Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 709/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 90/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Prozessvergleich bedarf für seine Wirksamkeit nicht der Unterschrift der Beteiligten.
2. Wenn gerügt wird, der vereinbarte Prozessvergleich habe einen (deutlich) anderen Inhalt gehabt als der protokollierte Prozessvergleich, wird nicht einen Fehler im Ausdruck geltend gemacht, sondern ein inhaltlicher Fehler. Ein solcher ist aber nicht Gegenstand einer Protokollberichtigung, sondern eines Rechtsstreites über die wirksame Beendigung des Verfahrens.
3. Bei den Regelungen in § 779 BGB handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall des Fehlens der Geschäftsgrundlage. Voraussetzung ist der Irrtum aller den Vergleich schließenden Parteien. Wenn sich nur eine Partei irrt, ist § 779 BGB nicht einschlägig. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit einer Vergleichsanfechtung.
4. Erklärungen, die auf einen im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) beruhen, sind nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar
2. Wenn gerügt wird, der vereinbarte Prozessvergleich habe einen (deutlich) anderen Inhalt gehabt als der protokollierte Prozessvergleich, wird nicht einen Fehler im Ausdruck geltend gemacht, sondern ein inhaltlicher Fehler. Ein solcher ist aber nicht Gegenstand einer Protokollberichtigung, sondern eines Rechtsstreites über die wirksame Beendigung des Verfahrens.
3. Bei den Regelungen in § 779 BGB handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall des Fehlens der Geschäftsgrundlage. Voraussetzung ist der Irrtum aller den Vergleich schließenden Parteien. Wenn sich nur eine Partei irrt, ist § 779 BGB nicht einschlägig. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit einer Vergleichsanfechtung.
4. Erklärungen, die auf einen im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) beruhen, sind nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Juli 2012 wird zurückgewiesen II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten III. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Fortsetzung eines Klageverfahrens, weil der am 30. September 2010 vor dem Sozialgericht Dresden geschlossenen Vergleichs nicht wirksam und deshalb das Klageverfahren nicht abgeschlossen sei.
Der am 1970 geborene Kläger stand bei der Beklagten im Leistungsbezug und bezog zuletzt Arbeitslosenhilfe. Darüber hinaus hatte er die Bewilligung einer Berufsun-fähigkeitsrente beantragt, über die vom zuständigen Rentenversicherungsträger noch nicht entschieden worden war.
Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 29. August 2006, eingegangen beim Sozialgericht Dresden am 30. August 2006, Klage (Az. S 8 AL 1158/06) gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. Juni 2006, dem die Ausgangsbescheide vom 28. Oktober 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Juni 2004 und 26. Oktober 2004 vorangegangen waren. Die Beklagte hatte dem Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 6. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 in Höhe von wöchentlich 23,45 EUR unter Berücksichtigung eines abzusetzenden wöchentlichen Anrechnungsbetrag auf Grund von Einkommen in Höhe von 105,14 EUR bewilligt, womit der Kläger nicht einverstanden war.
Am 30. September 2010 fand vor dem Sozialgericht ein Erörterungstermin statt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einigten sich die Beteiligten auf den nachfolgenden Vergleich: "1. Bezüglich der Berechnung der Arbeitslosenhilfe ab 06.06.2004 wird nach § 2 Abs. 3 der ALHi-VO ein wöchentlicher Freibetrag gewährt. Hierzu zieht die Beklagte den mit Wirkung für 2004 geltenden Bundesrahmentarifvertrag und Lohntarifvertrag für die Bauwirtschaft heran.
2. Die Beteiligten sind sich einig darüber, dass die fiktive Einstufung des Klägers in die Lohngruppe 4 vorzunehmen ist. Dabei ist nach dem Tarifvertrag eine wöchentliche regelmäßige durchschnittliche Arbeitzeit von 39 Stunden anzusetzen sowie ein Gesamttarifstundenlohn von 13,18 EUR. Der Gesamttarifstundenlohn setzt sich aus dem Tarifstundenlohn und dem Bauzuschlag zusammen. Hinzu kommt eine prozentuale Urlaubsvergütung nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe von 14,82 % vom Bruttolohn.
3. Für den Abzug der nachgewiesenen Versicherungsbeiträge sind die Beteiligten sich einig, dass für den streitigen Zeitraum monatlich 69,01 EUR abzusetzen sind.
4. Für die Ermittlung des Entgeltes nach § 2 Nr. 3 ALHI-VO mit gesundheitlichen Einschränkungen wird die Lohngruppe 1 des Tarifvertrages Bau zu Grunde gelegt, ein Gesamttarifstundenlohn von 8,95 EUR zuzüglich einer Urlaubsvergütung von 17,29% des Bruttolohnes.
5. Die Beklagte ist bereit, nach Annahme des Vergleiches die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf Antrag zu erstatten.
6. Damit ist der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt.
- vorgelesen und genehmigt -" Die Sitzungsniederschrift wurde von der Vorsitzenden und der im Termin anwesenden Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet und den Beteiligten übermittelt.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 hat der Kläger schwere Fehler des Protokolls gerügt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Sitzungsniederschrift nur einen Zeitraum ab dem 6. Juni 2004 aufweise, obwohl seine Berufsunfähigkeitrente ab dem l. April 1999 zahlbar sei. Er bitte insoweit um eine Abänderung. Der Rechtsstreit sei nicht im vollen Umfang erledigt. Sofern der Schreibfehler nicht korrigierbar sei, berufe er sich auf einen Irrtum über die Vergleichgrundlage nach § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Mit einem späteren Schriftsatz hat er darauf hingewiesen, dass er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen habe.
