Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AS 5220/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird ein Leistungsbezieher nach dem SGB II regelmäßig von seinem leiblichen minderjährigen Kind besucht, das überwiegend beim anderen Elternteil lebt, steht dem Leistungsbezieher kein Anspruch auf Erhöhung der Regelleistung, auf Leistungen nach der „Härtefallklausel“ im Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (Az. 1 BvL 1/09. 3/09 und 4/09), nach § 73 SGB XII oder nach § 23 Abs. 1 SGB II zur Bestreitung der Lebensunterhaltskosten seines Kindes zu. Ein solcher Anspruch kann im Rahmen der so genannten „temporären Bedarfsgemeinschaft“ allenfalls dem Kind selbst zustehen.
2. Wird ein Leistungsbezieher nach dem SGB II regelmäßig von seinem leiblichen minderjährigen Kind besucht, das überwiegend beim anderen Elternteil lebt, kann dem Leistungsbezieher ein höherer Anspruch auf angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zustehen als einem gewöhnlichen Alleinstehenden. Voraussetzung hierfür ist eine gewisse Regelmäßigkeit und zeitliche Erheblichkeit der Anwesenheit des Kindes, im Sinne eines echten zeitweisen „Mitlebens“ im Haushalt und in Abgrenzung zu lediglichen punktuellen Besuchen (bejaht für Aufenthalt von jährlich 97 Tagen bei Besuchsdauer von jeweils mindestens zwei Tagen/zwei Übernachtungen). Ein zeitlich überwiegender Aufenthalt beim Leistungsbezieher im Vergleich zum anderen Elternteil (mehr als 182 Tage/Jahr) ist nicht erforderlich.
3. Der Anspruch auf höhere angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II bei regelmäßigem und zeitlich erheblichem Aufenthalt eines Kindes beim Leistungsbezieher ist pauschal durch die Zuerkennung der Hälfte der einer weiteren Person zustehenden Wohnfläche (hier: 7,5 qm) zu berechnen.
4. Der Anspruch auf höhere angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II bei regelmäßigem und zeitlich erheblichem Aufenthalt eines Kindes beim Leistungsbezieher ist ein Anspruch des Leistungsbeziehers selbst und nicht des Kindes, da der Leistungsbezieher den größeren Wohnraum laufend vorhalten muss. Die Grundsätze zur „temporären Bedarfsgemeinschaft“ im Hinblick auf die Regelleistung sind auf die Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht übertragbar; insbesondere ist Bedürftigkeit des Kindes nach dem SGB II keine Anspruchsvoraussetzung
2. Wird ein Leistungsbezieher nach dem SGB II regelmäßig von seinem leiblichen minderjährigen Kind besucht, das überwiegend beim anderen Elternteil lebt, kann dem Leistungsbezieher ein höherer Anspruch auf angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zustehen als einem gewöhnlichen Alleinstehenden. Voraussetzung hierfür ist eine gewisse Regelmäßigkeit und zeitliche Erheblichkeit der Anwesenheit des Kindes, im Sinne eines echten zeitweisen „Mitlebens“ im Haushalt und in Abgrenzung zu lediglichen punktuellen Besuchen (bejaht für Aufenthalt von jährlich 97 Tagen bei Besuchsdauer von jeweils mindestens zwei Tagen/zwei Übernachtungen). Ein zeitlich überwiegender Aufenthalt beim Leistungsbezieher im Vergleich zum anderen Elternteil (mehr als 182 Tage/Jahr) ist nicht erforderlich.
3. Der Anspruch auf höhere angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II bei regelmäßigem und zeitlich erheblichem Aufenthalt eines Kindes beim Leistungsbezieher ist pauschal durch die Zuerkennung der Hälfte der einer weiteren Person zustehenden Wohnfläche (hier: 7,5 qm) zu berechnen.
4. Der Anspruch auf höhere angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II bei regelmäßigem und zeitlich erheblichem Aufenthalt eines Kindes beim Leistungsbezieher ist ein Anspruch des Leistungsbeziehers selbst und nicht des Kindes, da der Leistungsbezieher den größeren Wohnraum laufend vorhalten muss. Die Grundsätze zur „temporären Bedarfsgemeinschaft“ im Hinblick auf die Regelleistung sind auf die Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht übertragbar; insbesondere ist Bedürftigkeit des Kindes nach dem SGB II keine Anspruchsvoraussetzung
1. Der Bescheid des beklagten Landkreises vom 10.4.2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30.5.2007, des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2007, des Widerspruchsbescheids vom 6.9.2007 und des Änderungsbescheids vom 6.9.2007 wird abgeändert. 2. Der beklagte Landkreis wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1.5. - 31.10.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Kaltmiete von monatlich 262,00 EUR als Bedarf zu gewähren. 3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Der beklagte Landkreis trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu einem Viertel. 5. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines höhere Bedarfs für den Lebensunterhalt und für die Wohnung im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) aufgrund des regelmäßigen Umgangs des Klägers mit seiner über-wiegend im Haushalt der Mutter lebenden minderjährigen Tochter.
Der 1962 geborene Kläger ist Vater einer 1997 geborenen Tochter, A ... Die Tochter lebt überwiegend im Haushalt ihrer Mutter in G ... Sie verbringt jedoch regelmäßig Wochenenden und Teile ihrer Schulferien bei ihrem Vater. Der Kläger ist bzw. war mit der Kindesmutter nicht verheiratet. Die Kindesmutter ist die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge für A.
Seit dem Jahr 2004 wohnte der Kläger in einer 54 qm großen Zweizimmerwohnung in O., für die er eine Kaltmiete von monatlich 332,00 EUR zu entrichten hatte. Seit November 2006 bezog er vom beklagten Landkreis laufendes Arbeitslosengeld II. Im Rahmen der laufenden Leistungen wurde zunächst die volle Kaltmiete als Bedarf anerkannt. In einem Leistungsbescheid vom 9.11.2006 wurde der Kläger jedoch darauf hingewiesen, dass die Kaltmiete für einen Einpersonenhaushalt unangemessen hoch sei. Er werde daher aufgefordert, seine Wohnkosten zu senken. In O. sei für einen Einpersonenhaushalt nur ein Betrag von monatlich 224,55 EUR angemessen. Dies ergebe sich aus der angemessenen Wohnfläche für eine Person von 45 qm und aus dem örtlich angemessenen Quadratmeterpreis von 4,99 EUR. Soweit der Kläger nicht nachweise, dass er sich um eine Senkung seiner Unterkunftskosten bemüht habe, würde ab dem 1.6.2007 nur noch der für angemessen erachtete Teil der Kaltmiete als Bedarf anerkannt.
Dementsprechend wurden im Bewilligungsbescheid vom 10.4.2007 über laufende Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. - 31.10.2007 ab dem 1.6.2007 nur noch 224,55 EUR Kaltmiete als Bedarf anerkannt.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 10.5.2007 Widerspruch ein. Seine Tochter A. verbringe durchschnittlich ca. 130 Tage im Jahr bei ihm. Dies sei bedarfserhöhend zu berücksichtigen. Dem Widerspruch legte er eine schriftliche Bestätigung der Kindesmutter vom 4.5.2007 bei, laut der seine Tochter "alle 14 Tage Freitag - Sonntag und anteilig alle Schulferien" bei ihm verbringe.
Mit Änderungsbescheid vom 30.5.2007 entschied der beklagte Landkreis erneut über die laufenden Leistungen für die Zeit vom 1.7. - 31.10.2007. Dem Widerspruchsbegehren wurde je-doch keine Rechnung getragen.
Am 19.6.2007 legte der Kläger auch gegen diesen Bescheid mit gleicher Begründung wie zuvor Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5.9.2007 wies der beklagte Landkreis den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.4.2007 als unbegründet zurück. Eine Erhöhung der laufenden Regelleistung wegen der häufigen Aufenthalte von A. beim Kläger sei gesetzlich nicht vorgesehen. Es könne allenfalls die Tochter selbst für die Zeiten des Aufenthalts bei ihrem Vater einen nach Tagen anteiligen Bedarf geltend machen (so genannte "temporäre Bedarfsgemeinschaft"). Für A. errechne sich jedoch kein Anspruch, da sie aufgrund ihres Einkommens nicht bedürftig sei. Ihre Mutter beziehe für sie Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 EUR sowie Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von monatlich 168,00 EUR. Dies übersteige selbst die volle monatliche Regelleistung von 207,00 EUR. Im Rahmen der Kosten der Unterkunft könnten die Besuche von A. keinen höheren Raumbedarf rechtfertigen und daher nicht berücksichtigt werden, weil sie sich überwiegend bei ihrer Mutter aufhalte und nicht beim Kläger.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 wies der beklagte Landkreis den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 30.5.2007 mit im wesentlichen gleicher Begründung als un-begründet zurück.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 6.9.2007 entschied der beklagte Landkreis über die laufenden Leistungen für die Zeit vom 1.10. - 31.10. 2007 neu. Dem Widerspruchsbegehren wurde wiederum keine Rechnung getragen. Am 5.10.2007 hat der Kläger sowohl gegen den Widerspruchbescheid vom 5.9.2007 als auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 Klagen beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Az. S 21 AS 5220/07 und S 21 AS 5221/07).
