Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 40 AS 4899/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 39/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es liegt nahe, den unbestimmten Rechtsbegriff „hohe Behandlungsfrequenz“ in § 8 der
Krankentransport-Richtlinien an den Rechtsregelverhältnissen bei den
in Anlage 2 zu den Krankentransport-Richtlinien genannten Therapien zu messen. In Folge dessen ist bei
durchschnittlich alle drei Monate stattfindenden Untersuchungen die Annahme einer hohen
Behandlungsfrequenz nicht begründet.
2. Die Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfes (hier: Fahrkosten für Fahrten zu regelmäßig
stattfindenden medizinischen Untersuchungen) kann nicht durch die Gewährung eines Darlehens erfolgen.
3. Der Bedarf in Bezug auf Fahrkosten für Fahrten zu regelmäßig stattfindenden medizinischen
Untersuchungen folgt aus der gesundheitlich bedingten Notwendigkeit, einen bestimmten Ort aufzusuchen.
Hierbei kann es sich dem Grunde nach um einen Bedarf mit Grundrechtsbezug (hier: Artikel 2 Abs. 2 GG)
handeln. Es handelt sich aber seiner Art nach nicht um einen atypischen, sondern einen in der Regelleistung
berücksichtigten Bedarf.
Krankentransport-Richtlinien an den Rechtsregelverhältnissen bei den
in Anlage 2 zu den Krankentransport-Richtlinien genannten Therapien zu messen. In Folge dessen ist bei
durchschnittlich alle drei Monate stattfindenden Untersuchungen die Annahme einer hohen
Behandlungsfrequenz nicht begründet.
2. Die Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfes (hier: Fahrkosten für Fahrten zu regelmäßig
stattfindenden medizinischen Untersuchungen) kann nicht durch die Gewährung eines Darlehens erfolgen.
3. Der Bedarf in Bezug auf Fahrkosten für Fahrten zu regelmäßig stattfindenden medizinischen
Untersuchungen folgt aus der gesundheitlich bedingten Notwendigkeit, einen bestimmten Ort aufzusuchen.
Hierbei kann es sich dem Grunde nach um einen Bedarf mit Grundrechtsbezug (hier: Artikel 2 Abs. 2 GG)
handeln. Es handelt sich aber seiner Art nach nicht um einen atypischen, sondern einen in der Regelleistung
berücksichtigten Bedarf.
I. Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. November 2009 aufgehoben. Die Klage wird insgesamt, auch hinsichtlich der im Berufungsverfahren erfolgten Klageerweiterung, abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beigeladene zu 1 wehrt sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger die anlässlich regelmäßig stattfindender Untersuchungen im Universitätsklinikum L entstehenden Fahrkosten (hier insgesamt 349,80 EUR für 10 Fahrten) zu bewilligen. Der Kläger tritt der Berufung entgegen und erstrebt im Wege der Klageerweiterung die Verpflichtung eines Leistungsträgers, ihm für weitere Fahrten insgesamt weitere 244,86 EUR zu erstatten.
Der am 2. Januar 1981 geborene Kläger leidet an Phenylketonurie (E70.0 nach ICD 10 [Störung des Aminosäurestoffwechsels]), einer Stoffwechselerkrankung, die im Hinblick auf die Einhaltung der spezifischen Diät der regelmäßigen Überwachung bedarf. Die Untersuchungen finden ambulant in einem näherungsweise vierteljährigen Rhythmus im Universitätsklinikum L statt.
Für die Fahrten von L -O nach L (ca. 70 bis 75 km) und zurück, die der Kläger in Begleitung seiner Mutter mit dem eigenen Kraftfahrzeug unternimmt, erhielt er in der Vergangenheit von der beigeladenen Krankenkasse (Beigeladene zu 2) eine Kostenerstattung in Höhe von zuletzt 34,98 EUR je Untersuchungstermin. Die vom Kläger zuletzt beantragte Kostenerstattung für Fahrten am 31. August 2005 und 25. November 2005 lehnte die Beigeladene zu 2 mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 und Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2006 unter Hinweis auf insbesondere die Regelung in § 8 der Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung vom 22. Januar 2004 ab. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Am 21. Mai 2007 beantragte der Kläger, der seit dem 1. Januar 2005 bei dem Beklagten im Leistungsbezug (Arbeitslosengeld II) stand, die Fortzahlung der laufenden Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) sowie die Erstattung von Fahrkosten, die anlässlich von Besuchen der Sprechstunde in L am 12. Mai 2006, 1. September 2006 und 24. November 2006 sowie am 2. März 2007 entstanden waren. Mit Bescheid vom 31. Mai 2007 bewilligte der Beklagte die Fortzahlung der laufenden Leistungen bis 31. Dezember 2007. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage lehnte er die Übernahme der durch die Fahrten nach L entstehenden Kosten ab. Den Widerspruch des Klägers vom 2. Juli 2007 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2007 zurück.
