L 7 AS 625/10 NZB

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 35 AS 4415/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 625/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Rechtsanwalt kann im Widerspruchsverfahren eine Erledigungsgebühr beanspruchen, wenn er
präsente oder neue, bisher nicht bekannte Beweismittel unaufgefordert vorlegt.

2. Legt ein Rechtsanwalt nach (mehrfacher) Aufforderung der Behörde die von dieser konkret benannten
Beweismittel vor, trägt er lediglich den Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten gem. § 60 Abs. 1 Nr. 3
SGB I Rechnung. Eine unaufgeforderte Vorlage ist nicht gegeben.
I. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Zulassung der Berufung. In der Hauptsache war die Erstattung von Kosten der anwaltlichen Vertretung im Widerspruchsverfahren streitig.

Die Klägerinnen zu 1, 2 und 3 bezogen für den Zeitraum vom 01.03.2008 bis 31.08.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), welche ihnen der Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2008 bewilligte.

Am 18.02.2008 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1 auf, Nachweise über ihr Vermögen im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bis zum 06.03.2008 vorzulegen, da durch einen Datenabgleich bekannt geworden sei, dass die Klägerinnen Einkommen aus Kapitalvermögen erzielt haben.

Diese Nachweise legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 05.03.2008 dem Beklagten vor. Daraus ergab sich, dass der Klägerin zu 1 im Jahre 2006 mehrere Geldzahlungen ihrer Eltern zugeflossen sind.

Der Beklagte hob mit Bescheid vom 18.03.2008 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung vom 01.03.2008 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit auf. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerinnen, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 zurückwies.

Die Klägerin zu 1 beantragte am 21.04.2008 für sich und ihre beiden mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder erneut die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Am 05.05.2008 und 06.06.2008 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1 unter Fristsetzung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I auf, Angaben zum Verbleib der zugeflossenen Geldsummen zu machen, da der Verbleib des vor Antragstellung abgehobenen Geldes unklar sei.

Der Bevollmächtigte der Klägerinnen nahm mit Schreiben vom 30.05.2008. Das den Klägerinnen zugeflossene Geld seien zinslose Darlehenszahlungen der Eltern und Großeltern gewesen, die zur Überbrückung einer Notsituation, insbesondere zur Abzahlung der Schulden für das selbstbewohnte Eigenheim, gedient hätten. Dieses Geld sei zwischenzeitlich teilweise an die Großeltern bzw. Eltern zurückgezahlt worden.

Mit Bescheid vom 03.07.2008 versagte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen ab 25.03.2008. Trotz Aufforderungen des Beklagten vom 05.05.2008 und 06.06.2008 seien keine Angaben/Nachweise zum Verbleib des Vermögens gemacht worden.

Im hiergegen gerichteten Widerspruchsschreiben vom 11.07.2008 wies der Bevollmächtigte der Klägerinnen darauf hin, dass das Guthaben auf den Konten teilweise aus Darlehenszahlungen der Eltern und Großeltern resultiere. Der Bevollmächtigte legte ein Schreiben des Vaters der Klägerin, D K , vor, in dem dieser die Rückzahlung eines zinslosen Darlehens i.H.v. 5.100,00 EUR bestätigte.

Am 17.07.2008 richtete der Beklagte erneut ein Schreiben an den Bevollmächtigten der Klägerinnen und wies daraufhin, dass ein Darlehen zwischen der Klägerin zu 1 und ihren Eltern und Großeltern bislang nicht glaubhaft gemacht sei. Die Hilfebedürftigkeit sei vom Hilfebedürftigen konkret nachzuweisen. Der Nachweis müsse umfassen, seit wann, zwischen wem und in welcher Höhe ein Darlehensvertrag bestanden habe. Zudem seien der Rückzahlungszeitpunkt, die Höhe der Zahlungen und der Zahlungsempfänger glaubhaft zu machen. Für den Fall, dass keine entsprechenden Beweismittel (Kontoauszüge) zur Verfügung stünden, bestehe die Möglichkeit der Glaubhaftmachung durch Versicherungen an Eides Statt (§ 23 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Der Beklagte bat um zeitnahe Vorlage der Nachweise.

