Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 15 AS 3574/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 897/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist gegeben, wenn das Verfahren im
prozessrechtlichen Sinne erledigt ist Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem widerrufsfreien oder nicht mehr
unter einem Widerrufsvorbehalt stehenden Prozessvergleich, einem angenommenen Anerkenntnis, einer
Klagerücknahme, einer Rücknahme der Berufung oder der Revision oder übereinstimmenden
Erledigungserklärungen. Demgegenüber tritt keine anderweitige Erledigung ein durch eine Unterbrechung,
eine Anordnung der Aussetzung oder eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens.
2. Ein verfrüht ergangener endgültiger Beschluss über die Streitwertfestsetzung ist aufzuheben.
prozessrechtlichen Sinne erledigt ist Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem widerrufsfreien oder nicht mehr
unter einem Widerrufsvorbehalt stehenden Prozessvergleich, einem angenommenen Anerkenntnis, einer
Klagerücknahme, einer Rücknahme der Berufung oder der Revision oder übereinstimmenden
Erledigungserklärungen. Demgegenüber tritt keine anderweitige Erledigung ein durch eine Unterbrechung,
eine Anordnung der Aussetzung oder eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens.
2. Ein verfrüht ergangener endgültiger Beschluss über die Streitwertfestsetzung ist aufzuheben.
I. Auf die Beschwerde des Beklagten vom 28. September 2011 wird der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 15. September 2011 aufgehoben.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich gegen einen Streitwertbeschluss.
Im Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten um Leistungen der Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) als Leistung zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der Kläger erstrebt die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine weitere verstärkte Förderung in Höhe von 3.398,15 EUR zu bewilligen. In der Eingangsverfügung hat der Kammervorsitzende festgehalten, dass es sich um einen Fall nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handle. Er hat am 9. Oktober 2008 den vorläufigen Streitwert auf 3.398,15 EUR festgesetzt.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 hat das Sozialgericht auf übereinstimmende Anträge der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Beschluss vom 15. September 2011 hat es "auf Grund anderweitiger Erledigung" eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 3.378,21 EUR vorgenommen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten vom 28. September 2011. Er ist der Auffassung, dass die Festsetzung der Prozesskosten nach Streitwert dann zulässig sei, wenn der Kläger nicht zu dem mit § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehöre. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Der Beklagte beantragt
den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 15. September 2011 zur Festsetzung der Prozesskosten nach Streitwert aufzuheben und somit festzustellen, dass in dem Klageverfahren Az. S 15 AS 3574/08 Kostenfreiheit nach § 183 SGG vorliegt.
Der Kläger hat sich nicht zur Beschwerde geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist sachdienlich dahingehend auszulegen (vgl. § 123 SGG), dass der Beklagte begehrt, den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 15. September 2011 aufzuheben. Nur durch diesen Streitwertbeschluss ist er derzeit beschwert. Wenn entgegen § 123 SGG am Wortlaut des Antrages festgehalten würde, würde das Rechtsschutzbegehren auf einen unzulässigen vorbeugenden Rechtsschutz in Bezug auf die Frage der Kostenfreiheit nach § 183 SGG hinauslaufen.
2. Die solchermaßen beschriebene Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es bislang an einer Kostengrundentscheidung fehlt und daher dem Beschwerdeführer eine Kostenpflicht noch nicht auferlegt ist. Eine Beschwerdebefugnis ist hier anzuerkennen, weil zu besorgen ist, dass nach dem – späteren – Ergehen einer Kostengrundentscheidung, die zu Lasten des Beschwerdeführers ausfallen kann, die Entscheidung über den Streitwert bereits rechtskräftig geworden ist. Dem Beschwerdeführer wäre damit die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes verwehrt.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger dem privilegierten Kreis der von Gerichtskosten befreiten Beteiligten im Sinne von § 183 SGG angehört.
a) Sofern der Kläger, wie der Beklagte vertritt, dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis angehört, gibt es bereits dem Grunde nach keine Rechtsgrundlage, die zu einer Streitwertfestsetzung ermächtigen würde.
b) Sofern der Kläger hingegen dem Kreis der nicht kostenprivilegierten Beteiligten zuzuordnen wäre, wäre die endgültige Streitwertfestsetzung verfrüht.
