L 3 AL 88/09

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 31 AL 835/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 88/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Soweit in einem Bezirkstarifvertrag darauf abgestellt wird, dass Arbeitnehmer Regelungen aus dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 „in Anspruch nehmen“, ist dies nicht so zu verstehen, dass darunter der tatsächliche Bezug von tarifvertraglichen Leistungen gemeint ist. Ausreichend ist
vielmehr die Inanspruchnahme einer tarifvertraglichen Regelung.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte dem Kläger nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 des Altersteilzeitgesetzes.

Der klagende Landkreis stellte am 7. Mai 2008 bei der Beklagten einen "Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 des Altersteilzeitgesetz" bezüglich seiner in Altersteilzeit wechselnden Arbeitnehmerin B. H. (geb ... 1950) für deren vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2010 währenden Altersteilzeit. Dem Antrag fügte er den Änderungsvertrag vom 28. November 2003 zum Arbeitsvertrag vom 29. Juli 1991 über die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin H. bei. Bezug nehmend auf den Arbeitsvertrag vom 29. Juli 1991 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 15. Mai 1998 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien hierin auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 178; im Folgenden: AltTZG) und auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998 – in der jeweils gültigen Fassung – die Fortführung des Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis ab dem 1. August 2005. Unter § 2 des Änderungsvertrages war vereinbart: "Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt 20,0 Stunden (Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitzeit gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ); sie wird geleistet im Blockmodell." § 3 Abs. 1 des TV ATZ vom 5. Mai 1998 hat folgenden Wortlaut: "Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt die Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitzeit."

Ergänzend hierzu schlossen der Kläger und die Gewerkschaft Ver.di am 18. Dezember 2001 den "Bezirkstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung in Sachsen zur Regelung einer besonderen regelmäßigen Arbeitszeit gem. § 3 Abs. 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 2 zum Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 5. Mai 1998 [gemeint: § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 30. Juni 2000 zum Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit]" (im Folgenden BezirksTV). § 2 BezirksTV (besondere regelmäßige Arbeitszeit) enthält unter anderem folgende Regelungen: "(1) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit i. S. des § 15 Abs. 1 BAT-O / § 14 Abs. 1 BMT-G-O beträgt ausschließlich der Pausen im Zeitraum vom 01.01.2002 – 31.12.2004 38 Wochenstunden. (2) Sollten einzelnen Arbeitnehmer im Geltungszeitraum des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 in seiner jeweils gültigen Fassung Regelungen aus diesem Tarifvertrag in Anspruch nehmen, so gelten für diese Arbeitnehmer als regelmäßige Arbeitszeit i. S. des § 5 Abs. 2 o. g. Tarifvertrages 40 Stunden pro Woche. (3) " Der Bezirkstarifvertrag galt für alle Beschäftigten des Klägers, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem Kläger standen (§ 1 Abs. 1 BezirksTV). Ausgenommen waren Beschäftigte der Eigenbetriebe (§ 1 Abs. 2 BezirksTV). Der Bezirkstarifvertrag war auf die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 befristet (§ 5 Abs. 1 BezirksTV).

Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz ab, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 AltTZG i. V. m. § 6 Abs. 2 AltTZG nicht erfüllt seien. Die Arbeitzeit sei nicht auf die Hälfte der bisherigen Arbeitszeit reduziert worden (vgl. § 6 Abs.2 AltTZG). Zu Grunde zu legen sei höchstens die Arbeitszeit, welche im Durchschnitt der letzten 24 Monate vereinbart gewesen sei. Ausgehend von der tariflich vereinbarten Arbeitszeit von 38 Wochenstunden betrage die hälftige Arbeitszeit 19 Stunden.