Der Kläger hat am 5. Dezember 2007 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 19. März 2008 den zuständigen Sozialhilfeträger, den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1, zum Verfahren beigeladen, bei dem der Kläger sodann am 26. Mai 2008 einen Antrag auf Übernahme der streitgegenständlichen Fahrkosten gestellt hat. Mit Beschluss vom 13. August 2008 hat das Sozialgericht die zuständige Krankenkasse, die Beigeladene zu 2, zum Verfahren beigeladen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. November 2009 den Beigeladenen zu 1 verurteilt, dem Kläger für zehn zwischen dem 8. Juni 2007 und 9. Oktober 2009 durchgeführte Fahrten zum Universitätsklinikum L Kosten in Höhe von insgesamt 349,80 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht gegen den Beklagten zu. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der vom Kläger geltend gemachte Bedarf nicht von der Regelleistung des § 20 SGB II abgedeckt werde, ergebe sich kein Anspruch. Denn entweder müsse der Beklagte die Regelleistung um den besonderen Bedarf des Klägers (einmal im Quartal) erhöhen oder nach § 23 Abs. 1 SGB II vorgehen. Beides scheide aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7 b AS 14/06 R), der sich das Gericht anschließe, aus. Auch der Beigeladene zu 2 sei nicht (mehr) zur Erstattung der Kosten verpflichtet. Ein Anspruch komme nach § 60 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nur in besonderen, in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V, den Krankentransport-Richtlinien, festgelegten Fällen in Betracht. Erforderlich sei nach § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien, dass "mit einem vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, dass eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist". Als Ausnahmefälle seien in der Anlage 2 zu § 8 der Krankentransport-Richtlinien beispielhaft die Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie genannt. Wenngleich diese Aufzählung nicht abschließend sei, könne aber im Fall des Klägers ein vergleichbarer Ausnahmefall nicht bejaht werden. Die Behandlungsfrequenz, vier Mal im Jahr, sei verglichen mit den Beispielsfällen der Anlage 2 nicht hoch.
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der ihm entstehenden Fahrkosten bestehe jedoch aus § 73 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) gegen den Beigeladenen zu 1. Dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung gezwungen sei, sich regelmäßig einmal im Quartal in einer Spezialsprechstunde vorzustellen und die nächstgelegene Möglichkeit dazu in L sei, stelle eine atypische, die Anwendung von § 73 SGB XII rechtfertigende Bedarfslage dar. Den Kläger darauf zu verweisen, mit der Regelleistung nach § 20 SGB II auszukommen, obwohl bei deren Bemessung die besondere, atypische Bedarfslage offensichtlich nicht berücksichtigt worden seien, würde dessen Menschenwürde verletzen. Denn es würde ihn vor die Alternative stellen, entweder die Fahrten zu unterlassen und die Folgen der dann nicht mehr ausreichenden medizinischen Versorgung in Kauf zu nehmen oder Bedarfe, zu deren Deckung die Regelleistung nach § 20 SGB II tatsächlich gedacht sei, ungedeckt zu lassen. Der Beigeladene zu 1 sei daher zu verpflichten, die nach der Antragstellung am 21. Mai 2007 entstandenen Fahrkosten, nicht aber die zuvor entstandenen, zu erstatten. Bei der Höhe der Kostenerstattung orientiere sich das Gericht an dem früher von der Beigeladenen zu 2 angesetzten Betrag in Höhe von 34,98 EUR.
Gegen das ihm am 22. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 1 vom 18. Januar 2010. Er hält die Beigeladene zu 2 für leistungsverpflichtet. Zwar sei die beim Kläger erforderliche Behandlungsfrequenz jahresbezogen im Vergleich zu den in der Anlage 2 zu § 8 der Krankentransport-Richtlinien genannten Fällen eher gering. Die Krankheit des Klägers sei aber chronisch und nicht heilbar. Auf die Gesamtdauer der Behandlung bezogen sei die Behandlungsfrequenz daher vergleichbar und keinesfalls niedriger. Die vom Sozialgericht gesehene atypische Bedarfslage liege hingegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürfe § 73 SGB XII nicht zur Auffangvorschrift für alle nicht geregelten sonstigen Bedarfslagen mutieren.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
I. die Berufung zurückzuweisen, II. den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen zu 1 oder die Beigeladene zu 2 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Fahrten zur Uniklinik L auch im Zeitraum vom 10. Oktober 2009 bis heute in Höhe von insgesamt 244,86 EUR zu erstatten.
Im Ergebnis zu Recht habe das Sozialgericht den Beigeladenen zu 1) zur Tragung der Fahrkosten nach § 73 SGB XII verurteilt. Der Anspruch sei im Zusammenhang mit Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) begründet. Das Recht auf eine medizinische Grundversorgung sei ihm zu erhalten, ohne dass er dabei die Unterdeckung des Regelbedarfs und der Regelleistungen nach dem SGB II in Kauf nehmen müsse. Er müsse die Fahrten nach L unternehmen, damit die von ihm einzuhaltende strenge Diät kontinuierlich seinen Lebensbedingungen und seinem Alter sowie den spezifischen Auswirkungen des Krankheitsverlaufs angepasst werden könne. Bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende sei der Aufwand für dergleichen nicht vorgesehen und einberechnet.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
den Klageantrag unter Nummer II des Antrages des Klägers abzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Beigeladenen zu 1 zurückzuweisen und die Klageerweiterung des Klägers abzuweisen.
Die Beigeladene zu 2 hat von einer Antragstellung abgesehen. Sie vertritt die Auffassung, dass krankenversicherungsrechtlich kein Anspruch auf Übernahme oder Erstattung der geltend gemachten Kosten bestehe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen den Beigeladenen zu 1 kein Anspruch auf Erstattung der ihm anlässlich seiner ambulant durchgeführten Untersuchungen im Universitätsklinikum L entstehenden Fahrkosten zur Seite. Dies gilt auch im Verhältnis zum Beklagten und zur Beigeladenen zu 2.
