glaubhaften Aussage seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ergibt, eine Anerkennung des Unfallereignisses vom 10.12.2006 aus den Bescheiden ebenso wenig wie die Anerkennung einer generellen Leistungspflicht entnommen.
Die von der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgezeigte eigene Verfahrensweise, in Fällen, in denen über die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall noch nicht entschieden ist, Bescheide des Inhalts zu erlassen "wegen des Unfallereignisses vom 10.12.2006 gewähren wir Ihnen Verletztengeld", unterscheiden sich im Übrigen nicht maßgeblich von der Verfahrensweise der Beklagten.
Eine andere Betrachtungsweise hätte zudem weitreichende Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Unfallversicherungsträger, Leistungen, z.B. Verletztengeld, im Interesse der Versicherten rasch nach Eintritt des Versicherungsfalls zu gewähren, bevor über die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall entschieden ist.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat wendet die Rechtsprechung des BSG auf den vorliegenden Einzelfall an. Er weicht nicht von ihr ab.
II. Die Beklagte zu 1) trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Unfallereignis vom 10.12.2006 einen Arbeitsunfall darstellt.
Der 1963 geborene und als Arzt tätige Kläger wurde in der Nacht vom 09.12.2006 zum 10.12.2006 gegen 1.45 Uhr durch lautstarkes Geschrei vor seinem Haus geweckt. Um der Ursache auf den Grund zu gehen, verließ er das Haus und wandte sich zunächst in Richtung Kulturzentrum M. Als er einen Rettungswagen in den Lichtenbergweg einbiegen sah, folgte er diesem und bot seine Hilfe als Arzt an, weil er am übernächsten Haus nach seinem Wohnhaus eine leblos am Boden liegende Person gesehen hatte. Nach einem Gespräch mit den Rettungsassistenten im Rettungswagen wurde der Kläger vor dem Rettungswagen von einer Person angerempelt und von einer anderen geschlagen. Dabei wurde seine Brille zerstört, er stürzte. Kurzzeitige Bewusstlosigkeit trat ein. Er wurde mit dem Rettungswagen in die Universität L , Notaufnahme, gefahren. Im H-Arztbericht sind eine Prellung des linken Auges mit Hämatombildung und nachfolgender Hypästhesie der linken Gesichtshälfte, persistierende Kopfschmerzen, ein Schädel-Hirn-Trauma mit kurzer Bewusstlosigkeit, eine Prellung des linken Hüftgelenks und des linken Ellenbogens und Hautabschürfungen am rechten Handballen und linken Ellenbogen diagnostiziert.
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt als niedergelassener Arzt bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert.
Am 18.01.2007 gab die Beklagte zu 1) das Verfahren an die Beklagte zu 2) ab. Die Zuständigkeit der Beklagten zu 2) sei gegeben. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 22.01.2007. Der Unfall habe sich in Ausübung seiner Tätigkeit als Arzt ereignet. Es sei unerheblich, ob er als Arzt oder als ärztlicher Helfer tätig gewesen sei. Für seine ärztliche Tätigkeit sei er bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert.
Am 15.03.2007 entschied die Beklagte zu 2), dem Kläger Verletztengeld als Folge des Versicherungsfalls zu gewähren. Daneben bewilligte sie mit Bescheid vom 26.03.2007 Mehrleistungen in Form von Geldleistungen während der Heilbehandlung bzw. Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zudem gewährte sie mit Bescheid vom 19.07.2007 Leistungen für die Ersatzbeschaffung einer Brille.
Die Beklagte zu 2) lehnte mit Bescheid vom 21.05.2008 die Anerkennung des Ereignisses vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht zu dem bei ihr gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Personenkreis gehört. Nach der genannten Norm seien Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr Nothilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Als der Kläger am Rettungswagen angekommen sei, sei die junge Frau, wegen der der Rettungswagen gerufen worden war, von den beiden Rettungssanitätern bereits versorgt worden. Es habe keine erhebliche Gefahr mehr für ihre Gesundheit bestanden. Die Hilfeleistung sei bereits abgeschlossen gewesen. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers.