Im Widerspruchsschreiben vom 2. Juni 2008 trug der Kläger vor, die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerin H. habe vor Übergang in die Altersteilzeit nicht 38 sondern 40 Stunden betragen. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 BezirksTV. Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 19 Stunden habe die tarifliche Regelung nicht vorgesehen. Gemäß § 1 Abs. 1 BezirksTV gelte dieser für alle Beschäftigten des ... landkreises, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages in einem ungekündigten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem.landkreis gestanden hätten. Im Schriftsatz vom 10. Juli 2008 trug er ergänzend vor, dass selbst dann, wenn man der Argumentation der Beklagten, eine Arbeitzeit von 38 Wochenstunden sei zu Grunde zu legen, folge, habe diese die hälftige wöchentliche Arbeitzeit falsch berechnet. Denn der Bezirkstarifvertrag sei mit dem 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten. Für sieben Monate (die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2005) gelte auf jeden Fall die 40-Stunden-Woche, so dass der Durchschnitt der letzten 24 Monate 38,58 Stunden betrage. Dieses Ergebnis hätte auf 39 Stunden aufgerundet werden dürfen. Die Hälfte davon ergebe 19,5 Stunden, mithin mehr als die geforderten 19 Stunden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zutreffend habe der Kläger eine wöchentliche Arbeitzeit von 38,58 Stunden berechnet. Die vereinbarten 20 Stunden überschritten jedoch die Hälfte. Dies gelte auch dann, wenn die Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden gerundet werden sollte. Die Regelung des § 2 Abs. 2 BezirksTV finde auf die Arbeitnehmerin H. jedoch keine Anwendung, da sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des geänderten Arbeitsvertrages vom 28. November 2003 noch keine Regelung aus dem Tarifvertrag zur Altersteilzeit in Anspruch genommen habe.

Der dagegen am 20. Oktober 2008 erhobenen Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 6. April 2009 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz für die Arbeitnehmerin B. H. anzuerkennen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 AltTZG lägen vor, da der Kläger mit der Arbeitnehmerin H. die Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert habe. Zwar sei eine Halbierung der bisherigen tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerin nicht erfolgt. Sinn und Zweck der §§ 2 und 6 AltTZG sei jedoch, Mitnahmeeffekte, die etwa durch eine Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit vor der Altersteilzeit erfolgen könnten, beim Wechsel aus der bisherigen Arbeitzeit in die Altersteilzeit auszuschließen. Darauf sei es dem Kläger jedoch nicht angekommen. Der Bezirkstarifvertrag sei zur Beschäftigungssicherung abgeschlossen worden. Mit seinem Außerkrafttreten zum 31. Dezember 2004 seien alle Arbeitnehmer zu einer 40-Stunden-Woche zurückgekehrt. Der Tarifvertrag würde, sollte man der Argumentation der Beklagten folgen, im Falle der Arbeitnehmerin H. für die gesamte Altersteilzeit weiter fortgelten, obwohl dies gerade ausgeschlossen sein sollte. Es sei daher nur auf die zuletzt erbrachte Arbeitszeit abzustellen.

Gegen das ihr am 16. April 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. April 2009 Berufung eingelegt. Der Auslegung des Sozialgerichts, nur auf die zuletzt erbrachte Arbeitszeit abzustellen, stünde schon der genaue Wortlaut von § 6 AltTZG entgegen, welcher als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit höchstens den Durchschnitt der letzten 24 Monate ansetze. Der Zeitraum sei hinreichend lang, um Missbräuche durch eine vorübergehende Anhebung der Arbeitszeit zu vermeiden. Mit dieser Pauschalierung habe der Gesetzgeber eine generelle und praktikable Regelung zum Ausschluss von Mitnahmeeffekten schaffen wollen. Eine derartige Generalisierung sei unabhängig vom Einzelfall zulässig und könne nicht bei einer eventuellen Unbilligkeit modifiziert werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig. Die rechtliche Würdigung der Beklagten sei praktisch nicht zu handhaben. Der Bezirkstarifvertrag sei zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten, so dass für alle Mitarbeiter im Geltungsbereich des Bezirkstarifvertrages die 40-Stunden-Woche ab dem 1. Januar 2005 (wieder) gegolten habe. Lediglich die Arbeitnehmerin H. hätte dann nach den Vorstellungen der Beklagten im Rahmen einer 38-Stunden-Woche ihre Verpflichtung als dem Altersteilzeitvertrag erfüllen müssen. Dies würde eine Ungleichbehandlung darstellen und widerspräche dem Nachwirkungsverbot.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes den von der Bundesrepublik Deutschland, der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 einschließlich des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 15. März 1999 und des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 30. Juni 2000 sowie den Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin H. vom 29. Juli 1991 einschließlich der Änderungsverträge vom 19. März 1997, 15. Mai 1998, 17. Juni 2002 und 28. November 2003 zu den Akten genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2008 aufgehoben, da dieser rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Anerkennungsentscheidung.