1. Zutreffend hat das Sozialgericht zunächst entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beigeladene zu 2 nicht zusteht. Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurde die zuvor bestehende Regel, nach der die Krankenkasse die Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen zu übernehmen hatte, abgeschafft. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug der sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V mit Verbindlichkeit auch für die Versicherten (vgl. § 91 Abs. 6 SGB V) festgelegt hat. Nach § 8 der Krankentransport-Richtlinien vom 22. Januar 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2004, können auch Fahrten zur ambulanten Behandlung bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Voraussetzung für eine Verordnung und eine Genehmigung ist, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Diese Voraussetzungen liegen aber bei dem Kläger nicht vor. Seine etwa vierteljährlich stattfindenden, ambulanten Untersuchungen im Universitätsklinikum L weisen keine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum auf. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien sind daher nicht erfüllt. Nach der Anlage 2 zu den Krankentransport-Richtlinien sind Ausnahmefälle gemäß § 8 in der Regel die Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie. Damit liegt es nahe, den unbestimmten Rechtsbegriff "hohe Behandlungsfrequenz" an den Rechtsregelverhältnissen bei den vorgenannten Therapien zu messen (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 26. März 2009 – L 4 KR 335/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 27). Diese Therapien zeichnen sich regelmäßig durch eine Behandlungsdichte von deutlich mehr als durchschnittlich zwei Mal monatlich aus. Bei den durchschnittlich alle drei Monate stattfindenden Untersuchungen des Klägers ist daher die Annahme einer hohen Behandlungsfrequenz nicht begründet. Soweit der Beigeladene zu 1 auf die absehbar lange Zeitdauer der Erkrankung des Klägers und die daraus folgende hohe Gesamtzahl der erforderlichen Fahrten verweist, verkennt er, dass der begriff "Frequenz" die Anzahl von Ereignissen je Zeiteinheit, nicht aber die Gesamtzahl von Ereignissen bezeichnet. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse scheidet damit aus.
2. Zustimmung verdient auch die Auffassung des Sozialgerichts, der Beklagte sei zur Ausreichung der begehrten Leistung nicht verpflichtet. Mit dem Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass als Anspruchsgrundlagen insoweit lediglich § 20 SGB II und § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht kommen. Eine Erhöhung des Regelsatzes des § 20 SGB II ist aber nach dem Konzept des Gesetzes (§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II) ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R – BSGE 97, 242 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 19, m. w. N.). Der insoweit bestehende Wille des Gesetzgebers ist den seit 1. August 2008 geltenden Regelungen in § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 SGB II (vgl. Artikel 1 Nr. 1a des gesetzes vom 20. Juli 2006 [BGBl. I S. 1706] deutlich zu entnehmen. Danach decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II). Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen (vgl. § 3 Abs. 3 und Satz 2 SGB II).
Der Anspruch kann auch nicht auf § 23 Abs. 1 SGB II gestützt werden. Nach dieser Regelung kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Gewährung eines Darlehens gedeckt werden. Allerdings hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 7. November 2006 darauf hingewiesen, dass Bedarfe, die, wie hier, wiederkehrend sind, nur schwer einer darlehensweisen Gewährung zugänglich sind, weil das Darlehen durch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II angeordnete Aufrechnung zu einer belastenden Hypothek für die Zukunft wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a. a. O., Rdnr. 20). Zwar könnte dem durch einen (nachträglichen) Erlass nach § 44 SGB II Rechnung getragen werden, die Darlehensgewährung würde damit aber ad absurdum geführt. Eine solche Verfahrensweise wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze (vgl. BSG, a. a. O.). Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 9. Februar 2010 festgehalten, dass durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II nur vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs aufgefangen werden könnten. Zur Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfs sei die Gewährung eines Darlehens hingegen ungeeignet (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [254] = JURIS-Dokument Rdnr. 207). Entsprechendes hat es für Sondersituationen ausgeführt. Die Gesamtheit der Regelungen des SGB II erlaubten zwar in der Regel auch die Deckung individuellen, besonderen Bedarfs. In Sondersituationen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftrete, erweise sich die Regelleistung jedoch als unzureichend. Einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf könnten durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausgeglichen werden. Bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf sei das indessen nicht mehr möglich (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [255] = JURIS-Dokument Rdnr. 208).
3. Der Kläger hat schließlich auch gegen den Beigeladenen zu 1 keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten. Zwar kommt § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage in Betracht, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung liegen aber nicht vor. § 73 SGB XII ist im ganz überwiegenden Teil des Streitzeitraumes anwendbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 für einen bestimmten fortlaufenden atypischen Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II eine eigenständige Rechtsgrundlage im SGB II gefordert, zugleich aber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 73 SGB XII gebilligt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [254] = JURIS-Dokument Rdnr. 207). Daraus hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 19. August 2010 gefolgert, dass § 73 SGB XII bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung anzuwenden sei, da bereits ein einfachgesetzlicher Anspruch nach § 73 SGB XII bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 13/10 R – SozR 4-3500 § 73 Nr. 3 Rdnr. 22 bis 24 = JURIS-Dokument Rdnr. 22 bis 24). Dieser geht dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten verfassungsrechtlichen Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen vor (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 23).