Das Sozialgericht hat das Verfahren ihm Hinblick auf die begehrte Abänderung des gerichtlichen Vergleichs fortgeführt (Az. S 8 AL 709/10) und mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2012 die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Sozialgerichts sei es durch den Umstand, dass der Kläger den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen habe, weder an einer Entscheidung gehindert, noch sei das Verfahren auszusetzen. Die Klage sei auch in der Sache unbegründet, da das Klageverfahren mit dem Vergleich vom 30. September 2010 beendet worden sei. Dieser sei nicht nach § 779 BGB unwirksam. Dies sei nur dann der Fall, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspreche und der Streit bei Kenntnis dessen nicht entstanden sein würde. Weder der Kläger noch die Beklagte hätten sich über den Sachverhalt, der Grundlage des Vergleichs gewesen sei, geirrt. Sofern der Kläger über den Vergleichstext hinaus weitere Punkte hätte regeln wollen, die nicht Inhalt des Vergleichs geworden seien, stehe dies der Wirksamkeit des Vergleichs nicht entgegen. Wiederaufnahmegründe für das Verfahren lägen ebenfalls nicht vor. Die Beteiligten seien an den Vergleich gebunden und eine Änderung des Vergleichstextes auf einseitigen Antrag des Klägers hin nicht zulässig.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid mit als "Widerspruch" bezeichneten Schreiben am 25. Juli 2012 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass der ihm in der Sitzung vom 30. September 2010 unterbreitete Vergleich bedeutend anders ausgesehen habe, als das ihm zugesandte Protokoll. Richtigerweise hätte der 1. April 1999 in den Vergleich aufgenommen werden müssen
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Juli 2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden mit dem Az.: S 8 AL 1158/06 nicht mit Vergleich vom 30. September 2010 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden mit dem Az.: S 8 AL 1158/06 mit dem Vergleich vom 30. September 2010 wirksam beendet worden ist.
Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf die aus ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts zur Wirksamkeit des Vergleichs.
Der Kläger ist durch den Senat zum Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs vom 30. September 2010 befragt worden. Unter anderem hat er angegeben, dass die streitige Formulierung des Vergleichs auf seinen Vorschlag hin erfolgt sei. Er sei damals wahrscheinlich nicht ganz orientiert gewesen, da er seine Unterlagen nicht in der Sitzung dabei gehabt habe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen, die bezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Senats vom 20. Juni 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig.
Das Schreiben des Klägers vom 24. Juli 2012, mit dem der Kläger "Widerspruch gegen Gerichtsbescheid" einlegte, ist sachdienlich (vgl. § 123 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) als Berufung auszulegen.
Diese Berufung ist statthaft. Gemäß § 143 SGG findet gegen die Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Streitig ist, wie der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einem Streit über die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleiches zu bestimmen ist. Zum Teil wird auf den Streit-gegenstand des beendeten Verfahrens abgestellt (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Januar 2013 – L 5 AS 347/12 – JURIS-Dokument Rdnr. 21, m. w. N.), zum Teil auf die Differenz des durch den Vergleich festgelegten Betrags und dem vom Kläger für richtig gehaltenen Betrag (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 22. Oktober 2012 – L 7 AS 892/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 31). Diese Rechtsfrage muss vorliegend nicht weiter vertieft werden, weil die Berufung des Klägers nach beiden Rechtsauffassungen statthaft ist. In dem dem Vergleich zu Grunde liegenden Klageverfahren ging es um die Berücksichtigung eines abgesetzten wöchentlichen Anrechnungsbetrag auf Grund von Einkommen in Höhe von 105,14 EUR bei der Bemessung des Arbeitslosengelds für die Zeit vom 6. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004, so dass der maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dies gilt entsprechend, wenn darauf abzustellen wäre, was der Kläger über den Vergleich hinaus begehrt. Der Kläger erstrebt weitere Leistungen für die Zeit ab 1. April 1999, das heißt für einen zusätzlichen Zeitraum von über fünf Jahren.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der vom Kläger angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 12. Juli 2012 ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass der unter dem Aktenzeichen S 8 AL 1158/06 vor dem Sozialgericht geführte Rechtstreit durch gerichtlichen Vergleich vom 30. September 2010 wirksam beendet worden ist.
1. Über das Begehren des Klägers war im Rahmen einer Feststellungsklage zu entscheiden. Wenn ein Kläger geltend macht, es sei überhaupt kein Vergleich abgeschlossen worden, oder er Einwände gegen die Wirksamkeit eines Vergleiches erhebt, lebt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens rückwirkend wieder auf. Das Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen worden ist, entscheidet dann entweder dahin, dass die Beendigung des Rechtsstreits durch Endurteil festgestellt wird oder, wenn die Beendigung verneint wird, in der Sache selbst (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – JURIS-Dokumet Rdnr. 20; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 17)
2. Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass er sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt habe, war der Senat hierdurch, ebenso wenig wie das erstinstanzliche Sozialgericht, nicht an einer Entscheidung gehindert. Dieser Hinweis ist sachdienlich (vgl. § 123 SGG) als Antrag auf Aussetzung des Verfahrens im Sinne von § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG auszulegen. Danach kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszu-setzen sei. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die hier zu treffende Entscheidung über die Wirksamkeit einer gerichtlichen Vergleichs vorgreiflich sein könnte.
3. Der Rechtsstreit im Verfahren Aktenzeichen S 8 AL 1158/06 ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 30. September 2010 beendet worden.
Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts (oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters) einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen. Ein Prozessvergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits eine Prozesshandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1963 – 2 RU 228/59 – SozR Nr. 6 zu § 101 SGG S. Ba 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 29; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989 – 10 RKg 16/88– SozR 1500 § 101 Nr. 8 S. 8 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 24. Januar 1991 – 2 RU 51/90 – HV-INFO 1991, 1166 [1169] = JURIS-Dokument Rdnr. 20; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 3, jeweils m. w. N.). Diese Doppelnatur hat zur Folge, dass ein Prozessvergleich wirksam ist, wenn ihm weder prozessrechtliche noch materiell-rechtliche Gründe für seine Wirksamkeit entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1963, a. a. O.; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989, a. a. O.; BSG, Urteil vom 24. Januar 1991 – 2 RU 51/90 – HV-INFO 1991, 1166 [1169] = JURIS-Dokument Rdnr. 21 f.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 13, jeweils m. w. N.).
a) Der Prozessvergleich vom 30. September 2010 ist nicht aus prozessrechtlichen Gründen unwirksam.
Ein Prozessvergleich wird gemäß § 101 Abs. 1 SGG zur Niederschrift des Gerichts (oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters) geschlossen. Für die Niederschrift werden in § 122 SGG die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung (ZPO) für entsprechend geltend erklärt. Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist der Vergleich, das heißt die sachlich deckenden Erklärungen der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – JURIS-Dokument Rndr. 23; BSG, Urteil vom 21. September 1983 – 4 RJ 63/82 – SozVers 1984, 136 = JURIS-Dokument Rdnr. 26) im Protokoll festzustellen. Das Protokoll ist gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO, soweit es unter anderem Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 3 ZPO ist in dem Protokoll zu ver-merken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 30. September 2010 vor. Danach wurde der Vergleich von der Kammervorsitzenden vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und dies in der Sitzungsniederschrift ordnungsgemäß festgestellt. Der Kläger trug insoweit auch keine Einwände vor.
Gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Protokoll von dem Vorsitzenden und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben. Auch dies ist hier geschehen.
Soweit der Kläger gegen die Wirksamkeit des Prozessvergleiches einwendet, dass dieser nicht von den Beteiligten unterschrieben worden sei, fehlt es für diese Forderung an einer Rechtsgrundlage. Der Gesetzgeber lässt es für die Rechtmäßigkeitsgewähr und die Dokumentation genügen, wenn der Prozessvergleich vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und dies im Protokoll festgestellt wird (vgl. § 122 SGG i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO und § 162 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
Soweit der Kläger rügt, die Kammervorsitzende habe sich "einer einfachen Protokollberichtigung gemäß § 164 der ZPO" verweigert, hat der Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt. Der Kläger, der sich als in juristischen Angelegenheiten belesen präsentiert, wie dem Senat auch aus einer Reihe früherer Verfahren bekannt ist, hat im Schreiben vom 4. Oktober 2010 die "korrekte Abänderung" und nicht eine Berichtigung beantragt. Seine Ausführungen im Schreiben vom 4. Oktober 2010 gaben auch keine Veranlassung, sein Begehren als Berichtigungsantrag auszulegen. Denn er rügte nicht eine Unrichtigkeit, das heißt einen Rechen- oder Schreibfehler oder eine Verwechslung (vgl. Urteilsberichtigung: Keller, in: Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 138 Rdnr. 3, m. w. N.), sondern dass der vereinbarte Prozessvergleich einen (deutlich) anderen Inhalt gehabt habe als der protokollierte Prozessvergleich. Er machte somit nicht einen Fehler im Ausdruck geltend, sondern einen inhaltlichen Fehler. Ein solcher ist aber nicht Gegenstand einer Protokollberichtigung nach § 122 SGG i. V. m. § 164 ZPO, sondern eines Rechtsstreites über die wirksame Beendigung des Verfahrens.
b) Der Prozessvergleich vom 30. September 2010 ist auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam.
Ein Prozessvergleich entfaltet aus materiellrechtlichen Gründen keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben, wenn der Vergleich als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nichtig oder wirksam angefochten ist, oder wenn der nach dem Inhalt des Vergleiches als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1963, a. a. O.; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989, a. a. O.; BSG, Urteil vom 24. Januar 1991 – 2 RU 51/90 – HV-INFO 1991, 1166 [1169] = JURIS-Dokument Rdnr. 22; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 13, m. w. N.). Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend gegeben.
(1) Die für einen wirksamen Vergleich erforderliche Zustimmung der Beteiligten, insbesondere die des Klägers, liegt vor. Dies ergibt sich zum einen aus den Feststellungen in der Niederschrift über den Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 30. September 2010. Zum anderen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 20. Juni 2013 an, dass der Vorschlag für die Formulierung des Vergleiches von ihm gekommen sei. Diese aktive Beteiligung an der Gestaltung des Vergleiches geht über die bloße Billigung eines von einem anderen unterbreiteten Vergleichsvorschlages hinaus. Aus diesen Gründen können die Umstände, die den Kläger zur Formulierung seines Vergleichsvorschlages bewogen, allenfalls die Anfechtung des Vergleiches begründen.
(2) Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 105 BGB (Geschäftsunfähigkeit), § 116 Satz 2 BGB (geheimer Vorbehalt), § 117 BGB (Scheingeschäft), § 118 BGB (Scherzgeschäft), § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) oder § 138 BGB (Sittenwidrigkeit oder Wucher) ist weder vorgetragen noch gegeben.
(3) Der Prozessvergleich vom 30. September 2010 ist auch nicht gemäß § 779 BGB unwirksam.
Nach § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gemäß § 779 Abs. 2 BGB gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist. Bei den Regelungen in § 779 BGB handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall des Fehlens der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1993 – IX ZR 34/93 – NJW-RR 1994, 434 = JURIS-Dokument Rndr. 16; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 – I ZR 230/97 – NJW 2000, 2497 = JURIS-Dokument Rndr. 22, m. w. N.; H.-F. Müller, in: Erman, BGB [13. Aufl., 2011]§ 779 Rdnr. 2, m. w. N.; Bork, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, jurisPK-BGB Bd. 1 [6. Aufl., 2012], § 779 BGB Rdnr. 14, m. w. N.). Voraussetzung ist der Irrtum aller den Vergleich schließenden Parteien. Wenn sich nur eine Partei irrt, ist § 779 BGB nicht einschlägig. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit einer Vergleichsanfechtung.
Vorliegend fehlt es an einem Irrtum der im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 30. September 2010 anwesenden Sitzungsvertreterin der Beklagten. So führte die Beklagte unter anderem im Schriftsatz vom 8. November 2011 aus, dass es im ursprünglichen Klageverfahren um die Höhe der Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 6. Juni 2004 bis zum 31. Dezember 2004 gegangen sei. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass – jedenfalls von Seiten der Beklagten – ein Vergleich geschlossen werden sollte, der sich auf Leistungszeiträume vor dem 6. Juni 2004 erstrecken sollte. Gegen eine solche zeitliche Erstreckung spricht unter anderem auch die dienstliche Stellungnahme der Kammervor-sitzenden, die sie auf Grund eines Ablehnungsgesuches (Az. L 3 SF 37/11 AB) abgab. Danach würden die einzelnen Punkte des Vergleiches dem Streitgegenstand entsprechen, der sich aus dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ergebe.
(4) Der Kläger, der die seines Erachtens bestehenden Mängel des Prozessvergleiches unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) gerügt hatte, kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Anfechtungsgrund berufen.
Anfechtungsgründe im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB (Irrtum über wesentliche Eigenschaften), § 120 BGB (Übermittlungsirrtum) oder § 123 BGB (arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung) sind ersichtlich nicht gegeben.
