L 3 AS 619/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 29 AS 3631/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 619/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Vorliegen der drei Tatbestandsvoraussetzungen in § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG (noch erforderliche
Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter
Berücksichtigung der Belange der Beteiligten) ist vom Rechtsmittelgericht uneingeschränkt überprüfbar, die
Ermessensausübung jedoch nur auf Ermessensfehler.

2. Bei der Auslegung und Anwendung von § 131 Abs. 5 SGG ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser
Regelung – ähnlich der des § 159 SGG – um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, so dass die
Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen und auf besonders gelagerte Fälle beschränkt sind.

3. Die Regelung in § 131 Abs. 5 SGG dient – ebenso wie die Regelung in § 159 SGG – nicht dazu, dem
jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung
als verbindlich vorzuschreiben, sondern vielmehr dazu, in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine
Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden
Entscheidungsträgers unter Durchführung weiterer (oder im Einzelfall sogar erstmaliger) Ermittlungen zu
erwirken.

4. Gesichtspunkte für die Sachdienlichkeit einer Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung sind dann
gegeben, wenn die Verwaltung ihre Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht
wahrgenommen, sondern im Sinne eines Ermittlungsausfalles unterlassen hat, das heißt wenn keine für die
Beurteilung des Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliegt.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 13. September 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Dresden zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Sozialgerichts Dresden vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides und die Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung.

Mit Bescheid vom 17. August 2006 bewilligte die ARGE S Sch dem Kläger für die Zeit vom 27. Juli 2006 bis 31. Januar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Das Hauptzollamt D teilte der nunmehr zuständigen ARGE S Sch -O mit Schreiben vom 9. November 2009 im Rahmen eines Amtshilfeersuchens mit, dass es gegen den Kläger wegen Leistungsmissbrauchs ermittele. Dem Hauptzollamt liege eine Anzeige vor, nach der der Kläger zumindest zeitweise in den Jahren 2001 bis 2007 für die Firma M H GmbH tätig gewesen sein solle. Er soll von dieser Firma angekaufte Fahrzeuge vom Verkäufer nach H beziehungsweise D überführt haben. Es seien so genannte "Kassenbelege" vorhanden, nach denen der Kläger regelmäßig Geldzahlungen vom Geschäftsführer der Firma M H GmbH erhalten haben solle. Die ARGE werde um Überprüfung des Verdachtes des Leistungsmissbrauchs und Mitteilung des Ergebnisses der Prüfung gebeten. Dem Amtshilfeersuchen waren einfache Notizzettel beigefügt, auf welchen der Name "R. G " sowie jeweils ein Datum und ein Geldbetrag vermerkt waren.

Daraufhin hörte die ARGE S Sch -O den Kläger mit Schreiben vom 2. Dezember 2009 zur beabsichtigten Aufrechnung mit seinen Leistungen an, da er im Zeitraum vom Juli 2006 bis Januar 2007 Geldzahlungen für die Überführung von Fahrzeugen von der Firma M H GmbH erhalten habe. Den mit der Anhörung übersandten Fragebogen "EK" schickte der Kläger mit Datum vom 15. Dezember 2009 an die Beklagte zurück. In dem Zeitraum vom Juli 2006 bis Januar 2007 habe er kein Einkommen erzielt.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2010 teilte der Kläger auf Aufforderung mit, dass er im Zeitraum 07/2006 bis 01/2007 keine Anstellung bei der Firma M H GmbH gehabt habe. Auch sei er nicht mehr in Besitz von Kontoauszügen für diesen Zeitraum.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26. Februar 2010 und Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2010 hob die ARGE S Sch -O den Bewilligungsbescheid vom 17. August 2006 teilweise in Höhe von 2.370,00 EUR auf. Der Kläger habe während des genannten Zeitraums Geldzahlungen von der Firma M H GmbH für die Überführung von Fahrzeugen erhalten. Er habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung seines Anspruches geführt habe (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – [SGB X]). Die zu Unrecht bezogenen Beträge seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten.