Indes liegen für den geltend gemachten Anspruch die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruches nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und deren Sicherstellung zugleich aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R – SozR 4-4200 § 20 Nr. 13 Rdnr. 21 = JURIS-Dokument Rdnr. 21, m. w. N.). Vorliegend kann es sich bei dem geltend gemachten Bedarf dem Grunde nach um einen solchen mit Grundrechtsbezug handeln. Müsste der Kläger aus finanziellen Gründen auf die vierteljährliche Fahrt zu der auswärtigen ambulanten Kontrolluntersuchung verzichten, könnte dies nachteilige Auswirkungen auf seine körperliche Unversehrtheit haben und damit Artikel 2 Absatz 2 GG berührt sein. Im Hinblick auf die streitigen Kosten von Krankenfahrten ist aber ein unabweisbarer Bedarf, der nicht entweder durch das System des SGB V oder durch die Regelleistung nach dem SGB II abgedeckt wird, nicht ersichtlich. Denn medizinisch notwendige, jedoch von der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht umfasste Krankenfahrten, die unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten auch von Hilfebedürftigen nach dem SGB II selbst zu zahlen sind, sind in der Regelleistung abgebildet und lösen damit grundsätzlich keinen Bedarf nach § 73 SGB XII aus (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, a. a. O., Rdnr. 25). Der streitgegenständliche Bedarf folgt aus der gesundheitlich bedingten Notwendigkeit, einen bestimmten Ort aufzusuchen. Er stellt sich damit als ein Bedarf dar, der sowohl dem in der Regelleistung abgebildeten Bereich der Gesundheitspflege als auch dem ebenfalls in der Regelleistung berücksichtigten Bereich der Mobilität zugehörig sein kann. Vieles spricht dafür, den Bedarf als einen Mischbedarf dieser Bereiche anzusehen. Wie auch immer man ihn systematisch einordnen mag, handelt es sich jedenfalls seiner Art nach nicht um einen atypischen, sondern einen in der Regelleistung berücksichtigten Bedarf. Atypisch ist der Bedarf auch nicht etwa deshalb, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, lediglich den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen, nicht aber einen darüber hinausgehenden besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen wieder spiegelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [252] = JURIS-Dokument Rdnr. 204). Der Bedarf ist vielmehr auch seiner Höhe nach nicht atypisch. Der Kläger begehrt, auf diese Zeiteinheit herunter gerechnet, einen monatlichen Betrag in Höhe von 11,66 EUR. Von einem atypischen Umfang des auftretenden Bedarfs kann damit nicht die Rede seien. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass er nicht aus den für Gesundheitspflege und/oder Mobilität vorgesehenen Teilen der Regelleistung (vgl. hierzu die Übersicht bei Spellbrink, Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 20 Rdnr. 24) gedeckt werden konnte.
Liegt damit eine atypische Lage weder hinsichtlich der Natur (qualitativ) noch des Umfangs (quantitativ) des Bedarfs vor, scheidet ein Anspruch nach § 73 SGB XII aus.
4. Der Anspruch kann auch nicht aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG – zu Lasten des Bundes – geltend gemacht werden. Dieser Anspruch könnte, weil er vom Bundesverfassungsgericht wegen eines Regelungsdefizits im SGB II begründet wurde, ohnehin wohl nur gegen den Beklagten als insoweit zuständigen Leistungsträger geltend gemacht werden. Jedenfalls liegen aber seine Voraussetzungen nicht vor.
In Nummer 3 Satz 2 des Tenors des Urteil vom 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf, der nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, bis zur – nunmehr mit Wirkung ab 3. Juni 2010 in § 21 Abs. 6 SGB II erfolgten (vgl. Artikel 3a Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 27. Mai 2010 [BGBl. I S. 671]) – Neuregelung ein Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG geltend gemacht werden kann (vgl. BGBl I 2010, 193). In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, dass eine Leistung, die geeignet sei, einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen besonderen Bedarf zu decken, deswegen zwingend in das SGB II aufzunehmen und bis zur Neuregelung direkt aus der Verfassung abzuleiten sei, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen wieder spiegele, nicht aber einen darüber hinaus gehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen. Grundsätzlich sei die Gewährung der Regelleistung als feste Pauschale im Sinne einer typisierenden Regelung auch im Bereich der Sicherung des menschenwürdigenden Existenzminimums zulässig. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, über die Verwendung des Festbetrags im Einzelnen selbst zu bestimmen und dabei sein individuelles Verbrauchsverhalten so zu gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskomme. Vor allem habe er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten sei. Die pauschalierte Regelleistung, festgelegt nach dem Statistikmodell, decke jedoch bereits von ihrer Konzeption her nur durchschnittliche Bedarfe ab. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [253 f.] = JURIS-Dokument Rdnr. 206).
Auch die Voraussetzungen dieser vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Anspruchsgrundlage liegen nicht vor. Es handelt sich, wie bereits ausgeführt, bei dem geltend gemachten Bedarf nicht um einen solchen, der von der Regelleistung nicht erfasst wird. Bei der Bestimmung der Höhe der Regelleistung sind vielmehr Gesundheitspflege und Mobilität berücksichtigt worden. Der vom Kläger geltend gemachte Bedarf hat auch keinen atypischen Umfang. Er kann schon aus den genannten Positionen der Regelleistung gedeckt werden, ohne dass es eines Rückgriffs auf das Ansparpotential bedürfte.