In Betracht kommt lediglich ein Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB. Danach kann, wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
Bevor die Frage nach einem Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB gestellt wird, ist zu prüfen, ob eine Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie hat. Denn eine Auslegung einer Willenserklärung geht immer der Anfechtung vor (vgl. Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1 [6. Aufl., 2012], § 119 Rdnr. 58, m. w. N.; Franzen, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, jurisPK-BGB Bd. 1 [6. Aufl., 2012], § 119 BGB Rdnr. 4).
Vorliegend gibt es keine Veranlassung für eine Auslegung der Erklärung des Klägers, die er im Erörterungstermin am 30. September 2010 im Zusammenhang mit dem Prozessvergleich abgab. Denn die protokollierte Textfassung entsprach, wie er im Berufungsverfahren angab, seinem Formulierungsvorschlag.
Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum lag beim Kläger, als er am 30. September 2010 den Formulierungsvorschlag unterbreitete, nicht vor.
Der Kläger unterlag bei der Abgabe seiner Willenserklärung nicht einem Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Ein solcher Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende etwas anderes äußert, als er eigentlich (subjektiv) will, weil er sich zum Beispiel verspricht, verschreibt oder vergreift (vgl. Armbrüster, a. a. O., Rdnr. 46; A. Arnold, in: Erman, BGB [13. Aufl., 2011]§ 119 Rdnr. 22; Franzen, a. a. O., Rdnr. 16). Das vom Kläger im Erörterungstermin Erklärte entsprach aber seinem damaligen Willen. Der Kläger befand sich bei der Abgabe seiner Willenserklärung auch nicht über deren Inhalt im Irrtum (vgl. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Bei einem Inhaltsirrtum deckt sich zwar das äußere Bild der Willenserklärung mit dem Willen des Erklärenden. Jedoch weicht der Bedeutungsgehalt, die der Erklärung vom Empfängerhorizont aus objektiv zuzumessen ist, vom Willen des Erklärenden ab. Der Erklärende irrt sich über den objektiven Sinn der von ihm verwendeten Erklärungszeichen, weil er beispielsweise fehlerhaft Maßeinheiten, Fachaus-drücken oder Fremdwörtern verwendet (vgl. Armbrüster, a. a. O., Rdnr. 56; A. Arnold, a. a. O., Rdnr. 23; Franzen, a. a. O., Rdnr. 17). Die Datumsangaben über die Zeiten, für die der Prozessvergleich gelten sollte, entsprachen aber dem vom Kläger Gewollten. In Bezug auf den Bedeutungsgehalt dieser Angaben unterlag der Kläger keinem Irrtum.
Der Irrtum des Klägers lag letztlich darin, dass er, als er den Formulierungsvorschlag für den Vergleich unterbreitete, sich in Bezug auf die Daten nicht sicher war. Hierzu gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 20. Juni 2013 an, dass es ihm immer um die Zeit ab 1. April 1999 gegangen sei. Er sei damals wahrscheinlich nicht ganz orientiert gewesen. Er habe damals seine Unterlagen nicht in der Sitzung dabei gehabt. Diese Angaben erscheinen dem Senat plausibel. Denn dem Senat ist aus verschiedenen Verfahren des Klägers im Arbeitsförderungsrecht und im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende bekannt, dass er sich gegen die Anrechung einer im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches zuerkannten Berufsunfähigkeitsrente (Az. L 5 RJ 219/00), die er als Vergleichseinnahme bezeichnet, wendet. Auch brachte der Kläger regelmäßig zu Terminen vor dem Senat Unterlagen oder einen Laptop mit. Gleichwohl ist der Irrtum, dem der Kläger im Erörterungstermin am 30. September 2010 unterlag, unbeachtlich, weil es sich um einen sogenannten Motivirrtum handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Erklärungen, die auf einen im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) beruhen, nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – X ZR 17/97 – BGHZ 139, 177 [180] = JURIS-Dokument Rdnr. 13; BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 – V ZB 150/07 – BGHZ 177, 62 ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 15; vgl. auch BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 27/03 R – SozR 4-2600 § 7 Nr. 1 Rdnr. 14 = JURIS-Dokument Rdnr. 22). Ein solcher Motivirrtum liegt beispielsweise vor, wenn falsche Daten in ein Computersystem eingegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08– NJW-RR 2009, 1641 [1643] = JURIS-Dokument Rdnr. 31). Auch bei einem Irrtum über den gesetzlichen Umfang des mit der Zahlung freiwilliger Beiträge erworbenen Versicherungsschutzes handelt es sich nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003, a. a. O.). In einer vergleichbaren Situation befand sich der Kläger am 30. September 2010. Er hatte bestimmte Vorstellungen über die maßgebenden Daten, die er seinem Formulierungsvorschlag zugrunde legte, ohne sich aber sicher zu sein, ob auf der Grundlage dieser Daten der von ihm gewünschte zeitliche Umfang der Vergleichsregelungen erfasst werden konnte. Diesem Irrtum unterlag der Kläger im Stadium seiner Willensbildung. Bei der vom Kläger beschriebenen Unsicherheit über die Datenlage wäre es angezeigt gewesen, wenn er für sich einen Widerrufsvorbehalt in den Vergleich hätte aufnehmen lassen, um die für den Vergleich aus seiner Sicht relevanten Fakten an Hand seiner Unterlagen und Aufzeichnungen prüfen zu können. Ein solcher Vorbehalt wurde jedoch nicht vereinbart.
(5) Schließlich sind auch sonstige Gründe, die es dem Kläger ermöglichen könnten, vom Vergleich Abstand zu nehmen, nicht ersichtlich.
Der Kläger hätte wegen seiner Unsicherheiten zur Datenlage in den Vergleich einen Widerrufsvorbehalt (vgl. Leitherer, a. a. O., Rdnr. 14) oder einen Rücktrittsvorbehalt aufnehmen lassen können (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 1972 – 8 RV 811/71 – JURIS-Dokument Rdnr. 21). Dies geschah nicht.
Ein Wiederaufnahmeverfahren im Sinne von § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 579 ff. ZPO oder § 179 Abs. 2 SGG ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes in Bezug auf ein früheres Verfahren, das durch einen Prozessvergleich abgeschlossen wurde, unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juli 1968 – 10 RV 135/66 – SozR Nr. 1 zu § 578 ZPO; BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – JURIS-Dokument Rndr. 21, m. w. N.; Leitherer, a. a. O. § 179 Rdnr. 3b). Unabhängig davon hätten aber auch keine Gründe für eine Nichtigkeits-, Restitutions- oder Wiederaufnahmeklage vorgelegen.