Zur Begründung führt er aus, er habe durch die regelmäßigen Aufenthalte seiner Tochter bei ihm sowohl höhere Kosten für den allgemeinen Lebensunterhalt (z. B. für Lebensmittel und Strom), da er den Verbrauch durch seine Tochter mitbezahlen müsse, als auch einen größeren Platz-bedarf als ein durchschnittlicher Alleinstehender. Von der Kindesmutter erhalte er bzw. seine Tochter kein Geld, um diese zusätzlichen Kosten zu bestreiten. Er habe ein sehr positives, enges Verhältnis zu seiner Tochter. Dies sei gefährdet, wenn er sich künftig weder leisten könne, einen entsprechenden wohnlichen Rahmen für ihre Umgangskontakte anzubieten noch den Lebensunterhalt seiner Tochter während ihrer Aufenthalte bei ihm zu finanzieren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des beklagten Landkreises vom 10.4.2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30.5.2007, des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 6.9.2007 sowie des Änderungsbescheids vom 6.9.2007 abzuändern und den beklagten Landkreis zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dergestalt zu bewilligen, dass die volle tatsächliche Kaltmiete in Höhe von 332,00 EUR monatlich sowie ein Betrag von kalendertäglich 6,90 EUR als anteilige Regelleistung für den Lebensunterhalt seiner Tochter A. für 8 Tage pro Monat als Bedarf anerkannt wird.
Der beklagte Landkreis beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er hat im Wesentlichen gleich argumentiert wie in den Widerspruchsbescheiden vom 5.9.2007 und 6.9.2007.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 3.7.2008 die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung einer schriftlichen Auskunft der Kindesmutter vom 20.7.2009 zur Frequenz und Dauer der Aufenthalte der Tochter des Klägers bei diesem im Jahr 2007. Auf die Auskunft wird Bezug genommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.3.2010 hat das Gericht die Beteiligten angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des beklagten Landkreises (Stand 5.10.2007), die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage vom 5.10.2007 gegen den Widerspruchsbescheid vom 5.9.2007 (Az. S 21 AS 5220/07) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gegen-stand dieses Klageverfahrens sind der Bewilligungsbescheid vom 10.4.2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30.5.2007, der Widerspruchsbescheide vom 5.9.2007 und 6.9.2007 und des weiteren Änderungsbescheids vom 6.9.2007. Der Änderungsbescheid vom 30.5.2007 ist nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 10.4.2007 geworden; der Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 und der weitere Änderungs-bescheid vom 6.9.2007 sind nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Streitbefangen ist damit der gesamte Leistungszeitraum vom 1.5. - 31.10.2007.
Die Klage vom 5.10.2010 gegen den Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 (Az. S 21 AS 5221/07) ist dagegen nicht zulässig. Die mit dieser Klage angefochtenen Bescheide sind, wie so-eben dargelegt, bereits Gegenstand des Klageverfahrens S 21 AS 5220/07. Es besteht also eine doppelte Rechtshängigkeit. Diese spätere Klage war daher als unzulässig abzuweisen.
Die Klage S 21 AS 5220/07 ist auch teilweise begründet. Der Kläger hat im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Bestreitung allgemeiner Lebens-haltungskosten wegen des häufigen Aufenthalts seiner Tochter bei ihm (hierzu siehe unten a)). Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat allerdings im streitbefangenen Zeitraum wegen des häufigen Aufenthalts seiner Tochter bei ihm einen Anspruch auf höhere Leistungen für seine Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II (hierzu siehe unten b)). Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie waren daher im tenorierten Umfang abzuändern.
a) Für höhere Leistungen zur Deckung allgemeiner erhöhter Lebenshaltungskosten, verursacht durch die Aufenthalte der Tochter des Klägers bei diesem (z. B. Lebensmittel, Strom) kann keine Rechtgrundlage gefunden werden, die dem Kläger selbst einen solchen Anspruch vermitteln würde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine anteilige Erhöhung der ihm zustehenden Regelleistung des § 20 SGB II. Die Höhe der Regelleistung für den Kläger war in § 20 Abs. 2 SGB II gesetzlich auf damals 347,00 EUR festgelegt und kann nicht aufgrund eines besonderen Bedarfs ab-weichend festgesetzt werden, § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Eine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Regelung sieht das SGB II gerade nicht vor.
Auch eine Gewährung von laufenden ergänzenden Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II kommt nicht in Betracht, da es sich gerade um einen laufenden Bedarf handelt, nicht um einen ein-maligen Bedarf. Für dessen Deckung sind Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II aber gerade nicht geeignet (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris; BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R - juris).
Das Fehlen einer § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechenden Regelung im SGB II hat das BVerfG in dem genannten Urteil vom 9.2.2010 zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistungen der §§ 20, 28, 74 SGB II gerade als nicht verfassungsgemäß beanstandet, da so atypische höhere laufende Bedarfe einzelner Leistungsbezieher keine Berücksichtigung finden könnten. Dies sei mit der Verpflichtung des Gesetzgebers, das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum zu garantieren, nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb durch sein Urteil vom 9.2.2010 einen neuen Zusatzanspruch zur Deckung eines "unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs" geschaffen. Dieser leitet sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG – Grundrecht der Menschenwürde - i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatsprinzip - ab. Aber auch daraus kann der Kläger im vorliegenden Fall den geltend gemachten Anspruch nicht ableiten.
Denn zum einen kann die Anordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 im vorliegenden Fall allein deswegen keinen Anspruch des Klägers begründen, weil Gegenstand des hier anhängigen Klageverfahrens ein Bedarf aus dem Jahr 2007 ist. Der neu geschaffene An-spruch aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG kann dagegen erst "für die Zeit ab der Verkündung des Urteils" entstehen, also ab dem 9.2.2010. Eine Rückwirkung auf Bedarfe aus dem Jahr 2007 ist von der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts daher nicht umfasst. Das Bundessozialgericht hat zwar in einem Urteil vom 18.2.2010 (Az. B 4 AS 29/09 R – juris) eine solche Rückwirkung aus dem Urteil vom 9.2.2010 herausgelesen. Dem hat das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Beschluss vom 24.3.2010 (Az. 1 BvR 395/09 - www.bundesverfassungsgericht.de) jedoch mittlerweile widersprochen. Es hat dort ausgeführt: "Die im Urteil vom 9. Februar 2010 durch eine Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschaffene Regelung ersetzt zwar für die Zeit bis zur Schaffung einer entsprechenden Härtefallregelung durch den Gesetzgeber im Sinne einer Übergangsregelung die an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage. Sie gilt jedoch, wie sich aus den nach dem Urteilstenor insoweit maßgeblichen Urteilsgründen ergibt, nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010 (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09. 3/09 und 4/09, Rn. 220). Eine rückwirkende Geltung der Übergangsregelung hätte das Bundesverfassungsgericht ebenso wie eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers, auch für zurückliegende Leistungszeiträume eine Öffnungsklausel zu schaffen, ausdrücklich anordnen müssen. Dies hat es jedoch nicht getan."
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9.2.2010 ausdrücklich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7.11.2006 (Az. B 7b AS 14/06 R – juris) verwiesen, das für die Gewährung von Leistungen zur Bestreitung der durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem eigenen Kind entstehenden Kosten als Anspruchsgrundlage einerseits § 73 SGB XII herangezogen und andererseits das Rechtskonstrukt der so genannten "temporären Bedarfsgemeinschaft" geschaffen hat. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dürfte also gerade der hier geltend gemachte Bedarf keinen Anwendungsfall für den neugeschaffenen Zusatzanspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG darstellen, da dafür bereits – wie vom Bundessozialgericht im Urteil vom 7.11.2006 aufgezeigt - einfachgesetzliche Anspruchsgrundlagen existieren.
Der Kläger kann aber auch weder aus § 73 SGB XII noch aus dem Rechtskonstrukt der "temporären Bedarfsgemeinschaft" höhere Leistungen für sich beanspruchen.