Das Gerichtskostengesetz (GKG) ist für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Sozialgerichtsgesetz anzuwenden, soweit nach diesem Gesetz, dem Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG). Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG werden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben. Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 GKG setzt das Gericht, wenn Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig sind, sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. hierzu z. B. § 52 Abs. 2 und 3 GKG), der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Verfahrensgebühr ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG in Prozessverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig.
Vorliegend ist das Sozialgericht entsprechend § 62 Abs. 1 Satz 1 GKG verfahren. Es hat mit der Eingangsbearbeitung den Streitwert vorläufig auf 3.398,15 EUR festgesetzt.
Eine endgültige Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Danach setzt das Prozessgericht, soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 GKG nicht ergeht oder nicht bindet, den Wert für die zu erhebenden Gebühren des Beschlusses fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Keine dieser drei Varianten ist gegeben.
Eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 GKG (Wertfestsetzung für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels) ist vorliegend nicht ergangen.
Das Sozialgericht hat auch eine Entscheidung über den (gesamten) Streitgegenstand nicht getroffen. Zwar ist die Art und Form der Entscheidung unerheblich. Es genügt irgendeine Entscheidung, die den (gesamten) Streitgegenstand erfasst, selbst wenn es sich hierbei lediglich um eine solche handelt, die eine kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge bestätigt, wie etwa im zivilgerichtlichen Verfahren der Kostenanspruch nach einer wirksamen Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO), und damit auch eine Kostengrundentscheidung nach § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 24 KR 33/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12; Hartmann, Kostengesetze [42. Aufl., 2012], § 63 GKG Rdnr. 17). Eine Kostengrundentscheidung hat das Sozialgericht allerdings bislang ebenfalls nicht getroffen.
Schließlich hat sich das Verfahren auch nicht anderweitig erledigt. Eine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist gegeben, wenn das Verfahren im prozessrechtlichen Sinne erledigt ist (vgl. LSB Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 24 KR 33/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13). Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem widerrufsfreien oder nicht mehr unter einem Widerrufsvorbehalt stehenden Prozessvergleich (vgl. § 101 Abs. 1 SGG), einem angenommenen Anerkenntnis (vgl. § 101 Abs. 2 SGG), einer Klagerücknahme (vgl. § 102 SGG), einer Rücknahme der Berufung (vgl. § 156 SGG) oder der Revision (vgl. § 165 Satz 1 SGG i. V. m. § 156 SGG) oder übereinstimmenden Erledigungserklärungen (vgl. Hartmann, a. a. O., Rdnr. 18; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 125 Rdnr. 6).
Demgegenüber tritt keine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ein durch eine Unterbrechung (vgl. § 202 SGG i. V. m. §§ 239 bis 245 ZPO), eine Anordnung der Aussetzung (vgl. § 114 SGG, § 202 SGG i. V. m. §§ 246 bis 248 ZPO) oder eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO). Die Wirkungen von Unterbrechung und Aussetzung sind in § 202 SGG i. V. m. § 249 ZPO geregelt. Insbesondere hört der Lauf einer jeden Frist auf; die volle Frist beginnt nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung von neuem zu laufen (vgl. § 249 Abs. 1 ZPO). Ferner sind die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Entsprechendes gilt für das Ruhen des Verfahrens (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], Vor § 144 Rdnr. 1d). Lediglich Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen gemäß § 251 Satz 2 ZPO weiter. In keinem der drei Fälle wird das Verfahren prozessrechtlich beendet.
