Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 3441/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 158/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG kann nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, ausgedehnt werden
(Fortführung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – L 3 AS 240/09
B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 18 ff.).
2. Bezugspunkt für die Beantwortung der Frage, ob ein Bedarf in Bezug auf eine Wohnungserstausstattung besteht, ist die Ausstattung der Unterkunft, die der Hilfebedürftige bezieht oder die er bewohnt. Hingegen ist es unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushaltsgeräte ihm gehören, ob sie ihm von Dritten (z. B. vom Vermieter, von Angehörigen oder Freunden) zur (Mit)Benutzung überlassen wurden,
oder ob ihm ein Haushaltsmitglied die (Mit)Benutzung gestattet.
3. Die personelle Erweiterung eines Haushaltes stellt als solche regelmäßig kein besonderes Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum Anspruch auf Leistungen der Wohnungserstausstattung dar. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn wegen des weiteren
Haushaltsmitgliedes ein zusätzlicher, bislang noch nicht gedeckter Bedarf entsteht, oder wenn wegen der
angewachsenen Personenzahl im Haushalt die vorhandene Wohnungsausstattung oder die vorhandene
Haushaltsgeräte in quantitativer oder qualitativer Hinsicht nicht mehr ausreichend sind.
(Fortführung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – L 3 AS 240/09
B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 18 ff.).
2. Bezugspunkt für die Beantwortung der Frage, ob ein Bedarf in Bezug auf eine Wohnungserstausstattung besteht, ist die Ausstattung der Unterkunft, die der Hilfebedürftige bezieht oder die er bewohnt. Hingegen ist es unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushaltsgeräte ihm gehören, ob sie ihm von Dritten (z. B. vom Vermieter, von Angehörigen oder Freunden) zur (Mit)Benutzung überlassen wurden,
oder ob ihm ein Haushaltsmitglied die (Mit)Benutzung gestattet.
3. Die personelle Erweiterung eines Haushaltes stellt als solche regelmäßig kein besonderes Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum Anspruch auf Leistungen der Wohnungserstausstattung dar. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn wegen des weiteren
Haushaltsmitgliedes ein zusätzlicher, bislang noch nicht gedeckter Bedarf entsteht, oder wenn wegen der
angewachsenen Personenzahl im Haushalt die vorhandene Wohnungsausstattung oder die vorhandene
Haushaltsgeräte in quantitativer oder qualitativer Hinsicht nicht mehr ausreichend sind.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 7. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrages. In der Hauptsache ist die Kostenübernahme für einen Kühlschrank mit Gefrierfach streitig.
Der 1987 geborene, erwerbsfähige Kläger befand sich bis Juni 2009 in Haft. Danach nahm er bis Ende 2009 an einer stationären Suchttherapie teil. Zum 1. Januar 2010 zog er in die Wohnung seiner jetzigen Ehefrau; die Eheschließung fand am 6. Juli 2010 statt. Seit dem 2. März 2010 bezogen beide Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für einen größeren Kühlschrank mit Gefrierfach. Seine Freundin werde voraussichtlich am 24. September 2010 ein Baby bekommen. Der jetzige Kühlschrank sei für drei Personen zu klein. Außerdem sei die Gefrierfunktion und der Temperaturregler kaputt. Der Kühlschrank sei schon alt und fange an zu rosten.
Die ARGE Leipziger Land lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Juli 2010 ab, da die Voraussetzungen für eine darlehensweise Erbringung einer Sonderleistung gemäß § 23 Abs. 1 SGB II nicht gegeben seien. Der Kläger machte im Widerspruchsschreiben vom 15. Juli 2010 unter anderem geltend, dass ein Elektrogroßgerät nicht in der Regelleistung enthalten sei. Die ARGE Leipziger Land wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2010 zurück. Sie führte aus, dass ein unabweisbarer Bedarf für eine dar-lehensweise Leistungserbringung unter anderem bei einer notwendigen Reparatur vorliege. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die begehrte Kostenübernahme könne auch nicht im Rahmen einer Wohnungserstausstattung erfolgen, weil der Ersatz veralteter Geräte aus der Regelleistung zu bestreiten sei. Schließlich verneinte sie unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichtes von 9. Februar 2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) einen aus Grundrechten herzuleitenden Anspruch, weil es sich nicht um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf handle.