§ 73 SGB XII, auf dessen Grundlage der beklagte Landkreis in seiner Eigenschaft als Leistungs-träger nach dem SGB XII grundsätzlich Leistungen bewilligen könnte, dient nur der Deckung außergewöhnlicher, d. h. atypischer Bedarfe. In seinem Urteil vom 7.11.2006 (Az. B 7b AS 14/06 R - juris) hat das Bundessozialgericht Kosten, die durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem eigenen Kind entstehen, nur insoweit als solchen atypischen Bedarf ein-geordnet, als sie keine allgemeinen Kosten des Lebensunterhalts für Zwecke wie Nahrung, Strom, Hygiene, Freizeitunternehmungen etc. sind. Denn bei letzteren handelt es sich nicht um atypische Bedarfe, die unter § 73 SGB XII fallen könnten, sondern gerade um typische Bedarfe, die für das besuchende Kind in jedem Fall während des Aufenthalts in jedem der beiden Elternhäusern entstehen würden. Diese Bedarfe bleiben daher der Regelleistung der §§ 20, 28, 74 SGB II zugeordnet und können ggf. im Rahmen einer "temporären Bedarfsgemeinschaft" berücksichtigt werden, nicht aber im Rahmen des § 73 SGB XII (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Atypische Ausgaben, die unmittelbar durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts verursacht werden, sind dagegen allenfalls z.B. Fahrt- und Übernachtungskosten (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Solche wurden im vorliegenden Klageverfahren aber nicht nachgewiesen. Der Kläger hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, er habe, so lange er noch ein Auto besessen habe, seine Tochter zu den jeweiligen Besuchen an ihrem Wohnort G. abgeholt und zu sich nach O. gebracht. Allerdings hat er sich nicht mehr erinnern können, ob dies während des hier streitbefangenen Zeitraums noch so gehandhabt wurde oder ob er seit dem 1.5.2007 bereits kein Auto mehr hatte, so dass seine Tochter mit dem Bus gefahren oder von ihrer Mutter gebracht wurde. Damit ist ein Bedarf an Fahrtkosten durch die Abholung der Tochter nicht nachgewiesen und kann dem Kläger daher nicht zugesprochen werden. Auch andere atypische Ausgaben sind weder nachgewiesen noch sonst ersichtlich.
Es bleibt daher als einzige denkbare Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten erhöhten allgemeinen Lebenshaltungskosten die anteilige Gewährung der Regelleistung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II für die Tage, an denen sich die Tochter des Klägers bei diesem aufhielt (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Aber auch auf dieser Grundlage können dem Kläger keine höheren Leistungen zugesprochen werden. Denn ein Anspruch auf die anteilige Gewährung der Regelleistung während des Aufenthalts beim nicht sorgeberechtigten Elternteil ist stets ein Anspruch des Kindes, nicht des "gastgebenden" Elternteils (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Denn es kommt nicht darauf an, wer die anfallenden Kosten faktisch trägt, sondern allein darauf, um wessen Bedarf es sich handelt (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris und Urteil vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 75/08 R - juris). Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Bedarf der Tochter des Klägers A., die im vorliegenden Verfahren nicht selbst als Klägerin auftritt. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs im eigenen Namen fehlt es dem Kläger dagegen bereits an der Aktivlegitimation. Der Kläger kann diesen Anspruch auch nicht im Namen seiner Tochter geltend machen, da er nicht Inhaber der elterlichen Sorge und daher nicht gesetzlicher Vertreter seiner Tochter ist (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klageschrift kann daher selbst bei groß-zügigster Auslegung der Bezeichnung der klagenden Partei (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R - juris) nicht so verstanden werden, dass die Klage in dieser Hinsicht für A. erhoben sein soll. Im Übrigen hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz eines ausdrücklichen Hinweises des Gerichts auf diese Problematik klargestellt, dass er den geltend gemachten Anspruch im eigenen Namen verfolgen will.
In diesem Zusammenhang weist das Gericht lediglich ergänzend darauf hin, dass sich für A. selbst dann kein Anspruch auf die Gewährung der anteiligen Regelleistung errechnen würde, wenn sie als Klägerin im hier anhängigen Verfahren auftreten würde. Denn dieser Anspruch setzt Bedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II voraus (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). A. ist aber nicht bedürftig. Sie hielt sich im Durchschnitt des Jahres 2007 8 Tage pro Monat bei ihrem Vater auf (im Einzelnen zur Berechnung siehe unten). Dies ergibt - bei einer monatlichen Regelleistung von 207,00 EUR, also 6,90 EUR täglich - einen Bedarf von monatlich 55,20 EUR. Ihre Mutter bezog für sie während des streitbefangenen Zeitraums monatlich Kindergeld von 154,00 EUR und UVG-Leistungen von 168,00 EUR. Dieses Einkommen reicht aus, um den ermittelten Bedarf vollständig zu decken, selbst dann, wenn man das Kindergeld nicht als Einkommen anrechnet (vgl. BSG, Urteil vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 75/08 R).
Im Ergebnis können dem Kläger daher keine höhere Leistungen zur Bestreitung der Lebens-haltungskosten für A. während ihrer Aufenthalte bei ihm zugesprochen werden.
b) Allerdings hat der Kläger Anspruch auf die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II, weil er nach Überzeugung der Kammer durch die regelmäßigen Besuche seiner Tochter einen höheren Raumbedarf hatte als ein durchschnittlicher allein stehender Leistungsbezieher nach dem SGB II. Dieser Bedarf ist im Rahmen des Betrags, den der beklagte Landkreis als angemessenen Bedarf in der Leistungsberechnung anerkennt, zu berücksichtigen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Im vorliegenden Fall hat der beklagte Landkreis seit dem 1.6.2007 nur noch den für angemessen gehaltenen Teil der tatsächlichen Kaltmiete von 332,00 EUR, nämlich 224,55 EUR, als Bedarf anerkannt. Dieser Betrag errechnete sich aus der für an-gemessen erachteten Wohnfläche von 45 qm und dem für angemessen erachteten Quadratmeterpreis für Wohnungen in der Stadt O. von 4,99 EUR.
Den angemessenen Quadratmeterpreis hat der Kläger nicht beanstandet. Auch für das Gericht besteht daher keine Veranlassung, sich im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens damit zu be-fassen, wie er ermittelt wurde und ob er der Höhe nach die Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zutreffend wiedergibt. Das Gericht legt seiner Entscheidung daher diesen Quadratmeterpreis zugrunde.
Das Gericht geht ferner davon aus, dass grundsätzlich für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnfläche von 45 qm angemessen und ausreichend ist. Dieser Wert wird auch von der über-wiegenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung herangezogen. Er leitet sich aus den Kriterien der Baden-Württembergischen Landesregelungen zur Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungs-bau (Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Wohnungsbindungsgesetzes vom 30.10.1991, Gemeinsames Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg 1991, S. 1145 ff.) ab und bietet grundsätzlich einen zutreffenden Orientierungswert (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7.11.2006 - Az. B 7b AS 18/06 R - juris).
Allerdings handelt es sich bei dieser Größe lediglich um die "abstrakt" angemessene Wohn-fläche. Je nach Besonderheit des Einzelfalls ist es auch denkbar, dass der Raumbedarf einer Person darüber liegt. Dies kann nach Überzeugung der Kammer der Fall sein, wenn die Wohnung regelmäßig auch zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit eigenen Kindern genutzt wird.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist bisher umstritten, ob dies einen höheren Raum-bedarf auslöst. Grundsätzlich dagegen haben sich etwa das SG Duisburg (Urteil vom 31.3.2009, Az. S 5 AS 93/08 - juris), das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 5.12.2008, Az. L 25 B 2022/08 ER - juris), das SG Berlin (Beschluss vom 2.10.2008, S 130 AS 27001/08 ER - juris) und das SG Lüneburg (Beschluss vom 31.7.2007, Az. S 30 AS 968/07 ER - juris) ausgesprochen. Nach Auffassung dieser Gerichte reichen jedenfalls Aufenthalte von "ein bis zwei Übernachtungen im Monat" (SG Duisburg) bzw. "einigen Tagen im Monat und zeitweise der Ferien" (SG Lüneburg) nicht aus, um einen höheren Raumbedarf zu rechtfertigen. Das SG Berlin und das LSG Berlin-Brandenburg wollen einen solchen – wie offensichtlich der beklagte Landkreis - sogar nur dann bejahen, wenn sich das Kind "ausschließlich oder überwiegend" in dem fraglichen Haushalt aufhält. Differenzierter hat dagegen das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.6.2008, Az. L 20 B 225/07 AS ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de) darauf abgestellt, ob den Aufenthalten des Kindes lediglich "Besuchscharakter" zukommt oder ob es einen signifikanten Teil seiner Zeit bei dem betroffenen Elternteil verbringt. Ferner hinge der möglicherweise erhöhte Raumbedarf nicht allein von der Zahl der monatlich oder jährlich dort verbrachten Tage ab, sondern auch von anderen Faktoren wie der Dauer des Aufenthalts (z. B. nur tagsüber oder auch nachts), des Alters des Kindes, seines Geschlechts und der Zahl der in der Wohnung vorhandenen Zimmer. Eine klare Grenze, wann die Aufenthalte nicht mehr nur "Besuchscharakter" haben, hat das LSG Nordrhein-Westfalen dabei nicht gezogen, aber bei ca. 76 Tagen pro Jahr diesen Besuchscharakter angenommen und damit im Ergebnis einen erhöhten Raumbedarf verneint. Das SG Aachen (Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 - juris) und das SG Fulda (Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris) schließlich haben bei Aufenthalten von jährlich ca. 96 Tagen bzw. ca. 138 Tagen bei jeweils mindestens zwei vollen Tagen Dauer (mit mindestens zwei Übernachtungen) einen reinen Besuchscharakter verneint und einen erhöhten Raumbedarf angenommen. Ausschlaggebend ist nach dem Urteil des SG Aachen vom 19.11.2007 (Az. S 14 AS 80/07 – juris) eine "gewisse Regelmäßigkeit und zeitliche Erheblichkeit der Anwesenheit der Kinder im Haushalt eines hilfebedürftigen Elternteils".