Ob im Falle eines Prozessvergleiches ein Anspruch auf Anpassung oder Kündigung des Vergleiches nach Maßgabe von § 59 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) besteht (grundsätzlich bejahend: Leitherer, a. a. O. Rdnr. 15a; differenzierend: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. August 2000 – L 17 U 157/98 – HVBG-INFO 2001, 917 [924] = JURIS-Dokument Rndr. 35; offen gelassen für einen Vergleich über Rentenleistungen: BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 16/09 R – SozR 4-1300 § 48 Nr. 19 = JURIS-Dokument, jeweils Rndr. 16) besteht, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn die dem Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse haben sich seither nicht geändert.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Dr. Scheer Höhl Krewer
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Fortsetzung eines Klageverfahrens, weil der am 30. September 2010 vor dem Sozialgericht Dresden geschlossenen Vergleichs nicht wirksam und deshalb das Klageverfahren nicht abgeschlossen sei.
Der am 1970 geborene Kläger stand bei der Beklagten im Leistungsbezug und bezog zuletzt Arbeitslosenhilfe. Darüber hinaus hatte er die Bewilligung einer Berufsun-fähigkeitsrente beantragt, über die vom zuständigen Rentenversicherungsträger noch nicht entschieden worden war.
Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 29. August 2006, eingegangen beim Sozialgericht Dresden am 30. August 2006, Klage (Az. S 8 AL 1158/06) gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. Juni 2006, dem die Ausgangsbescheide vom 28. Oktober 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Juni 2004 und 26. Oktober 2004 vorangegangen waren. Die Beklagte hatte dem Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 6. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 in Höhe von wöchentlich 23,45 EUR unter Berücksichtigung eines abzusetzenden wöchentlichen Anrechnungsbetrag auf Grund von Einkommen in Höhe von 105,14 EUR bewilligt, womit der Kläger nicht einverstanden war.
Am 30. September 2010 fand vor dem Sozialgericht ein Erörterungstermin statt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einigten sich die Beteiligten auf den nachfolgenden Vergleich: "1. Bezüglich der Berechnung der Arbeitslosenhilfe ab 06.06.2004 wird nach § 2 Abs. 3 der ALHi-VO ein wöchentlicher Freibetrag gewährt. Hierzu zieht die Beklagte den mit Wirkung für 2004 geltenden Bundesrahmentarifvertrag und Lohntarifvertrag für die Bauwirtschaft heran.
2. Die Beteiligten sind sich einig darüber, dass die fiktive Einstufung des Klägers in die Lohngruppe 4 vorzunehmen ist. Dabei ist nach dem Tarifvertrag eine wöchentliche regelmäßige durchschnittliche Arbeitzeit von 39 Stunden anzusetzen sowie ein Gesamttarifstundenlohn von 13,18 EUR. Der Gesamttarifstundenlohn setzt sich aus dem Tarifstundenlohn und dem Bauzuschlag zusammen. Hinzu kommt eine prozentuale Urlaubsvergütung nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe von 14,82 % vom Bruttolohn.
3. Für den Abzug der nachgewiesenen Versicherungsbeiträge sind die Beteiligten sich einig, dass für den streitigen Zeitraum monatlich 69,01 EUR abzusetzen sind.
4. Für die Ermittlung des Entgeltes nach § 2 Nr. 3 ALHI-VO mit gesundheitlichen Einschränkungen wird die Lohngruppe 1 des Tarifvertrages Bau zu Grunde gelegt, ein Gesamttarifstundenlohn von 8,95 EUR zuzüglich einer Urlaubsvergütung von 17,29% des Bruttolohnes.
5. Die Beklagte ist bereit, nach Annahme des Vergleiches die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf Antrag zu erstatten.
6. Damit ist der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt.
- vorgelesen und genehmigt -" Die Sitzungsniederschrift wurde von der Vorsitzenden und der im Termin anwesenden Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet und den Beteiligten übermittelt.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 hat der Kläger schwere Fehler des Protokolls gerügt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Sitzungsniederschrift nur einen Zeitraum ab dem 6. Juni 2004 aufweise, obwohl seine Berufsunfähigkeitrente ab dem l. April 1999 zahlbar sei. Er bitte insoweit um eine Abänderung. Der Rechtsstreit sei nicht im vollen Umfang erledigt. Sofern der Schreibfehler nicht korrigierbar sei, berufe er sich auf einen Irrtum über die Vergleichgrundlage nach § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Mit einem späteren Schriftsatz hat er darauf hingewiesen, dass er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen habe.
Das Sozialgericht hat das Verfahren ihm Hinblick auf die begehrte Abänderung des gerichtlichen Vergleichs fortgeführt (Az. S 8 AL 709/10) und mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2012 die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Sozialgerichts sei es durch den Umstand, dass der Kläger den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen habe, weder an einer Entscheidung gehindert, noch sei das Verfahren auszusetzen. Die Klage sei auch in der Sache unbegründet, da das Klageverfahren mit dem Vergleich vom 30. September 2010 beendet worden sei. Dieser sei nicht nach § 779 BGB unwirksam. Dies sei nur dann der Fall, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspreche und der Streit bei Kenntnis dessen nicht entstanden sein würde. Weder der Kläger noch die Beklagte hätten sich über den Sachverhalt, der Grundlage des Vergleichs gewesen sei, geirrt. Sofern der Kläger über den Vergleichstext hinaus weitere Punkte hätte regeln wollen, die nicht Inhalt des Vergleichs geworden seien, stehe dies der Wirksamkeit des Vergleichs nicht entgegen. Wiederaufnahmegründe für das Verfahren lägen ebenfalls nicht vor. Die Beteiligten seien an den Vergleich gebunden und eine Änderung des Vergleichstextes auf einseitigen Antrag des Klägers hin nicht zulässig.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid mit als "Widerspruch" bezeichneten Schreiben am 25. Juli 2012 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass der ihm in der Sitzung vom 30. September 2010 unterbreitete Vergleich bedeutend anders ausgesehen habe, als das ihm zugesandte Protokoll. Richtigerweise hätte der 1. April 1999 in den Vergleich aufgenommen werden müssen
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Juli 2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden mit dem Az.: S 8 AL 1158/06 nicht mit Vergleich vom 30. September 2010 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden mit dem Az.: S 8 AL 1158/06 mit dem Vergleich vom 30. September 2010 wirksam beendet worden ist.
Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf die aus ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts zur Wirksamkeit des Vergleichs.
Der Kläger ist durch den Senat zum Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs vom 30. September 2010 befragt worden. Unter anderem hat er angegeben, dass die streitige Formulierung des Vergleichs auf seinen Vorschlag hin erfolgt sei. Er sei damals wahrscheinlich nicht ganz orientiert gewesen, da er seine Unterlagen nicht in der Sitzung dabei gehabt habe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen, die bezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Senats vom 20. Juni 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig.
Das Schreiben des Klägers vom 24. Juli 2012, mit dem der Kläger "Widerspruch gegen Gerichtsbescheid" einlegte, ist sachdienlich (vgl. § 123 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) als Berufung auszulegen.
Diese Berufung ist statthaft. Gemäß § 143 SGG findet gegen die Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Streitig ist, wie der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einem Streit über die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleiches zu bestimmen ist. Zum Teil wird auf den Streit-gegenstand des beendeten Verfahrens abgestellt (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Januar 2013 – L 5 AS 347/12 – JURIS-Dokument Rdnr. 21, m. w. N.), zum Teil auf die Differenz des durch den Vergleich festgelegten Betrags und dem vom Kläger für richtig gehaltenen Betrag (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 22. Oktober 2012 – L 7 AS 892/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 31). Diese Rechtsfrage muss vorliegend nicht weiter vertieft werden, weil die Berufung des Klägers nach beiden Rechtsauffassungen statthaft ist. In dem dem Vergleich zu Grunde liegenden Klageverfahren ging es um die Berücksichtigung eines abgesetzten wöchentlichen Anrechnungsbetrag auf Grund von Einkommen in Höhe von 105,14 EUR bei der Bemessung des Arbeitslosengelds für die Zeit vom 6. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004, so dass der maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dies gilt entsprechend, wenn darauf abzustellen wäre, was der Kläger über den Vergleich hinaus begehrt. Der Kläger erstrebt weitere Leistungen für die Zeit ab 1. April 1999, das heißt für einen zusätzlichen Zeitraum von über fünf Jahren.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der vom Kläger angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 12. Juli 2012 ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass der unter dem Aktenzeichen S 8 AL 1158/06 vor dem Sozialgericht geführte Rechtstreit durch gerichtlichen Vergleich vom 30. September 2010 wirksam beendet worden ist.
1. Über das Begehren des Klägers war im Rahmen einer Feststellungsklage zu entscheiden. Wenn ein Kläger geltend macht, es sei überhaupt kein Vergleich abgeschlossen worden, oder er Einwände gegen die Wirksamkeit eines Vergleiches erhebt, lebt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens rückwirkend wieder auf. Das Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen worden ist, entscheidet dann entweder dahin, dass die Beendigung des Rechtsstreits durch Endurteil festgestellt wird oder, wenn die Beendigung verneint wird, in der Sache selbst (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – JURIS-Dokumet Rdnr. 20; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 17)
2. Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass er sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt habe, war der Senat hierdurch, ebenso wenig wie das erstinstanzliche Sozialgericht, nicht an einer Entscheidung gehindert. Dieser Hinweis ist sachdienlich (vgl. § 123 SGG) als Antrag auf Aussetzung des Verfahrens im Sinne von § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG auszulegen. Danach kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszu-setzen sei. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die hier zu treffende Entscheidung über die Wirksamkeit einer gerichtlichen Vergleichs vorgreiflich sein könnte.
3. Der Rechtsstreit im Verfahren Aktenzeichen S 8 AL 1158/06 ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 30. September 2010 beendet worden.
Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts (oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters) einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen. Ein Prozessvergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits eine Prozesshandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1963 – 2 RU 228/59 – SozR Nr. 6 zu § 101 SGG S. Ba 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 29; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989 – 10 RKg 16/88– SozR 1500 § 101 Nr. 8 S. 8 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 24. Januar 1991 – 2 RU 51/90 – HV-INFO 1991, 1166 [1169] = JURIS-Dokument Rdnr. 20; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 3, jeweils m. w. N.). Diese Doppelnatur hat zur Folge, dass ein Prozessvergleich wirksam ist, wenn ihm weder prozessrechtliche noch materiell-rechtliche Gründe für seine Wirksamkeit entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1963, a. a. O.; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989, a. a. O.; BSG, Urteil vom 24. Januar 1991 – 2 RU 51/90 – HV-INFO 1991, 1166 [1169] = JURIS-Dokument Rdnr. 21 f.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 13, jeweils m. w. N.).
a) Der Prozessvergleich vom 30. September 2010 ist nicht aus prozessrechtlichen Gründen unwirksam.
Ein Prozessvergleich wird gemäß § 101 Abs. 1 SGG zur Niederschrift des Gerichts (oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters) geschlossen. Für die Niederschrift werden in § 122 SGG die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung (ZPO) für entsprechend geltend erklärt. Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist der Vergleich, das heißt die sachlich deckenden Erklärungen der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – JURIS-Dokument Rndr. 23; BSG, Urteil vom 21. September 1983 – 4 RJ 63/82 – SozVers 1984, 136 = JURIS-Dokument Rdnr. 26) im Protokoll festzustellen. Das Protokoll ist gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO, soweit es unter anderem Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 3 ZPO ist in dem Protokoll zu ver-merken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 30. September 2010 vor. Danach wurde der Vergleich von der Kammervorsitzenden vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und dies in der Sitzungsniederschrift ordnungsgemäß festgestellt. Der Kläger trug insoweit auch keine Einwände vor.
Gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Protokoll von dem Vorsitzenden und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben. Auch dies ist hier geschehen.