Der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger hat am 30. August 2010 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 30. September 2010 hat er beantragt, die Leistung "im Rahmen der Erstausstattung der Wohnung [ ...] entsprechend § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II [ ...] zu gewähren." Es ist unter anderem vorgetragen worden, dass die Gefrierfunktion des Kühlschrankes bereits zu dem Zeitpunkt, als der Kläger in die Wohnung eingezogen sei, defekt gewesen sei. Es ist ausgeführt worden, weshalb es sich um einen Fall einer Wohnungserstausstattung handle.
Den zusammen mit der Klage gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 7. Februar 2012 abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Anspruches auf Leistungen für eine Wohnungserstausstattung lägen nicht vor. Im Haushalt der damaligen Freundin des Klägers habe es bereits einen Kühlschrank gegeben, auch wenn dieser defekt gewesen sei. Der Einzug einer weiteren erwachsenen Person könne auch nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden, der einen Erstausstattungsbedarf neu entstehen lasse.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 23. März 2012 Beschwerde eingelegt. Vorliegend bestehe die Besonderheit, dass seit dem Einzug des Klägers kein funktionstüchtiger Kühlschrank in der Wohnung vorhanden gewesen sei. In Bezug auf den Kläger liege deshalb keine Ersatzbeschaffung vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft.
Die Voraussetzungen für einen Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind nicht gegeben. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies gilt gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz SGG auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Der Wortlaut dieses zweiten Halbsatzes ist eindeutig. Die Regelung kann deshalb nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, ausgedehnt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates ist auch ein Rückgriff auf die Beschwerdeausschlussregelung in § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), sei es in Verbindung mit § 73a Abs. 1 SGG oder in Verbindung mit § 202 SGG oder in analoger Anwendung, nicht möglich (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – L 3 AS 240/09 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 18 ff.). Da es somit für die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes im Hauptsacheverfahren ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob mit der Klage der Grenzwert in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR überschritten wird.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach dem derzeitigen Stand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO hat.
a) Das Sozialgericht hat zutreffend den geltend gemachten Anspruch auf Kostenübernahme für einen Kühlschrank mit Gefrierfach nur dahingehend geprüft, ob insoweit ein Anspruch auf Leistung im Rahmen einer Wohnungserstausstattung besteht. Zwar ist ein Anspruch grundsätzlich in Bezug auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich Anspruchsgrundlagen in Bezug auf ihre Rechtsfolgen unterscheiden und der Kläger oder Antragsteller ausdrücklich einen Anspruch nur im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsfolge verfolgt. So ist es hier.
Als Anspruchsgrundlagen kommen einerseits § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II und andererseits § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Betracht, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung. Während für die Leistung für eine Erstausstattung der Wohnung, die als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II), keine Leistungserbringung in Form eines Darlehens vorgesehen ist, die Leistung mithin beim Hilfebedürftigen verbleibt, ist eine abweichende Leistungserbringung auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur in Form eines Darlehens möglich. Der anwaltlich vertretene Kläger hat sein Klagebegehren in zulässiger Weise mit dem Klageantrag ausdrücklich auf die als Zuschuss zu erbringende Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II beschränkt.
b) Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II (seit 1. Januar 2011: § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II) sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Umfasst werden alle Einrichtungsgeräte und -gegenstände, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R – BSGE 101, 268 ff. [Rdnr. 19] = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19). Auch einzelne Gegenstände können beansprucht werden (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 16). Auf der Grundlage dieser Regelungen besteht der geltend gemachte Anspruch bereits dem Grunde nach nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist der Anspruch auf Leistungen der Wohnungserstausstattungen bedarfsbezogen zu verstehen. Entscheidend ist, ob erstmals ein Bedarf entsteht (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R – BSGE 101, 268 ff. [Rdnr. 19] = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2 Rdnr 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R –SozR 4-4200 § 23 Nr. 13 Rdnr 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 16). Wenn der Bedarf bereits gedeckt ist, ist der Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf aus der Regelleistung zu bestreiten (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, a. a. O.). Ausnahmsweise kommt aber auch bei einem erneuten Bedarfsanfall eine Wohnungserstausstattung in Betracht. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes der Fall, wenn der Hilfebedürftige nachweist, dass er – regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen – über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfügt. In bestimmten Fällen ist eine Ersatzbeschaffung der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig gleichzustellen (vgl. die Beispiele bei BSG, Urteil vom 27. September 2011, a. a. O.).
Hiervon ausgehend hat der Kläger in Bezug auf den begehrten Kühlschrank nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keinen Anspruch auf Wohnungserstausstattung. Bezugspunkt für die Beantwortung der Frage, ob ein Bedarf im beschriebenen Sinne besteht, ist die Ausstattung der Unterkunft, die der Hilfebedürftige bezieht oder die er bewohnt. Hingegen ist es unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushalts-geräte ihm gehören, ob sie ihm von Dritten (z. B. vom Vermieter, von Angehörigen oder Freunden) zur (Mit)Benutzung überlassen wurden, oder ob ihm ein Haushaltsmitglied die (Mit)Benutzung gestattet. Dies bedeutet vorliegend, dass in Bezug auf einen Kühlschrank der Bedarf zu dem Zeitpunkt, als der Kläger in die Wohnung seiner damaligen Freundin einzog, gedeckt war. In ihrer Wohnung war ein Kühlschank vorhanden.
Dies deckt sich auch mit dem Willen des Gesetzgebers. Nicht die Haftentlassung als solche wurde als auslösendes Moment für einen möglichen Anspruch auf Wohnungserstausstattung gesehen, sondern die Erstanmietung nach einer Haft (vgl. zu § 32 SGB XII: BT-Drs. 15/1514 S. 60). Nur bei einer Erstanmietung besteht in der Regel ein Bedarf an Einrichtungsgegenständen oder Haushaltsgeräten. Wenn hingegen ein Hilfebedürftiger in einen bestehenden Haushalt einzieht, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Bedarf an Wohnungserstausstattung gedeckt ist.
Soweit das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss festhielt, dass der Kühlschrank zu dem genannten Zeitpunkt defekt gewesen sei, und der Klägerbevollmächtigte in den Schriftsätzen vom 15. Dezember 2010 und 17. Januar 2011 angab, der Kühlschrank sei defekt beziehungsweise nicht funktionstüchtig gewesen, deckt sich dies nicht mit seinen früheren Angaben im Klageverfahren und denen des Klägers im Verwaltungsverfahren. Der Klägerbevollmächtigte trug noch im Schriftsatz vom 30. September 2010 lediglich vor, dass die Gefrierfunktion des Kühlschankes defekt gewesen sei; im Übrigen verwies er auf das Alter des Kühlschrankes. Auch der Kläger beschrieb in seinem Antrag nur verschiedene Mängel, ohne jedoch eine vollständige Funktionsunfähigkeit des Kühlschrankes zu erwähnen.
