Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 AL 772/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 17/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Legaldefinition des Saisonarbeiters in Artikel 1 Buchst. c der VO (EWG) 1408/71 stellt nach ihrem
Wortlaut auf das einzelne saisonale Arbeitsrechtsverhältnis ab. Arbeitsverhältnissen von unterschiedlichen
jahreszeitlich bedingten Arbeiten (hier der Wintersaison und der Sommersaison im Hotelerie- und
Gaststättengewerbe) können nicht zusammengerechnet werden
Wortlaut auf das einzelne saisonale Arbeitsrechtsverhältnis ab. Arbeitsverhältnissen von unterschiedlichen
jahreszeitlich bedingten Arbeiten (hier der Wintersaison und der Sommersaison im Hotelerie- und
Gaststättengewerbe) können nicht zusammengerechnet werden
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wehrt sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, der Klägerin für den Zeitraum vom 25. April 2007 bis 5. Juni 2007 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die 1961 geborene Klägerin hat den Beruf einer Köchin erlernt. Nach Bezug von Arbeitslosengeld bezog sie ab dem 30. Juli 2004 bis 29. November 2005 zunächst Arbeitslosenhilfe, später Leistungen der Grundsichtung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Vom 30. November 2005 bis 23. Mai 2006 war die Klägerin als Reinigungskraft in einem Hotel in I (Österreich) tätig. Für den Zeitraum vom 8. Mai 2006 bis 23. Mai 2006 erhielt sie eine Urlaubsentschädigung.
Vom 1. Juli 2006 bis 29. Oktober 2006 war sie als Stubenmädchen in einem Landhaus in St. W (Österreich) beschäftigt. Sie erhielt für die Zeit vom 30. Oktober 2006 bis 7. November 2006 eine Urlaubsabgeltung.
Vom 6. Dezember 2006 bis 22. April 2007 arbeitete die Klägerin als Serviererin in einem Hotel in K (Österreich). Für den Zeitraum vom 23. April 2007 bis 7. Mai 2007 wurde ihr eine Urlaubsentschädigung gezahlt.
Am 25. April 2007 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Auf dem Prüfbogen "unechter Grenzgänger" gab sie am 2. Mai 2007 an, ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten und die polizeiliche Meldung aufrechterhalten zu haben. Heimfahrten hätten ein- bis zweimal monatlich stattgefunden. Die Unterkunft im Beschäftigungsland sei nicht auf dauernden Aufenthalt ausgelegt gewesen. Das Formblatt enthält am unteren Ende den handschriftlichen Vermerk "Ehepartner zum selben Zeitpunkt in österreichischem AV".
Mit Bescheid vom 15. Mai 2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Die Klägerin habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 25. April 2007 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher die Anwartschaftszeit, die Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld sei, nicht erfüllt.
Den Widerspruch der Klägerin vom 23. Mai 2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2007 zurück. Nach Artikel 67 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu– und abwandern vom 14. Juni 1971 (ABl. L 149 vom 5.7.1971, S. 2; zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008) sei die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten für die Erfüllung der Anwartschaftszeit nur zulässig, wenn zwischen der letzten Auslandsbeschäftigung und der Geltendmachung des Anspruchs in Deutschland eine Beschäftigung nachgewiesen werde, die der Beitragspflicht der Bundesanstalt unterliege. Das sei hier nicht der Fall. Die Klägerin sei auch im Zeitraum vom 30. November 2005 bis 22. April 2007 nicht als unechter Grenzgänger im Sinne des Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 anzusehen. Wesentliches Merkmal eines unechten Grenzgängers sei das Beibehalten einer Wohnung in Deutschland, wenn der Arbeitslose vor seiner Ausreise längere Zeit am bisherigen Wohnort gelebt habe, voll integriert gewesen sei und trotz seiner Auslandsbeschäftigung den Mittelpunkt seiner Interessen in Deutschland beibehalten habe. Der Vergleich der beruflichen Werdegänge der Klägerin und ihres Lebensgefährten H K zeige, dass sich dessen Arbeitsverhältnisse zeitlich wie örtlich mit denen der Klägerin gedeckt hätten. Nachweise für regelmäßige Heimfahrten und Nachweise für die Anwesenheit in Deutschland habe die Klägerin nicht vorgelegt. Eine Arbeitslosmeldung sei in den Zwischenzeiten nicht erfolgt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Klägerin während ihrer Auslandsbeschäftigungen und der Übergangszeiten zwischen den Arbeitsrechtsverhältnissen den Mittelpunkt ihrer Interessen nicht in Deutschland, sondern in Österreich gehabt habe.