Die Beklagte zu 1) lehnte mit Bescheid vom 10.06.2008 die Anerkennung des Unfallereignisses vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall ebenfalls ab. Der Kläger habe für seine selbständige berufliche Tätigkeit als Facharzt für Orthopädie und Notarzt eine freiwillige Versicherung bei ihr abgeschlossen. In der Nacht vom 09.12.2006 zum 10.12.2006 sei er gegen 1.45 Uhr durch lautstarkes Geschrei vor seinem Wohnhaus geweckt worden und zur Klärung der Ursache des Lärms auf die Straße getreten. Als ein Rettungswagen am Kläger vorbeigefahren sei, sei er diesem gefolgt, habe den Rettungswagen geöffnet und nachgefragt, ob ein Arzt benötigt werde. Dies sei von den Rettungssanitätern verneint worden. Der Kläger habe den Ort des Geschehens verlassen. Danach sei er von einer vor dem Rettungswagen stehenden Person geschlagen und zu Boden geworfen worden. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger keine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Darüber hinaus ergebe sich auch kein weiterer Bezug zu seiner Praxistätigkeit. Er sei auch nicht als Notarzt tätig gewesen, da zum Unfallzeitpunkt keine Rufbereitschaft bestanden habe. Auch gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers. Als niedergelassener Vertragsarzt sei er für alle ärztlichen Tätigkeiten liquidationsberechtigt. Daher seien auch alle ärztlichen Tätigkeiten als im Zusammenhang mit seiner Praxistätigkeit stehend zu betrachten.
Die Beklagte zu 1) wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2008 und die Beklagte zu 2) den weiteren Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2008 zurück.
Der Kläger hat sein Begehren mit den am 04.08.2008 und 09.12.2008 beim Sozialgericht Leipzig (SG) eingegangenen Klagen weiter verfolgt. Zwar habe er am Unfalltag keinen Bereitschaftsdienst gehabt. Er sei jedoch in seiner Eigenschaft als Arzt/Notarzt tätig geworden und stehe daher unter Versicherungsschutz.
Das SG hat beide Verfahren mit Beschluss vom 29.07.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Es hat mit Urteil vom 29.07.2009 den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 10.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2008 aufgehoben und die Beklagte zu 1) "verurteilt, das Ereignis vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen". Die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat es abgewiesen. Der Kläger habe zwar nach Überzeugung des SG zum Unfallzeitpunkt Hilfe in Not leisten wollen, dennoch bestehe kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII, weil der Kläger die Hilfe im Rahmen seines Unternehmens geleistet habe. Es sei unerheblich, dass die Nothilfe bei Ankunft des Klägers bereits abgeschlossen bzw. nicht erforderlich gewesen sei und sich das Ereignis auf dem Rückweg des Klägers zu seinem Wohnhaus ereignet habe. Der Kläger sei sowohl auf dem Hin- als auch dem Rückweg versichert. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zur wortgleichen Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII, den § 539 Abs. 1 Nr. 9a Reichsversicherungsordnung (RVO), ausgeführt, § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO bilde eine besondere Gestaltungsform öffentlicher Unfallfürsorge. Dem entspreche es, dass diese Vorschrift und der daraus sich ergebende Unfallversicherungsschutz nur hilfsweise in Betracht komme, wenn die unfallbringende Tätigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht schon im Rahmen anderer gesetzlicher Vorschriften geschützt sei. Durch diese Vorschrift solle das Erfordernis für nicht schon gesetzlich oder kraft Satzung versicherte Unternehmer, freiwillig der Unfallversicherung beizutreten, um so für im Rahmen ihres Unternehmens versicherte Tätigkeiten Versicherungsschutz zu erhalten, nicht umgangen werden. Erst wenn die Hilfeleistung im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens von so untergeordneter Bedeutung sei, dass sie gegenüber den Umständen, die den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO begründeten, zurücktrete, bestehe Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.06.2000 – L 6 U 54/98 -). Durch § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO sollten Fälle erfasst werden, in denen jemand ohne beruflichen Bezug als Helfer tätig werde, wobei die rechtliche Pflicht zum Helfen für den Versicherungsschutz unschädlich sei, so lange die rechtliche Pflicht nicht auf einer vorsätzlichen Herbeiführung der Gefahr beruhe (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Auch die freiwillige Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung habe Vorrang vor dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO. Dabei reiche hier schon die Versicherbarkeit der Tätigkeit aus, um § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO zu verdrängen. Dieser Auffassung schließe sich das SG an. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt als Notarzt im Rahmen der Nothilfe tätig gewesen. Er habe ausschließlich wegen seiner Qualifikation als Notarzt eine qualifizierte ärztliche Tätigkeit leisten wollen. Er habe nicht sonstige Hilfe leisten wollen. So habe sich der Kläger überzeugend in der mündlichen Verhandlung eingelassen, dass er, sofern er keinen Beruf als Arzt und Notarzt erlernt hätte, niemals zur Hilfeleistung zum Krankenwagen gelaufen wäre. Nach Überzeugung des SG könne die Tätigkeit des Arztes nur durch die Beklagte zu 1) versichert sein, da bereits die Hilfeleistungspflicht aufgrund der medizinischen Ausbildung Vorrang genieße. Die versicherte Tätigkeit des Klägers sei nicht an seine Praxisdienste gebunden, sondern ausschließlich an seine ärztliche Tätigkeit. Im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit wollte der Kläger tätig sein, so dass auch der Weg zu bzw. von dieser Tätigkeit versichert sei. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei abzuweisen.