Die personelle Erweiterung eines Haushaltes stellt als solchen regelmäßig kein besonderes Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes dar (vgl. zum Einzug einer weiteren erwachsenen Person: Bay. LSG, Beschluss vom 18. August 2006 – L 7 B 481/06 AS ER – JURIS-Dokument Rdnr. 17). Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn wegen des weiteren Haushaltsmitgliedes ein zusätzlicher, bislang noch nicht gedeckter Bedarf entsteht, oder wenn wegen der angewachsenen Personenzahl im Haushalt die vorhandene Wohnungsausstattung oder die vorhandene Haushaltsgeräte in quantitativer oder qualitativer Hinsicht nicht mehr ausreichend sind. Die erstgenannte Konstellation ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Kind geboren wird. Zur Erstausstattung kann zum Beispiel ein Kinderbett gehören (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Juli 2005 – L 3 ER 45/05 AS – FEVS 57, 181 [182] = JURIS-Dokument Rdnr. 14; vgl. auch die Beispiele bei Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 23 Rdnr. 102). Die zweitgenannte Konstellation dürfte auf seltene Ausnahmefälle beschränkt sein. Sie kann zum Beispiel gegeben sei, wenn eine auf einen 1-Personenhaushalt ausgelegte Wohnungsausstattung nach einer Eheschließung für den Bedarf eines 2-Personenhaushaltes nicht ausreicht. Dies könnte dem Kläger vor Augen gestanden haben, als er bei der Antragstellung angab, dass der jetzige Kühlschrank seiner damaligen Freundin für drei Personen zu klein sei. Diese Behauptung blieb allerdings in dieser Allgemeinheit im Raume stehen und wurde von der Klägerseite später nicht weiter verfolgt.
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrages. In der Hauptsache ist die Kostenübernahme für einen Kühlschrank mit Gefrierfach streitig.
Der 1987 geborene, erwerbsfähige Kläger befand sich bis Juni 2009 in Haft. Danach nahm er bis Ende 2009 an einer stationären Suchttherapie teil. Zum 1. Januar 2010 zog er in die Wohnung seiner jetzigen Ehefrau; die Eheschließung fand am 6. Juli 2010 statt. Seit dem 2. März 2010 bezogen beide Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für einen größeren Kühlschrank mit Gefrierfach. Seine Freundin werde voraussichtlich am 24. September 2010 ein Baby bekommen. Der jetzige Kühlschrank sei für drei Personen zu klein. Außerdem sei die Gefrierfunktion und der Temperaturregler kaputt. Der Kühlschrank sei schon alt und fange an zu rosten.
Die ARGE Leipziger Land lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Juli 2010 ab, da die Voraussetzungen für eine darlehensweise Erbringung einer Sonderleistung gemäß § 23 Abs. 1 SGB II nicht gegeben seien. Der Kläger machte im Widerspruchsschreiben vom 15. Juli 2010 unter anderem geltend, dass ein Elektrogroßgerät nicht in der Regelleistung enthalten sei. Die ARGE Leipziger Land wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2010 zurück. Sie führte aus, dass ein unabweisbarer Bedarf für eine dar-lehensweise Leistungserbringung unter anderem bei einer notwendigen Reparatur vorliege. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die begehrte Kostenübernahme könne auch nicht im Rahmen einer Wohnungserstausstattung erfolgen, weil der Ersatz veralteter Geräte aus der Regelleistung zu bestreiten sei. Schließlich verneinte sie unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichtes von 9. Februar 2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) einen aus Grundrechten herzuleitenden Anspruch, weil es sich nicht um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf handle.
Der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger hat am 30. August 2010 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 30. September 2010 hat er beantragt, die Leistung "im Rahmen der Erstausstattung der Wohnung [ ...] entsprechend § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II [ ...] zu gewähren." Es ist unter anderem vorgetragen worden, dass die Gefrierfunktion des Kühlschrankes bereits zu dem Zeitpunkt, als der Kläger in die Wohnung eingezogen sei, defekt gewesen sei. Es ist ausgeführt worden, weshalb es sich um einen Fall einer Wohnungserstausstattung handle.
