Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 23 AS 1672/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 128/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Frage des „Bezugs“ einer Sozialleistung ist auf den tatsächlichen Bezug dieser Leistung und nicht auf die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung oder der Leistungseinstellung abzustellen (Fortführung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 18. Juni 2009 - L 3 AL 210/06 - Juris-Dokument Rdnr. 46 ff).
2. Das "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. meinte nicht das
Ausschöpfen eines Restanspruchs auf Arbeitslosengeld.
2. Das "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. meinte nicht das
Ausschöpfen eines Restanspruchs auf Arbeitslosengeld.
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines von der ARGE L zuvor bewilligten befristeten Zuschlags nach § 24 des Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Mit Bescheid vom 28. März 2007 wurde der Klägerin durch die Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 20. März 2007 bis 18. März 2008 Arbeitslosengeld nach einem täglichen Leistungsbetrag von zuletzt 25,22 EUR bewilligt. Da die Klägerin ab dem 10. März 2008 eine bis zum 31. Dezember 2009 befristete versicherungspflichtige Tätigkeit im Umfang von 25 Wochenarbeitsstunden aufnahm, hob die Bundesagentur für Arbeit mit bestandskräftigem Aufhebungsbescheid vom 10. September 2008 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 10. März 2008 auf.
Bereits seit dem 15. August 2007 bezogen die Klägerin und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter von der ARGE L (im Folgenden: ARGE) aufstockende Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 18. Januar 2008 wurde der Klägerin für die Zeit ab dem 19. März 2008 erstmals ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II (in der vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung; im Folgenden: a. F.) in Höhe von monatlich 220,00 EUR bewilligt und im Folgenden mit Bescheid vom 16. Juli 2008 für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 weitergewährt.
Auf Grund der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld hob die ARGE mit Änderungsbescheid vom 28. Oktober 2008 für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 die Bewilligung des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II a. F. in Höhe von monatlich 220,00 EUR auf. Hiergegen legte die Klägerin am 18. November 2008 Widerspruch ein. Mit Bescheiden vom 23. April 2009 setzte der Beklagte unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich von der Klägerin nachgewiesenen Erwerbseinkommens die Leistungen für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 neu fest, ohne jedoch den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 wies die ARGE den Widerspruch der Klägerin zurück. Für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 bestünde kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F ... Zwingende Voraussetzungen hierfür sei, dass der letzte Tag der Arbeitslosengeldanspruchsdauer innerhalb der letzten zwei Jahre verbraucht worden sei oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallsfristen nicht mehr geltend gemacht werden könne. Zugunsten der Klägerin bestehe aber bei der Agentur für Arbeit noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von acht Tagen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung des befristeten Zuschlags nicht erfüllt seien. Die Aufhebung folge aus § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung der befristete Zuschlag für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 noch nicht ausgezahlt worden sei.
Auf die hiergegen am 19. Mai 2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht den Bescheid der ARGE vom 28. Oktober 2008 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23. April 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 bezüglich der Rücknahme des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II a. F. für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 aufgehoben. Die Bewilligungsentscheidung vom 16. Juli 2008 sei nicht rechtswidrig und die ARGE sei aus diesem Grund nicht zur Rücknahme nach § 45 SGB X berechtigt gewesen. Voraussetzung für die Gewährung des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II a. F. sei zwar, dass der letzte Tag der Arbeitslosengeldanspruchsdauer innerhalb der letzten zwei Jahre verbraucht worden sei oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallsfristen nicht geltend gemacht werden könne. Diese Voraussetzungen lägen jedoch im Fall der Klägerin vor, da sie vom 10. März 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe und somit die Anwartschaftszeit des § 123 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) erneut erfüllt habe. Der nach dem Aufhebungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 10. September 2008 zunächst noch bestehende Restanspruch aus dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis sei damit erloschen. Ohne das Bestehen eines Restanspruchs liege jedoch ein "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. vor. Die Rücknahmeentscheidung sei daher rechtswidrig. Auf Grund des klaren Wortlauts der gesetzlichen Regelung könne keine teleologische Auslegung des § 24 SGB II a. F. erfolgen. Die Berufung werde jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
Gegen das am 19. Februar 2010 zugestellte Urteil hat die ARGE am 3. März 2010 Berufung eingelegt. Fehlerhaft gehe das Sozialgericht davon aus, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen monatlichen befristeten Zuschlag nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. habe. Diesen erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, soweit sie Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezögen. Voraussetzung sei, dass der letzte Tag der Arbeitslosengeldanspruchsdauer innerhalb der letzten zwei Jahre verbraucht worden sei oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallsfristen nicht mehr geltend gemacht werden könne. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Da die Klägerin vom 10. März 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe, habe sie die Anwartschaftszeit des § 123 SGB III von zwölf Monaten zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009, zwar erneut erfüllt. Zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 10. September 2008 sei der bestehende Restanspruch aus dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht erloschen gewesen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei zu diesem Zeitpunkt kein neuer Anspruch entstanden. Da ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld noch bestanden habe, liege kein Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. vor.