Mit Schreiben vom 22.07.2008 antwortete der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen. Die Klägerin zu 1 habe im März 2006 ein Darlehen zur Überbrückung von Zahlungsschwierigkeiten von D K erhalten. Ferner sei den Klägerinnen zu 2 und 3 am 11.04.2006 jeweils ein Darlehen i.H.v. 4.800,00 EUR gewährt worden. Die Klägerin zu 1 habe ihrem Vater einen Betrag i.H.v. 5.000,00 EUR zurückgezahlt. Dieser habe am 11.07.2008 einen Teilbetrag auf sein Bankkonto eingezahlt. Mit dem Restbetrag finanziere er der Klägerin zu 1 Aufwendungen für Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. vierteljährlich 1.038,00 EUR. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen legte den Darlehensvertrag vom 06.03.2006, eine Kopie einer Einzahlungsbestätigung bei der Dresdner Bank i.H.v. 10.000,00 EUR durch D und S K und die eidesstattliche Versicherung der Klägerin zu 1 über ihre aktuellen Vermögensverhältnisse sowie die eidesstattliche Versicherung von D K über die Darlehensgewährung und Rückzahlung vor.

Der Beklagte hob mit Abhilfebescheid vom 13.08.2008 den Versagungsbescheid vom 03.07.2008 auf und bewilligte den Klägerinnen Leistungen für den Zeitraum von 25.03.2008 bis 31.08.2008. Er erklärte sich zudem bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen.

Am 15.08.2008 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen die Erstattung folgender Kosten für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens gelten: - Geschäftsgebühr nach Nrn. 2400, 1008 Vergütungsverzeichnis (VV) RVG erhöht um 60 % wegen drei Auftraggeberinnen 384,00 EUR - Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG 280,00 EUR - Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme netto: 684,00 EUR - Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 19 % 129,96 EUR Gesamtbetrag: 813,96 EUR

Der Beklagte wies am 14.11.2008 darauf hin, eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen entgegnete, ein förmlicher Abhilfebescheid hindere das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht. Im Übrigen habe er einen wesentlichen Beitrag zur Erledigung geleistet, der über das, was im Rahmen der Geschäftsgebühr abzugelten sei, hinausgehe.

Der Beklagte erkannte mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 10.03.2009 im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Gebühren und Auslagen i.H.v. 480,76 EUR an. Dabei ging er von einer Geschäftsgebühr i.H.v. 384,00 EUR, einer Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 EUR sowie einer Mehrwertsteuer i.H.v. 76,76 EUR aus. Die beantragte Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da mehr als einfache Kausalität zwischen Tätigwerden und Erfolg zu verlangen sei. Zwar habe der Bevollmächtigte Unterlagen vorgelegt, die zur Bewilligung von Leistungen geführt hätten. Dabei habe es sich jedoch um Unterlagen gehandelt, die jeder Hilfebedürftige zum Nachweis seiner Hilfebedürftigkeit zu erbringen habe. Bereits durch die Aufforderungsschreiben vom 05.05.2008 und 06.06.2008 habe der Beklagte auf deren Vorlage bestanden. Im Übrigen seien die Unterlagen aufgrund des Hinweises des Beklagten vom 12.07.2008 vorgelegt worden. Den Widerspruch der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2009 zurück.

