L 8 AS 1509/13 B KO

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 21 SF 411/12 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 1509/13 B KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sozialgerichtliches Verfahren - Ausschluss der Beschwerde gegen Entscheidungen des SG im Kostenfestsetzungsverfahren

1. Die Verfahrensregelungen des RVG finden auf die Festsetzung der von den Beteiligten untereinander zu erstattenden Kosten keine Anwendung. Hieran hat sich durch die Einführung des § 1 Abs. 3 RVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung zum 01.08.2013 nichts geändert.

2. Im Verfahren über die Festsetzung der von den Beteiligten untereinander zu erstattenden Kosten gilt auch nach Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, dass das Sozialgericht über Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 197 Abs 2 SGG endgültig entscheidet und eine Beschwerde zum Landessozialgericht nicht statthaft ist (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris; vom 13.03.2013 - L 8 AS 179/13 B KO - juris und vom 04.04.2013 - L 8 AS 1454/12 B KO - juris).
I. Der Antrag auf Vorabentscheidung nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz wird abgelehnt. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. Mai 2012 wird verworfen.

III. Diese Entscheidung ergeht kostenfrei.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz (SG) vom 07.05.2012, mit dem es die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 10.11.2011 über die vom Beschwerdegegner im Verfahren S 21 AS 990/10 ER zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten zurückgewiesen hat.

Der Beschwerdeführer hat am 31.05.2012 Beschwerde, hilfsweise Gegenvorstellung, höchst hilfsweise Anhörungsrüge, erhoben, die dem LSG am 13.08.2013 vorgelegt worden ist. Zugleich hat er Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 GVG über die Zulässigkeit der Beschwerde beantragt. Es sei vorab auszusprechen, dass die im beschrittenen Rechtsweg eingelegte Beschwerde zum Landessozialgericht zulässig sei.

Die Akten des SG-Verfahrens und die Beschwerdeakten haben dem Senat vorgelegen.

II.

Der Antrag, gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab die Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschluss des SG festzustellen, ist unzulässig.

Nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG hat das Gericht nur dann vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt. Der Anwendungsbereich der §§ 17 bis 17b GVG ist allerdings auf die Frage des Rechtsweges beschränkt und gilt nicht innerhalb des Rechtsweges und insbesondere nicht für das Verhältnis zwischen den Gerichten verschiedener Instanzen (vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO – juris RdNr. 6 ff.).

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen. Gründe des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

III.

Die Beschwerde ist unzulässig und war zu verwerfen. Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten ist die Beschwerde nicht statthaft. § 197 Abs. 2 SGG verdrängt § 172 SGG (allg. Meinung; vgl. Senatsbeschlüsse vom 02.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO – juris RdNr. 11; vom 13.03.2013 – L 8 AS 179/13 B KO – juris RdNr. 4; vom 04.04.2013 – L 8 AS 1454/12 B KO – juris RdNr. 7 ff. und vom 17.04.2013 – L 8 AS 277/13 B KO – juris RdNr. 7 ff.).

§ 33 Abs. 3, 4 RVG ist weder direkt (vgl. Senatsbeschluss vom 04.04.2013 – L 8 AS 1454/12 B KO – juris RdNr. 12) noch analog auf das in § 197 SGG geregelte Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar (vgl. Senatsbeschlüsse vom 02.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO – juris RdNr. 11 und vom 04.04.2013 a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2007 – L 19 B 112/07 AS – juris RdNr. 8, 10).

§ 178 Satz 1 SGG gebietet keine andere Auslegung. Sowohl die Systematik des RVG als auch der verschiedenen Festsetzungsverfahren schließt die Annahme aus, dass § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG als speziellere Norm § 197 Abs. 2 SGG verdrängt (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschluss vom 13.03.2013 – L 8 AS 179/13 B KO – juris RdNr. 5 ff.). Auch Entstehungs- und Regelungsgeschichte des § 197 SGG sprechen gegen die Statthaftigkeit einer Beschwerde (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschluss vom 04.04.2013 – L 8 AS 1454/12 B KO – juris RdNr. 8 ff.).

An der aufgezeigten Rechtslage hat sich auch durch den im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 (BGBl. I, S. 2586) mit Wirkung vom 01.08.2013 angefügten Absatz 3 an § 1 RVG nichts geändert (dahingehend bereits Senatsbeschluss vom 13.03.2013 – L 8 AS 179/13 B KO – juris RdNr. 8).

Abgesehen davon, dass die Änderung auf die hier streitige Angelegenheit bereits deshalb nicht anwendbar ist, weil der unbedingte Auftrag zur Vertretung des Antragstellers durch seinen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt vor Inkrafttreten der Änderung erteilt war (§ 60 Abs. 1 RVG), ist auch durch § 1 Abs. 3 RVG künftig keine Beschwerdemöglichkeit gegen Erinnerungsentscheidungen des SG im Rahmen der Festsetzung der Kosten von Beteiligten untereinander eröffnet. Es bleibt dabei, dass das SG gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig entscheidet.