Der zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin habe einen Anspruch auf den befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II a. F ...
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 16. Februar 2010 der Klage stattgegeben, weil der Bescheid der ARGE vom 28. Oktober 2008 in Fassung der Änderungsbescheide vom 23. April 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 bezüglich der Aufhebung des bereits gewährten befristeten Zuschlags gemäß § 24 SGB II a. F. rechtswidrig ist und die Klägerin insoweit in ihren Rechten verletzt (vgl. § 54 Abs. 2 SGG).
Streitig ist vorliegend allein, ob der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Januar 2009 ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. zusteht. Zwar steht die Beschränkung des Streitgegenstandes auf den befristeten Zuschlag nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zur Disposition der Klägerin; der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. ist kein abtrennbarer Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 42/06 R – ZFSH/SGB 2008, 221 ff. = JURIS-Dokument, Rdnr. 17 ff.; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 59/06 R – NJW 2008, 2458 ff. = JURIS-Dokument, Rdnr. 15 ff.; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 5/07 R – BSGE 99, 170 ff. [Rdnr. 13] = SozR 4-4200 § 24 Nr. 1 Rdnr. 13 = JURIS-Dokument, Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 7/07 R – FamRZ 2008, 688 ff. = JURIS-Dokument, Rdnr. 11 ff.; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14 AS 30/07 R – SozR 4-4200 § 24 Nr. 2 Rdnr. 13 = JURIS-Dokument, Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14 AS 23/07 R – JURIS-Dokument Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 23/06 R – SozR 4-4200 § 24 Nr. 3 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 33/06 R – JURIS-Dokument Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 – B 11b AS 45/06 R – JURIS-Dokument Rdnr. 29). Die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung erfolgte jedoch ausschließlich wegen des nach Auffassung der ARGE nicht mehr bestehenden Anspruches auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. Ein anderer Grund, der die Teilaufhebung der Bewilligungsentscheidung dem Grunde oder der Höhe nach rechtfertigen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Aus diesem Grund beschränkt sich die Prüfung auf die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung auf diesen Gesichtspunkt.
Zu Unrecht hat die ARGE mit dem streitigen Bescheid die Bewilligung des befristeten Zuschlags für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 und 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III aufgehoben.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen von § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden ( vgl. § 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Eine Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 16. Juli 2008 ist nicht ersichtlich. Nach § 24 SGB II a. F. in der hier maßgebenden, vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) erhielt der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen monatlichen befristeten Zuschlag, soweit er innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld Arbeitslosengeld II bezog (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F.). Nach Abs. 2 betrug der befristete Zuschlag zwei Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen erstmalig nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld zustehenden Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II.