Den zusammen mit der Klage gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 7. Februar 2012 abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Anspruches auf Leistungen für eine Wohnungserstausstattung lägen nicht vor. Im Haushalt der damaligen Freundin des Klägers habe es bereits einen Kühlschrank gegeben, auch wenn dieser defekt gewesen sei. Der Einzug einer weiteren erwachsenen Person könne auch nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden, der einen Erstausstattungsbedarf neu entstehen lasse.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 23. März 2012 Beschwerde eingelegt. Vorliegend bestehe die Besonderheit, dass seit dem Einzug des Klägers kein funktionstüchtiger Kühlschrank in der Wohnung vorhanden gewesen sei. In Bezug auf den Kläger liege deshalb keine Ersatzbeschaffung vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft.
Die Voraussetzungen für einen Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind nicht gegeben. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies gilt gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz SGG auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Der Wortlaut dieses zweiten Halbsatzes ist eindeutig. Die Regelung kann deshalb nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, ausgedehnt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates ist auch ein Rückgriff auf die Beschwerdeausschlussregelung in § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), sei es in Verbindung mit § 73a Abs. 1 SGG oder in Verbindung mit § 202 SGG oder in analoger Anwendung, nicht möglich (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – L 3 AS 240/09 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 18 ff.). Da es somit für die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes im Hauptsacheverfahren ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob mit der Klage der Grenzwert in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR überschritten wird.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach dem derzeitigen Stand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO hat.
a) Das Sozialgericht hat zutreffend den geltend gemachten Anspruch auf Kostenübernahme für einen Kühlschrank mit Gefrierfach nur dahingehend geprüft, ob insoweit ein Anspruch auf Leistung im Rahmen einer Wohnungserstausstattung besteht. Zwar ist ein Anspruch grundsätzlich in Bezug auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich Anspruchsgrundlagen in Bezug auf ihre Rechtsfolgen unterscheiden und der Kläger oder Antragsteller ausdrücklich einen Anspruch nur im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsfolge verfolgt. So ist es hier.
Als Anspruchsgrundlagen kommen einerseits § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II und andererseits § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Betracht, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung. Während für die Leistung für eine Erstausstattung der Wohnung, die als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II), keine Leistungserbringung in Form eines Darlehens vorgesehen ist, die Leistung mithin beim Hilfebedürftigen verbleibt, ist eine abweichende Leistungserbringung auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur in Form eines Darlehens möglich. Der anwaltlich vertretene Kläger hat sein Klagebegehren in zulässiger Weise mit dem Klageantrag ausdrücklich auf die als Zuschuss zu erbringende Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II beschränkt.
b) Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II (seit 1. Januar 2011: § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II) sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Umfasst werden alle Einrichtungsgeräte und -gegenstände, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R – BSGE 101, 268 ff. [Rdnr. 19] = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19). Auch einzelne Gegenstände können beansprucht werden (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 16). Auf der Grundlage dieser Regelungen besteht der geltend gemachte Anspruch bereits dem Grunde nach nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist der Anspruch auf Leistungen der Wohnungserstausstattungen bedarfsbezogen zu verstehen. Entscheidend ist, ob erstmals ein Bedarf entsteht (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R – BSGE 101, 268 ff. [Rdnr. 19] = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2 Rdnr 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R –SozR 4-4200 § 23 Nr. 13 Rdnr 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 16). Wenn der Bedarf bereits gedeckt ist, ist der Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf aus der Regelleistung zu bestreiten (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, a. a. O.). Ausnahmsweise kommt aber auch bei einem erneuten Bedarfsanfall eine Wohnungserstausstattung in Betracht. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes der Fall, wenn der Hilfebedürftige nachweist, dass er – regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen – über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfügt. In bestimmten Fällen ist eine Ersatzbeschaffung der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig gleichzustellen (vgl. die Beispiele bei BSG, Urteil vom 27. September 2011, a. a. O.).