Gegen das der Beklagten zu 1) am 23.11.2009 zugestellte Urteil hat sie am 04.12.2009 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Die berufliche Qualifikation des Klägers als Notarzt reiche nicht aus, um einen inneren Zusammenhang zu dessen selbständiger Tätigkeit anzunehmen. Die zum Unfallzeitpunkt ausgeführte Tätigkeit sei nicht seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Arzt zu dienen bestimmt gewesen. Der hiesige Sachverhalt weiche auch von dem dem Urteil des LSG Niedersachsen vom 14.04.1978 – L 3 U 122/77 – zugrunde liegenden Sachverhalt ab. Im dortigen Fall sei eine Notärztin über die Rettungswache zu einem Einsatz gerufen worden. Vielmehr sei der vorliegende Fall vergleichbar mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des BSG vom 01.02.1996 – 2 RU 3/95 – zugrunde gelegen habe. Dort habe ein niedergelassener Arzt, der freiwillig versichert gewesen sei, in seinem Urlaub an einer Skifreizeit einer Kirchgemeinde teilgenommen und bei der Abfahrt von der Skipiste einen Unfall erlitten. Dieser Unfall habe nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Die Beklagte zu 2) habe zudem – vor Ablehnung der Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit Bescheid 21.05.2008 – mit verschiedenen Verwaltungsakten Leistungen gewährt und damit das Unfallereignis als Arbeitsunfall anerkannt.
Die Beklagte zu 2) ist der Auffassung, der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII werde durch den Versicherungsschutz nach § 6 SGB VII verdrängt. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt aufgrund seiner ärztlichen Verpflichtung aufgrund des hippokratischen Eides Hilfe leisten wollen. Diese Tätigkeit sei von der Unternehmerversicherung umfasst. Aus der Tatsache, dass die Beklagte zu 2) dem Kläger Leistungen wegen des Unfallereignisses vom 10.12.2006 gewährt habe, ergebe sich keine Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall, für den die Beklagte zu 2) zuständig sei.
Die Beklagte zu 1) beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2009 abzuändern und festzustellen, dass zuständiger Versicherungsträger für den Arbeitsunfall vom 10.12.2006 die Beklagte zu 2) ist.
Die Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 29.07.2009 den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 10.06.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 09.07.2008 aufgehoben und sinngemäß festgestellt, dass das Unfallereignis vom 10.12.2006 einen Arbeitsunfall darstellt.
1. Der Kläger stand zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII. Gemäß der genannten Norm sind kraft Gesetzes Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt bei einem Unglücksfall Hilfe leistete, weil der Versicherungsschutz nach dieser Norm nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, lediglich hilfsweise in Betracht kommt, wenn Versicherungsschutz nicht bereits gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder aufgrund einer freiwilligen Versicherung oder einer Versicherung kraft Satzung besteht.
Das BSG hat im Urteil vom 24.01.1991 – 2 RU 29/90 – (zitiert nach Juris, Rdnrn. 18 ff.) ausgeführt: "Gleichwohl besteht kein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO, weil die Hilfe des Klägers im Rahmen der mit den Besatzungsmitgliedern der Segelyacht abgeschlossenen Verträge und damit seines Unternehmens geleistet wurde. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 35, 212, 215; vgl auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975 - 2 RU 233/73 - Breithaupt 1976, 737, 739) kommt ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO dann nicht in Betracht, wenn die Hilfe im Rahmen eines unabhängigen Dienstvertrages erbracht wird, auch und gerade wenn es sich um eine versicherungsfreie Tätigkeit handelt. Aus den vom LSG näher dargelegten Reisebedingungen iVm seiner Stellung als Kapitän der Segelyacht ergab sich für den Kläger die grundsätzliche Verpflichtung, Unglücksfälle bei Durchführung der Segeltouren zu vermeiden und bei dennoch eintretenden Unglücksfällen Hilfe zu leisten. Darüber hinaus gilt sowohl für die Binnenschiffahrt als auch für die Seeschiffahrt als Arbeitsunfall auch ein Unfall beim Retten und Bergen von Menschen oder Sachen (§§ 552 Nr 4, 838 Nr 5 RVO). Daraus folgt, daß die Rettungshandlung des Klägers seinem Unternehmen zuzurechnen ist. Das wird letztlich vom Kläger nicht bestritten. Er vertritt vielmehr die Auffassung, daß es sich bei der Hilfeleistung als einer aufopferungsähnlichen Handlung um ein überobligationsmäßiges Verhalten gehandelt habe, zu dem er nicht verpflichtet gewesen sei. Darauf, ob der im Rahmen des Dienstvertrages Tätige zu der konkreten Rettungshandlung verpflichtet war oder nicht, kommt es für die Entscheidung, ob der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO ausgeschlossen ist, aber nicht an. § 539 Abs 1 Nr 9 RVO bildet eine besondere Gestaltungsform öffentlicher Unfallfürsorge (vgl BSG Urteil vom 11. Juni 1990 - 2 RU 60/89 -; Vollmar, BG 1971, S 148). Ihr entspricht es, daß der sich aus dieser Vorschrift ergebende Unfallversicherungsschutz nur hilfsweise in Betracht kommt, wenn die unfallbringende Tätigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht schon im Rahmen anderer gesetzlicher Vorschriften, insbesondere