Unzutreffend führt die ARGE aus, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien, weil ein "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" durch den noch offenen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von acht Tagen nicht vorliege. Allerdings ist in diesem Punkt auch die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Restanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 12.Mai 2009) erloschen sei, da die Klägerin einen Neuanspruch auf Arbeitslosengeld erworben habe (Beginn des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 10. März 2008 zzgl. 12 Monate), nicht zutreffend.
Nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld zwar mit der Entstehung eines neuen Anspruchs. Da die Klägerin vom 10. März 2008 bis 31. Dezember 2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand, erfüllte sie die Anwartschaftszeit des § 123 SGB III von zwölf Monaten zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009, worauf das Sozialgericht abstellt, auch tatsächlich erneut. Zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 10. September 2008 war der zunächst noch bestehende Restanspruch aus dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht erloschen und entgegen des Sozialgerichts auch noch kein neuer Anspruch zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 12. Mai 2009 entstanden. Denn der neue Anspruch ist ein neues Stammrecht, der kraft Gesetzes unter den Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 SGB III entsteht. Tatbestandsmerkmale sind neben der Anwartschaftszeit auch die Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosmeldung bei der Arbeitsagentur (vgl. § 118 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der unter anderem nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die Klägerin stand zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung jedoch in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Umfang von 25 Wochenstunden. Sie war mangels Beschäftigungslosigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht arbeitslos. Auch eine persönliche Arbeitslosmeldung gemäß § 122 SGB III lag nicht vor. Da nicht alle Voraussetzungen des § 118 SGB III vorlagen, entstand auch das Stammrecht nicht, so dass der Altanspruch nicht gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erlöschen konnte.
Obwohl die Klägerin somit noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld hatte, kam es hierauf für einen Anspruch auf einen befristet Zuschlag nach dem Wortlaut von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. nicht an. Maßgebend war vielmehr der "Bezug von Arbeits-losengeld". Bei der Frage des "Bezugs" einer Sozialleistung ist, wie der erkennende Senat bereits zu § 158 Abs. 1 SGB III a. F. (Besonderheiten bei der Höhe des Unterhaltsgeldes) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Oktober 1991 (Az: 9 b RAr 18/90, SozR 3-4100 § 44 Nr. 7) eingehend dargestellt hat, auf den tatsächlichen Bezug dieser Leistung und nicht auf die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung oder, wie hier, der Leistungseinstellung abzustellen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 18. Juni 2009, L 3 AL 210/06 – Juris-Dokument Rdnr. 46 ff). Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff des "Bezugs" in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. einen anderen Bedeutungsgehalt gehabt hätte, liegen nicht vor. Dies bedeutet, dass nur darauf abzustellen ist, ob der Begünstigte tatsächlich Leistungen erhält. Hingegen kommt es auf den Grund des Bezuges oder der etwaigen späteren Leistungseinstellung ebenso wenig an wie auf die Frage, ob noch ein Anspruch auf die bezogene Leistung dem Grunde nach besteht. Der Gesetzgeber erreicht mit dem Anknüpfen an den tatsächlichen Bezug von Sozialleistungen eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung, da das Bundessozialgericht auch für die Fälle, in denen eine unrichtige Leistung für die Zukunft weiter gewährt wird, eine Anknüpfung an den tatsächlichen Bezug anstatt an die materielle Rechtsmäßigkeit als unbedenklich angesehen hat (vgl. Sächs. LSG, a. a. O., Rdnr. 44).