Auf die am 21. September 2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht nach Beweiserhebung durch Vernehmung von H K und O G (Nachbar im gleichen Hause) als Zeugen mit Urteil vom 12 November 2009 die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin vom 25. April 2007 bis 5. Juni 2007 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Die Klägerin sei "unechte Grenzgängerin" im Sinne von Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71. Nach dieser Vorschrift könnten unechte Grenzgänger dadurch, dass sie sich der Arbeitsvermittlung im Wohnsitz- oder im bisherigen Beschäftigungsstaat zur Verfügung stellen, letztlich zwischen den Trägern zweier Mitgliedstaaten wählen. Der Grund für dieses Wahlrecht sei darin zu sehen, dass der Verordnungsgeber bei den unechten Grenzgängern nicht eindeutig davon habe ausgehen können, dass in der Regel im Wohnsitz- oder im Beschäftigungsstaat die besseren Vermittlungschancen bestehen. Das sei vielmehr eine Frage des Einzelfalles, die der Einzelne selbst am besten durch Ausübung seines Wahlrechts entscheiden könne. Typischerweise würden von der Regelung in Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 die Saisonarbeiter erfasst. Als solcher sei die Klägerin anzusehen. Sie habe sich jeweils in der für Österreich typischen Wintersaison – je nach Wetterlage ab Ende November bis April des Folgejahres – sowie in der typischen Sommersaisons – je nach Wetterlage ab Juni bis Oktober eines Jahres – zu Beschäftigungszwecken in Österreich aufgehalten. Es liege eine typische Saisonarbeit vor. Während der Beschäftigung in Österreich habe die Klägerin ihren Wohnort in Z beibehalten. Ob ein Inlandswohnsitz bestehe, sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Kriterien seien dabei etwa Dauer und Kontinuität des Wohnorts bis zur Beschäftigungsaufnahme im Ausland, Dauer und Zweck sowie Art der im Ausland aufgenommenen Beschäftigung und der Aufenthalt der Familie. Maßgebend sei der Umfang der beibehaltenen Bindungen an den Inlandswohnsitz. Dabei stehe es insbesondere nicht im Belieben eines unechten Grenzgängers, zum Beispiel durch Beibehalten der polizeilichen Meldung im Inland, einen Wohnsitz im Inland zu behaupten. Mindesterfordernis sei eine nicht nur fingierte Wohnanschrift.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien habe die Klägerin während der Tätigkeiten in Österreich weiterhin in Deutschland gewohnt. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe sie während der Auslandstätigkeiten zusammen mit ihrem Lebensgefährten H K eine Wohnung in der F -H -St ... in Z unterhalten und dafür regelmäßige Mietzahlungen getätigt. Dass die Klägerin ihre Beschäftigungen in Österreich jeweils zeitgleich mit ihrem Lebensgefährten ausgeübt habe, könne die Annahme des beibehaltenen Wohnsitzes nicht entkräften. Die Klägerin habe die Wohnung in den Zeiten zwischen den Beschäftigungen nach den Angaben des Zeugen G auch tatsächlich bewohnt. Der soziale Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin habe damit weiterhin in der Bundesrepublik gelegen. Nach eigenen Angaben habe die Klägerin während der Aufenthalte zwischen den Beschäftigungen intensive private Kontakte zu ihrer Tochter und dem im Raum K lebenden Sohn aufrechterhalten. Weiter habe sie Kontakt zu ihrer Mutter sowie Bekannten und Freunden gepflegt. Dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt weiterhin im Raum Z gehabt habe, werde schließlich auch durch die Angaben des Zeugen H K und eine schriftliche Erklärung der Eheleute K (Eltern von H K ) bestätigt.