Dagegen hat der Kläger am 11. Juni 2010 Klage erhoben. Die im Widerspruchsbescheid aufgestellte Behauptung "Nach den Feststellungen des Hauptzollamtes D erzielte der Widerspruchsführer Einkünfte von ..." sei nicht richtig, sondern geradezu entstellend. Aus Blatt 138 und 162 der Verwaltungsakte ergebe sich genau das Gegenteil hiervon: Das Hauptzollamt gehe einer anonymen Anzeige nach und bitte die ARGE lediglich, ihr mitzuteilen, ob sie zu den Vorwürfen etwas beitragen könne. Ausweislich der Akte könne beziehungsweise habe die ARGE dies nicht gekonnt. Statt es dabei zu belassen und das Hauptzollamt hierüber zutreffend zu informieren, habe die ARGE mit der wissentlich unzutreffenden Begründung die angegriffenen Bescheide erlassen. Diese seien als offensichtlich rechtswidrig aufzuheben. Sie würden nicht auf Tatsachen, sondern auf Mutmaßungen und zudem auf anonymen Verdächtigungen beruhen. Er sei nicht verpflichtet, an einer gegen ihn laufenden strafrechtlichen Ermittlung mitzuwirken. In der Verwaltungsakte Bl. 124, 138 sei klar von laufenden Ermittlungen auf den Gebieten des Straf- und Nebenstrafrechts die Rede. Bedenklich sei, dass er im Rahmen der Anhörung nicht über die Hintergründe und diese sich daraus ergebenden Grenzen seiner Mitwirkungspflicht belehrt worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 hat das Sozialgericht die Sache unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 zur weiteren Sachaufklärung an die ARGE S Sch -O zurückverwiesen. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die Beklagte nach § 131 Abs. 5 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) lägen vor. Eine weitere Sachaufklärung sei erforderlich. Auf eine Verdachtsanzeige hin habe die ARGE weder eigene Ermittlungen geführt noch sich über die Ergebnisse der Ermittlungen des Hauptzollamtes beziehungsweise der Staatsanwaltschaft informiert. Von der ARGE seien daher unter anderem noch Ermittlungen darüber anzustellen, wer die von ihr als Beweismittel angesehenen Quittungen (Urkundsbeweise) ausgestellt hat beziehungsweise zumindest wo oder bei wem das Hauptzollamt die so genannten "Kassenbelege" gefunden hat. Dies sei erforderlich, um den Beweiswert der Quittungen, deren Aussteller aus den Akten nicht hervorgeht, bewerten zu können. Des Weiteren seien der/die Namen und ladungsfähige/n Anschriften des Geschäftsführers/der Geschäftsführer der M H GmbH zu ermitteln. Zu klären sei auch, ob es weitere Mitarbeiter der Firma M H GmbH oder dritte Personen gäbe, die bezeugen könnten, dass sich der Kläger auf dem Gelände der Firma aufgehalten habe, dass er für die Firma M H GmbH Fahrzeuge überführt habe, oder dass er die quittierten Geldleitungen erhalten habe. Dies alles könne die ARGE beispielsweise durch Nachfrage beim Hauptzollamt beziehungsweise der Staatsanwaltschaft D , Zweigstelle P , ermitteln.

Hiergegen hat die ARGE S Sch -O am 27. September 2010 Berufung eingelegt. Die geforderten weitergehenden Ermittlungen seien nicht nachvollziehbar. Die getroffene Verwaltungsentscheidung sei nicht zu beanstanden, die vorgenommene Zurückverweisung daher rechtswidrig.

Das zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Jobcenter S S -O beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 13. September 2010 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 aufgehoben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Die in § 131 Abs. 5 SGG genannten Voraussetzungen haben nicht vorgelegen.

Nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG kann das Gericht in Anfechtungsklagen und seit 1. April 2008 auch in Verpflichtungs- und kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (vgl. Artikel 1 Nr. 22 Buchst. b des Gesetzes vom 26. März 2008 [BGBl. I S. 444]), ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält. Dies gilt jedoch nur, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Das Vorliegen dieser drei Tatbestandsvoraussetzungen (noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten) ist vom Rechtsmittelgericht uneingeschränkt überprüfbar, die Ermessensausübung jedoch nur auf Ermessensfehler (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Januar 2006 – L 6 U 150/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 54, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 131 Rdnr. 20). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Regelung in § 131 Abs. 5 SGG – ähnlich der des § 159 SGG – um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen und auf besonders gelagerte Fälle beschränkt sind (so zu § 159 SGG: Sächs. LSG, Beschluss vom 23. Februar 2009 – L 3 B 740/08 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer [9. Aufl., 2008], § 159 Rdnr. 5a, m. w. N.). § 131 Abs. 5 SGG soll dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führt (BT-Drucks. 15/1508 S. 29; BT-Drucks. 378/03 S. 67; LSG-Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. November 2011 – L 18 AS 1913/10 – JURIS-Dokument Rdnr. 16).

Vorliegend waren bereits die genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt, sodass dem Sozialgericht nicht das Ermessen für eine Entscheidung über eine Zurückverweisung an die ARGE zur weiteren Sachaufklärung eröffnet war.

Maßgebend für die Frage nach der Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen sind zwei Punkte. Zum einen bestimmt sich die Erforderlichkeit danach, welche entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen sind und welche dieser Tatsachen von der Behörde festgestellt worden sind. Zum anderen ist zu berücksichtigen, wie sich der von der Verwaltungsentscheidung Betroffene zu den von der Behörde festgestellten Tatsachen eingelassen hat. So kann eine substantiierte Einlassung nicht nur für die rechtliche Würdigung von Bedeutung sein, sondern Veranlassung zu weitergehenden Ermittlungen geben. Hingegen muss die Behörde einem unsubstaniierten Bestreiten oder einer "aufs Geratewohl" gemachten oder "ins Blaue hinein" aufgestellten Tatsachenbehauptung nicht nachgehen (vgl. BSG, Beschluss vom 19. November 2009 – B 13 R 303/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12, m. w. N.; BSG, Urteil vom 8. September 2010 – B 11 AL 4/09 R – JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.). Maßgebend für die Entscheidung darüber, ob eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist, ist stets der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung. Spätere Entwicklungen im Gerichtsverfahren haben außer Acht zu bleiben, weil diese die Behörde nicht in ihre Entscheidung einstellen kann.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass nach Erlass des Bewilligungsbescheides eine wesentliche Änderung eingetreten sei, die sie gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung berechtige. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X genieße der Kläger keinen Vertrauensschutz in den Fortbestand der Leistungsbewilligung. Die Feststellung, dass der Kläger nachträglich Einkommen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, hat sie auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes und die vorliegenden Quittungen über Geldzahlungen an den Kläger bestützt. Diese Einkommenserzielung hat der Kläger weder im Anhörungsverfahren noch in dem von seinen Bevollmächtigten eingelegten, nicht begründeten Widerspruch widersprochen. Die Auffassung der Beklagten, dass keine weitere Ermittlungen erforderlich seien, ist damit vertretbar.