5. Soweit der Kläger seine Klage im Berufungsverfahren um das Begehren erweitert hat, den Beklagten, hilfsweise einen der Beigeladenen, zur Erstattung der ab dem 10. Oktober 2009 entstandenen Fahrkosten zu verpflichten, ist die Klage abzuweisen. Auf die Ausführungen zu den früher durchgeführten Fahrten kann verwiesen werden. Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass ab dem 3. Juni 2010 als Anspruchsgrundlage gegen den Beklagten auch § 21 Abs. 6 SGB II n. F. in Betracht kommt, ohne dass aber die Voraussetzungen für diesen Anspruch vorliegen. Nach der Vorschrift wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II n. F.). Unabweisbar ist der Mehrbedarf insbesondere, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II n. F.). Da nach den Feststellungen des Senats der vom Kläger geltend gemachte Bedarf weder qualitativ noch quantitativ atypisch ist (s. o.), kann ein Anspruch auch auf § 21 Abs. 6 SGB II n. F. nicht gestützt werden.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Die Revision ist nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 162 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Dr. Scheer Atanassov Höhl
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beigeladene zu 1 wehrt sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger die anlässlich regelmäßig stattfindender Untersuchungen im Universitätsklinikum L entstehenden Fahrkosten (hier insgesamt 349,80 EUR für 10 Fahrten) zu bewilligen. Der Kläger tritt der Berufung entgegen und erstrebt im Wege der Klageerweiterung die Verpflichtung eines Leistungsträgers, ihm für weitere Fahrten insgesamt weitere 244,86 EUR zu erstatten.
Der am 2. Januar 1981 geborene Kläger leidet an Phenylketonurie (E70.0 nach ICD 10 [Störung des Aminosäurestoffwechsels]), einer Stoffwechselerkrankung, die im Hinblick auf die Einhaltung der spezifischen Diät der regelmäßigen Überwachung bedarf. Die Untersuchungen finden ambulant in einem näherungsweise vierteljährigen Rhythmus im Universitätsklinikum L statt.
Für die Fahrten von L -O nach L (ca. 70 bis 75 km) und zurück, die der Kläger in Begleitung seiner Mutter mit dem eigenen Kraftfahrzeug unternimmt, erhielt er in der Vergangenheit von der beigeladenen Krankenkasse (Beigeladene zu 2) eine Kostenerstattung in Höhe von zuletzt 34,98 EUR je Untersuchungstermin. Die vom Kläger zuletzt beantragte Kostenerstattung für Fahrten am 31. August 2005 und 25. November 2005 lehnte die Beigeladene zu 2 mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 und Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2006 unter Hinweis auf insbesondere die Regelung in § 8 der Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung vom 22. Januar 2004 ab. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Am 21. Mai 2007 beantragte der Kläger, der seit dem 1. Januar 2005 bei dem Beklagten im Leistungsbezug (Arbeitslosengeld II) stand, die Fortzahlung der laufenden Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) sowie die Erstattung von Fahrkosten, die anlässlich von Besuchen der Sprechstunde in L am 12. Mai 2006, 1. September 2006 und 24. November 2006 sowie am 2. März 2007 entstanden waren. Mit Bescheid vom 31. Mai 2007 bewilligte der Beklagte die Fortzahlung der laufenden Leistungen bis 31. Dezember 2007. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage lehnte er die Übernahme der durch die Fahrten nach L entstehenden Kosten ab. Den Widerspruch des Klägers vom 2. Juli 2007 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2007 zurück.
Der Kläger hat am 5. Dezember 2007 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 19. März 2008 den zuständigen Sozialhilfeträger, den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1, zum Verfahren beigeladen, bei dem der Kläger sodann am 26. Mai 2008 einen Antrag auf Übernahme der streitgegenständlichen Fahrkosten gestellt hat. Mit Beschluss vom 13. August 2008 hat das Sozialgericht die zuständige Krankenkasse, die Beigeladene zu 2, zum Verfahren beigeladen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. November 2009 den Beigeladenen zu 1 verurteilt, dem Kläger für zehn zwischen dem 8. Juni 2007 und 9. Oktober 2009 durchgeführte Fahrten zum Universitätsklinikum L Kosten in Höhe von insgesamt 349,80 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht gegen den Beklagten zu. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der vom Kläger geltend gemachte Bedarf nicht von der Regelleistung des § 20 SGB II abgedeckt werde, ergebe sich kein Anspruch. Denn entweder müsse der Beklagte die Regelleistung um den besonderen Bedarf des Klägers (einmal im Quartal) erhöhen oder nach § 23 Abs. 1 SGB II vorgehen. Beides scheide aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7 b AS 14/06 R), der sich das Gericht anschließe, aus. Auch der Beigeladene zu 2 sei nicht (mehr) zur Erstattung der Kosten verpflichtet. Ein Anspruch komme nach § 60 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nur in besonderen, in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V, den Krankentransport-Richtlinien, festgelegten Fällen in Betracht. Erforderlich sei nach § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien, dass "mit einem vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, dass eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist". Als Ausnahmefälle seien in der Anlage 2 zu § 8 der Krankentransport-Richtlinien beispielhaft die Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie genannt. Wenngleich diese Aufzählung nicht abschließend sei, könne aber im Fall des Klägers ein vergleichbarer Ausnahmefall nicht bejaht werden. Die Behandlungsfrequenz, vier Mal im Jahr, sei verglichen mit den Beispielsfällen der Anlage 2 nicht hoch.