Hiervon ausgehend hat der Kläger in Bezug auf den begehrten Kühlschrank nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keinen Anspruch auf Wohnungserstausstattung. Bezugspunkt für die Beantwortung der Frage, ob ein Bedarf im beschriebenen Sinne besteht, ist die Ausstattung der Unterkunft, die der Hilfebedürftige bezieht oder die er bewohnt. Hingegen ist es unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushalts-geräte ihm gehören, ob sie ihm von Dritten (z. B. vom Vermieter, von Angehörigen oder Freunden) zur (Mit)Benutzung überlassen wurden, oder ob ihm ein Haushaltsmitglied die (Mit)Benutzung gestattet. Dies bedeutet vorliegend, dass in Bezug auf einen Kühlschrank der Bedarf zu dem Zeitpunkt, als der Kläger in die Wohnung seiner damaligen Freundin einzog, gedeckt war. In ihrer Wohnung war ein Kühlschank vorhanden.
Dies deckt sich auch mit dem Willen des Gesetzgebers. Nicht die Haftentlassung als solche wurde als auslösendes Moment für einen möglichen Anspruch auf Wohnungserstausstattung gesehen, sondern die Erstanmietung nach einer Haft (vgl. zu § 32 SGB XII: BT-Drs. 15/1514 S. 60). Nur bei einer Erstanmietung besteht in der Regel ein Bedarf an Einrichtungsgegenständen oder Haushaltsgeräten. Wenn hingegen ein Hilfebedürftiger in einen bestehenden Haushalt einzieht, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Bedarf an Wohnungserstausstattung gedeckt ist.
Soweit das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss festhielt, dass der Kühlschrank zu dem genannten Zeitpunkt defekt gewesen sei, und der Klägerbevollmächtigte in den Schriftsätzen vom 15. Dezember 2010 und 17. Januar 2011 angab, der Kühlschrank sei defekt beziehungsweise nicht funktionstüchtig gewesen, deckt sich dies nicht mit seinen früheren Angaben im Klageverfahren und denen des Klägers im Verwaltungsverfahren. Der Klägerbevollmächtigte trug noch im Schriftsatz vom 30. September 2010 lediglich vor, dass die Gefrierfunktion des Kühlschankes defekt gewesen sei; im Übrigen verwies er auf das Alter des Kühlschrankes. Auch der Kläger beschrieb in seinem Antrag nur verschiedene Mängel, ohne jedoch eine vollständige Funktionsunfähigkeit des Kühlschrankes zu erwähnen.
Die personelle Erweiterung eines Haushaltes stellt als solchen regelmäßig kein besonderes Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes dar (vgl. zum Einzug einer weiteren erwachsenen Person: Bay. LSG, Beschluss vom 18. August 2006 – L 7 B 481/06 AS ER – JURIS-Dokument Rdnr. 17). Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn wegen des weiteren Haushaltsmitgliedes ein zusätzlicher, bislang noch nicht gedeckter Bedarf entsteht, oder wenn wegen der angewachsenen Personenzahl im Haushalt die vorhandene Wohnungsausstattung oder die vorhandene Haushaltsgeräte in quantitativer oder qualitativer Hinsicht nicht mehr ausreichend sind. Die erstgenannte Konstellation ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Kind geboren wird. Zur Erstausstattung kann zum Beispiel ein Kinderbett gehören (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Juli 2005 – L 3 ER 45/05 AS – FEVS 57, 181 [182] = JURIS-Dokument Rdnr. 14; vgl. auch die Beispiele bei Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 23 Rdnr. 102). Die zweitgenannte Konstellation dürfte auf seltene Ausnahmefälle beschränkt sein. Sie kann zum Beispiel gegeben sei, wenn eine auf einen 1-Personenhaushalt ausgelegte Wohnungsausstattung nach einer Eheschließung für den Bedarf eines 2-Personenhaushaltes nicht ausreicht. Dies könnte dem Kläger vor Augen gestanden haben, als er bei der Antragstellung angab, dass der jetzige Kühlschrank seiner damaligen Freundin für drei Personen zu klein sei. Diese Behauptung blieb allerdings in dieser Allgemeinheit im Raume stehen und wurde von der Klägerseite später nicht weiter verfolgt.
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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