Die Klägerinnen haben ihr Begehren mit der am 13.08.2009 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt. Das SG hat mit Urteil vom 25.08.2010 die Klage abgewiesen. Die Klägerinnen hätten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB X keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG komme bei einer "Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Beitragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG)" in Betracht. Nach den amtlichen Erläuterungen zu Nr. 1002 Satz 1 VV RVG setze diese Vorschrift voraus, dass "sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt". Dem stehe nach Satz 2 gleich, dass "sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt". Nach nunmehriger gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 07.11.2006 – B 1 KR 13/06 R, vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 5/07 R und vom 05.05.2009 – B 13 R 137/08 R) entstehe eine Erledigungsgebühr regelmäßig dann, wenn sich der Widerspruch u.a. durch Aufhebung des mit der Klage angefochtenen Verwaltungsaktes oder Erlass des begehrten Verwaltungsaktes durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Nach der Systematik, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm solle mit der Erledigungsgebühr das erfolgreiche, besondere Bemühen eines Rechtsanwalts eine möglichst weitgehende Herstellung von Rechtsfrieden ohne gerichtliche Sachentscheidung und die damit verbundene Entlastung des Gerichts honoriert werden. Die vom BSG geforderten Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Erledigungsgebühr lägen hier nicht vor. Zwar habe der Beklagte dem Widerspruch abgeholfen und einen Abhilfebescheid erlassen. Dies sei jedoch nicht aufgrund besonderer anwaltlicher Mitwirkung geschehen. Denn es sei nicht ausreichend, wenn der Anwalt den Widerspruch einlege und begründe, präsente Beweismittel vorlege und an Ermittlungen mitwirke. Ebenso wenig genüge die besonders eingehende Begründung der Klage. Für den Anfall der Erledigungsgebühr genüge deshalb allein der Umstand, dass es überhaupt zu einer unstreitigen Erledigung der Rechtssache unter Mitwirkung des Anwalts gekommen sei, nicht. Auch verfange das von der Klägerseite vorgebrachte Argument, dass sich der Beklagte des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen zur Erledigung des Vorverfahrens bedient habe, nicht. Denn von einem gewissenhaften, sorgfältig und gründlich das Vorverfahren betreibenden Rechtsanwalt werde erwartet, dass er bei weiterer Begründung des Widerspruchs den Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten Rechnung trage und daher i.d.R. alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel angebe bzw. den Leistungsträger auf bereits vorliegende Beweismittel hinweise. Es werde von ihm erwartet, dass er präsente Beweismittel nicht nur bezeichne, sondern auch (unaufgefordert) vorlege, wenn diese ohne größeren Aufwand nur vervielfältigt werden müssten. Im Übrigen habe sich auch nicht der Beklagte seiner Person "bedient", sondern die Klägerinnen selbst. Im konkreten Fall habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen auch nicht unaufgefordert Unterlagen vorgelegt. Hinsichtlich des Darlehenvertrages sei festzustellen, dass die Klägerinnen diesen auch von sich aus hätten vorlegen können. Der Vorlage seien zudem zwei Aufforderungen durch den Beklagten und ein weiteres qualifizierten Hinweisschreiben des Beklagten vorausgegangen, mit welchen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen die konkrete Vorgehensweise zur Beilegung des Rechtsstreits vorgegeben und erläutert worden sei. Zwar habe der Prozessbevollmächtigte am 16.07.2008 auf Nachfrage des Beklagten zunächst mitgeteilt, dass keine schriftlichen Nachweise für die Darlehensgewährung vorliegen würden, um diese sodann am 22.07.2008 trotzdem bei dem Beklagten einzureichen. Deren Richtigkeit unterstellt, hätten diese Beweismittel gleichwohl seit dem Jahre 2006 existiert und seien demnach präsente Beweismittel gewesen. Nicht anders verhalte es sich mit den beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen, insbesondere der des D K. Auch diese eidesstattlichen Versicherungen seien nicht unaufgefordert vorgelegt worden. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 31.08.2010 zugestellte Urteil hat dieser am 30.09.2010 Nichtzulassungsbeschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Er habe im Widerspruchsverfahren Ermittlungen angestellt. Er habe Beweismittel neu beschafft und diese im Vorverfahren vorgelegt. Es sei dem Beklagten selbst möglich gewesen, sich diese Beweismittel zu verschaffen. Die Entscheidung des SG weiche vom Urteil vom BSG vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 3/07 R ab. Die Berufung sei daher wegen Divergenz zuzulassen. Im besagten Urteil habe das BSG entschieden, dass lediglich präsente Beweismittel unaufgefordert vorzulegen seien. Zudem sei die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage "Ist von einer anwaltlichen Mitwirkung i.S.d. Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG auszugehen, wenn ein Beweismittel auf Initiative des Rechtsanwalts erstellt und sodann dem jeweiligen Leistungsträger vorgelegt wird, auch wenn das Erstellen und die Vorlage des Beweismittels erst aufgrund eines Hinweises des Leistungsträgers erfolgte?" zuzulassen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.08.2010 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beklagte erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Zulassungsgründe lägen nicht vor. Das SG sei nicht von dem Urteil des BSG vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 3/07 R abgewichen. Nach der Rechtssprechung des BSG falle eine Erledigungsgebühr lediglich dann an, wenn neue Beweismittel unaufgefordert vom Rechtsanwalt beschafft würden.

Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

II.