Begründet haben das SG Aachen und das SG Fulda die Zuerkennung eines erhöhten Raumbedarfs mit der Bedeutung des im Grundgesetz garantierten Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG), in dessen Schutzbereich auch das Umgangsrecht des nicht sorge-berechtigten Elternteils mit seinen Kindern fällt. Zur angemessenen Wahrnehmung dieses Rechts, das sowohl ein Recht des Kindes als auch des Elternteils ist, gehört auch, dass ein entsprechender Wohn- und Lebensraum vorhanden sein muss, der einen geeigneten Rahmen dafür bietet (SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris). Die Fürsorgepflicht des Staates (Art. 6 Abs. 1 GG) führt im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dazu, dass ein solcher Bedarf im Rahmen der laufenden Leistungen zu berücksichtigen ist, sobald er ein signifikantes Ausmaß erreicht. Andernfalls wäre sogar zu befürchten, dass die Beziehung zwischen Elternteil und Kind aufgrund der ungünstigen äußeren Umstände ihrer Begegnungen leidet und nachhaltig gestört wird, was wiederum mit dem grundrechtlich verbrieften Schutz der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Elternteil und Kind nicht vereinbar wäre (SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris). Dieser Argumentation schließt sich die Kammer an. Sie hielte es für mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar, wollte man eine Berücksichtigung des erhöhten Raumbedarfs während der Umgangskontakte eines Elternteils mit seinen Kindern im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzlich verneinen.
Allerdings muss auch nach Auffassung der Kammer ein bestimmtes Mindestmaß an Frequenz und Dauer der Umgangskontakte – in den Worten des SG Aachen eine "gewisse Regelmäßigkeit und zeitliche Erheblichkeit" (Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 – juris) - erreicht sein, um einen solchen Anspruch auszulösen. Wie das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.6.2008, Az. L 20 B 225/07 AS ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de) hält auch die Kammer eine Abgrenzung zu punktuellen "Besuchen" für notwendig. Wo diese Grenze genau verläuft, kann offen bleiben. Im Falle des Klägers und seiner Tochter hält die Kammer sie jedenfalls für klar überschritten, so dass sich die Aufenthalte von A. beim Kläger nicht mehr als bloße Besuche darstellen, sondern ein echtes zeitweises "Mitleben" im Haushalt des Klägers stattgefunden hat.
Nach der Auskunft der Kindesmutter im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10.4.2007 befand sich A. im Jahr 2007 jedes zweite Wochenende für zwei Tage (mit zwei Übernachtungen) beim Kläger, daneben während der Hälfte aller Schulferien (vgl. die schriftliche Erklärung vom 4.5.2007, Bl. 233 der Verwaltungsakte des beklagten Landkreises). Im Klageverfahren hat sie in einer schriftlichen Auskunft an das Gericht vom 20.7.2009 diese An-gaben im Wesentlichen wiederholt (vgl. Bl. 35 der Gerichtsakte). Der Kläger hat diese Angaben bestätigt. Es errechnet sich bei 26 Wochenenden und ca. 13 Wochen Schulferien im Jahr also ein Aufenthalt von A. beim Kläger von ca. 97 Tagen, was in etwa einem Viertel des gesamten Jahres entspricht. Dies stellt einen so signifikanten Zeitanteil dar, dass von einem echten zeit-weisen "Mitleben" im Haushalt des Klägers auszugehen ist, nicht nur von punktuellen Besuchen. Dafür sprechen im Übrigen auch die Regelmäßigkeit der Umgangskontakte und die Tatsache, dass es sich stets um Übernachtungskontakte mit mindestens zwei Nächten handelte. Es ist also grundsätzlich ein höherer Raumbedarf des Klägers anzunehmen als für eine gänzlich allein stehende Person.
Auch hinsichtlich des genauen Höhe eines wegen Umgangskontakten erhöhten Raumbedarfs ist die sozialgerichtliche Rechtsprechung bisher nicht einheitlich. So hat das SG Aachen diskutiert, ob die angemessene Wohnfläche pro Kind um den Anteil an den 15 qm, welche jeder weiteren Person im Haushalt zustehen, zu erhöhen sei, der sich aus der Zahl der monatlich beim betroffenen Elternteil verbrachten Tage ergibt (SG Aachen, Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 - juris). Bei einem durchschnittlichen monatlichen Aufenthalt von A. beim Kläger von 8 Tagen (entspricht ca. 26 % des Monats) ergäbe sich nach dieser Formel eine zusätzliche Fläche von ca. 3,9 qm (entspricht 26 % von 15 qm). Das SG Fulda hat dagegen die angemessene Wohnfläche, sobald die Grenze von lediglichen "Besuchen" zu einem echten zeitweisen "Mit-leben" hin überschritten war, pauschal um die Hälfte der einer weiteren Person zustehenden 15 qm erhöht (SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris). Dies würde im vorliegenden Fall einer zusätzlichen Fläche von 7,5 qm entsprechen.
Die Kammer hält das letztere Berechnungsmodell für überzeugender und wendet es daher auf den vorliegenden Fall an. Das vom SG Aachen erwogene Modell ist zwar geleitet von dem Gedanken größtmöglichen Eingehens auf jeden individuellen Einzelfall, ist aber letztlich nicht praktikabel, da die jeweilige monatliche Besuchsdauer schwanken kann, z. B. typischerweise während der Schulferien länger ist, der Leistungsbezieher aber seine Wohnverhältnisse solchen Schwankungen nicht ständig anpassen kann, indem er mehr oder weniger Wohnraum anmietet. Er muss vielmehr über längere Zeiträume den gesamten Wohnraum vorhalten. Ferner ließe sich nach dem Modell des SG Aachen die tatsächlich zustehende Leistungshöhe selbst dann, wenn man ein ganzes Jahr betrachtet und der Leistungsberechnung eine durchschnittliche monatliche Aufenthaltsdauer der Kinder zugrunde legt, immer erst im Nachhinein abschließend feststellen. Dies ist zwar die typische Perspektive im sozialgerichtlichen Klageverfahren, aber nicht die Perspektive des Leistungsträgers, welchem in erster Linie die korrekte Leistungsberechnung ob-liegt, und die dieser typischerweise für die Gegenwart und nahe Zukunft durchführen muss, nicht erst rückblickend für die Vergangenheit. Deutlich praktikabler erscheint daher das Modell des SG Fulda. Es ermöglicht eine gleichmäßige Leistungsberechnung auf unveränderter Berechnungsgrundlage, solange die Umgangskontakte in Frequenz und Dauer tatsächlich ein echtes "Mitleben" im Haushalt darstellen, unabhängig von (z. B. durch Schulferien bedingten) einzelnen terminlichen Schwankungen. Es erspart aufwändige Ermittlungen zur exakten Dauer des jeweiligen monatlichen Aufenthalts der Kinder im Haushalt eines Leistungsbeziehers. Und nicht zuletzt bietet es dem Leistungsbezieher Rechts- und Planungssicherheit, mit welcher Leistungshöhe er längerfristig rechnen kann, soweit die Umgangskontakte in der bisherigen Intensität erhalten bleiben, so dass er seine Wohnsituation entsprechend gestalten kann.
Es ergibt sich also im Ergebnis nach dem von der Kammer favorisierten Berechnungsmodell eine Erhöhung der für den Kläger angemessenen Wohnfläche von 45 qm auf 52,5 qm. Bei einem angemessenen Quadratmeterpreis von 4,99 EUR ergibt sich damit eine angemessene monatliche Kaltmiete von 262,00 EUR (anstatt bisher 224,55 EUR), die als Bedarf zu berücksichtigen ist. Der beklagte Landkreis war daher zu verurteilen, im Zeitraum vom 1.6. – 31.10.2007 diesen Bedarf der Leistungsberechnung zugrunde zu legen. Eine Erhöhung auf den Betrag der tatsächlichen Kalt-miete von 332,00 EUR, wie vom Kläger beantragt, ergibt sich dagegen rechnerisch nicht, so dass die Klage insoweit abzuweisen war. Für den Monat Mai 2007 ergibt sich gar keine Erhöhung der bisherigen Leistungen, weil der beklagte Landkreis in diesem Monat noch nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II übergangsweise die tatsächliche volle Kaltmiete von 332,00 EUR als Bedarf anerkannt hat, mithin also einen höheren Betrag, als dem Kläger auch unter Berücksichtigung des erhöhten Platzbedarfs als angemessen zustünde.