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 21. Dezember 2009 zugestellte Urteil am 18. Januar 2010 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine "unechte Grenzgängerin" nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 handele. Nach dem Mietvertrag vom 1. Juni 1998 bestehe die Wohnung der Klägerin und ihres langjährigen Lebenspartners H K lediglich aus zwei Zimmern und einer Toilette auf insgesamt 30,1 m². Sie habe (damals) weder Küche noch Bad gehabt, die Miete habe ab dem 1. Dezember 2006 lediglich 164,64 EUR (kalt) betragen. Dem Beibehalten der Wohnung in Deutschland, die nur in den Zeiten ohne Beschäftigung in Österreich aufgesucht worden sei, werde "somit ein nur schwaches Indiz eingeräumt". Soweit das Sozialgericht auf die Pflege intensiver privater Kontakte in Deutschland abgestellt habe, sehe die Beklagte dies anders. Der Kontakt zu den Eltern des Lebenspartners der Klägerin habe sich zwangsläufig ergeben, da diese ihre Wohnung im gleichen Haus hätten. Zwar möge die Klägerin auch den Kontakt zu ihrer in Z lebenden Tochter und ihrem im Raum K lebenden Sohn aufrechterhalten haben, gleichwohl hätten diese nach der Trennung der Eltern beim Vater gelebt. Insoweit könne nicht unbedingt von Zurücklassen der Familie und der Pflege intensiver privater Kontakte gesprochen werden. Das Aufrechterhalten von gesellschaftlichen und beruflichen Kontakten sei weder nach Aktenlage erkennbar noch werde es von der Klägerin vorgetragen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sehe die Beklagte die von der Klägerin in Österreich absolvierten Beschäftigungen auch als Einstieg in eine längerfristige Integration in den ausländischen Arbeitsmarkt an. Die Klägerin und ihr Lebenspartner hätten anscheinend einen privaten Arbeitsvermittler eingeschaltet, der überwiegend nach Österreich vermittle. Im Übrigen zeige die bereits von Anfang an vorliegende gewisse Beschäftigungsroutine, dass die Erfolgsaussichten für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt für die Klägerin in Österreich besser gewesen seien als in Deutschland. Das sehe die Klägerin auch selbst so. Für die Zeiten des Aufenthaltes in Z sei jedenfalls keine Suche nach Arbeitsstellen in Z und Umgebung bekannt. Bei einer persönlichen Vorsprache am 27. April 2007 habe die Klägerin angegeben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit im Juni 2007 wieder eine Arbeitsaufnahme in Österreich erfolgen werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das von der Beklagten angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie sei immer daran interessiert gewesen, in Deutschland zu arbeiten, man habe aber weder ihr noch ihrem Lebensgefährten eine angemessene Arbeit angeboten. Mangels Alternativen habe sie sich immer wieder an einen privaten Arbeitsvermittler gewandt, der ihr allerdings auch nur befristete, saisonale Arbeitsmöglichkeiten in Österreich habe anbieten können. Ihre gesamten sozialen Kontakte, insbesondere auch zur eigenen Familie und zur Familie des Lebenspartners, habe sie in Deutschland. Soziale Kontakte in Österreich, die über das jeweilige Arbeitsverhältnis hinausgehen, habe sie nicht. Während der saisonalen Beschäftigung habe sie lediglich einen arbeitsfreien Tag je Woche, der in aller Regel zur Regeneration benötigt werde. Ein außerbetrieblicher Bekannten- oder gar Freundeskreis existiere in Österreich nicht. Ihre Wohnung in Z habe eine Größe von insgesamt 42 m² und sei vollständig mit allem Erforderlichen ausgestattet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der der Klägerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld verwehrende Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2007 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld entgegen der Auffassung der Beklagten zu.
Der Senat sieht gemäß § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist – vorbehaltlich der nachfolgenden Ergänzung – auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochten Urteils des Sozialgerichts.