des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, geschützt ist (BSG SozR Nr 46 zu § 537 RVO aF; BSG Urteil vom 31. März 1976 - 2 RU 287/73 - USK 7629; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 473d; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 Anm 59 Buchst e). Mit ihr soll das Erfordernis für nicht schon gesetzlich oder kraft Satzung versicherte Unternehmer, freiwillig der Unfallversicherung beizutreten, um so für im Rahmen ihres Unternehmens verrichtete Tätigkeiten Versicherungsschutz zu erhalten, nicht umgangen werden. Erst wenn die Hilfeleistung im Rahmen der Tätigkeiten des Unternehmers von so untergeordneter Bedeutung ist, daß sie gegenüber den Umständen, die den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO begründen, zurücktritt, besteht Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift (vgl BSG Urteil vom 15. Dezember 1966 - 2 RU 66/65 -; BSG SozR 2200 § 539 Nr 116 aE; BSG Urteil vom 26. November 1987 - 2 RU 37/87 - HV-Info 1988, 446). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Rettungshandlung des Klägers als Kapitän der Segelyacht und Leiter der Reise stand in enger Verknüpfung mit seinem Aufgabenbereich."
Das LSG Sachsen-Anhalt hat sich mit Urteil vom 27.06.2000 – L 6 U 54/98 – (zitiert nach Juris, Rdnrn. 22 ff.) dieser Rechtsprechung angeschlossen und zur Untersetzung dessen entschieden:
Tenor:
"Durch § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO sollen die Fälle erfasst werden, in denen jemand ohne beruflichen Bezug als Helfer tätig wird, wobei eine rechtliche Pflicht zum Helfen für den Versicherungsschutz unschädlich ist, solange die rechtliche Pflicht nicht auf einer vorsätzlichen Herbeiführung der Gefahr beruht. Für Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind (z.B. DLRG oder Bergwacht), gilt ein besonderer Versicherungsschutz gem. § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO. Erfolgt das Helfen in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, etwa als Haupt- oder Nebenpflicht aus einem Vertrag, greift nicht § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO, sondern der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für die versicherte berufliche Tätigkeit ein. So sind Beschäftigte von Abschleppunternehmen und Bergungsfirmen nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO (bzw. jetzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) versichert und nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO. Dies gilt auch für Beschäftigte, wenn deren Hilfeleistung nur aufgrund einer besonderen beruflichen Situation erfolgt, etwa wenn Bauarbeiter einen umgestürzten Kran sichern oder angestellte Lkw-Fahrer die Unfallstelle. Auch die freiwillige Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung hat Vorrang vor dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO. Dabei reicht hier schon die Versicherbarkeit der Tätigkeit aus, um § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO zu verdrängen, wie das BSG in dem oben zitierten Urteil vom 24. Januar 1991 entschieden hat. Der Senat hält auch dies für überzeugend und dem System der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend. Denn wenn es dem Unternehmer freigestellt ist, den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung durch Beitritt zu begründen, so kann der infolge des Unterbleibens des Beitritts nicht gegebene Versicherungsschutz für an sich versicherbare Tätigkeiten im Rahmen des Betriebes nicht über § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO erreicht werden." (ebenso: LSG Niedersachsen, Urteil vom 14.04.1978 – L 3 U 122/77 -, zitiert nach Juris)
Auch von der Literatur wird diese Auffassung gestützt. So führt Krasney (Ärzte im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, ASUmed 2000, S. 463, 465) aus: "Abgrenzungsschwierigkeiten können nicht selten im Rahmen des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII entstehen, wonach Personen versichert sind, die ‚bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten’. Leistet ein Arzt in diesen Fällen Hilfe, der als frei selbständig tätiger Arzt aus seiner Praxis oder aber als Praxisinhaber außerhalb der Sprechstunden zu einem Unglücksfall gerufen wird, so ist diese Tätigkeit seiner freien selbständigen Arztpraxis zuzurechnen. Entsprechendes wird für den beschäftigten Krankenhausarzt gelten, falls er z. B. im Rahmen seines Einsatzes als Notarzt oder aber auch unabhängig davon aus einem Krankenhaus gerufen wird, um bei einem in der Nähe des Krankenhauses ereigneten Unfall Erste Hilfe zu leisten. Diese Hilfe ist seinem Beschäftigungsverhältnis zuzurechnen, so dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherungsschutz besteht. Aus diesen Ausführungen ist zugleich ersichtlich, dass aber auch bei Ärzten Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII bestehen kann. Dies ist der Fall, wenn – um das vorstehende Beispiel weiterzuführen – ein frei selbständig tätiger Arzt oder ein in einem Krankenhaus beschäftigter Arzt während des Urlaubs oder einer sonst privaten Fahrt Erste Hilfe bei einem Unglücksfall leistet. Hier besteht kein oder zumindest ein ganz untergeordneter Zusammenhang zwischen Tätigkeiten der freien ärztlichen Praxis oder dem Beschäftigungsverhältnis."
Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt nicht in Urlaub und auch nicht auf einer privaten Ausfahrt.
2. Der Kläger stand zum Unfallzeitpunkt gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Er war bei der Beklagten zu 1) freiwillig nach § 6 Abs. 1 SGB VII versichert.
Der Kläger erlitt am 10.12.2006 einen Arbeitsunfall. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die unfallbringende Verrichtung muss in einem inneren Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit, für die die freiwillige Versicherung bestand, stehen. Dabei kommt es nicht wesentlich allein auf Ort oder Zeit der Verrichtung an. Eine dem Unternehmen zu dienen bestimmte Verrichtung begründet den Versicherungsschutz einer versicherten Person auch dann, wenn sie vor oder nach der üblichen Arbeitszeit und/oder zu Hause durchgeführt wird. Dies ist insbesondere auch für Ärzte, sowohl in freier selbständiger Tätigkeit als auch für Ärzte im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses maßgebend. Es ist wertend zu ermitteln, ob das Handeln der Person zur versicherten Tätigkeit gehört.
Rechtsprechung und Schrifttum haben allgemeine Kriterien und Grundsätze für die vorzunehmende Wertung herausgearbeitet. Die Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit bei bestehender freiwilliger Versicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt ist. Hier zeigt sich bereits die Bedeutung der Handlungstendenz. Es ist einerseits nicht erforderlich und reicht andererseits nicht aus, dass eine bestimmte Handlung lediglich losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich ist. Ausreichend ist, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus aufgrund objektiver Anhaltspunkte der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Eine rechtlich unzutreffende Beurteilung des Versicherungsschutzes begründet diesen jedoch nicht. Der Versicherungsschutz ist aber nicht ausgeschlossen, wenn die Arbeit des Versicherten dem Unternehmen objektiv einen Nutzen bringt, z. B. weil er einen im Anrufbeantworter verstümmelten, schlecht verständlichen Anruf unzutreffend auswertete und eine Familie aufsuchte, die tatsächlich nicht um einen Hausbesuch gebeten hatte. Entscheidend ist, dass der Arzt aufgrund der objektiven Umstände tätig geworden ist. Das Kriterium der dem Unternehmen zu dienen bestimmten Verrichtung als Grundlage des Versicherungsschutzes lässt sogleich erkennen, dass dieser sich nicht auf Unfälle beschränkt, die sich bei der Arbeit ereignen, die den im Arbeitsvertrag niedergelegten Aufgaben des Versicherten oder – insbesondere auch bei freiwillig Versicherten – denen des Unternehmens entsprechen. Nicht nur aus der das Beschäftigungsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit oder der Führung einer freien selbständigen ärztlichen Praxis folgt, dass sich der Versicherte oft auch Arbeiten im Unternehmen nicht entziehen kann, die nicht zu seiner eigentlichen Betriebstätigkeit gehören. So ist z. B. auch ein frei praktizierender Arzt versichert, wenn er den Zugang zu seiner Praxis von Schnee frei räumt. Gleiches gilt, wenn er den Ehegatten einer bei ihm beschäftigten Person im Krankenhaus aufsucht, um seinen Beschäftigten und dessen Ehegatten dadurch zu beruhigen, dass er gegebenenfalls die Diagnose und die Behandlung aus seiner Sicht prüft. Hier besteht ein innerer Zusammenhang zu seinem Unternehmen – der ärztlichen Praxis – selbst dann, wenn er für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes den Ehegatten nicht im Rahmen seiner ärztlichen Praxis betreut. Versicherungsschutz besteht auch, wenn der frei praktizierende Arzt einen seiner Patienten im Krankenhaus aufsucht, um ihm dadurch die Gewissheit zu geben, dass er auch während des Krankenhausbesuches nicht gänzlich aus der Betreuung durch den frei praktizierenden Arzt ausgeschlossen ist. Ebenso besteht sowohl für den Beschäftigten als auch für den frei praktizierenden Arzt Versicherungsschutz, wenn er sich bei seinen unmittelbaren ärztlichen Tätigkeiten verletzt, z. B. ausrutscht und einen Armbruch erleidet, sich bei der Injektion durch einen sehr unruhigen Patienten mit der gebrauchten Injektionsnadel verletzt oder durch einen erbosten, sich schlecht behandelt fühlenden oder einen unzurechnungsfähigen Patienten angegriffen wird (Krasney, a.a.O., S. 467 ff.).