Soweit der Kläger gegen die Wirksamkeit des Prozessvergleiches einwendet, dass dieser nicht von den Beteiligten unterschrieben worden sei, fehlt es für diese Forderung an einer Rechtsgrundlage. Der Gesetzgeber lässt es für die Rechtmäßigkeitsgewähr und die Dokumentation genügen, wenn der Prozessvergleich vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und dies im Protokoll festgestellt wird (vgl. § 122 SGG i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO und § 162 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
Soweit der Kläger rügt, die Kammervorsitzende habe sich "einer einfachen Protokollberichtigung gemäß § 164 der ZPO" verweigert, hat der Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt. Der Kläger, der sich als in juristischen Angelegenheiten belesen präsentiert, wie dem Senat auch aus einer Reihe früherer Verfahren bekannt ist, hat im Schreiben vom 4. Oktober 2010 die "korrekte Abänderung" und nicht eine Berichtigung beantragt. Seine Ausführungen im Schreiben vom 4. Oktober 2010 gaben auch keine Veranlassung, sein Begehren als Berichtigungsantrag auszulegen. Denn er rügte nicht eine Unrichtigkeit, das heißt einen Rechen- oder Schreibfehler oder eine Verwechslung (vgl. Urteilsberichtigung: Keller, in: Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 138 Rdnr. 3, m. w. N.), sondern dass der vereinbarte Prozessvergleich einen (deutlich) anderen Inhalt gehabt habe als der protokollierte Prozessvergleich. Er machte somit nicht einen Fehler im Ausdruck geltend, sondern einen inhaltlichen Fehler. Ein solcher ist aber nicht Gegenstand einer Protokollberichtigung nach § 122 SGG i. V. m. § 164 ZPO, sondern eines Rechtsstreites über die wirksame Beendigung des Verfahrens.
b) Der Prozessvergleich vom 30. September 2010 ist auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam.
Ein Prozessvergleich entfaltet aus materiellrechtlichen Gründen keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben, wenn der Vergleich als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nichtig oder wirksam angefochten ist, oder wenn der nach dem Inhalt des Vergleiches als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1963, a. a. O.; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989, a. a. O.; BSG, Urteil vom 24. Januar 1991 – 2 RU 51/90 – HV-INFO 1991, 1166 [1169] = JURIS-Dokument Rdnr. 22; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 13, m. w. N.). Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend gegeben.
(1) Die für einen wirksamen Vergleich erforderliche Zustimmung der Beteiligten, insbesondere die des Klägers, liegt vor. Dies ergibt sich zum einen aus den Feststellungen in der Niederschrift über den Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 30. September 2010. Zum anderen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 20. Juni 2013 an, dass der Vorschlag für die Formulierung des Vergleiches von ihm gekommen sei. Diese aktive Beteiligung an der Gestaltung des Vergleiches geht über die bloße Billigung eines von einem anderen unterbreiteten Vergleichsvorschlages hinaus. Aus diesen Gründen können die Umstände, die den Kläger zur Formulierung seines Vergleichsvorschlages bewogen, allenfalls die Anfechtung des Vergleiches begründen.
(2) Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 105 BGB (Geschäftsunfähigkeit), § 116 Satz 2 BGB (geheimer Vorbehalt), § 117 BGB (Scheingeschäft), § 118 BGB (Scherzgeschäft), § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) oder § 138 BGB (Sittenwidrigkeit oder Wucher) ist weder vorgetragen noch gegeben.
(3) Der Prozessvergleich vom 30. September 2010 ist auch nicht gemäß § 779 BGB unwirksam.
Nach § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gemäß § 779 Abs. 2 BGB gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist. Bei den Regelungen in § 779 BGB handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall des Fehlens der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1993 – IX ZR 34/93 – NJW-RR 1994, 434 = JURIS-Dokument Rndr. 16; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 – I ZR 230/97 – NJW 2000, 2497 = JURIS-Dokument Rndr. 22, m. w. N.; H.-F. Müller, in: Erman, BGB [13. Aufl., 2011]§ 779 Rdnr. 2, m. w. N.; Bork, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, jurisPK-BGB Bd. 1 [6. Aufl., 2012], § 779 BGB Rdnr. 14, m. w. N.). Voraussetzung ist der Irrtum aller den Vergleich schließenden Parteien. Wenn sich nur eine Partei irrt, ist § 779 BGB nicht einschlägig. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit einer Vergleichsanfechtung.
Vorliegend fehlt es an einem Irrtum der im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 30. September 2010 anwesenden Sitzungsvertreterin der Beklagten. So führte die Beklagte unter anderem im Schriftsatz vom 8. November 2011 aus, dass es im ursprünglichen Klageverfahren um die Höhe der Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 6. Juni 2004 bis zum 31. Dezember 2004 gegangen sei. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass – jedenfalls von Seiten der Beklagten – ein Vergleich geschlossen werden sollte, der sich auf Leistungszeiträume vor dem 6. Juni 2004 erstrecken sollte. Gegen eine solche zeitliche Erstreckung spricht unter anderem auch die dienstliche Stellungnahme der Kammervor-sitzenden, die sie auf Grund eines Ablehnungsgesuches (Az. L 3 SF 37/11 AB) abgab. Danach würden die einzelnen Punkte des Vergleiches dem Streitgegenstand entsprechen, der sich aus dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ergebe.
(4) Der Kläger, der die seines Erachtens bestehenden Mängel des Prozessvergleiches unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) gerügt hatte, kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Anfechtungsgrund berufen.
Anfechtungsgründe im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB (Irrtum über wesentliche Eigenschaften), § 120 BGB (Übermittlungsirrtum) oder § 123 BGB (arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung) sind ersichtlich nicht gegeben.
In Betracht kommt lediglich ein Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB. Danach kann, wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
Bevor die Frage nach einem Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB gestellt wird, ist zu prüfen, ob eine Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie hat. Denn eine Auslegung einer Willenserklärung geht immer der Anfechtung vor (vgl. Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1 [6. Aufl., 2012], § 119 Rdnr. 58, m. w. N.; Franzen, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, jurisPK-BGB Bd. 1 [6. Aufl., 2012], § 119 BGB Rdnr. 4).
Vorliegend gibt es keine Veranlassung für eine Auslegung der Erklärung des Klägers, die er im Erörterungstermin am 30. September 2010 im Zusammenhang mit dem Prozessvergleich abgab. Denn die protokollierte Textfassung entsprach, wie er im Berufungsverfahren angab, seinem Formulierungsvorschlag.
Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum lag beim Kläger, als er am 30. September 2010 den Formulierungsvorschlag unterbreitete, nicht vor.