Das Sozialgericht hat zutreffend auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 17. Februar 1977 hingewiesen, wonach insbesondere Saisonarbeiter zu den "unechten Grenzgängern" nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 zählen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 1977 – 76/76 [Di Paolo] – SozR 6050 Art. 71 Nr. 2 S. 7). Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum Saisonarbeiter in Sinne der Legaldefinition des Artikel 1 Buchst. c der VO (EWG) 1408/71. Nach dieser Regelung ist Saisonarbeiter jeder Arbeitnehmer, der sich in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates begibt, in dem er wohnt, um dort für Rechnung eines Unternehmens oder eines Arbeitgebers in diesem Staat eine Saisonarbeit auszuüben, deren Dauer keinesfalls acht Monate überschreiten darf, und der sich für die Dauer seiner Beschäftigung im Gebiet dieses Staates aufhält; unter Saisonarbeit ist eine jahreszeitlich bedingte Arbeit zu verstehen, die jedes Jahr erneut anfällt. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin klar ersichtlich vor. Soweit die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass durch die Ausübung zweier Saisontätigkeiten innerhalb eines Jahres die Höchstdauer von acht Monaten überschritten wird, stellt dies die Eigenschaft der einzelnen Tätigkeiten als Saisonarbeit nicht in Frage. Denn die Legaldefinition des Saisonarbeiters stellt nach ihrem Wortlaut ("eines Unternehmens", "eines Arbeitgebers", "eine Saisonarbeit", "eine jahreszeitlich bedingte Arbeit") auf das einzelne saisonale Arbeitsrechtsverhältnis ab. Arbeitsverhältnissen von unterschiedlichen jahreszeitlich bedingten Arbeiten (hier der Wintersaison und der Sommersaison im Hotelerie- und Gaststättengewerbe) können nicht zusammengerechnet werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24. Juni 1993 – 11 RAr 11/92 – SozR 3-6050 Art. 69 Nr. 4 S. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 30, 31) stellt Artikel 71 Abs. 1 Buchst b Ziff. ii ii der VO (EWG) 1408/71 eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass sich der Arbeitslose an den Träger desjenigen Mitgliedstaates wenden muss, in dem er zuletzt beschäftigt war, um die vorgesehen Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu erhalten. Einen solchen Ausnahmefall stellt der Saisonarbeiter dar. Dass gilt vor allem deshalb, weil der Saisonarbeiter einen Teil seines Lebensbereichs im Wohnsitzstaat belassen hat und deshalb in diesem Staat weiterhin sozial eingebunden geblieben ist. Darin liegt die innere Rechtfertigung dafür, dass er als Arbeitsloser wie ein Einheimischer behandelt und wie dieser sozial abgesichert wird. So liegt es auch bei der Klägerin. Zwar hat sie wiederholt in Österreich (saisonal) gearbeitet. Es hat sich dabei aber an drei verschiedenen Orten um eine jeweils andere (ungelernte) Tätigkeit gehandelt. An den Arbeitsorten in Österreich hat die Klägerin nicht über eigenen Wohnraum verfügt, sie hat vielmehr die von den Arbeitgebern zur Verfügung gestellten Unterkünfte genutzt. Dass sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen der Klägerin vom bisherigen Wohnort weg hin nach Österreich verschoben haben könnte, vermag der Senat angesichts dessen nicht festzustellen. Die Klägerin hat folglich als "unechter Grenzgänger" Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Atanassov Höhl
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wehrt sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, der Klägerin für den Zeitraum vom 25. April 2007 bis 5. Juni 2007 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die 1961 geborene Klägerin hat den Beruf einer Köchin erlernt. Nach Bezug von Arbeitslosengeld bezog sie ab dem 30. Juli 2004 bis 29. November 2005 zunächst Arbeitslosenhilfe, später Leistungen der Grundsichtung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Vom 30. November 2005 bis 23. Mai 2006 war die Klägerin als Reinigungskraft in einem Hotel in I (Österreich) tätig. Für den Zeitraum vom 8. Mai 2006 bis 23. Mai 2006 erhielt sie eine Urlaubsentschädigung.
Vom 1. Juli 2006 bis 29. Oktober 2006 war sie als Stubenmädchen in einem Landhaus in St. W (Österreich) beschäftigt. Sie erhielt für die Zeit vom 30. Oktober 2006 bis 7. November 2006 eine Urlaubsabgeltung.
Vom 6. Dezember 2006 bis 22. April 2007 arbeitete die Klägerin als Serviererin in einem Hotel in K (Österreich). Für den Zeitraum vom 23. April 2007 bis 7. Mai 2007 wurde ihr eine Urlaubsentschädigung gezahlt.
Am 25. April 2007 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Auf dem Prüfbogen "unechter Grenzgänger" gab sie am 2. Mai 2007 an, ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten und die polizeiliche Meldung aufrechterhalten zu haben. Heimfahrten hätten ein- bis zweimal monatlich stattgefunden. Die Unterkunft im Beschäftigungsland sei nicht auf dauernden Aufenthalt ausgelegt gewesen. Das Formblatt enthält am unteren Ende den handschriftlichen Vermerk "Ehepartner zum selben Zeitpunkt in österreichischem AV".