Das BSG hat mit Urteil vom 01.02.1996 – 2 RU 3/95 – (zitiert nach Juris, Rdnr. 21) entschieden:
Tenor:
"Der selbständige Arzt hat, ebenso wie andere freiwillig versicherte Unternehmer, für die Art, Weise und den Umfang, wie er seine Praxis betreibt, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl BSG SozR 3-6050 Art 14a Nr 1; SozR 2200 § 548 Nrn 47 und 57; BSGE 52, 89, 91). Damit sind auch ‚unternehmensfremde’ Tätigkeiten grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Zwingendes Erfordernis für eine Anerkennung des Versicherungsschutzes ist jedoch in allen Fällen die innere Beziehung zum Unternehmen. Aus dem Unternehmen herzuleitende Umstände müssen ein wesentliches Glied in der Reihe derjenigen Ursachen bilden, die beim Zustandekommen des Unfalls zusammengewirkt haben (BSGE 52, 89, 91). Im Arzt-Patientenverhältnis kann es notwendig sein, daß sich der Arzt über die eigentliche Behandlung hinaus um das medizinische Wohl des Patienten kümmert. Der niedergelassene Arzt steht nicht nur während der eigentlichen Behandlungstätigkeit für den Patienten unter Versicherungsschutz, sondern auch bei Dienstleistungen über die eigentlichen Behandlungstätigkeiten hinaus, die sich zwanglos in die ärztliche Tätigkeit einordnen lassen. So ist der Arzt auch bei der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit nicht auf die Räumlichkeiten seiner Praxis oder auf bestimmte Sprechzeiten begrenzt. Als Selbständiger kann er vielmehr grundsätzlich frei darüber bestimmen, wann und wo er seine Tätigkeit ausübt (BSG SozR 3-6050 Art 14a Nr 1). In Notfällen kann sogar die Verpflichtung bestehen, außerhalb von Praxisräumen und Dienstzeiten tätig zu werden."
Es kann dahinstehen, ob der Kläger bereits zum Zeitpunkt, als er sein Wohnhaus verließ, gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 SGB VII versichert war. Zunächst wollte er – wie sich aus seinem Schreiben vom 06.01.2007 und seiner gleichlautenden Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergibt – die Ursache des Lärms herausfinden.
Spätestens als der Kläger den Rettungswagen sah, folgte er diesem in der Absicht, seine Hilfe als Arzt anzubieten. Er wusste aus seiner Tätigkeit als Notarzt, dass Rettungswagen zum Einsatz geschickt wurden, die – wie hier – lediglich mit zwei Rettungsassistenten und keinem Notarzt besetzt waren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt stand seine Tätigkeit unter Versicherungsschutz gemäß § 6 Abs. 1 SGB VII. Er handelte nämlich seinem ärztlichen Eid entsprechend in der Absicht, seine Fähigkeiten als Arzt bei der Versorgung verletzter Personen anzubieten.
Es bestand ein innerer Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt. Unbeachtlich ist dabei, dass die Tätigkeit nach der eigentlichen Arbeitszeit und außerhalb der Praxis durchgeführt wurde (Krasney, a.a.O., S. 467). Die Tätigkeit diente dem Zweck seines Unternehmens, kranke Personen ärztlich zu versorgen. Der Kläger hatte als Arzt den hippokratischen Eid geleistet, der ihn verpflichtete, stets, wenn es erforderlich ist, medizinische Hilfe als Arzt zu leisten. Seine Handlungstendenz war darauf gerichtet, seiner ärztlichen Pflicht, jedem Verletzten zu helfen, zu genügen. Der Kläger ist von seinem Standpunkt aus nachvollziehbar aufgrund objektiver Anhaltspunkte zu der Schlussfolgerung gelangt, dass seine ärztliche Hilfe notwendig sein könnte. Er hatte den Rettungswagen gesehen, er wusste aus seiner eigenen Notarzttätigkeit, dass ein Rettungswagen nicht immer mit einem Notarzt besetzt war. Anhaltspunkte dafür, dass die verletzte Person seine Hilfe als Arzt nicht benötigen würde (weil sie lediglich stark alkoholisiert war), waren für ihn, als er sich entschloss, dem Rettungswagen zu folgen, nicht ersichtlich. Der Versicherungsschutz ist nicht ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit des Versicherten dem Unternehmen objektiv keinen Nutzen bringt, weil seine Hilfe nicht benötigt wurde (vorliegend, weil die Person nicht verletzt, sondern nur alkoholisiert war, wegen der der Rettungswagen gerufen worden war).