Dass ein "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. das Ausschöpfen auch eines Restanspruchs auf Arbeitslosengeld meint, ergibt sich auch nicht aus dem Gesetzeszweck von § 24 SGB II a. F. Der befristete Zuschlag sollte nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1516 S. 47, 58) dazu dienen, finanzielle Härten beim Übergang von Arbeitslosengeld zu Arbeitslosengeld II abzufedern. Der befristete Zuschlag sollte berücksichtigen, dass der ehemalige Arbeitslosengeldempfänger durch häufig langjährige Erwerbstätigkeit – im Unterschied zu solchen Empfängern der neuen Leistung, die nur jeweils kurzfristig beziehungsweise noch nie erwerbstätig waren – vor dem Bezug der neuen Leistung einen Anspruch in der Arbeitslosenversicherung erworben hatte. Er sollte in vertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abfedern, die in der Regel beim Übertritt in die neue Leistung entstanden. Die Halbierung des befristeten Zuschlages ein Jahr nach dem Arbeitslosengeldbezug (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F.) und der Wegfall zu Beginn des dritten Jahres nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges – wegen der maximalen Anspruchsdauer von zwei Jahren (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F.) – trugen der zunehmenden Entfernung vom Arbeitsmarkt Rechnung und erhöhten den Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die Befristung des Zuschlages unter Festsetzung von Höchstbeträgen berücksichtigte außerdem, dass es sich bei der neuen Leistung um ein bedarfsorientiertes System handelte und dementsprechend grundsätzlich nicht der gleiche Lebensstandard wie im Rahmen des Arbeitslosengeldbezuges gewährleistet werden konnte (BT-Drucks., a. a. O.).
Hintergrund für die Vorschrift des § 24 SGB II a. F. war auch die Abschaffung der Anschlussarbeitslosenhilfe (vgl. § 198 Satz 1 SGB III a. F.) zum 1. Januar 2005 und die gleichzeitige Überleitung aller Leistungsansprüche nach "dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes" in das SGB II (vgl. Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 24 Rdnr. 2). Die Anschlussarbeitslosenhilfe wurde nur gewährt, wenn der Arbeitslosengeldanspruch erschöpft war. SGB II-Leistungsempfänger, die einen Anspruch auf Anschlussarbeitslosenhilfe gehabt hätten, sollten für eine Übergangszeit besser als diejenigen Arbeitslosengeld II-Empfänger gestellt werden, die keine Anwartschaft erwerben konnten (vgl. Knickrehm, a. a. O.). Der Systemwechsel vom Arbeitslosengeld in das Arbeitslosengeld II sollte durch den befristeten Zuschlag schließlich auch deshalb abgefedert werden, weil die zwischengeschaltete Versicherungsleistung Arbeitslosenhilfe ersatzlos weggefallen war und gegen die Abschaffung von Arbeitslosenhilfe verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden waren (vgl. Knickrehm, a. a. O., m. w. N.).
Damit geht weder aus den Gesetzesmaterialien hervor, dass der Gesetzgeber abweichend von dem bereits an anderer Stelle verwandten Begriff des "Bezuges" im Sinne eines tatsächlichen Bezuges in § 24 SGB II a. F. auf die materielle Rechtslage zum Arbeitslosengeldbezug abstellen wollte, noch kann dies als notwendige oder zumindest naheliegende Konsequenz aus der Regelungsabsicht, den beschriebenen Systemwechsel abzufedern, hergeleitet werden.
Im Fall der Klägerin tritt zudem noch eine Besonderheit hinzu: Sie erhielt bereits zu der Zeit, als sie noch Arbeitslosengeld bezog, aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. In ihrem Fall gab es somit den klaren Systemwechsel vom SGB III in das SBG II nicht, weil sie für eine bestimmte Zeit Leistungen nach beiden Rechtssystemen erhielt. Ihr Lebensstandard bemaß sich sowohl in der Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld als auch in der Zeit danach nach den Maßstäben des SGB II. Die Erwägungen dafür, den Systemwechsel vom SGB III in das SBG II finanziell abzufedern, greifen mithin in dieser besondern Konstellation nicht in der Weise, wie sie dem Gesetz-geber vor Augen standen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Vorschrift in § 24 SGB II a. F. über den befristeten Zuschlag den Personenkreis der sogenannten "Aufstocker" und ein diesen Kreis betreffendes besonderes Regelungskonzept im Blick hatte. Es gibt deshalb keine Veranlassung, den Begriff des "Bezugs" in § 24 SGB II a. F. zumindest für den Personenkreis der sogenannten "Auf-stocker" abweichend vom Verständnis eines tatsächlichen Bezuges von Arbeitslosengeld auszulegen.