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der ihm entstehenden Fahrkosten bestehe jedoch aus § 73 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) gegen den Beigeladenen zu 1. Dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung gezwungen sei, sich regelmäßig einmal im Quartal in einer Spezialsprechstunde vorzustellen und die nächstgelegene Möglichkeit dazu in L sei, stelle eine atypische, die Anwendung von § 73 SGB XII rechtfertigende Bedarfslage dar. Den Kläger darauf zu verweisen, mit der Regelleistung nach § 20 SGB II auszukommen, obwohl bei deren Bemessung die besondere, atypische Bedarfslage offensichtlich nicht berücksichtigt worden seien, würde dessen Menschenwürde verletzen. Denn es würde ihn vor die Alternative stellen, entweder die Fahrten zu unterlassen und die Folgen der dann nicht mehr ausreichenden medizinischen Versorgung in Kauf zu nehmen oder Bedarfe, zu deren Deckung die Regelleistung nach § 20 SGB II tatsächlich gedacht sei, ungedeckt zu lassen. Der Beigeladene zu 1 sei daher zu verpflichten, die nach der Antragstellung am 21. Mai 2007 entstandenen Fahrkosten, nicht aber die zuvor entstandenen, zu erstatten. Bei der Höhe der Kostenerstattung orientiere sich das Gericht an dem früher von der Beigeladenen zu 2 angesetzten Betrag in Höhe von 34,98 EUR.
Gegen das ihm am 22. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 1 vom 18. Januar 2010. Er hält die Beigeladene zu 2 für leistungsverpflichtet. Zwar sei die beim Kläger erforderliche Behandlungsfrequenz jahresbezogen im Vergleich zu den in der Anlage 2 zu § 8 der Krankentransport-Richtlinien genannten Fällen eher gering. Die Krankheit des Klägers sei aber chronisch und nicht heilbar. Auf die Gesamtdauer der Behandlung bezogen sei die Behandlungsfrequenz daher vergleichbar und keinesfalls niedriger. Die vom Sozialgericht gesehene atypische Bedarfslage liege hingegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürfe § 73 SGB XII nicht zur Auffangvorschrift für alle nicht geregelten sonstigen Bedarfslagen mutieren.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
I. die Berufung zurückzuweisen, II. den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen zu 1 oder die Beigeladene zu 2 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Fahrten zur Uniklinik L auch im Zeitraum vom 10. Oktober 2009 bis heute in Höhe von insgesamt 244,86 EUR zu erstatten.
Im Ergebnis zu Recht habe das Sozialgericht den Beigeladenen zu 1) zur Tragung der Fahrkosten nach § 73 SGB XII verurteilt. Der Anspruch sei im Zusammenhang mit Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) begründet. Das Recht auf eine medizinische Grundversorgung sei ihm zu erhalten, ohne dass er dabei die Unterdeckung des Regelbedarfs und der Regelleistungen nach dem SGB II in Kauf nehmen müsse. Er müsse die Fahrten nach L unternehmen, damit die von ihm einzuhaltende strenge Diät kontinuierlich seinen Lebensbedingungen und seinem Alter sowie den spezifischen Auswirkungen des Krankheitsverlaufs angepasst werden könne. Bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende sei der Aufwand für dergleichen nicht vorgesehen und einberechnet.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
den Klageantrag unter Nummer II des Antrages des Klägers abzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Beigeladenen zu 1 zurückzuweisen und die Klageerweiterung des Klägers abzuweisen.
Die Beigeladene zu 2 hat von einer Antragstellung abgesehen. Sie vertritt die Auffassung, dass krankenversicherungsrechtlich kein Anspruch auf Übernahme oder Erstattung der geltend gemachten Kosten bestehe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen den Beigeladenen zu 1 kein Anspruch auf Erstattung der ihm anlässlich seiner ambulant durchgeführten Untersuchungen im Universitätsklinikum L entstehenden Fahrkosten zur Seite. Dies gilt auch im Verhältnis zum Beklagten und zur Beigeladenen zu 2.
1. Zutreffend hat das Sozialgericht zunächst entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beigeladene zu 2 nicht zusteht. Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurde die zuvor bestehende Regel, nach der die Krankenkasse die Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen zu übernehmen hatte, abgeschafft. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug der sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V mit Verbindlichkeit auch für die Versicherten (vgl. § 91 Abs. 6 SGB V) festgelegt hat. Nach § 8 der Krankentransport-Richtlinien vom 22. Januar 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2004, können auch Fahrten zur ambulanten Behandlung bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Voraussetzung für eine Verordnung und eine Genehmigung ist, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Diese Voraussetzungen liegen aber bei dem Kläger nicht vor. Seine etwa vierteljährlich stattfindenden, ambulanten Untersuchungen im Universitätsklinikum L weisen keine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum auf. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien sind daher nicht erfüllt. Nach der Anlage 2 zu den Krankentransport-Richtlinien sind Ausnahmefälle gemäß § 8 in der Regel die Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie. Damit liegt es nahe, den unbestimmten Rechtsbegriff "hohe Behandlungsfrequenz" an den Rechtsregelverhältnissen bei den vorgenannten Therapien zu messen (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 26. März 2009 – L 4 KR 335/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 27). Diese Therapien zeichnen sich regelmäßig durch eine Behandlungsdichte von deutlich mehr als durchschnittlich zwei Mal monatlich aus. Bei den durchschnittlich alle drei Monate stattfindenden Untersuchungen des Klägers ist daher die Annahme einer hohen Behandlungsfrequenz nicht begründet. Soweit der Beigeladene zu 1 auf die absehbar lange Zeitdauer der Erkrankung des Klägers und die daraus folgende hohe Gesamtzahl der erforderlichen Fahrten verweist, verkennt er, dass der begriff "Frequenz" die Anzahl von Ereignissen je Zeiteinheit, nicht aber die Gesamtzahl von Ereignissen bezeichnet. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse scheidet damit aus.