Die zulässige Beschwerde der Klägerinnen ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 25.08.2010 die Berufung nicht zugelassen.

Die Berufung bedarf vorliegend gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 446) der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 333,20 EUR (813,96 EUR beantragte Auslagen und Gebühren abzüglich 480,76 EUR gewährter Auslagen und Gebühren) 750,00 EUR nicht übersteigt. Auch betrifft der Rechtsstreit nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist vorliegend nicht zuzulassen. Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die Entscheidung des SG weicht nicht vom Urteil des BSG vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 3/07 R, zitiert nach Juris, RdNrn. 15 ff. ab. Das BSG hat im genannten Urteil entschieden:

Tenor:

"Der 1. Senat des BSG hat am 7.11.2006 in mehreren Verfahren (B 1 KR 23/06 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; B 1 KR 22/06 R; B 1 KR 13/06 R) entschieden, dass ein Rechtsanwalt für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid dann eine Erledigungsgebühr verlangen kann, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Nr. 1002 (Satz 2) VV RVG komme es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mitwirkung des Anwalts an. Auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte erforderten eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten werde. Dieser Rechtsprechung hat sich der 11a. Senat mit Urteil vom 21.3.2007 (B 11a AL 53/06 R) angeschlossen. Entgegen der Auffassung des LSG liegt im vorliegenden Fall keine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende, besondere Tätigkeit im Sinne einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des Rechtsanwalts vor, die ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid war. Denn die Bevollmächtigten der Klägerin haben den Widerspruch nur eingelegt und begründet. Soweit sie zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen (hier einer Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung einer Schwerbehinderung rechtfertigt) als präsentes Beweismittel (unaufgefordert) ein als Urkunde (vgl. § 21 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB X; §§ 415 ff ZPO) zu verwertendes, in einem anderen Verfahren erstelltes Privatgutachten vorgelegt haben, haben sie dem Beklagten damit zwar weitere Ermittlungen erspart (§ 20 Abs 1, § 21 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X). Mit der Vorlage dieser Urkunde haben sie sich aber noch im Rahmen der ihrer Mandantin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X; § 60 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I) gehalten. Ein Rechtsanwalt, der nach § 43 Abs 1 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung verpflichtet ist, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben, hat bei der Begründung des Widerspruchs den Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten Rechnung zu tragen und daher in der Regel alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben ( § 21 Abs 2 Satz 2 SGB X; § 60 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I. Zwar sind nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I (u.a. präsente) Beweismittel nur auf Verlangen vorzulegen. Von einem gewissenhaft, sorgfältig und gründlich das Vorverfahren betreibenden Rechtsanwalt kann jedoch erwartet werden, dass er präsente Beweismittel nicht nur bezeichnet, sondern auch (unaufgefordert) vorlegt, wenn diese ohne größeren Aufwand - wie hier - nur vervielfältigt werden müssen. Gebührenrechtlich wird diese anwaltliche Tätigkeit bereits mit der Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten nach Nr. 2500 VV RVG (in der bis zum 1.7.2006 geltenden Fassung des Art 3 KostRMoG) sowie mit der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG abgegolten. Der Ansatz einer weiteren gleich hohen Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG ist u.a. erst dann gerechtfertigt, wenn der Rechtsanwalt die Beweismittel neu beschafft (beschaffen lässt) und diese dann im Vorverfahren vorlegt (beibringt)."(vgl. auch BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 137/08 R, zitiert nach Juris, RdNr. 18).

Im Urteil vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 5/07 R, zitiert nach Juris, RdNrn. 15 ff. hat das BSG ausgeführt: "Entgegen der Auffassung des LSG liegt im vorliegenden Fall eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts vor, die ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid war. Denn die Bevollmächtigten des Klägers haben den Widerspruch nicht nur eingelegt und begründet, sondern darüber hinaus zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen (hier einer Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB von 60 rechtfertigt) unaufgefordert neue Beweismittel beigebracht, nämlich auf ihre Veranlassung neu erstattete Befundberichte vorgelegt. Diese erst im Vorverfahren im Auftrag des Klägers erstellten ärztlichen Unterlagen hat der Beklagte als Urkunden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB X; §§ 415 ff. ZPO) verwertet. Mit der Vorlage dieser selbst beschafften Urkunden hat der Bevollmächtigte des Klägers den Rahmen der seinem Mandanten obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB X; § 60 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I) überschritten.