Mit Bescheid vom 15. Mai 2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Die Klägerin habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 25. April 2007 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher die Anwartschaftszeit, die Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld sei, nicht erfüllt.
Den Widerspruch der Klägerin vom 23. Mai 2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2007 zurück. Nach Artikel 67 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu– und abwandern vom 14. Juni 1971 (ABl. L 149 vom 5.7.1971, S. 2; zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008) sei die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten für die Erfüllung der Anwartschaftszeit nur zulässig, wenn zwischen der letzten Auslandsbeschäftigung und der Geltendmachung des Anspruchs in Deutschland eine Beschäftigung nachgewiesen werde, die der Beitragspflicht der Bundesanstalt unterliege. Das sei hier nicht der Fall. Die Klägerin sei auch im Zeitraum vom 30. November 2005 bis 22. April 2007 nicht als unechter Grenzgänger im Sinne des Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 anzusehen. Wesentliches Merkmal eines unechten Grenzgängers sei das Beibehalten einer Wohnung in Deutschland, wenn der Arbeitslose vor seiner Ausreise längere Zeit am bisherigen Wohnort gelebt habe, voll integriert gewesen sei und trotz seiner Auslandsbeschäftigung den Mittelpunkt seiner Interessen in Deutschland beibehalten habe. Der Vergleich der beruflichen Werdegänge der Klägerin und ihres Lebensgefährten H K zeige, dass sich dessen Arbeitsverhältnisse zeitlich wie örtlich mit denen der Klägerin gedeckt hätten. Nachweise für regelmäßige Heimfahrten und Nachweise für die Anwesenheit in Deutschland habe die Klägerin nicht vorgelegt. Eine Arbeitslosmeldung sei in den Zwischenzeiten nicht erfolgt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Klägerin während ihrer Auslandsbeschäftigungen und der Übergangszeiten zwischen den Arbeitsrechtsverhältnissen den Mittelpunkt ihrer Interessen nicht in Deutschland, sondern in Österreich gehabt habe.
Auf die am 21. September 2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht nach Beweiserhebung durch Vernehmung von H K und O G (Nachbar im gleichen Hause) als Zeugen mit Urteil vom 12 November 2009 die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin vom 25. April 2007 bis 5. Juni 2007 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Die Klägerin sei "unechte Grenzgängerin" im Sinne von Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71. Nach dieser Vorschrift könnten unechte Grenzgänger dadurch, dass sie sich der Arbeitsvermittlung im Wohnsitz- oder im bisherigen Beschäftigungsstaat zur Verfügung stellen, letztlich zwischen den Trägern zweier Mitgliedstaaten wählen. Der Grund für dieses Wahlrecht sei darin zu sehen, dass der Verordnungsgeber bei den unechten Grenzgängern nicht eindeutig davon habe ausgehen können, dass in der Regel im Wohnsitz- oder im Beschäftigungsstaat die besseren Vermittlungschancen bestehen. Das sei vielmehr eine Frage des Einzelfalles, die der Einzelne selbst am besten durch Ausübung seines Wahlrechts entscheiden könne. Typischerweise würden von der Regelung in Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 die Saisonarbeiter erfasst. Als solcher sei die Klägerin anzusehen. Sie habe sich jeweils in der für Österreich typischen Wintersaison – je nach Wetterlage ab Ende November bis April des Folgejahres – sowie in der typischen Sommersaisons – je nach Wetterlage ab Juni bis Oktober eines Jahres – zu Beschäftigungszwecken in Österreich aufgehalten. Es liege eine typische Saisonarbeit vor. Während der Beschäftigung in Österreich habe die Klägerin ihren Wohnort in Z beibehalten. Ob ein Inlandswohnsitz bestehe, sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Kriterien seien dabei etwa Dauer und Kontinuität des Wohnorts bis zur Beschäftigungsaufnahme im Ausland, Dauer und Zweck sowie Art der im Ausland aufgenommenen Beschäftigung und der Aufenthalt der Familie. Maßgebend sei der Umfang der beibehaltenen Bindungen an den Inlandswohnsitz. Dabei stehe es insbesondere nicht im Belieben eines unechten Grenzgängers, zum Beispiel durch Beibehalten der polizeilichen Meldung im Inland, einen Wohnsitz im Inland zu behaupten. Mindesterfordernis sei eine nicht nur fingierte Wohnanschrift.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien habe die Klägerin während der Tätigkeiten in Österreich weiterhin in Deutschland gewohnt. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe sie während der Auslandstätigkeiten zusammen mit ihrem Lebensgefährten H K eine Wohnung in der F -H -St ... in Z unterhalten und dafür regelmäßige Mietzahlungen getätigt. Dass die Klägerin ihre Beschäftigungen in Österreich jeweils zeitgleich mit ihrem Lebensgefährten ausgeübt habe, könne die Annahme des beibehaltenen Wohnsitzes nicht entkräften. Die Klägerin habe die Wohnung in den Zeiten zwischen den Beschäftigungen nach den Angaben des Zeugen G auch tatsächlich bewohnt. Der soziale Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin habe damit weiterhin in der Bundesrepublik gelegen. Nach eigenen Angaben habe die Klägerin während der Aufenthalte zwischen den Beschäftigungen intensive private Kontakte zu ihrer Tochter und dem im Raum K lebenden Sohn aufrechterhalten. Weiter habe sie Kontakt zu ihrer Mutter sowie Bekannten und Freunden gepflegt. Dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt weiterhin im Raum Z gehabt habe, werde schließlich auch durch die Angaben des Zeugen H K und eine schriftliche Erklärung der Eheleute K (Eltern von H K ) bestätigt.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 21. Dezember 2009 zugestellte Urteil am 18. Januar 2010 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine "unechte Grenzgängerin" nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 handele. Nach dem Mietvertrag vom 1. Juni 1998 bestehe die Wohnung der Klägerin und ihres langjährigen Lebenspartners H K lediglich aus zwei Zimmern und einer Toilette auf insgesamt 30,1 m². Sie habe (damals) weder Küche noch Bad gehabt, die Miete habe ab dem 1. Dezember 2006 lediglich 164,64 EUR (kalt) betragen. Dem Beibehalten der Wohnung in Deutschland, die nur in den Zeiten ohne Beschäftigung in Österreich aufgesucht worden sei, werde "somit ein nur schwaches Indiz eingeräumt". Soweit das Sozialgericht auf die Pflege intensiver privater Kontakte in Deutschland abgestellt habe, sehe die Beklagte dies anders. Der Kontakt zu den Eltern des Lebenspartners der Klägerin habe sich zwangsläufig ergeben, da diese ihre Wohnung im gleichen Haus hätten. Zwar möge die Klägerin auch den Kontakt zu ihrer in Z lebenden Tochter und ihrem im Raum K lebenden Sohn aufrechterhalten haben, gleichwohl hätten diese nach der Trennung der Eltern beim Vater gelebt. Insoweit könne nicht unbedingt von Zurücklassen der Familie und der Pflege intensiver privater Kontakte gesprochen werden. Das Aufrechterhalten von gesellschaftlichen und beruflichen Kontakten sei weder nach Aktenlage erkennbar noch werde es von der Klägerin vorgetragen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sehe die Beklagte die von der Klägerin in Österreich absolvierten Beschäftigungen auch als Einstieg in eine längerfristige Integration in den ausländischen Arbeitsmarkt an. Die Klägerin und ihr Lebenspartner hätten anscheinend einen privaten Arbeitsvermittler eingeschaltet, der überwiegend nach Österreich vermittle. Im Übrigen zeige die bereits von Anfang an vorliegende gewisse Beschäftigungsroutine, dass die Erfolgsaussichten für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt für die Klägerin in Österreich besser gewesen seien als in Deutschland. Das sehe die Klägerin auch selbst so. Für die Zeiten des Aufenthaltes in Z sei jedenfalls keine Suche nach Arbeitsstellen in Z und Umgebung bekannt. Bei einer persönlichen Vorsprache am 27. April 2007 habe die Klägerin angegeben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit im Juni 2007 wieder eine Arbeitsaufnahme in Österreich erfolgen werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das von der Beklagten angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie sei immer daran interessiert gewesen, in Deutschland zu arbeiten, man habe aber weder ihr noch ihrem Lebensgefährten eine angemessene Arbeit angeboten. Mangels Alternativen habe sie sich immer wieder an einen privaten Arbeitsvermittler gewandt, der ihr allerdings auch nur befristete, saisonale Arbeitsmöglichkeiten in Österreich habe anbieten können. Ihre gesamten sozialen Kontakte, insbesondere auch zur eigenen Familie und zur Familie des Lebenspartners, habe sie in Deutschland. Soziale Kontakte in Österreich, die über das jeweilige Arbeitsverhältnis hinausgehen, habe sie nicht. Während der saisonalen Beschäftigung habe sie lediglich einen arbeitsfreien Tag je Woche, der in aller Regel zur Regeneration benötigt werde. Ein außerbetrieblicher Bekannten- oder gar Freundeskreis existiere in Österreich nicht. Ihre Wohnung in Z habe eine Größe von insgesamt 42 m² und sei vollständig mit allem Erforderlichen ausgestattet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der der Klägerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld verwehrende Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2007 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld entgegen der Auffassung der Beklagten zu.