Der Versicherungsschutz eines niedergelassenen Arztes beschränkt sich nicht auf Unfälle, die sich bei Arbeiten ereignen, die zur reinen Betriebstätigkeit in der Praxis gehören. Es besteht vielmehr auch Versicherungsschutz, wenn er im Rahmen seiner ärztlichen Hilfeleistung von anderen Personen tätlich angegriffen wird (Krasney, a.a.O., S. 467 ff.).
Die Hilfeleistung im Rahmen der Tätigkeit des Klägers als selbständiger Arzt war auch nicht – wie oben bereits ausgeführt – von untergeordneter Bedeutung gegenüber den Umständen, die den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII begründen. Der Kläger hat ausweislich des Berichts des Rehabilitationsberaters R vom 28.04.2008 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend glaubhaft ausgesagt, er wäre dem Rettungswagen nicht gefolgt, wenn er nicht Arzt gewesen wäre. Dann wäre für ihn mit Erscheinen des Rettungswagens die Sache erledigt gewesen.
Der Versicherungsschutz war auch nicht mit dem Verlassen des Rettungswagens beendet. Der gesamte Weg vom Folgen des Rettungswagens bis zum Erreichen der Außentür seines Wohnhauses war von der Handlungstendenz geleitet, dem hippokratischen Eid folgend, ärztliche Hilfe zu leisten.
Auch die übrigen Voraussetzungen des Versicherungsschutzes gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII liegen vor. Der Kläger erlitt ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis, das ausweislich des H-Arztberichtes vom 11.12.2006 zu einem Gesundheitsschaden (u. a. Prellung des linken Auges mit Hämatombildung und nachfolgender Hypästhesie der linken Gesichtshälfte, Schädelhirntrauma mit kurzzeitiger Bewusstlosigkeit, Prellung des linken Hüftgelenks und linken Ellenbogens und Hautabschürfungen) geführt hat.
3. Der Versicherungsschutz der Beklagten zu 1) ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte zu 2) bereits vorher das Unfallereignis vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall anerkannt hätte. Zwar hat die Beklagte zu 2) dem Kläger mit Bescheid vom 15.03.2007 Verletztengeld wegen des Unfallereignisses vom 10.12.2006 gewährt und im Bescheid ausgeführt: "Sie haben Anspruch auf Verletztengeld, solange sie wegen der Folgen des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind und kein Arbeitsentgelt beziehen (§ 45 SGB VII). Wir haben der AOK Sachsen den Auftrag erteilt, Verletztengeld an Sie auszuzahlen." Auch hat sie mit Bescheid vom 26.03.2007 dem Kläger Mehrleistungen bewilligt. Mit Bescheid vom 19.07.2007 (Bl. 41 LSG) hat sie ausgeführt: ".wenn ein Brille infolge eines Arbeitsunfalls beschädigt oder zerstört wurde, tragen wir die Kosten der Wiederherstellung bzw. Ersatzbeschaffung in Höhe der ursprünglichen Kosten dieser Brille. Rechtgrundlage ist § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) in Verbindung mit § 8 Abs. 3 SGB VII. Den entstandenen Brillenschaden ersetzen wir wie folgt: für das Gestell EUR 249,00 für die Gläser EUR 480,20 für Reparaturkosten EUR insgesamt EUR 729,20"
Das BSG hat mit Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 36/03 R – (zitiert nach Juris, Rdnr. 16 ff.) entschieden:
Tenor:
"Die materielle Bestandskraft (Bindungswirkung) eines Verwaltungsakts beschränkt sich auf den Entscheidungsausspruch, den so genannten Verfügungssatz, wobei ein Verwaltungsakt mehrere Verfügungssätze enthalten kann (ständige Rechtsprechung und allgemeine Meinung in der Literatur; siehe BSG SozR 2200 § 589 Nr 8; BSG SozR 2200 § 587 Nr 7; BSG SozR 1500 § 77 Nr 18; BSGE 46, 236 = SozR 1500 § 77 Nr 29; BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 77 RdNr 3; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl 2001, § 31 RdNr 51, jeweils mwN). Zur Klärung des Umfangs der Bindungswirkung kann daneben zwar auch die Begründung des Verwaltungsakts berücksichtigt werden, jedoch nur innerhalb des Verfügungssatzes und nur, wenn dieser unklar ist und Raum für eine Auslegung lässt (BSGE 37, 177, 180 = SozR 2200 § 581 Nr 1; BSG Urteil vom 27. Januar 1976 - 8 RU 138/75 -). Sofern