Es handelt sich bei dem Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft wegen der regelmäßigen Umgangskontakte auch – anders als bei den Leistungen für den alltäglichen Lebensunterhalt (Regelleistung) – um einen Anspruch des "gastgebenden" Elternteils selbst, nicht des besuchen-den Kindes. Denn es ist der Elternteil, der den größeren Wohnraum ständig vorhalten muss, auch in der Zeit, in der das besuchende Kind nicht anwesend ist. Das Konstrukt der "temporären Bedarfsgemeinschaft", in der das jeweilige Kind für Teile eines Monats Anspruchsinhaber ist, stößt hier an seine praktischen Grenzen, da die zeitweilige Anmietung von zusätzlichem Wohnraum allein für die Phasen des Aufenthalts eines Kindes bei seinem nicht sorgeberechtigten Elternteil offensichtlich in der Praxis nicht möglich ist. Die Vorgaben des Bundessozialgerichts, dass im Falle einer "temporären Bedarfsgemeinschaft" Anspruchsinhaber der anteiligen Regelleistung immer derjenige ist, um dessen Bedarf es sich handelt, also das jeweilige Kind, ist auf die Berücksichtigung von erhöhten Aufwendungen für die Unterkunft zur Ermöglichung von Umgangskontakten im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II also nicht übertragbar (SG Aachen, Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 - juris; SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die Abweisung der Klage Az. S 21 AS 5221/07 als unzulässig wegen doppelter Rechtshängigkeit fällt kostenrechtlich nicht zu Lasten des Klägers ins Gewicht. Denn durch die - unzutreffenden - Rechtsbehelfsbelehrungen in dem Änderungsbescheid vom 30.5.2007 und im Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 hat der beklagte Landkreis Anlass für das unnötige weitere Widerspruchs- und Klageverfahren gegeben. Der Kläger musste also annehmen, dass ein Widerspruch und eine erneute Klage notwendig waren, um die Bestandskraft dieser Bescheide zu verhindern.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage, ob der Leistungsträger nach dem SGB II in der Berechnung angemessener Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II einen erhöhten Raumbedarf wegen des teilweisen Aufenthalts von Kindern eines Leistungsbeziehers im Rahmen der Wahrnehmung des Umgangsrechts zu berücksichtigen hat und ggf. in welcher Höhe, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Sozialgerichte bisher sehr unterschiedlich beurteilt. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage ist noch nicht ergangen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines höhere Bedarfs für den Lebensunterhalt und für die Wohnung im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) aufgrund des regelmäßigen Umgangs des Klägers mit seiner über-wiegend im Haushalt der Mutter lebenden minderjährigen Tochter.
Der 1962 geborene Kläger ist Vater einer 1997 geborenen Tochter, A ... Die Tochter lebt überwiegend im Haushalt ihrer Mutter in G ... Sie verbringt jedoch regelmäßig Wochenenden und Teile ihrer Schulferien bei ihrem Vater. Der Kläger ist bzw. war mit der Kindesmutter nicht verheiratet. Die Kindesmutter ist die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge für A.
Seit dem Jahr 2004 wohnte der Kläger in einer 54 qm großen Zweizimmerwohnung in O., für die er eine Kaltmiete von monatlich 332,00 EUR zu entrichten hatte. Seit November 2006 bezog er vom beklagten Landkreis laufendes Arbeitslosengeld II. Im Rahmen der laufenden Leistungen wurde zunächst die volle Kaltmiete als Bedarf anerkannt. In einem Leistungsbescheid vom 9.11.2006 wurde der Kläger jedoch darauf hingewiesen, dass die Kaltmiete für einen Einpersonenhaushalt unangemessen hoch sei. Er werde daher aufgefordert, seine Wohnkosten zu senken. In O. sei für einen Einpersonenhaushalt nur ein Betrag von monatlich 224,55 EUR angemessen. Dies ergebe sich aus der angemessenen Wohnfläche für eine Person von 45 qm und aus dem örtlich angemessenen Quadratmeterpreis von 4,99 EUR. Soweit der Kläger nicht nachweise, dass er sich um eine Senkung seiner Unterkunftskosten bemüht habe, würde ab dem 1.6.2007 nur noch der für angemessen erachtete Teil der Kaltmiete als Bedarf anerkannt.
Dementsprechend wurden im Bewilligungsbescheid vom 10.4.2007 über laufende Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. - 31.10.2007 ab dem 1.6.2007 nur noch 224,55 EUR Kaltmiete als Bedarf anerkannt.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 10.5.2007 Widerspruch ein. Seine Tochter A. verbringe durchschnittlich ca. 130 Tage im Jahr bei ihm. Dies sei bedarfserhöhend zu berücksichtigen. Dem Widerspruch legte er eine schriftliche Bestätigung der Kindesmutter vom 4.5.2007 bei, laut der seine Tochter "alle 14 Tage Freitag - Sonntag und anteilig alle Schulferien" bei ihm verbringe.
Mit Änderungsbescheid vom 30.5.2007 entschied der beklagte Landkreis erneut über die laufenden Leistungen für die Zeit vom 1.7. - 31.10.2007. Dem Widerspruchsbegehren wurde je-doch keine Rechnung getragen.
Am 19.6.2007 legte der Kläger auch gegen diesen Bescheid mit gleicher Begründung wie zuvor Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5.9.2007 wies der beklagte Landkreis den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.4.2007 als unbegründet zurück. Eine Erhöhung der laufenden Regelleistung wegen der häufigen Aufenthalte von A. beim Kläger sei gesetzlich nicht vorgesehen. Es könne allenfalls die Tochter selbst für die Zeiten des Aufenthalts bei ihrem Vater einen nach Tagen anteiligen Bedarf geltend machen (so genannte "temporäre Bedarfsgemeinschaft"). Für A. errechne sich jedoch kein Anspruch, da sie aufgrund ihres Einkommens nicht bedürftig sei. Ihre Mutter beziehe für sie Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 EUR sowie Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von monatlich 168,00 EUR. Dies übersteige selbst die volle monatliche Regelleistung von 207,00 EUR. Im Rahmen der Kosten der Unterkunft könnten die Besuche von A. keinen höheren Raumbedarf rechtfertigen und daher nicht berücksichtigt werden, weil sie sich überwiegend bei ihrer Mutter aufhalte und nicht beim Kläger.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 wies der beklagte Landkreis den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 30.5.2007 mit im wesentlichen gleicher Begründung als un-begründet zurück.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 6.9.2007 entschied der beklagte Landkreis über die laufenden Leistungen für die Zeit vom 1.10. - 31.10. 2007 neu. Dem Widerspruchsbegehren wurde wiederum keine Rechnung getragen. Am 5.10.2007 hat der Kläger sowohl gegen den Widerspruchbescheid vom 5.9.2007 als auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 Klagen beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Az. S 21 AS 5220/07 und S 21 AS 5221/07).
Zur Begründung führt er aus, er habe durch die regelmäßigen Aufenthalte seiner Tochter bei ihm sowohl höhere Kosten für den allgemeinen Lebensunterhalt (z. B. für Lebensmittel und Strom), da er den Verbrauch durch seine Tochter mitbezahlen müsse, als auch einen größeren Platz-bedarf als ein durchschnittlicher Alleinstehender. Von der Kindesmutter erhalte er bzw. seine Tochter kein Geld, um diese zusätzlichen Kosten zu bestreiten. Er habe ein sehr positives, enges Verhältnis zu seiner Tochter. Dies sei gefährdet, wenn er sich künftig weder leisten könne, einen entsprechenden wohnlichen Rahmen für ihre Umgangskontakte anzubieten noch den Lebensunterhalt seiner Tochter während ihrer Aufenthalte bei ihm zu finanzieren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des beklagten Landkreises vom 10.4.2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30.5.2007, des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 6.9.2007 sowie des Änderungsbescheids vom 6.9.2007 abzuändern und den beklagten Landkreis zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dergestalt zu bewilligen, dass die volle tatsächliche Kaltmiete in Höhe von 332,00 EUR monatlich sowie ein Betrag von kalendertäglich 6,90 EUR als anteilige Regelleistung für den Lebensunterhalt seiner Tochter A. für 8 Tage pro Monat als Bedarf anerkannt wird.
Der beklagte Landkreis beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er hat im Wesentlichen gleich argumentiert wie in den Widerspruchsbescheiden vom 5.9.2007 und 6.9.2007.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 3.7.2008 die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung einer schriftlichen Auskunft der Kindesmutter vom 20.7.2009 zur Frequenz und Dauer der Aufenthalte der Tochter des Klägers bei diesem im Jahr 2007. Auf die Auskunft wird Bezug genommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.3.2010 hat das Gericht die Beteiligten angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des beklagten Landkreises (Stand 5.10.2007), die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage vom 5.10.2007 gegen den Widerspruchsbescheid vom 5.9.2007 (Az. S 21 AS 5220/07) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gegen-stand dieses Klageverfahrens sind der Bewilligungsbescheid vom 10.4.2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30.5.2007, der Widerspruchsbescheide vom 5.9.2007 und 6.9.2007 und des weiteren Änderungsbescheids vom 6.9.2007. Der Änderungsbescheid vom 30.5.2007 ist nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 10.4.2007 geworden; der Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 und der weitere Änderungs-bescheid vom 6.9.2007 sind nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Streitbefangen ist damit der gesamte Leistungszeitraum vom 1.5. - 31.10.2007.