Es ist dem Sozialgericht zwar unbenommen, aus den vorliegenden Tatsachen – insbesondere den vom Kläger erstmals im Klageverfahren angesprochenen Bedenken, er habe aufgrund der gegen ihn laufenden strafrechtlichen Ermittlungen keine Angaben zu machen beziehungsweise hätte im Rahmen des Anhörungsverfahrens über sämtliche Vorwürfe informiert werden müssen – andere Schlüsse zu ziehen. Eine andere Sicht der Dinge, die dann auch eine andere Herangehensweise bedingt, rechtfertigt jedoch allein nicht eine Zurückverweisung an die Verwaltung. Die Regelung in § 131 Abs. 5 SGG dient – ebenso wie die Regelung in § 159 SGG –- nicht dazu, dem jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung (welches von Gericht zu Gericht erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich sein kann) als verbindlich vorzuschreiben, sondern vielmehr dazu, in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden Entscheidungsträgers unter Durchführung weiterer (oder im Einzelfall sogar erstmaliger) Ermittlungen zu erwirken. Ist das Sozialgericht der Meinung, dass eine Entscheidung auf das von der Behörde erzielte Ermittlungsergebnis nicht gestützt werden könne oder die vorliegenden Unterlagen anders zu würdigen seien, und dass daher ergänzende Ermittlungen erforderlich seien, ist es als Tatsachengericht im Grundsatz ebenso wie die Behörde verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln (vgl. § 103 SGG) und so etwaige Ermittlungsdefizite zu beseitigen und nicht nur – vergleichbar einem Revisionsgericht – diese zu bezeichnen und zu deren Beseitigung den Rechtsstreit zurückzuverweisen (vgl. Sächs. LSG, a. a. O., Rdnr. 67). Der vorliegende Fall trägt jedenfalls im Hinblick auf Art und Umfang der von der Beklagten durchgeführten Sachverhaltsermittlung keinen Ausnahmecharakter, der eine Anwendung der Regelung in § 131 Abs. 5 SGG rechtfertigt.

Abgesehen davon, dass sich vorliegend aus den dargelegten Gründen keine weiteren (und damit auch keine erheblichen) Ermittlungen aufgedrängt haben, wäre auch die Sachdienlichkeit der Zurückverweisung an die Behörde zu verneinen. Eine Zurückverweisung ist regelmäßig nur dann sachdienlich, wenn die begründete Möglichkeit besteht, dass die Behörde die noch erforderlichen, erheblichen Ermittlungen wegen ihrer personellen oder sachlichen Ausstattung besser durchführen kann als das Gericht, und wenn es unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, die Behörde tätig werden zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2007 – B 5 RJ 30/05 RBSGE 98, 198 Rdnr. 17 = SozR 4-1500 § 131 Nr. 2 Rdnr. 17 = JURIS-Dokument Rdnr. 17). Solche übergeordneten Gesichtspunkte, die eine Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung rechtfertigen, sind dann gegeben, wenn die Verwaltung ihre Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht wahrgenommen, sondern im Sinne eines Ermittlungsausfalles unterlassen hat, das heißt wenn keine für die Beurteilung des Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliegt (ebenso Sächs. LSG, Urteile vom 26. Oktober 2005 – L 6 SB 24/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 41; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juni 2006 – L 4 SB 24/06 – JURIS-Dokument Rdnr. 29; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009 – L 4 R 1519/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 25; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 5. Mai 2011 – L 7 SB 42/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 25; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. Juli 2011 – L 8 SO 10/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 33).

Hiervon ausgehend konnte, wie bereits ausgeführt wurde, der ARGE kein Ermittlungsausfall oder Ermittlungsdefizit vorgehalten werden. Zudem können einige vom Sozialgericht als erforderlich angesehenen Ermittlungen von ihm selbst genau so gut wie vom Beklagten durchgeführt werden. So macht es keinen Unterschied, ob der Handelsregisterauszug, aus dem sich Name und ladungsfähige Anschrift des Geschäftsführers ersehen lässt, vom Beklagten oder vom Sozialgericht angefordert wird, zumal das Sozialgericht Zugriff auf das EDV-Handelsregister RegisStar hat.

Der angegriffene Gerichtsbescheid war daher aufzuheben, was zur Zurückverweisung an das Sozialgericht in der Sache führt. Eine eigene Entscheidung in der Sache, das heißt eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsbescheide der Beklagten, ist dem Berufungsgericht verwehrt. Denn bei einer Entscheidung des Sozialgerichts nach § 131 Abs. 5 SGG wird der Streitgegenstand auf den Anfechtungsteil des Antrages reduziert, mit der Folge, dass auch nur die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG über diesen Anfechtungsteil beim Berufungsgericht anhängig wird (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Januar 2006 – L 6 U 150/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 90; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. Juli 2011 – L 8 SO 10/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 34).

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Sozialgerichts vorbehalten (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 193 Rdner 2a).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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