L 7 SO 41/12 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SO 2/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 41/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozessrecht, Rechtswegbeschwerde

§ 98 Satz 2 SGG findet auf Rechtswegverweisungen keine Anwendung, sondern die Beschwerde ist gemäß §§ 202, 172 Abs. 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft.
I. Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 1. März 2012 wird aufgehoben.

II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers und Beschwerdeführers (im Folgenden: Kläger) hat am 07.01.2009 beim Sozialgericht Leipzig Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beklagte) vom 30.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 aufzuheben und an den Kläger 6.088,98 EUR zuzüglich verlustiger Zinsen und Überschussanteile seit dem 01.08.2004 zu leisten. Er begehre die Nachzahlung der Hilfen zum Lebensunterhalt für den Zeitraum 27.07.2004 bis 31.12.2004 oder ersatzweise die Erstattung des Guthabens in der genannten Höhe aus der überflüssigerweise verbrauchten privaten Rentenversicherung. In der Folge teilte der Prozessbevollmächtigten mit, dem Kläger sei ein Geldschaden entstanden, weil ihm vorübergehend andere Sozialleistungen vorenthalten geblieben seien.

Am 25.11.2011 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt hat, dass der Kläger ab 2005 als Aufstocker Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten habe. Er sei Eisverkäufer und demzufolge saisonabhängig tätig gewesen. Die Lebensversicherung sei seine einzige Altersvorsorge gewesen, weil er selbständig gewesen sei. Er sei lange nach dem hier beantragten Zeitraum noch bedürftig gewesen. Mit gerichtlicher Verfügung vom 17.01.2012 ist darauf hingewiesen worden, dass der Sache nach ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werde, so dass beabsichtigt sei, den Rechtstreit an das zuständige Landgericht Leipzig zu verweisen. Die Beklagte ist mit der Verweisung einverstanden gewesen. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat sich zunächst nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 01.03.2012 hat das Sozialgericht den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Leipzig verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 05.03.2012, beim Sozialgericht Leipzig am 07.03.2012 eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Klageantrag geändert und nunmehr beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.976,15 EUR Sozialhilfe für den Zeitraum August bis Dezember 2004 zuzüglich Zinsen seit dem 13.09.2008 in Höhe von 5 Basispunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Der Kläger mache keinen Schadensersatzanspruch geltend, sondern begehre eine Überprüfung des damaligen Ablehnungsbescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil er damals keine Einkünfte und kein verwertbares Vermögen gehabt habe, so dass er monatliche Ansprüche nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Höhe von 795,23 EUR gehabt habe. Die Lebensversicherung habe zum Schonvermögen nach § 88 BSHG gehört.

Gegen den ihm am 07.03.2012 zugestellten Verweisungsbeschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 10.04.2012, dem Dienstag nach Ostern, Beschwerde eingelegt, weil der Kläger keine Amtshaftungsansprüche, sondern Ansprüche nach BSHG geltend mache, die erst nach vier Jahren verjährten. Den geltend gemachten Anspruch habe er mit Schreiben vom 05.03.2012 konkretisiert.

Der Kläger beantragt

zu erkennen, dass das Sozialgericht Leipzig in erster Instanz das für den Streitfall zuständige Gericht ist und die Verweisung an das Landgericht Leipzig zurückzunehmen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Auf Nachfrage des Senats, ob nur noch die mit Schreiben vom 05.03.2012 am 07.03.2012 geänderte Klage weiterverfolgt werde, wobei die Prüfung der Zulässigkeit der Klageänderung dem Sozialgericht obliege, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 25.06.2012 mitgeteilt, dass nicht der ursprüngliche Klageantrag, sondern nur noch die geänderte Klage vom 05.03.2012 weiterverfolgt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Der Senat kann gemäß § 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch die Berichterstatterin als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Beschwerde nach §§ 202, 172 Abs. 1, 173 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist zulässig. Zutreffend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass § 98 Satz 2 SGG nur auf Verweisungen wegen sachlicher oder örtlicher (und entsprechend instanzieller) Zuständigkeit innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit Anwendung findet (vgl. Hk-SGG/Roller, 4. Aufl. 2012, § 98 RdNr. 5). Denn für Rechtswegentscheidungen beruht die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 17 bis 17b GVG auf § 202 SGG (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 08.11.2004 – L 6 SF 2/04, RdNr. 7; LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2000 – L 10 B 3/00 V, RdNr. 1; LSG Berlin, Beschluss vom 31.03.1992 – L 2 An-S 110/91, 1. Leitsatz; alle zitiert nach Juris).

Die Beschwerde ist auch begründet, denn der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist für das vom Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 05.03.2012 konkretisierte Begehren des Klägers zuständig. Damit wurde ausdrücklich geltend gemacht, im Wege einer Überprüfung nach § 44 SGB X den die Gewährung von Sozialhilfe nach dem damaligen BSHG ablehnenden Bescheid vom 30.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für den Zeitraum ab 01.08.2004 wegen dieses Bescheides unterlassene Sozialhilfeleistungen an den Kläger nachzuzahlen, ihm also entgegen der früheren Behördenentscheidung ab 01.08.2004 Sozialhilfe zu gewähren. Die Regelung des § 44 SGB X zur rückwirkenden Korrektur bestandskräftiger (ggf. rechtswidriger) Leistungsablehnungen findet im Leistungsrecht der Sozialhilfe auch grundsätzlich Anwendung und für Entscheidungen hierüber sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 16/08 R – m.w.N.), nicht etwa die früher für die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen nach BSHG zuständigen Verwaltungsgerichte. Mit seinem Schreiben vom 05.03.2012 und auf Nachfrage des Senats am 25.06.2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausdrücklich klargestellt, dass entgegen früherer Formulierungen gerade kein Schadensersatz wegen der damaligen Leistungsablehnung begehrt werde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigten des Klägers erst nach Erlass des Verweisungsbeschlusses vom 01.03.2012 und ausdrücklich erst auf Nachfrage des Senats am 25.06.2012 klarstellend erklärt hat, dass kein Schadensersatz (mehr) begehrt werde. Denn für etwaigen Schadensersatz wegen etwaiger Amtspflichtverletzung wäre tatsächlich das Landgericht Leipzig zuständig gewesen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Wagner
Rechtskraft
Aus
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