Die Klage vom 5.10.2010 gegen den Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 (Az. S 21 AS 5221/07) ist dagegen nicht zulässig. Die mit dieser Klage angefochtenen Bescheide sind, wie so-eben dargelegt, bereits Gegenstand des Klageverfahrens S 21 AS 5220/07. Es besteht also eine doppelte Rechtshängigkeit. Diese spätere Klage war daher als unzulässig abzuweisen.
Die Klage S 21 AS 5220/07 ist auch teilweise begründet. Der Kläger hat im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Bestreitung allgemeiner Lebens-haltungskosten wegen des häufigen Aufenthalts seiner Tochter bei ihm (hierzu siehe unten a)). Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat allerdings im streitbefangenen Zeitraum wegen des häufigen Aufenthalts seiner Tochter bei ihm einen Anspruch auf höhere Leistungen für seine Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II (hierzu siehe unten b)). Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie waren daher im tenorierten Umfang abzuändern.
a) Für höhere Leistungen zur Deckung allgemeiner erhöhter Lebenshaltungskosten, verursacht durch die Aufenthalte der Tochter des Klägers bei diesem (z. B. Lebensmittel, Strom) kann keine Rechtgrundlage gefunden werden, die dem Kläger selbst einen solchen Anspruch vermitteln würde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine anteilige Erhöhung der ihm zustehenden Regelleistung des § 20 SGB II. Die Höhe der Regelleistung für den Kläger war in § 20 Abs. 2 SGB II gesetzlich auf damals 347,00 EUR festgelegt und kann nicht aufgrund eines besonderen Bedarfs ab-weichend festgesetzt werden, § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Eine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Regelung sieht das SGB II gerade nicht vor.
Auch eine Gewährung von laufenden ergänzenden Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II kommt nicht in Betracht, da es sich gerade um einen laufenden Bedarf handelt, nicht um einen ein-maligen Bedarf. Für dessen Deckung sind Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II aber gerade nicht geeignet (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris; BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R - juris).
Das Fehlen einer § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechenden Regelung im SGB II hat das BVerfG in dem genannten Urteil vom 9.2.2010 zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistungen der §§ 20, 28, 74 SGB II gerade als nicht verfassungsgemäß beanstandet, da so atypische höhere laufende Bedarfe einzelner Leistungsbezieher keine Berücksichtigung finden könnten. Dies sei mit der Verpflichtung des Gesetzgebers, das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum zu garantieren, nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb durch sein Urteil vom 9.2.2010 einen neuen Zusatzanspruch zur Deckung eines "unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs" geschaffen. Dieser leitet sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG – Grundrecht der Menschenwürde - i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatsprinzip - ab. Aber auch daraus kann der Kläger im vorliegenden Fall den geltend gemachten Anspruch nicht ableiten.
Denn zum einen kann die Anordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 im vorliegenden Fall allein deswegen keinen Anspruch des Klägers begründen, weil Gegenstand des hier anhängigen Klageverfahrens ein Bedarf aus dem Jahr 2007 ist. Der neu geschaffene An-spruch aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG kann dagegen erst "für die Zeit ab der Verkündung des Urteils" entstehen, also ab dem 9.2.2010. Eine Rückwirkung auf Bedarfe aus dem Jahr 2007 ist von der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts daher nicht umfasst. Das Bundessozialgericht hat zwar in einem Urteil vom 18.2.2010 (Az. B 4 AS 29/09 R – juris) eine solche Rückwirkung aus dem Urteil vom 9.2.2010 herausgelesen. Dem hat das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Beschluss vom 24.3.2010 (Az. 1 BvR 395/09 - www.bundesverfassungsgericht.de) jedoch mittlerweile widersprochen. Es hat dort ausgeführt: "Die im Urteil vom 9. Februar 2010 durch eine Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschaffene Regelung ersetzt zwar für die Zeit bis zur Schaffung einer entsprechenden Härtefallregelung durch den Gesetzgeber im Sinne einer Übergangsregelung die an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage. Sie gilt jedoch, wie sich aus den nach dem Urteilstenor insoweit maßgeblichen Urteilsgründen ergibt, nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010 (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09. 3/09 und 4/09, Rn. 220). Eine rückwirkende Geltung der Übergangsregelung hätte das Bundesverfassungsgericht ebenso wie eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers, auch für zurückliegende Leistungszeiträume eine Öffnungsklausel zu schaffen, ausdrücklich anordnen müssen. Dies hat es jedoch nicht getan."
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9.2.2010 ausdrücklich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7.11.2006 (Az. B 7b AS 14/06 R – juris) verwiesen, das für die Gewährung von Leistungen zur Bestreitung der durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem eigenen Kind entstehenden Kosten als Anspruchsgrundlage einerseits § 73 SGB XII herangezogen und andererseits das Rechtskonstrukt der so genannten "temporären Bedarfsgemeinschaft" geschaffen hat. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dürfte also gerade der hier geltend gemachte Bedarf keinen Anwendungsfall für den neugeschaffenen Zusatzanspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG darstellen, da dafür bereits – wie vom Bundessozialgericht im Urteil vom 7.11.2006 aufgezeigt - einfachgesetzliche Anspruchsgrundlagen existieren.
Der Kläger kann aber auch weder aus § 73 SGB XII noch aus dem Rechtskonstrukt der "temporären Bedarfsgemeinschaft" höhere Leistungen für sich beanspruchen.
§ 73 SGB XII, auf dessen Grundlage der beklagte Landkreis in seiner Eigenschaft als Leistungs-träger nach dem SGB XII grundsätzlich Leistungen bewilligen könnte, dient nur der Deckung außergewöhnlicher, d. h. atypischer Bedarfe. In seinem Urteil vom 7.11.2006 (Az. B 7b AS 14/06 R - juris) hat das Bundessozialgericht Kosten, die durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem eigenen Kind entstehen, nur insoweit als solchen atypischen Bedarf ein-geordnet, als sie keine allgemeinen Kosten des Lebensunterhalts für Zwecke wie Nahrung, Strom, Hygiene, Freizeitunternehmungen etc. sind. Denn bei letzteren handelt es sich nicht um atypische Bedarfe, die unter § 73 SGB XII fallen könnten, sondern gerade um typische Bedarfe, die für das besuchende Kind in jedem Fall während des Aufenthalts in jedem der beiden Elternhäusern entstehen würden. Diese Bedarfe bleiben daher der Regelleistung der §§ 20, 28, 74 SGB II zugeordnet und können ggf. im Rahmen einer "temporären Bedarfsgemeinschaft" berücksichtigt werden, nicht aber im Rahmen des § 73 SGB XII (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Atypische Ausgaben, die unmittelbar durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts verursacht werden, sind dagegen allenfalls z.B. Fahrt- und Übernachtungskosten (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Solche wurden im vorliegenden Klageverfahren aber nicht nachgewiesen. Der Kläger hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, er habe, so lange er noch ein Auto besessen habe, seine Tochter zu den jeweiligen Besuchen an ihrem Wohnort G. abgeholt und zu sich nach O. gebracht. Allerdings hat er sich nicht mehr erinnern können, ob dies während des hier streitbefangenen Zeitraums noch so gehandhabt wurde oder ob er seit dem 1.5.2007 bereits kein Auto mehr hatte, so dass seine Tochter mit dem Bus gefahren oder von ihrer Mutter gebracht wurde. Damit ist ein Bedarf an Fahrtkosten durch die Abholung der Tochter nicht nachgewiesen und kann dem Kläger daher nicht zugesprochen werden. Auch andere atypische Ausgaben sind weder nachgewiesen noch sonst ersichtlich.
Es bleibt daher als einzige denkbare Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten erhöhten allgemeinen Lebenshaltungskosten die anteilige Gewährung der Regelleistung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II für die Tage, an denen sich die Tochter des Klägers bei diesem aufhielt (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Aber auch auf dieser Grundlage können dem Kläger keine höheren Leistungen zugesprochen werden. Denn ein Anspruch auf die anteilige Gewährung der Regelleistung während des Aufenthalts beim nicht sorgeberechtigten Elternteil ist stets ein Anspruch des Kindes, nicht des "gastgebenden" Elternteils (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). Denn es kommt nicht darauf an, wer die anfallenden Kosten faktisch trägt, sondern allein darauf, um wessen Bedarf es sich handelt (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris und Urteil vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 75/08 R - juris). Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Bedarf der Tochter des Klägers A., die im vorliegenden Verfahren nicht selbst als Klägerin auftritt. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs im eigenen Namen fehlt es dem Kläger dagegen bereits an der Aktivlegitimation. Der Kläger kann diesen Anspruch auch nicht im Namen seiner Tochter geltend machen, da er nicht Inhaber der elterlichen Sorge und daher nicht gesetzlicher Vertreter seiner Tochter ist (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klageschrift kann daher selbst bei groß-zügigster Auslegung der Bezeichnung der klagenden Partei (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R - juris) nicht so verstanden werden, dass die Klage in dieser Hinsicht für A. erhoben sein soll. Im Übrigen hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz eines ausdrücklichen Hinweises des Gerichts auf diese Problematik klargestellt, dass er den geltend gemachten Anspruch im eigenen Namen verfolgen will.