Der Senat sieht gemäß § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist – vorbehaltlich der nachfolgenden Ergänzung – auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochten Urteils des Sozialgerichts.
Das Sozialgericht hat zutreffend auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 17. Februar 1977 hingewiesen, wonach insbesondere Saisonarbeiter zu den "unechten Grenzgängern" nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71 zählen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 1977 – 76/76 [Di Paolo] – SozR 6050 Art. 71 Nr. 2 S. 7). Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum Saisonarbeiter in Sinne der Legaldefinition des Artikel 1 Buchst. c der VO (EWG) 1408/71. Nach dieser Regelung ist Saisonarbeiter jeder Arbeitnehmer, der sich in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates begibt, in dem er wohnt, um dort für Rechnung eines Unternehmens oder eines Arbeitgebers in diesem Staat eine Saisonarbeit auszuüben, deren Dauer keinesfalls acht Monate überschreiten darf, und der sich für die Dauer seiner Beschäftigung im Gebiet dieses Staates aufhält; unter Saisonarbeit ist eine jahreszeitlich bedingte Arbeit zu verstehen, die jedes Jahr erneut anfällt. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin klar ersichtlich vor. Soweit die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass durch die Ausübung zweier Saisontätigkeiten innerhalb eines Jahres die Höchstdauer von acht Monaten überschritten wird, stellt dies die Eigenschaft der einzelnen Tätigkeiten als Saisonarbeit nicht in Frage. Denn die Legaldefinition des Saisonarbeiters stellt nach ihrem Wortlaut ("eines Unternehmens", "eines Arbeitgebers", "eine Saisonarbeit", "eine jahreszeitlich bedingte Arbeit") auf das einzelne saisonale Arbeitsrechtsverhältnis ab. Arbeitsverhältnissen von unterschiedlichen jahreszeitlich bedingten Arbeiten (hier der Wintersaison und der Sommersaison im Hotelerie- und Gaststättengewerbe) können nicht zusammengerechnet werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24. Juni 1993 – 11 RAr 11/92 – SozR 3-6050 Art. 69 Nr. 4 S. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 30, 31) stellt Artikel 71 Abs. 1 Buchst b Ziff. ii ii der VO (EWG) 1408/71 eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass sich der Arbeitslose an den Träger desjenigen Mitgliedstaates wenden muss, in dem er zuletzt beschäftigt war, um die vorgesehen Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu erhalten. Einen solchen Ausnahmefall stellt der Saisonarbeiter dar. Dass gilt vor allem deshalb, weil der Saisonarbeiter einen Teil seines Lebensbereichs im Wohnsitzstaat belassen hat und deshalb in diesem Staat weiterhin sozial eingebunden geblieben ist. Darin liegt die innere Rechtfertigung dafür, dass er als Arbeitsloser wie ein Einheimischer behandelt und wie dieser sozial abgesichert wird. So liegt es auch bei der Klägerin. Zwar hat sie wiederholt in Österreich (saisonal) gearbeitet. Es hat sich dabei aber an drei verschiedenen Orten um eine jeweils andere (ungelernte) Tätigkeit gehandelt. An den Arbeitsorten in Österreich hat die Klägerin nicht über eigenen Wohnraum verfügt, sie hat vielmehr die von den Arbeitgebern zur Verfügung gestellten Unterkünfte genutzt. Dass sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen der Klägerin vom bisherigen Wohnort weg hin nach Österreich verschoben haben könnte, vermag der Senat angesichts dessen nicht festzustellen. Die Klägerin hat folglich als "unechter Grenzgänger" Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst b Ziff. ii der VO (EWG) 1408/71.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Atanassov Höhl
Rechtskraft
Aus
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