2. Zustimmung verdient auch die Auffassung des Sozialgerichts, der Beklagte sei zur Ausreichung der begehrten Leistung nicht verpflichtet. Mit dem Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass als Anspruchsgrundlagen insoweit lediglich § 20 SGB II und § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht kommen. Eine Erhöhung des Regelsatzes des § 20 SGB II ist aber nach dem Konzept des Gesetzes (§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II) ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R – BSGE 97, 242 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 19, m. w. N.). Der insoweit bestehende Wille des Gesetzgebers ist den seit 1. August 2008 geltenden Regelungen in § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 SGB II (vgl. Artikel 1 Nr. 1a des gesetzes vom 20. Juli 2006 [BGBl. I S. 1706] deutlich zu entnehmen. Danach decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II). Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen (vgl. § 3 Abs. 3 und Satz 2 SGB II).
Der Anspruch kann auch nicht auf § 23 Abs. 1 SGB II gestützt werden. Nach dieser Regelung kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Gewährung eines Darlehens gedeckt werden. Allerdings hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 7. November 2006 darauf hingewiesen, dass Bedarfe, die, wie hier, wiederkehrend sind, nur schwer einer darlehensweisen Gewährung zugänglich sind, weil das Darlehen durch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II angeordnete Aufrechnung zu einer belastenden Hypothek für die Zukunft wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a. a. O., Rdnr. 20). Zwar könnte dem durch einen (nachträglichen) Erlass nach § 44 SGB II Rechnung getragen werden, die Darlehensgewährung würde damit aber ad absurdum geführt. Eine solche Verfahrensweise wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze (vgl. BSG, a. a. O.). Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 9. Februar 2010 festgehalten, dass durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II nur vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs aufgefangen werden könnten. Zur Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfs sei die Gewährung eines Darlehens hingegen ungeeignet (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [254] = JURIS-Dokument Rdnr. 207). Entsprechendes hat es für Sondersituationen ausgeführt. Die Gesamtheit der Regelungen des SGB II erlaubten zwar in der Regel auch die Deckung individuellen, besonderen Bedarfs. In Sondersituationen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftrete, erweise sich die Regelleistung jedoch als unzureichend. Einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf könnten durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausgeglichen werden. Bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf sei das indessen nicht mehr möglich (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [255] = JURIS-Dokument Rdnr. 208).
3. Der Kläger hat schließlich auch gegen den Beigeladenen zu 1 keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten. Zwar kommt § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage in Betracht, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung liegen aber nicht vor. § 73 SGB XII ist im ganz überwiegenden Teil des Streitzeitraumes anwendbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 für einen bestimmten fortlaufenden atypischen Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II eine eigenständige Rechtsgrundlage im SGB II gefordert, zugleich aber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 73 SGB XII gebilligt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [254] = JURIS-Dokument Rdnr. 207). Daraus hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 19. August 2010 gefolgert, dass § 73 SGB XII bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung anzuwenden sei, da bereits ein einfachgesetzlicher Anspruch nach § 73 SGB XII bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 13/10 R – SozR 4-3500 § 73 Nr. 3 Rdnr. 22 bis 24 = JURIS-Dokument Rdnr. 22 bis 24). Dieser geht dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten verfassungsrechtlichen Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen vor (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 23).