Das Altersteilzeitgesetz ist in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) maßgebend. Denn gemäß § 15g Satz 1 AltTZG sind die Vorschriften in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung mit Ausnahme des – vorliegend nicht einschlägigen – § 15 AltTZG nur weiterhin anzuwenden, wenn mit der Altersteilzeitarbeit vor dem 1. Juli 2004 begonnen wurde. Diese Ausnahmevoraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Altersteilzeitarbeitsvertrag war zwar bereits am 28. November 2003 geschlossen worden, die Altersteilzeit der Arbeitnehmerin H. begann aber erst am 1. August 2005.

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 AltTZG entscheidet die Agentur für Arbeit auf schriftlichen Antrag des Arbeitgebers, ob die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen nach § 4 AltTZG vorliegen. Die in § 3 AltTZG geregelten Anspruchsvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Die Arbeitnehmerin H. unterfällt auch dem begünstigten Personenkreis, wie er in § 2 AltTZG beschrieben ist. Die am. 1950 geborene Arbeitnehmerin hatte zum Beginn der Altersteilzeitarbeit das 55. Lebensjahr vollendet hat (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG). Sie hatte nach dem 14. Februar 1996 auf Grund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, dem Kläger, bis zu der Zeit, zu der sie eine Rente wegen Alters beansprucht werden konnte, ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit gemindert und war versicherungspflichtig beschäftigt im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG). Schließlich hatte sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG). Die weitergehenden Regelungen in § 2 Abs. 2 und 3 AltTZG, die eine Vereinbarung über die Altersteilzeitarbeit mit unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit voraussetzen, sind vorliegend nicht einschlägig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Arbeitnehmerin auch entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit gemindert.

§ 6 Abs. 2 AltTZG bestimmt, welche wöchentliche Arbeitszeit als bisherige zu Grunde zu legen ist. Die hier maßgebende, ab 1. Juli 2004 geltende Fassung lautet: "Als bisherige wöchentliche Arbeitszeit ist die wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war. Zugrunde zu legen ist höchstens die Arbeitszeit, die im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbart war. Die ermittelte durchschnittliche Arbeitszeit kann auf die nächste volle Stunde gerundet werden."

Mit der Arbeitnehmerin H. war gemäß § 1 des Arbeitsvertrages vom 29. Juli 1991 eine Vollbeschäftigung mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40,0 Stunden vereinbart. Die im Änderungsvertrag vom 15. Mai 1998 vereinbarte Verkürzung dieser Arbeitszeit auf 92,5 Prozent war bis zum 31. Dezember 1998 befristet. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 29. Juli 1991 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie den den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträgen. Auf Grund von § 2 Abs. 1 BezirksTV war die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 grundsätzlich auf 38 Wochenstunden herabgesetzt. Für die Arbeitnehmerin H. galt aber die Ausnahmeregelung aus § 2 Abs. 2 BezirksTV, weil sie Regelungen aus dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 in seiner jeweils gültigen Fassung in Anspruch nahm. So erhielt sie gemäß § 3 Abs. 2 des Änderungsvertrages vom 28. November 2003 unter anderem Aufstockungsleistungen nach Maßgabe von § 5 TV ATZ. Aus § 2 Abs. 2 BezirksTV ergibt sich aber, dass auch für die Arbeitnehmerin H. 40 Stunden pro Woche als regelmäßige Arbeitszeit galten. Folgerichtig bestimmte dann der Änderungsvertrag vom 28. November 2003 auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes und des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des Bezirkstarifvertrages die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden. Dies entsprach bei der Arbeitnehmerin H. der Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG.