Der Kläger unterlag bei der Abgabe seiner Willenserklärung nicht einem Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Ein solcher Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende etwas anderes äußert, als er eigentlich (subjektiv) will, weil er sich zum Beispiel verspricht, verschreibt oder vergreift (vgl. Armbrüster, a. a. O., Rdnr. 46; A. Arnold, in: Erman, BGB [13. Aufl., 2011]§ 119 Rdnr. 22; Franzen, a. a. O., Rdnr. 16). Das vom Kläger im Erörterungstermin Erklärte entsprach aber seinem damaligen Willen. Der Kläger befand sich bei der Abgabe seiner Willenserklärung auch nicht über deren Inhalt im Irrtum (vgl. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Bei einem Inhaltsirrtum deckt sich zwar das äußere Bild der Willenserklärung mit dem Willen des Erklärenden. Jedoch weicht der Bedeutungsgehalt, die der Erklärung vom Empfängerhorizont aus objektiv zuzumessen ist, vom Willen des Erklärenden ab. Der Erklärende irrt sich über den objektiven Sinn der von ihm verwendeten Erklärungszeichen, weil er beispielsweise fehlerhaft Maßeinheiten, Fachaus-drücken oder Fremdwörtern verwendet (vgl. Armbrüster, a. a. O., Rdnr. 56; A. Arnold, a. a. O., Rdnr. 23; Franzen, a. a. O., Rdnr. 17). Die Datumsangaben über die Zeiten, für die der Prozessvergleich gelten sollte, entsprachen aber dem vom Kläger Gewollten. In Bezug auf den Bedeutungsgehalt dieser Angaben unterlag der Kläger keinem Irrtum.
Der Irrtum des Klägers lag letztlich darin, dass er, als er den Formulierungsvorschlag für den Vergleich unterbreitete, sich in Bezug auf die Daten nicht sicher war. Hierzu gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 20. Juni 2013 an, dass es ihm immer um die Zeit ab 1. April 1999 gegangen sei. Er sei damals wahrscheinlich nicht ganz orientiert gewesen. Er habe damals seine Unterlagen nicht in der Sitzung dabei gehabt. Diese Angaben erscheinen dem Senat plausibel. Denn dem Senat ist aus verschiedenen Verfahren des Klägers im Arbeitsförderungsrecht und im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende bekannt, dass er sich gegen die Anrechung einer im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches zuerkannten Berufsunfähigkeitsrente (Az. L 5 RJ 219/00), die er als Vergleichseinnahme bezeichnet, wendet. Auch brachte der Kläger regelmäßig zu Terminen vor dem Senat Unterlagen oder einen Laptop mit. Gleichwohl ist der Irrtum, dem der Kläger im Erörterungstermin am 30. September 2010 unterlag, unbeachtlich, weil es sich um einen sogenannten Motivirrtum handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Erklärungen, die auf einen im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) beruhen, nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – X ZR 17/97 – BGHZ 139, 177 [180] = JURIS-Dokument Rdnr. 13; BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 – V ZB 150/07 – BGHZ 177, 62 ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 15; vgl. auch BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 27/03 R – SozR 4-2600 § 7 Nr. 1 Rdnr. 14 = JURIS-Dokument Rdnr. 22). Ein solcher Motivirrtum liegt beispielsweise vor, wenn falsche Daten in ein Computersystem eingegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08– NJW-RR 2009, 1641 [1643] = JURIS-Dokument Rdnr. 31). Auch bei einem Irrtum über den gesetzlichen Umfang des mit der Zahlung freiwilliger Beiträge erworbenen Versicherungsschutzes handelt es sich nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003, a. a. O.). In einer vergleichbaren Situation befand sich der Kläger am 30. September 2010. Er hatte bestimmte Vorstellungen über die maßgebenden Daten, die er seinem Formulierungsvorschlag zugrunde legte, ohne sich aber sicher zu sein, ob auf der Grundlage dieser Daten der von ihm gewünschte zeitliche Umfang der Vergleichsregelungen erfasst werden konnte. Diesem Irrtum unterlag der Kläger im Stadium seiner Willensbildung. Bei der vom Kläger beschriebenen Unsicherheit über die Datenlage wäre es angezeigt gewesen, wenn er für sich einen Widerrufsvorbehalt in den Vergleich hätte aufnehmen lassen, um die für den Vergleich aus seiner Sicht relevanten Fakten an Hand seiner Unterlagen und Aufzeichnungen prüfen zu können. Ein solcher Vorbehalt wurde jedoch nicht vereinbart.
(5) Schließlich sind auch sonstige Gründe, die es dem Kläger ermöglichen könnten, vom Vergleich Abstand zu nehmen, nicht ersichtlich.
Der Kläger hätte wegen seiner Unsicherheiten zur Datenlage in den Vergleich einen Widerrufsvorbehalt (vgl. Leitherer, a. a. O., Rdnr. 14) oder einen Rücktrittsvorbehalt aufnehmen lassen können (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 1972 – 8 RV 811/71 – JURIS-Dokument Rdnr. 21). Dies geschah nicht.
Ein Wiederaufnahmeverfahren im Sinne von § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 579 ff. ZPO oder § 179 Abs. 2 SGG ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes in Bezug auf ein früheres Verfahren, das durch einen Prozessvergleich abgeschlossen wurde, unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juli 1968 – 10 RV 135/66 – SozR Nr. 1 zu § 578 ZPO; BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – JURIS-Dokument Rndr. 21, m. w. N.; Leitherer, a. a. O. § 179 Rdnr. 3b). Unabhängig davon hätten aber auch keine Gründe für eine Nichtigkeits-, Restitutions- oder Wiederaufnahmeklage vorgelegen.
Ob im Falle eines Prozessvergleiches ein Anspruch auf Anpassung oder Kündigung des Vergleiches nach Maßgabe von § 59 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) besteht (grundsätzlich bejahend: Leitherer, a. a. O. Rdnr. 15a; differenzierend: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. August 2000 – L 17 U 157/98 – HVBG-INFO 2001, 917 [924] = JURIS-Dokument Rndr. 35; offen gelassen für einen Vergleich über Rentenleistungen: BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 16/09 R – SozR 4-1300 § 48 Nr. 19 = JURIS-Dokument, jeweils Rndr. 16) besteht, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn die dem Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse haben sich seither nicht geändert.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Dr. Scheer Höhl Krewer
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