Im Gegensatz hierzu vertritt Hartmann die Auffassung, dass "aus praktischen Gründen" auch eine Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens eine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG darstelle, "denn irgendwann muss man es dort kostenrechtlich mitbeenden" (vgl. Hartmann, a. a. O.). Ihm folgend will das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ebenfalls sonstige gerichtliche Entscheidungen, die eine tatsächliche Erledigung zur Folge haben, weil sie zunächst einer endgültigen Erledigung im prozessualen Sinne entgegenstehen, als anderweitige Erledigungen im kostenrechtlichen Sinne behandeln. Im Falle der Aussetzung oder des Ruhens des Verfahrens will es dies jedenfalls dann, wenn mit einer Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr gerechnet werden könne (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 24 KR 33/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13). Dieser Ansatz ist zwar aus fiskalischer und gerichtsorganisatorischer Sicht nachvollziehbar. Ihm steht jedoch bereits entgegen, dass Unterbrechung, Aussetzung und Ruhen des Verfahrens schon vom Wortlaut und Wortsinn keine Verfahrenserledigungen sind. Die beschriebenen gesetzlich geregelten Wirkungen der drei Verfahrenszäsuren erlauben ebenfalls nicht, sie als Verfahrenserledigungen zu behandeln. Schließlich ist in § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke zu erkennen. Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand einerseits und die anderweitige Verfahrenerledigung andererseits gleichrangig nebeneinander gestellt. Beide Varianten zielen auf den Abschluss des Verfahrens. Fälle, in denen Gerichtsverfahren aus rechtlichen Gründen für eine mehr oder minder lange Zeit nicht bearbeitet werden dürfen, können hierin nicht einbezogen werden. Wenn der Gesetzgeber auch in den Fällen von Unterbrechung, Aussetzung und Ruhen des Verfahrens die Möglichkeit einer abschließenden Streitwertfestsetzung wünscht, ist er aufgerufen, eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen.
Es lagen somit nicht die in § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG geforderten Voraussetzungen für eine abschließende Streitwertfestsetzung vor. Der verfrüht ergangene endgültige Beschluss über die Streitwertfestsetzung war deshalb aufzuheben (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 1 OA 16/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 3 ff.; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. August 2009 – 4 O 153/09 – NJW 2009, 3115 = JURIS-Dokument Rdnr. 4).
Das Sozialgericht hat abzuwarten, bis eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren im oben beschriebenen Sinne anderweitig erledigt, bevor es abschließend über den Streitwert entscheiden kann. Zu diesem Zeitpunkt hat es dann aber eine Kostengrundentscheidung zu treffen. Erst mit der Kostengrundentscheidung wird das Sozialgericht abschließend darüber befinden, ob die Beteiligten dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis zuzurechnen sind und eine Kostenentscheidung nach § 193 SGG zu treffen ist oder ob in dem Rechtszug weder Kläger noch Beklagter den in § 183 SGG genannten Personen zuzurechnen sind, also eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG zu treffen ist. Nur im letztgenannten Falle ist ein Streitwert festzusetzen. Ein Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung ist nach Maßgabe von § 144 Abs. 4 SGG und § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG statthaft.
4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich gegen einen Streitwertbeschluss.
Im Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten um Leistungen der Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) als Leistung zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der Kläger erstrebt die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine weitere verstärkte Förderung in Höhe von 3.398,15 EUR zu bewilligen. In der Eingangsverfügung hat der Kammervorsitzende festgehalten, dass es sich um einen Fall nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handle. Er hat am 9. Oktober 2008 den vorläufigen Streitwert auf 3.398,15 EUR festgesetzt.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 hat das Sozialgericht auf übereinstimmende Anträge der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Beschluss vom 15. September 2011 hat es "auf Grund anderweitiger Erledigung" eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 3.378,21 EUR vorgenommen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten vom 28. September 2011. Er ist der Auffassung, dass die Festsetzung der Prozesskosten nach Streitwert dann zulässig sei, wenn der Kläger nicht zu dem mit § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehöre. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Der Beklagte beantragt
den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 15. September 2011 zur Festsetzung der Prozesskosten nach Streitwert aufzuheben und somit festzustellen, dass in dem Klageverfahren Az. S 15 AS 3574/08 Kostenfreiheit nach § 183 SGG vorliegt.