Indes liegen für den geltend gemachten Anspruch die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruches nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und deren Sicherstellung zugleich aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R – SozR 4-4200 § 20 Nr. 13 Rdnr. 21 = JURIS-Dokument Rdnr. 21, m. w. N.). Vorliegend kann es sich bei dem geltend gemachten Bedarf dem Grunde nach um einen solchen mit Grundrechtsbezug handeln. Müsste der Kläger aus finanziellen Gründen auf die vierteljährliche Fahrt zu der auswärtigen ambulanten Kontrolluntersuchung verzichten, könnte dies nachteilige Auswirkungen auf seine körperliche Unversehrtheit haben und damit Artikel 2 Absatz 2 GG berührt sein. Im Hinblick auf die streitigen Kosten von Krankenfahrten ist aber ein unabweisbarer Bedarf, der nicht entweder durch das System des SGB V oder durch die Regelleistung nach dem SGB II abgedeckt wird, nicht ersichtlich. Denn medizinisch notwendige, jedoch von der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht umfasste Krankenfahrten, die unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten auch von Hilfebedürftigen nach dem SGB II selbst zu zahlen sind, sind in der Regelleistung abgebildet und lösen damit grundsätzlich keinen Bedarf nach § 73 SGB XII aus (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, a. a. O., Rdnr. 25). Der streitgegenständliche Bedarf folgt aus der gesundheitlich bedingten Notwendigkeit, einen bestimmten Ort aufzusuchen. Er stellt sich damit als ein Bedarf dar, der sowohl dem in der Regelleistung abgebildeten Bereich der Gesundheitspflege als auch dem ebenfalls in der Regelleistung berücksichtigten Bereich der Mobilität zugehörig sein kann. Vieles spricht dafür, den Bedarf als einen Mischbedarf dieser Bereiche anzusehen. Wie auch immer man ihn systematisch einordnen mag, handelt es sich jedenfalls seiner Art nach nicht um einen atypischen, sondern einen in der Regelleistung berücksichtigten Bedarf. Atypisch ist der Bedarf auch nicht etwa deshalb, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, lediglich den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen, nicht aber einen darüber hinausgehenden besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen wieder spiegelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [252] = JURIS-Dokument Rdnr. 204). Der Bedarf ist vielmehr auch seiner Höhe nach nicht atypisch. Der Kläger begehrt, auf diese Zeiteinheit herunter gerechnet, einen monatlichen Betrag in Höhe von 11,66 EUR. Von einem atypischen Umfang des auftretenden Bedarfs kann damit nicht die Rede seien. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass er nicht aus den für Gesundheitspflege und/oder Mobilität vorgesehenen Teilen der Regelleistung (vgl. hierzu die Übersicht bei Spellbrink, Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 20 Rdnr. 24) gedeckt werden konnte.
Liegt damit eine atypische Lage weder hinsichtlich der Natur (qualitativ) noch des Umfangs (quantitativ) des Bedarfs vor, scheidet ein Anspruch nach § 73 SGB XII aus.
4. Der Anspruch kann auch nicht aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG – zu Lasten des Bundes – geltend gemacht werden. Dieser Anspruch könnte, weil er vom Bundesverfassungsgericht wegen eines Regelungsdefizits im SGB II begründet wurde, ohnehin wohl nur gegen den Beklagten als insoweit zuständigen Leistungsträger geltend gemacht werden. Jedenfalls liegen aber seine Voraussetzungen nicht vor.
In Nummer 3 Satz 2 des Tenors des Urteil vom 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf, der nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, bis zur – nunmehr mit Wirkung ab 3. Juni 2010 in § 21 Abs. 6 SGB II erfolgten (vgl. Artikel 3a Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 27. Mai 2010 [BGBl. I S. 671]) – Neuregelung ein Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG geltend gemacht werden kann (vgl. BGBl I 2010, 193). In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, dass eine Leistung, die geeignet sei, einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen besonderen Bedarf zu decken, deswegen zwingend in das SGB II aufzunehmen und bis zur Neuregelung direkt aus der Verfassung abzuleiten sei, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen wieder spiegele, nicht aber einen darüber hinaus gehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen. Grundsätzlich sei die Gewährung der Regelleistung als feste Pauschale im Sinne einer typisierenden Regelung auch im Bereich der Sicherung des menschenwürdigenden Existenzminimums zulässig. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, über die Verwendung des Festbetrags im Einzelnen selbst zu bestimmen und dabei sein individuelles Verbrauchsverhalten so zu gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskomme. Vor allem habe er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten sei. Die pauschalierte Regelleistung, festgelegt nach dem Statistikmodell, decke jedoch bereits von ihrer Konzeption her nur durchschnittliche Bedarfe ab. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 [253 f.] = JURIS-Dokument Rdnr. 206).
Auch die Voraussetzungen dieser vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Anspruchsgrundlage liegen nicht vor. Es handelt sich, wie bereits ausgeführt, bei dem geltend gemachten Bedarf nicht um einen solchen, der von der Regelleistung nicht erfasst wird. Bei der Bestimmung der Höhe der Regelleistung sind vielmehr Gesundheitspflege und Mobilität berücksichtigt worden. Der vom Kläger geltend gemachte Bedarf hat auch keinen atypischen Umfang. Er kann schon aus den genannten Positionen der Regelleistung gedeckt werden, ohne dass es eines Rückgriffs auf das Ansparpotential bedürfte.
5. Soweit der Kläger seine Klage im Berufungsverfahren um das Begehren erweitert hat, den Beklagten, hilfsweise einen der Beigeladenen, zur Erstattung der ab dem 10. Oktober 2009 entstandenen Fahrkosten zu verpflichten, ist die Klage abzuweisen. Auf die Ausführungen zu den früher durchgeführten Fahrten kann verwiesen werden. Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass ab dem 3. Juni 2010 als Anspruchsgrundlage gegen den Beklagten auch § 21 Abs. 6 SGB II n. F. in Betracht kommt, ohne dass aber die Voraussetzungen für diesen Anspruch vorliegen. Nach der Vorschrift wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II n. F.). Unabweisbar ist der Mehrbedarf insbesondere, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II n. F.). Da nach den Feststellungen des Senats der vom Kläger geltend gemachte Bedarf weder qualitativ noch quantitativ atypisch ist (s. o.), kann ein Anspruch auch auf § 21 Abs. 6 SGB II n. F. nicht gestützt werden.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Die Revision ist nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 162 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Dr. Scheer Atanassov Höhl
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