Aus diesen Gründen war die Bewilligung des befristeten Zuschlags nicht fehlerhaft und die ARGE damit nicht berechtigt, gemäß § 45 SGB X die Entscheidung für die Zukunft zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines von der ARGE L zuvor bewilligten befristeten Zuschlags nach § 24 des Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Mit Bescheid vom 28. März 2007 wurde der Klägerin durch die Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 20. März 2007 bis 18. März 2008 Arbeitslosengeld nach einem täglichen Leistungsbetrag von zuletzt 25,22 EUR bewilligt. Da die Klägerin ab dem 10. März 2008 eine bis zum 31. Dezember 2009 befristete versicherungspflichtige Tätigkeit im Umfang von 25 Wochenarbeitsstunden aufnahm, hob die Bundesagentur für Arbeit mit bestandskräftigem Aufhebungsbescheid vom 10. September 2008 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 10. März 2008 auf.
Bereits seit dem 15. August 2007 bezogen die Klägerin und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter von der ARGE L (im Folgenden: ARGE) aufstockende Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 18. Januar 2008 wurde der Klägerin für die Zeit ab dem 19. März 2008 erstmals ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II (in der vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung; im Folgenden: a. F.) in Höhe von monatlich 220,00 EUR bewilligt und im Folgenden mit Bescheid vom 16. Juli 2008 für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 weitergewährt.
Auf Grund der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld hob die ARGE mit Änderungsbescheid vom 28. Oktober 2008 für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 die Bewilligung des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II a. F. in Höhe von monatlich 220,00 EUR auf. Hiergegen legte die Klägerin am 18. November 2008 Widerspruch ein. Mit Bescheiden vom 23. April 2009 setzte der Beklagte unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich von der Klägerin nachgewiesenen Erwerbseinkommens die Leistungen für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 neu fest, ohne jedoch den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 wies die ARGE den Widerspruch der Klägerin zurück. Für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 bestünde kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F ... Zwingende Voraussetzungen hierfür sei, dass der letzte Tag der Arbeitslosengeldanspruchsdauer innerhalb der letzten zwei Jahre verbraucht worden sei oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallsfristen nicht mehr geltend gemacht werden könne. Zugunsten der Klägerin bestehe aber bei der Agentur für Arbeit noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von acht Tagen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung des befristeten Zuschlags nicht erfüllt seien. Die Aufhebung folge aus § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung der befristete Zuschlag für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 noch nicht ausgezahlt worden sei.
Auf die hiergegen am 19. Mai 2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht den Bescheid der ARGE vom 28. Oktober 2008 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23. April 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 bezüglich der Rücknahme des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II a. F. für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 aufgehoben. Die Bewilligungsentscheidung vom 16. Juli 2008 sei nicht rechtswidrig und die ARGE sei aus diesem Grund nicht zur Rücknahme nach § 45 SGB X berechtigt gewesen. Voraussetzung für die Gewährung des befristeten Zuschlages nach § 24 SGB II a. F. sei zwar, dass der letzte Tag der Arbeitslosengeldanspruchsdauer innerhalb der letzten zwei Jahre verbraucht worden sei oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallsfristen nicht geltend gemacht werden könne. Diese Voraussetzungen lägen jedoch im Fall der Klägerin vor, da sie vom 10. März 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe und somit die Anwartschaftszeit des § 123 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) erneut erfüllt habe. Der nach dem Aufhebungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 10. September 2008 zunächst noch bestehende Restanspruch aus dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis sei damit erloschen. Ohne das Bestehen eines Restanspruchs liege jedoch ein "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. vor. Die Rücknahmeentscheidung sei daher rechtswidrig. Auf Grund des klaren Wortlauts der gesetzlichen Regelung könne keine teleologische Auslegung des § 24 SGB II a. F. erfolgen. Die Berufung werde jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
Gegen das am 19. Februar 2010 zugestellte Urteil hat die ARGE am 3. März 2010 Berufung eingelegt. Fehlerhaft gehe das Sozialgericht davon aus, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen monatlichen befristeten Zuschlag nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. habe. Diesen erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, soweit sie Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezögen. Voraussetzung sei, dass der letzte Tag der Arbeitslosengeldanspruchsdauer innerhalb der letzten zwei Jahre verbraucht worden sei oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallsfristen nicht mehr geltend gemacht werden könne. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Da die Klägerin vom 10. März 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe, habe sie die Anwartschaftszeit des § 123 SGB III von zwölf Monaten zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009, zwar erneut erfüllt. Zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 10. September 2008 sei der bestehende Restanspruch aus dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht erloschen gewesen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei zu diesem Zeitpunkt kein neuer Anspruch entstanden. Da ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld noch bestanden habe, liege kein Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. vor.