Der Kläger hat sich nicht zur Beschwerde geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist sachdienlich dahingehend auszulegen (vgl. § 123 SGG), dass der Beklagte begehrt, den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 15. September 2011 aufzuheben. Nur durch diesen Streitwertbeschluss ist er derzeit beschwert. Wenn entgegen § 123 SGG am Wortlaut des Antrages festgehalten würde, würde das Rechtsschutzbegehren auf einen unzulässigen vorbeugenden Rechtsschutz in Bezug auf die Frage der Kostenfreiheit nach § 183 SGG hinauslaufen.
2. Die solchermaßen beschriebene Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es bislang an einer Kostengrundentscheidung fehlt und daher dem Beschwerdeführer eine Kostenpflicht noch nicht auferlegt ist. Eine Beschwerdebefugnis ist hier anzuerkennen, weil zu besorgen ist, dass nach dem – späteren – Ergehen einer Kostengrundentscheidung, die zu Lasten des Beschwerdeführers ausfallen kann, die Entscheidung über den Streitwert bereits rechtskräftig geworden ist. Dem Beschwerdeführer wäre damit die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes verwehrt.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger dem privilegierten Kreis der von Gerichtskosten befreiten Beteiligten im Sinne von § 183 SGG angehört.
a) Sofern der Kläger, wie der Beklagte vertritt, dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis angehört, gibt es bereits dem Grunde nach keine Rechtsgrundlage, die zu einer Streitwertfestsetzung ermächtigen würde.
b) Sofern der Kläger hingegen dem Kreis der nicht kostenprivilegierten Beteiligten zuzuordnen wäre, wäre die endgültige Streitwertfestsetzung verfrüht.
Das Gerichtskostengesetz (GKG) ist für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Sozialgerichtsgesetz anzuwenden, soweit nach diesem Gesetz, dem Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG). Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG werden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben. Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 GKG setzt das Gericht, wenn Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig sind, sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. hierzu z. B. § 52 Abs. 2 und 3 GKG), der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Verfahrensgebühr ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG in Prozessverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig.
Vorliegend ist das Sozialgericht entsprechend § 62 Abs. 1 Satz 1 GKG verfahren. Es hat mit der Eingangsbearbeitung den Streitwert vorläufig auf 3.398,15 EUR festgesetzt.
Eine endgültige Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Danach setzt das Prozessgericht, soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 GKG nicht ergeht oder nicht bindet, den Wert für die zu erhebenden Gebühren des Beschlusses fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Keine dieser drei Varianten ist gegeben.
Eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 GKG (Wertfestsetzung für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels) ist vorliegend nicht ergangen.
Das Sozialgericht hat auch eine Entscheidung über den (gesamten) Streitgegenstand nicht getroffen. Zwar ist die Art und Form der Entscheidung unerheblich. Es genügt irgendeine Entscheidung, die den (gesamten) Streitgegenstand erfasst, selbst wenn es sich hierbei lediglich um eine solche handelt, die eine kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge bestätigt, wie etwa im zivilgerichtlichen Verfahren der Kostenanspruch nach einer wirksamen Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO), und damit auch eine Kostengrundentscheidung nach § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 24 KR 33/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12; Hartmann, Kostengesetze [42. Aufl., 2012], § 63 GKG Rdnr. 17). Eine Kostengrundentscheidung hat das Sozialgericht allerdings bislang ebenfalls nicht getroffen.
Schließlich hat sich das Verfahren auch nicht anderweitig erledigt. Eine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist gegeben, wenn das Verfahren im prozessrechtlichen Sinne erledigt ist (vgl. LSB Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 24 KR 33/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13). Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem widerrufsfreien oder nicht mehr unter einem Widerrufsvorbehalt stehenden Prozessvergleich (vgl. § 101 Abs. 1 SGG), einem angenommenen Anerkenntnis (vgl. § 101 Abs. 2 SGG), einer Klagerücknahme (vgl. § 102 SGG), einer Rücknahme der Berufung (vgl. § 156 SGG) oder der Revision (vgl. § 165 Satz 1 SGG i. V. m. § 156 SGG) oder übereinstimmenden Erledigungserklärungen (vgl. Hartmann, a. a. O., Rdnr. 18; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 125 Rdnr. 6).