Verwaltungsakte keine strenge Trennung zwischen Verfügungssatz und Begründung aufweisen, ist die gesamte Begründung daraufhin zu prüfen, inwieweit sie für einen Verwaltungsakt typische, der Bindung fähige Regelungen trifft (BSG SozR 2200 § 587 Nr 7). Aber auch wenn Verfügungssatz und Begründung klar voneinander getrennt sind, können Teile der Begründung eines Verwaltungsakts als weiterer Verfügungssatz bewertet werden, wenn ihnen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht eine solche Bedeutung zukommt (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21; Engelmann in von Wulffen, aaO). Der hier maßgebliche Bescheid der Beklagten vom 27. September 1989 enthält zwei Verfügungssätze, nämlich zum einen die Entscheidung über den Entzug der vorläufigen Rente mit Ablauf des Monats Oktober 1989 und zum anderen die Entscheidung über die Verneinung des Anspruchs auf Dauerrente. Die übrigen Ausführungen stehen unter der Überschrift ‚Begründung’, sind also ersichtlich nicht als Verfügungssätze gestaltet, sondern dienen allein der Begründung der in den Verfügungssätzen getroffenen Regelungen. Das gilt sowohl für die von der Beklagten aufgezählten, nach ärztlicher Begutachtung noch bestehenden Unfallfolgen als auch für die Formulierung ‚die Erwerbsminderung beträgt zur Zeit 10 vom Hundert der Vollrente’. Für den Empfänger war deshalb schon aus dem äußeren Aufbau des Bescheides und der logischen Zuordnung der Aussagen über die verbliebenen Unfallfolgen und die Höhe der MdE ohne weiteres erkennbar, dass eine verbindliche Entscheidung allein über den Rentenanspruch getroffen werden sollte."
Vorliegend ergab sich aus dem Wortlaut des Bescheides vom 26.03.2007 der Beklagten zu 2) eine Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall nicht. Auch dem Bescheid vom 15.03.2007 ist eine solche nicht zu entnehmen. In Bestandskraft erwachsender Verfügungssatz (vgl. zu Tatbestands- und Feststellungswirkung von Verwaltungsakten: Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, Vor § 39, Rdnrn. 4 ff.) war vielmehr lediglich "Wir gewähren Ihnen Verletztengeld, das über die AOK Sachsen zur Auszahlung gelangt". Als Verfügungssatz des Bescheides vom 19.07.2007 erwuchs lediglich in Rechtskraft "Wir ersetzen Ihnen Ihren Brillenschaden i.H.v. 729,20 EUR". Alle anderen Ausführungen in den Bescheiden dienten lediglich der Begründung.
Zu beachten ist hierbei, dass die Beklagte zu 2) in dem als Begründung gewerteten Teilen der Bescheide vom 15.03.2007 und 19.07.2007 lediglich den Gesetzestext wiedergab und keine Individualisierung auf den konkreten Einzelfall vornahm.
Eine Verfügung dergestalt, dass das Unfallereignis vom 10.12.2006 als Arbeitsunfall anerkannt wird, fand sich in keinem der drei Bescheide. Daher hat der Kläger zutreffend, wie sich aus der glaubhaften Aussage seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ergibt, eine Anerkennung des Unfallereignisses vom 10.12.2006 aus den Bescheiden ebenso wenig wie die Anerkennung einer generellen Leistungspflicht entnommen.
Die von der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgezeigte eigene Verfahrensweise, in Fällen, in denen über die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall noch nicht entschieden ist, Bescheide des Inhalts zu erlassen "wegen des Unfallereignisses vom 10.12.2006 gewähren wir Ihnen Verletztengeld", unterscheiden sich im Übrigen nicht maßgeblich von der Verfahrensweise der Beklagten.
Eine andere Betrachtungsweise hätte zudem weitreichende Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Unfallversicherungsträger, Leistungen, z.B. Verletztengeld, im Interesse der Versicherten rasch nach Eintritt des Versicherungsfalls zu gewähren, bevor über die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall entschieden ist.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat wendet die Rechtsprechung des BSG auf den vorliegenden Einzelfall an. Er weicht nicht von ihr ab.
Rechtskraft
Aus
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