Der zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin habe einen Anspruch auf den befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II a. F ...
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 16. Februar 2010 der Klage stattgegeben, weil der Bescheid der ARGE vom 28. Oktober 2008 in Fassung der Änderungsbescheide vom 23. April 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 bezüglich der Aufhebung des bereits gewährten befristeten Zuschlags gemäß § 24 SGB II a. F. rechtswidrig ist und die Klägerin insoweit in ihren Rechten verletzt (vgl. § 54 Abs. 2 SGG).
Streitig ist vorliegend allein, ob der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Januar 2009 ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. zusteht. Zwar steht die Beschränkung des Streitgegenstandes auf den befristeten Zuschlag nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zur Disposition der Klägerin; der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. ist kein abtrennbarer Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 42/06 R – ZFSH/SGB 2008, 221 ff. = JURIS-Dokument, Rdnr. 17 ff.; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 59/06 R – NJW 2008, 2458 ff. = JURIS-Dokument, Rdnr. 15 ff.; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 5/07 R – BSGE 99, 170 ff. [Rdnr. 13] = SozR 4-4200 § 24 Nr. 1 Rdnr. 13 = JURIS-Dokument, Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 7/07 R – FamRZ 2008, 688 ff. = JURIS-Dokument, Rdnr. 11 ff.; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14 AS 30/07 R – SozR 4-4200 § 24 Nr. 2 Rdnr. 13 = JURIS-Dokument, Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14 AS 23/07 R – JURIS-Dokument Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 23/06 R – SozR 4-4200 § 24 Nr. 3 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 33/06 R – JURIS-Dokument Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 – B 11b AS 45/06 R – JURIS-Dokument Rdnr. 29). Die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung erfolgte jedoch ausschließlich wegen des nach Auffassung der ARGE nicht mehr bestehenden Anspruches auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. Ein anderer Grund, der die Teilaufhebung der Bewilligungsentscheidung dem Grunde oder der Höhe nach rechtfertigen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Aus diesem Grund beschränkt sich die Prüfung auf die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung auf diesen Gesichtspunkt.
Zu Unrecht hat die ARGE mit dem streitigen Bescheid die Bewilligung des befristeten Zuschlags für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 und 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III aufgehoben.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen von § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden ( vgl. § 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Eine Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 16. Juli 2008 ist nicht ersichtlich. Nach § 24 SGB II a. F. in der hier maßgebenden, vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) erhielt der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen monatlichen befristeten Zuschlag, soweit er innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld Arbeitslosengeld II bezog (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F.). Nach Abs. 2 betrug der befristete Zuschlag zwei Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen erstmalig nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld zustehenden Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II.
Unzutreffend führt die ARGE aus, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien, weil ein "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" durch den noch offenen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von acht Tagen nicht vorliege. Allerdings ist in diesem Punkt auch die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Restanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 12.Mai 2009) erloschen sei, da die Klägerin einen Neuanspruch auf Arbeitslosengeld erworben habe (Beginn des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 10. März 2008 zzgl. 12 Monate), nicht zutreffend.
Nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld zwar mit der Entstehung eines neuen Anspruchs. Da die Klägerin vom 10. März 2008 bis 31. Dezember 2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand, erfüllte sie die Anwartschaftszeit des § 123 SGB III von zwölf Monaten zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009, worauf das Sozialgericht abstellt, auch tatsächlich erneut. Zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 10. September 2008 war der zunächst noch bestehende Restanspruch aus dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht erloschen und entgegen des Sozialgerichts auch noch kein neuer Anspruch zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 12. Mai 2009 entstanden. Denn der neue Anspruch ist ein neues Stammrecht, der kraft Gesetzes unter den Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 SGB III entsteht. Tatbestandsmerkmale sind neben der Anwartschaftszeit auch die Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosmeldung bei der Arbeitsagentur (vgl. § 118 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der unter anderem nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die Klägerin stand zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung jedoch in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Umfang von 25 Wochenstunden. Sie war mangels Beschäftigungslosigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht arbeitslos. Auch eine persönliche Arbeitslosmeldung gemäß § 122 SGB III lag nicht vor. Da nicht alle Voraussetzungen des § 118 SGB III vorlagen, entstand auch das Stammrecht nicht, so dass der Altanspruch nicht gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erlöschen konnte.
Obwohl die Klägerin somit noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld hatte, kam es hierauf für einen Anspruch auf einen befristet Zuschlag nach dem Wortlaut von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. nicht an. Maßgebend war vielmehr der "Bezug von Arbeits-losengeld". Bei der Frage des "Bezugs" einer Sozialleistung ist, wie der erkennende Senat bereits zu § 158 Abs. 1 SGB III a. F. (Besonderheiten bei der Höhe des Unterhaltsgeldes) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Oktober 1991 (Az: 9 b RAr 18/90, SozR 3-4100 § 44 Nr. 7) eingehend dargestellt hat, auf den tatsächlichen Bezug dieser Leistung und nicht auf die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung oder, wie hier, der Leistungseinstellung abzustellen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 18. Juni 2009, L 3 AL 210/06 – Juris-Dokument Rdnr. 46 ff). Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff des "Bezugs" in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. einen anderen Bedeutungsgehalt gehabt hätte, liegen nicht vor. Dies bedeutet, dass nur darauf abzustellen ist, ob der Begünstigte tatsächlich Leistungen erhält. Hingegen kommt es auf den Grund des Bezuges oder der etwaigen späteren Leistungseinstellung ebenso wenig an wie auf die Frage, ob noch ein Anspruch auf die bezogene Leistung dem Grunde nach besteht. Der Gesetzgeber erreicht mit dem Anknüpfen an den tatsächlichen Bezug von Sozialleistungen eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung, da das Bundessozialgericht auch für die Fälle, in denen eine unrichtige Leistung für die Zukunft weiter gewährt wird, eine Anknüpfung an den tatsächlichen Bezug anstatt an die materielle Rechtsmäßigkeit als unbedenklich angesehen hat (vgl. Sächs. LSG, a. a. O., Rdnr. 44).
Dass ein "Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld" im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. das Ausschöpfen auch eines Restanspruchs auf Arbeitslosengeld meint, ergibt sich auch nicht aus dem Gesetzeszweck von § 24 SGB II a. F. Der befristete Zuschlag sollte nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1516 S. 47, 58) dazu dienen, finanzielle Härten beim Übergang von Arbeitslosengeld zu Arbeitslosengeld II abzufedern. Der befristete Zuschlag sollte berücksichtigen, dass der ehemalige Arbeitslosengeldempfänger durch häufig langjährige Erwerbstätigkeit – im Unterschied zu solchen Empfängern der neuen Leistung, die nur jeweils kurzfristig beziehungsweise noch nie erwerbstätig waren – vor dem Bezug der neuen Leistung einen Anspruch in der Arbeitslosenversicherung erworben hatte. Er sollte in vertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abfedern, die in der Regel beim Übertritt in die neue Leistung entstanden. Die Halbierung des befristeten Zuschlages ein Jahr nach dem Arbeitslosengeldbezug (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F.) und der Wegfall zu Beginn des dritten Jahres nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges – wegen der maximalen Anspruchsdauer von zwei Jahren (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F.) – trugen der zunehmenden Entfernung vom Arbeitsmarkt Rechnung und erhöhten den Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die Befristung des Zuschlages unter Festsetzung von Höchstbeträgen berücksichtigte außerdem, dass es sich bei der neuen Leistung um ein bedarfsorientiertes System handelte und dementsprechend grundsätzlich nicht der gleiche Lebensstandard wie im Rahmen des Arbeitslosengeldbezuges gewährleistet werden konnte (BT-Drucks., a. a. O.).