Ein Rechtsanwalt, der nach § 43 Abs 1 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung verpflichtet ist, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben, hat zwar bei der Begründung des Widerspruchs den Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten Rechnung zu tragen und daher in der Regel alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben (§ 21 Abs. 2 Satz 2 SGB X; § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I). Dazu gehört auch, dass er präsente Beweismittel (unaufgefordert) vorlegt, wenn diese ohne größeren Aufwand nur vervielfältigt werden müssen. Diese anwaltliche Tätigkeit wird mit der Geschäftsgebühr nach Nr. 2500 VV RVG (in der bis zum 1.7.2006 geltenden Fassung des Art 3 KostRMoG) sowie der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG auch dann abgegolten, wenn die vorgelegten Beweismittel zu einer Abhilfeentscheidung geführt haben (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 9/9a 3/07 R). Zu den Mitwirkungsobliegenheiten im sozialrechtlichen Vorverfahren gehört es jedoch nicht, selbst Beweismittel zu beschaffen oder erstellen zu lassen. Es kann deshalb auch von einem gewissenhaft, sorgfältig und gründlich das Vorverfahren betreibenden Rechtsanwalt nicht ohne Weiteres erwartet werden, dass er seinen Mandanten dazu veranlasst, sich ärztliche Befundberichte erstatten zu lassen, und diese dann im Vorverfahren vorlegt. Tut er es dennoch, steht ihm eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG zu, wenn diese Mitwirkungshandlung zum Erfolg führt, also ursächlich dafür ist, dass die Behörde dem Begehren des Widerspruchsführers ganz oder teilweise abhilft."

Das BSG hat im Urteil vom 09.12.2010 – B 13 R 63/09 R, zitiert nach Juris, RdNr. 27 Folgendes entschieden:

Tenor:

"Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt z.B. vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel im Widerspruchsverfahren beibringt (z.B. neu erstattete Befundberichte, vgl. BSG SozR 4-1935 VV Nr. 1002 Nr. 1 RdNr. 15). Anders verhält es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X), deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Geschäftsgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten ist (vgl. BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr. 16 f; vgl. auch BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr. 22)."

Nach der Rechtssprechung des BSG müssen – um eine Erledigungsgebühr beanspruchen zu können – präsente oder neue, bisher nicht bekannte Beweismittel unaufgefordert vorgelegt werden. Dies hat das BSG im von den oben zitierten Entscheidungen zuletzt ergangenen Urteil vom 09.12.2010 – B 13 R 63/09 R (RdNr. 27) ausdrücklich entschieden. Legt der Rechtsanwalt nach (mehrfacher) Aufforderung des Beklagten die von diesem konkret benannten Beweismittel vor, trägt er lediglich den Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten gem. § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I Rechnung (vgl. BSG, Urteil vom 02.10.2008, a.a.O.). Eine unaufgeforderte Vorlage ist nicht gegeben. Von den genannten Urteilen, die im Zusammenhang zu lesen sind, weicht die Entscheidung des SG nicht ab.

Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 RdNr. 28).

Die vom Prozessbevollmächtigen der Klägerinnen aufgeworfene Rechtsfrage "Ist von einer anwaltlichen Mitwirkung i.S.d. Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG auszugehen, wenn ein Beweismittel auf initiative des Rechtsanwalt erstellt und sodann den jeweiligen Leistungsträger vorgelegt wird, auch wenn das Erstellen und die Vorlage des Beweismittels erst aufgrund eines Hinweises des Leistungsträgers erfolgte?" hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Das BSG hat im Urteil vom 09.12.0010 – B 13 R 63/09 R (RdNr. 27) ausdrücklich entschieden, dass eine qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründete Tätigkeit im Sinne der Nrn. 1005 i.V.m. 1002 VVRVG lediglich vorliegt, wenn unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel im Widerspruchsverfahren durch den Rechtsanwalt vorgelegt werden. Geschieht die Vorlage nach einer konkreten Aufforderung durch den Beklagten, trägt der Rechtsanwalt lediglich den Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten Rechnung. Von einer unaufgeforderten Vorlage ist nicht auszugehen.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Das Urteil des SG ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.

Dr. Anders Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht
Rechtskraft
Aus
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