In diesem Zusammenhang weist das Gericht lediglich ergänzend darauf hin, dass sich für A. selbst dann kein Anspruch auf die Gewährung der anteiligen Regelleistung errechnen würde, wenn sie als Klägerin im hier anhängigen Verfahren auftreten würde. Denn dieser Anspruch setzt Bedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II voraus (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R – juris). A. ist aber nicht bedürftig. Sie hielt sich im Durchschnitt des Jahres 2007 8 Tage pro Monat bei ihrem Vater auf (im Einzelnen zur Berechnung siehe unten). Dies ergibt - bei einer monatlichen Regelleistung von 207,00 EUR, also 6,90 EUR täglich - einen Bedarf von monatlich 55,20 EUR. Ihre Mutter bezog für sie während des streitbefangenen Zeitraums monatlich Kindergeld von 154,00 EUR und UVG-Leistungen von 168,00 EUR. Dieses Einkommen reicht aus, um den ermittelten Bedarf vollständig zu decken, selbst dann, wenn man das Kindergeld nicht als Einkommen anrechnet (vgl. BSG, Urteil vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 75/08 R).
Im Ergebnis können dem Kläger daher keine höhere Leistungen zur Bestreitung der Lebens-haltungskosten für A. während ihrer Aufenthalte bei ihm zugesprochen werden.
b) Allerdings hat der Kläger Anspruch auf die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II, weil er nach Überzeugung der Kammer durch die regelmäßigen Besuche seiner Tochter einen höheren Raumbedarf hatte als ein durchschnittlicher allein stehender Leistungsbezieher nach dem SGB II. Dieser Bedarf ist im Rahmen des Betrags, den der beklagte Landkreis als angemessenen Bedarf in der Leistungsberechnung anerkennt, zu berücksichtigen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Im vorliegenden Fall hat der beklagte Landkreis seit dem 1.6.2007 nur noch den für angemessen gehaltenen Teil der tatsächlichen Kaltmiete von 332,00 EUR, nämlich 224,55 EUR, als Bedarf anerkannt. Dieser Betrag errechnete sich aus der für an-gemessen erachteten Wohnfläche von 45 qm und dem für angemessen erachteten Quadratmeterpreis für Wohnungen in der Stadt O. von 4,99 EUR.
Den angemessenen Quadratmeterpreis hat der Kläger nicht beanstandet. Auch für das Gericht besteht daher keine Veranlassung, sich im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens damit zu be-fassen, wie er ermittelt wurde und ob er der Höhe nach die Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zutreffend wiedergibt. Das Gericht legt seiner Entscheidung daher diesen Quadratmeterpreis zugrunde.
Das Gericht geht ferner davon aus, dass grundsätzlich für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnfläche von 45 qm angemessen und ausreichend ist. Dieser Wert wird auch von der über-wiegenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung herangezogen. Er leitet sich aus den Kriterien der Baden-Württembergischen Landesregelungen zur Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungs-bau (Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Wohnungsbindungsgesetzes vom 30.10.1991, Gemeinsames Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg 1991, S. 1145 ff.) ab und bietet grundsätzlich einen zutreffenden Orientierungswert (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7.11.2006 - Az. B 7b AS 18/06 R - juris).
Allerdings handelt es sich bei dieser Größe lediglich um die "abstrakt" angemessene Wohn-fläche. Je nach Besonderheit des Einzelfalls ist es auch denkbar, dass der Raumbedarf einer Person darüber liegt. Dies kann nach Überzeugung der Kammer der Fall sein, wenn die Wohnung regelmäßig auch zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit eigenen Kindern genutzt wird.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist bisher umstritten, ob dies einen höheren Raum-bedarf auslöst. Grundsätzlich dagegen haben sich etwa das SG Duisburg (Urteil vom 31.3.2009, Az. S 5 AS 93/08 - juris), das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 5.12.2008, Az. L 25 B 2022/08 ER - juris), das SG Berlin (Beschluss vom 2.10.2008, S 130 AS 27001/08 ER - juris) und das SG Lüneburg (Beschluss vom 31.7.2007, Az. S 30 AS 968/07 ER - juris) ausgesprochen. Nach Auffassung dieser Gerichte reichen jedenfalls Aufenthalte von "ein bis zwei Übernachtungen im Monat" (SG Duisburg) bzw. "einigen Tagen im Monat und zeitweise der Ferien" (SG Lüneburg) nicht aus, um einen höheren Raumbedarf zu rechtfertigen. Das SG Berlin und das LSG Berlin-Brandenburg wollen einen solchen – wie offensichtlich der beklagte Landkreis - sogar nur dann bejahen, wenn sich das Kind "ausschließlich oder überwiegend" in dem fraglichen Haushalt aufhält. Differenzierter hat dagegen das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.6.2008, Az. L 20 B 225/07 AS ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de) darauf abgestellt, ob den Aufenthalten des Kindes lediglich "Besuchscharakter" zukommt oder ob es einen signifikanten Teil seiner Zeit bei dem betroffenen Elternteil verbringt. Ferner hinge der möglicherweise erhöhte Raumbedarf nicht allein von der Zahl der monatlich oder jährlich dort verbrachten Tage ab, sondern auch von anderen Faktoren wie der Dauer des Aufenthalts (z. B. nur tagsüber oder auch nachts), des Alters des Kindes, seines Geschlechts und der Zahl der in der Wohnung vorhandenen Zimmer. Eine klare Grenze, wann die Aufenthalte nicht mehr nur "Besuchscharakter" haben, hat das LSG Nordrhein-Westfalen dabei nicht gezogen, aber bei ca. 76 Tagen pro Jahr diesen Besuchscharakter angenommen und damit im Ergebnis einen erhöhten Raumbedarf verneint. Das SG Aachen (Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 - juris) und das SG Fulda (Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris) schließlich haben bei Aufenthalten von jährlich ca. 96 Tagen bzw. ca. 138 Tagen bei jeweils mindestens zwei vollen Tagen Dauer (mit mindestens zwei Übernachtungen) einen reinen Besuchscharakter verneint und einen erhöhten Raumbedarf angenommen. Ausschlaggebend ist nach dem Urteil des SG Aachen vom 19.11.2007 (Az. S 14 AS 80/07 – juris) eine "gewisse Regelmäßigkeit und zeitliche Erheblichkeit der Anwesenheit der Kinder im Haushalt eines hilfebedürftigen Elternteils".
Begründet haben das SG Aachen und das SG Fulda die Zuerkennung eines erhöhten Raumbedarfs mit der Bedeutung des im Grundgesetz garantierten Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG), in dessen Schutzbereich auch das Umgangsrecht des nicht sorge-berechtigten Elternteils mit seinen Kindern fällt. Zur angemessenen Wahrnehmung dieses Rechts, das sowohl ein Recht des Kindes als auch des Elternteils ist, gehört auch, dass ein entsprechender Wohn- und Lebensraum vorhanden sein muss, der einen geeigneten Rahmen dafür bietet (SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris). Die Fürsorgepflicht des Staates (Art. 6 Abs. 1 GG) führt im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dazu, dass ein solcher Bedarf im Rahmen der laufenden Leistungen zu berücksichtigen ist, sobald er ein signifikantes Ausmaß erreicht. Andernfalls wäre sogar zu befürchten, dass die Beziehung zwischen Elternteil und Kind aufgrund der ungünstigen äußeren Umstände ihrer Begegnungen leidet und nachhaltig gestört wird, was wiederum mit dem grundrechtlich verbrieften Schutz der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Elternteil und Kind nicht vereinbar wäre (SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris). Dieser Argumentation schließt sich die Kammer an. Sie hielte es für mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar, wollte man eine Berücksichtigung des erhöhten Raumbedarfs während der Umgangskontakte eines Elternteils mit seinen Kindern im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzlich verneinen.
Allerdings muss auch nach Auffassung der Kammer ein bestimmtes Mindestmaß an Frequenz und Dauer der Umgangskontakte – in den Worten des SG Aachen eine "gewisse Regelmäßigkeit und zeitliche Erheblichkeit" (Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 – juris) - erreicht sein, um einen solchen Anspruch auszulösen. Wie das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.6.2008, Az. L 20 B 225/07 AS ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de) hält auch die Kammer eine Abgrenzung zu punktuellen "Besuchen" für notwendig. Wo diese Grenze genau verläuft, kann offen bleiben. Im Falle des Klägers und seiner Tochter hält die Kammer sie jedenfalls für klar überschritten, so dass sich die Aufenthalte von A. beim Kläger nicht mehr als bloße Besuche darstellen, sondern ein echtes zeitweises "Mitleben" im Haushalt des Klägers stattgefunden hat.