Hintergrund für die Vorschrift des § 24 SGB II a. F. war auch die Abschaffung der Anschlussarbeitslosenhilfe (vgl. § 198 Satz 1 SGB III a. F.) zum 1. Januar 2005 und die gleichzeitige Überleitung aller Leistungsansprüche nach "dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes" in das SGB II (vgl. Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 24 Rdnr. 2). Die Anschlussarbeitslosenhilfe wurde nur gewährt, wenn der Arbeitslosengeldanspruch erschöpft war. SGB II-Leistungsempfänger, die einen Anspruch auf Anschlussarbeitslosenhilfe gehabt hätten, sollten für eine Übergangszeit besser als diejenigen Arbeitslosengeld II-Empfänger gestellt werden, die keine Anwartschaft erwerben konnten (vgl. Knickrehm, a. a. O.). Der Systemwechsel vom Arbeitslosengeld in das Arbeitslosengeld II sollte durch den befristeten Zuschlag schließlich auch deshalb abgefedert werden, weil die zwischengeschaltete Versicherungsleistung Arbeitslosenhilfe ersatzlos weggefallen war und gegen die Abschaffung von Arbeitslosenhilfe verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden waren (vgl. Knickrehm, a. a. O., m. w. N.).
Damit geht weder aus den Gesetzesmaterialien hervor, dass der Gesetzgeber abweichend von dem bereits an anderer Stelle verwandten Begriff des "Bezuges" im Sinne eines tatsächlichen Bezuges in § 24 SGB II a. F. auf die materielle Rechtslage zum Arbeitslosengeldbezug abstellen wollte, noch kann dies als notwendige oder zumindest naheliegende Konsequenz aus der Regelungsabsicht, den beschriebenen Systemwechsel abzufedern, hergeleitet werden.
Im Fall der Klägerin tritt zudem noch eine Besonderheit hinzu: Sie erhielt bereits zu der Zeit, als sie noch Arbeitslosengeld bezog, aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. In ihrem Fall gab es somit den klaren Systemwechsel vom SGB III in das SBG II nicht, weil sie für eine bestimmte Zeit Leistungen nach beiden Rechtssystemen erhielt. Ihr Lebensstandard bemaß sich sowohl in der Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld als auch in der Zeit danach nach den Maßstäben des SGB II. Die Erwägungen dafür, den Systemwechsel vom SGB III in das SBG II finanziell abzufedern, greifen mithin in dieser besondern Konstellation nicht in der Weise, wie sie dem Gesetz-geber vor Augen standen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Vorschrift in § 24 SGB II a. F. über den befristeten Zuschlag den Personenkreis der sogenannten "Aufstocker" und ein diesen Kreis betreffendes besonderes Regelungskonzept im Blick hatte. Es gibt deshalb keine Veranlassung, den Begriff des "Bezugs" in § 24 SGB II a. F. zumindest für den Personenkreis der sogenannten "Auf-stocker" abweichend vom Verständnis eines tatsächlichen Bezuges von Arbeitslosengeld auszulegen.
Aus diesen Gründen war die Bewilligung des befristeten Zuschlags nicht fehlerhaft und die ARGE damit nicht berechtigt, gemäß § 45 SGB X die Entscheidung für die Zukunft zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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