Demgegenüber tritt keine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ein durch eine Unterbrechung (vgl. § 202 SGG i. V. m. §§ 239 bis 245 ZPO), eine Anordnung der Aussetzung (vgl. § 114 SGG, § 202 SGG i. V. m. §§ 246 bis 248 ZPO) oder eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO). Die Wirkungen von Unterbrechung und Aussetzung sind in § 202 SGG i. V. m. § 249 ZPO geregelt. Insbesondere hört der Lauf einer jeden Frist auf; die volle Frist beginnt nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung von neuem zu laufen (vgl. § 249 Abs. 1 ZPO). Ferner sind die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Entsprechendes gilt für das Ruhen des Verfahrens (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], Vor § 144 Rdnr. 1d). Lediglich Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen gemäß § 251 Satz 2 ZPO weiter. In keinem der drei Fälle wird das Verfahren prozessrechtlich beendet.
Im Gegensatz hierzu vertritt Hartmann die Auffassung, dass "aus praktischen Gründen" auch eine Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens eine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG darstelle, "denn irgendwann muss man es dort kostenrechtlich mitbeenden" (vgl. Hartmann, a. a. O.). Ihm folgend will das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ebenfalls sonstige gerichtliche Entscheidungen, die eine tatsächliche Erledigung zur Folge haben, weil sie zunächst einer endgültigen Erledigung im prozessualen Sinne entgegenstehen, als anderweitige Erledigungen im kostenrechtlichen Sinne behandeln. Im Falle der Aussetzung oder des Ruhens des Verfahrens will es dies jedenfalls dann, wenn mit einer Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr gerechnet werden könne (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 24 KR 33/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13). Dieser Ansatz ist zwar aus fiskalischer und gerichtsorganisatorischer Sicht nachvollziehbar. Ihm steht jedoch bereits entgegen, dass Unterbrechung, Aussetzung und Ruhen des Verfahrens schon vom Wortlaut und Wortsinn keine Verfahrenserledigungen sind. Die beschriebenen gesetzlich geregelten Wirkungen der drei Verfahrenszäsuren erlauben ebenfalls nicht, sie als Verfahrenserledigungen zu behandeln. Schließlich ist in § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke zu erkennen. Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand einerseits und die anderweitige Verfahrenerledigung andererseits gleichrangig nebeneinander gestellt. Beide Varianten zielen auf den Abschluss des Verfahrens. Fälle, in denen Gerichtsverfahren aus rechtlichen Gründen für eine mehr oder minder lange Zeit nicht bearbeitet werden dürfen, können hierin nicht einbezogen werden. Wenn der Gesetzgeber auch in den Fällen von Unterbrechung, Aussetzung und Ruhen des Verfahrens die Möglichkeit einer abschließenden Streitwertfestsetzung wünscht, ist er aufgerufen, eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen.
Es lagen somit nicht die in § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG geforderten Voraussetzungen für eine abschließende Streitwertfestsetzung vor. Der verfrüht ergangene endgültige Beschluss über die Streitwertfestsetzung war deshalb aufzuheben (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 1 OA 16/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 3 ff.; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. August 2009 – 4 O 153/09 – NJW 2009, 3115 = JURIS-Dokument Rdnr. 4).
Das Sozialgericht hat abzuwarten, bis eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren im oben beschriebenen Sinne anderweitig erledigt, bevor es abschließend über den Streitwert entscheiden kann. Zu diesem Zeitpunkt hat es dann aber eine Kostengrundentscheidung zu treffen. Erst mit der Kostengrundentscheidung wird das Sozialgericht abschließend darüber befinden, ob die Beteiligten dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis zuzurechnen sind und eine Kostenentscheidung nach § 193 SGG zu treffen ist oder ob in dem Rechtszug weder Kläger noch Beklagter den in § 183 SGG genannten Personen zuzurechnen sind, also eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG zu treffen ist. Nur im letztgenannten Falle ist ein Streitwert festzusetzen. Ein Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung ist nach Maßgabe von § 144 Abs. 4 SGG und § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG statthaft.
4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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