Nach der Auskunft der Kindesmutter im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10.4.2007 befand sich A. im Jahr 2007 jedes zweite Wochenende für zwei Tage (mit zwei Übernachtungen) beim Kläger, daneben während der Hälfte aller Schulferien (vgl. die schriftliche Erklärung vom 4.5.2007, Bl. 233 der Verwaltungsakte des beklagten Landkreises). Im Klageverfahren hat sie in einer schriftlichen Auskunft an das Gericht vom 20.7.2009 diese An-gaben im Wesentlichen wiederholt (vgl. Bl. 35 der Gerichtsakte). Der Kläger hat diese Angaben bestätigt. Es errechnet sich bei 26 Wochenenden und ca. 13 Wochen Schulferien im Jahr also ein Aufenthalt von A. beim Kläger von ca. 97 Tagen, was in etwa einem Viertel des gesamten Jahres entspricht. Dies stellt einen so signifikanten Zeitanteil dar, dass von einem echten zeit-weisen "Mitleben" im Haushalt des Klägers auszugehen ist, nicht nur von punktuellen Besuchen. Dafür sprechen im Übrigen auch die Regelmäßigkeit der Umgangskontakte und die Tatsache, dass es sich stets um Übernachtungskontakte mit mindestens zwei Nächten handelte. Es ist also grundsätzlich ein höherer Raumbedarf des Klägers anzunehmen als für eine gänzlich allein stehende Person.
Auch hinsichtlich des genauen Höhe eines wegen Umgangskontakten erhöhten Raumbedarfs ist die sozialgerichtliche Rechtsprechung bisher nicht einheitlich. So hat das SG Aachen diskutiert, ob die angemessene Wohnfläche pro Kind um den Anteil an den 15 qm, welche jeder weiteren Person im Haushalt zustehen, zu erhöhen sei, der sich aus der Zahl der monatlich beim betroffenen Elternteil verbrachten Tage ergibt (SG Aachen, Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 - juris). Bei einem durchschnittlichen monatlichen Aufenthalt von A. beim Kläger von 8 Tagen (entspricht ca. 26 % des Monats) ergäbe sich nach dieser Formel eine zusätzliche Fläche von ca. 3,9 qm (entspricht 26 % von 15 qm). Das SG Fulda hat dagegen die angemessene Wohnfläche, sobald die Grenze von lediglichen "Besuchen" zu einem echten zeitweisen "Mit-leben" hin überschritten war, pauschal um die Hälfte der einer weiteren Person zustehenden 15 qm erhöht (SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris). Dies würde im vorliegenden Fall einer zusätzlichen Fläche von 7,5 qm entsprechen.
Die Kammer hält das letztere Berechnungsmodell für überzeugender und wendet es daher auf den vorliegenden Fall an. Das vom SG Aachen erwogene Modell ist zwar geleitet von dem Gedanken größtmöglichen Eingehens auf jeden individuellen Einzelfall, ist aber letztlich nicht praktikabel, da die jeweilige monatliche Besuchsdauer schwanken kann, z. B. typischerweise während der Schulferien länger ist, der Leistungsbezieher aber seine Wohnverhältnisse solchen Schwankungen nicht ständig anpassen kann, indem er mehr oder weniger Wohnraum anmietet. Er muss vielmehr über längere Zeiträume den gesamten Wohnraum vorhalten. Ferner ließe sich nach dem Modell des SG Aachen die tatsächlich zustehende Leistungshöhe selbst dann, wenn man ein ganzes Jahr betrachtet und der Leistungsberechnung eine durchschnittliche monatliche Aufenthaltsdauer der Kinder zugrunde legt, immer erst im Nachhinein abschließend feststellen. Dies ist zwar die typische Perspektive im sozialgerichtlichen Klageverfahren, aber nicht die Perspektive des Leistungsträgers, welchem in erster Linie die korrekte Leistungsberechnung ob-liegt, und die dieser typischerweise für die Gegenwart und nahe Zukunft durchführen muss, nicht erst rückblickend für die Vergangenheit. Deutlich praktikabler erscheint daher das Modell des SG Fulda. Es ermöglicht eine gleichmäßige Leistungsberechnung auf unveränderter Berechnungsgrundlage, solange die Umgangskontakte in Frequenz und Dauer tatsächlich ein echtes "Mitleben" im Haushalt darstellen, unabhängig von (z. B. durch Schulferien bedingten) einzelnen terminlichen Schwankungen. Es erspart aufwändige Ermittlungen zur exakten Dauer des jeweiligen monatlichen Aufenthalts der Kinder im Haushalt eines Leistungsbeziehers. Und nicht zuletzt bietet es dem Leistungsbezieher Rechts- und Planungssicherheit, mit welcher Leistungshöhe er längerfristig rechnen kann, soweit die Umgangskontakte in der bisherigen Intensität erhalten bleiben, so dass er seine Wohnsituation entsprechend gestalten kann.
Es ergibt sich also im Ergebnis nach dem von der Kammer favorisierten Berechnungsmodell eine Erhöhung der für den Kläger angemessenen Wohnfläche von 45 qm auf 52,5 qm. Bei einem angemessenen Quadratmeterpreis von 4,99 EUR ergibt sich damit eine angemessene monatliche Kaltmiete von 262,00 EUR (anstatt bisher 224,55 EUR), die als Bedarf zu berücksichtigen ist. Der beklagte Landkreis war daher zu verurteilen, im Zeitraum vom 1.6. – 31.10.2007 diesen Bedarf der Leistungsberechnung zugrunde zu legen. Eine Erhöhung auf den Betrag der tatsächlichen Kalt-miete von 332,00 EUR, wie vom Kläger beantragt, ergibt sich dagegen rechnerisch nicht, so dass die Klage insoweit abzuweisen war. Für den Monat Mai 2007 ergibt sich gar keine Erhöhung der bisherigen Leistungen, weil der beklagte Landkreis in diesem Monat noch nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II übergangsweise die tatsächliche volle Kaltmiete von 332,00 EUR als Bedarf anerkannt hat, mithin also einen höheren Betrag, als dem Kläger auch unter Berücksichtigung des erhöhten Platzbedarfs als angemessen zustünde.
Es handelt sich bei dem Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft wegen der regelmäßigen Umgangskontakte auch – anders als bei den Leistungen für den alltäglichen Lebensunterhalt (Regelleistung) – um einen Anspruch des "gastgebenden" Elternteils selbst, nicht des besuchen-den Kindes. Denn es ist der Elternteil, der den größeren Wohnraum ständig vorhalten muss, auch in der Zeit, in der das besuchende Kind nicht anwesend ist. Das Konstrukt der "temporären Bedarfsgemeinschaft", in der das jeweilige Kind für Teile eines Monats Anspruchsinhaber ist, stößt hier an seine praktischen Grenzen, da die zeitweilige Anmietung von zusätzlichem Wohnraum allein für die Phasen des Aufenthalts eines Kindes bei seinem nicht sorgeberechtigten Elternteil offensichtlich in der Praxis nicht möglich ist. Die Vorgaben des Bundessozialgerichts, dass im Falle einer "temporären Bedarfsgemeinschaft" Anspruchsinhaber der anteiligen Regelleistung immer derjenige ist, um dessen Bedarf es sich handelt, also das jeweilige Kind, ist auf die Berücksichtigung von erhöhten Aufwendungen für die Unterkunft zur Ermöglichung von Umgangskontakten im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II also nicht übertragbar (SG Aachen, Urteil vom 19.11.2007, Az. S 14 AS 80/07 - juris; SG Fulda, Urteil vom 27.1.2010, Az. S 10 AS 53/09 - www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die Abweisung der Klage Az. S 21 AS 5221/07 als unzulässig wegen doppelter Rechtshängigkeit fällt kostenrechtlich nicht zu Lasten des Klägers ins Gewicht. Denn durch die - unzutreffenden - Rechtsbehelfsbelehrungen in dem Änderungsbescheid vom 30.5.2007 und im Widerspruchsbescheid vom 6.9.2007 hat der beklagte Landkreis Anlass für das unnötige weitere Widerspruchs- und Klageverfahren gegeben. Der Kläger musste also annehmen, dass ein Widerspruch und eine erneute Klage notwendig waren, um die Bestandskraft dieser Bescheide zu verhindern.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage, ob der Leistungsträger nach dem SGB II in der Berechnung angemessener Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II einen erhöhten Raumbedarf wegen des teilweisen Aufenthalts von Kindern eines Leistungsbeziehers im Rahmen der Wahrnehmung des Umgangsrechts zu berücksichtigen hat und ggf. in welcher Höhe, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Sozialgerichte bisher sehr unterschiedlich beurteilt. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage ist noch nicht ergangen.
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