Soweit in § 2 Abs. 2 BezirksTV darauf abgestellt wird, dass Arbeitnehmer Regelungen aus dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 "in Anspruch nehmen", ist dies entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so zu verstehen, dass darunter der tatsächliche Bezug von tarifvertraglichen Leistungen gemeint ist. Zum einen hat die Arbeitnehmerin H. bereits mit dem Abschluss des Änderungsvertrags vom 28. November 2003 Regelungen aus diesem Tarifvertrag in Anspruch genommen. Denn sie hat sich ihre Ansprüche auf Altersteilzeitarbeit aus diesem Tarifvertrag gesichert, mithin eine Anwartschaft auf den daraus resultierenden gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente erworben. Diese Anwartschaft konnte nicht einseitig von einem der Vertragspartnern rückgängig gemacht werden. Das sie diese erst später, nämlich ab 1. August 2005, eingelöst hat und sowohl der Kläger als auch die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt zur Gewährung der sich aus dem Altersteilzeitgesetz und dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit ergebenden Leistungen verpflichtet waren, führt nicht zu der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung. Zum anderen würde in der Auslegung der Beklagten die Regelung in § 2 Abs. 2 BezirksTV ihr Ziel verfehlen. Die Herabsetzung der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in § 2 Abs. 1 BezirksTV sollte der Beschäftigungssicherung beim Kläger dienen. Arbeitsnehmern, die von der Möglichkeit der Altersteilzeit Gebrauch machen wollten, sollte allerdings dadurch kein Nachteil entstehen. Aus diesem Grund wurde die Sonderregelung in § 2 Abs. 2 BezirksTV geschaffen. Das mit dieser Sonderregelung verfolgte Ziel kann aber im Hinblick auf die Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG i. V. m. § 6 Abs. 2 AltTZG sowie den Regelungen über die Entgelt- und Leistungsberechnung nur erreicht werden, wenn die in § 2 Abs. 2 BezirksTV vereinbarten höheren Wochenarbeitszeiten bereits ab dem Abschluss der Altersteilzeitarbeitsvertrages greifen. Wenn hingegen die Regelung in § 2 Abs. 2 BezirksTV über die Geltung der regulären Arbeitszeit erst am dem Zeitpunkt greifen würde, zu dem die die Altersteilzeitarbeit tatsächlich beginnt, hier am 1. August 2005, würde sie letztlich ins Leere gehen.

Mit der Arbeitnehmerin H. war somit (fast) durchgängig im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor Übergang in die Altersteilzeit, das heißt vom 1. August 2003 bis zum 31. Juli 2005, eine 40-Stunden-Woche vereinbart. Im Einzelnen ergeben sich folgende Wochenarbeitszeiten: - vom 1. August 2003 bis zum 27. November 2003 ( 4 Monate) eine 38-Stunden-Woche gemäß § 2 Abs. 1 BezirksTV, - vom 28. November 2003 bis 31. Dezember 2004 (13 Monate) eine 40-Stunden-Woche gemäß § 2 Abs. 2 BezirksTV und - vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2005 (7 Monate) in Folge des Außerkrafttretens des Bezirkstarifvertrages eine 40-Stunden-Woche gemäß BAT-O i. V. m. der einzelvertraglichen Regelung einer Vollbeschäftigung. Es ergibt sich mithin eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 39,67 Stunden (= [20 Monate x 40 Stunden] + [4 Monate x 38 Stunden] = 952 Stunden/Monat: 24 Monate). Die Rundungsregelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 AltTZG führt somit zu einer wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden.

Einer teleologischen Auslegung der § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 AltTZG, wie die das Sozialgericht vorgenommen hat, bedarf es daher nicht. Denn es ergibt sich, wie ausgeführt, allein schon aus der Festlegung der vereinbarten Arbeitzeit, dass der Kläger den Durchschnitt der in den letzten 24 Monaten vor Übergang in die Altersteilzeit vereinbarten wöchentlichen Arbeitzeit mit 40 Stunden zutreffend angesetzt hat.

Da die Arbeitnehmerin H. somit die Voraussetzungen des § 2 und 3 AltTZG erfüllt, hat die Beklagte Leistungen nach § 4 AltTZG zu gewähren.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG. Der Kläger ist Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG, da er von der Beklagten Leistungen nach dem § 4 AltTZG verlangt und dies Sozialleistungen nach § 19b des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) sind (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2007 – B 11a AL 9/06 RSozR 4-4170 § 2 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 24, m. w. N.; Leitherer; in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 183 Rdnr. 6).

III. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem beim Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht Hausanschrift: Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, Postanschrift: 34114 Kassel einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht vom 18.12.2006 (BGBl. I S. 3219) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist; nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite des Bundessozialgerichts und auf der Internetseite "http://www.egvp.de/".

Die Einlegung der Beschwerde durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.

Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen.

Als Prozessbevollmächtigte sind zugelassen

1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form (s. o.) zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen unter I Nrn. 2 bis 7) genannten Bevollmächtigten vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form (s. o.) einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden. Der ausgefüllte Vordruck und Anlagen können eingescannt und in elektronischer Form (s. o.) eingereicht werden.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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