Denn § 1 Abs. 3 RVG bestimmt, dass die Vorschriften des RVG über Erinnerungen und Beschwerden den Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen. Eine hierdurch aufzulösende Kollisionslage kann nur eintreten, soweit Regelungen sowohl des RVG als auch der allgemeinen Prozessordnungen – hier des SGG – Geltung für gleiche Verfahrensarten beanspruchen. Dies ist für das hier betroffene Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG jedoch ausgeschlossen. Die Verfahrensregelungen des RVG finden von vornherein keine Anwendung auf die Festsetzung der von den Beteiligten untereinander zu erstattenden Kosten. Das RVG gestaltet verfahrensrechtlich allein die Festsetzung der Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG) aus – und zwar zum Einen im Verhältnis zu ihren jeweiligen Mandanten (§ 11 RVG) und zum Anderen für die im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälte gegenüber der Staatskasse (§§ 45 ff. RVG).

Wie oben ausgeführt, sind diese Verfahrensbestimmungen des RVG weder direkt noch analog auf das in § 197 SGG geregelte Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar. Vergütungs- und Kostenfestsetzung sind vielmehr streng voneinander zu trennen. Während die Vergütungsfestsetzung das Innenverhältnis zwischen Mandant – bzw. der an dessen Stelle tretenden Staatskasse – und Rechtsanwalt betrifft, geht es bei der Kostenfestsetzung um den Erstattungsanspruch des Mandanten gegen seinen Prozessgegner auf Grund einer in der Hauptsache getroffenen Kostengrundentscheidung oder -regelung. Beide Verfahren sind voneinander unabhängig (BGH, Beschluss vom 11.04.1991 – I ARZ 136/91 – juris RdNr. 5; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., § 11 RdNr. 6, § 55 RdNr. 2; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 11 RdNr. 1, 4, § 55 RdNr. 1). Entscheidungen in dem einem Verfahren binden nicht in einem anderen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.1997 – 1 BvR 1174/90 – juris RdNr. 7; Hessischer VGH, Beschluss vom 06.10.1997 – 14 S 2808/97 – juris RdNr. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.1985 – 13 W 144/85 – juris), sodass sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können (vgl. Müller-Rabe a.a.O.).

Unerheblich ist ferner, dass Bestimmungen des RVG im Kostenfestsetzungsverfahren materiell-rechtliche Bedeutung haben, weil inhaltlich beide Male auch die Höhe der anwaltlichen Vergütung betroffen sein kann. Hat der Prozessgegner aufgrund einer Kostengrundentscheidung oder –regelung die notwendigen außergerichtlichen Kosten der anderen Seite (ganz oder teilweise) zu tragen, sind hiervon regelmäßig auch die Gebühren und Auslagen eines beauftragten Rechtsanwalts erfasst. Im Festsetzungsverfahren über die Höhe des Erstattungsanspruchs ist daher für die Bestimmung der Höhe der vom Anwalt aus dem Mandatsverhältnis verdienten – und nunmehr vom Prozessgegner zu erstattenden – Vergütung auf die materiell-rechtlichen Regelungen des RVG zurückzugreifen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das RVG für das Verhältnis der Beteiligten untereinander keinerlei verfahrensrechtlichen Regelungen trifft.

Kollidierende Gemengelagen, die der Auflösung durch § 1 Abs. 3 RVG bedürften, können sich daher von vornherein nur im Bereich der Vergütungsfestsetzung ergeben. So bestimmt etwa § 178 Satz 1 SGG, dass gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten das Gericht angerufen werden kann, das endgültig, also ohne Beschwerdemöglichkeit, entscheidet. Da nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG die Vergütungsfestsetzung auch durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgt, widerspricht § 178 Satz 1 SGG der Regelung des § 56 Abs. 2 Satz1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, die gegen die Entscheidung über die Erinnerung die Beschwerde abhängig von der Höhe der Beschwer ermöglicht. Insoweit mag § 1 Abs. 3 RVG klarstellen, dass im PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren § 178 Satz 1 SGG einer Beschwerde nicht entgegensteht (so bereits bisher die st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 22.04.2013 – L 8 AS 527/12 B KO – juris RdNr. 13 m. w. N. auch zu abweichenden Auffassungen). An dem abschließenden Charakter des § 197 Abs. 2 SGG und dem in ihm geregelten Beschwerdeausschluss für Kostenfestsetzungsverfahren ändert sich durch die Anfügung des Absatzes 3 an § 1 RVG indessen nichts.

IV.

Über die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung und Anhörungsrüge hat das LSG nicht zu befinden. Adressat dieser (außerordentlichen) Rechtsbehelfe ist der "iudex a quo", also das SG (vgl. zur Anhörungsrüge bereits Beschluss des SG vom 02.08.2013).

V.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG)

Dr. Wahl Kirchberg Salomo
Rechtskraft
Aus
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