Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KA 120/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KA 33/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines Regelleistungsvolumens (RLV) hat bestandskräftig werden lassen, ist an diese Festsetzung gebunden und kann im nachfolgenden Honorarrechtsstreit nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen (vgl BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 1).
2. Bei der in § 87b Abs 5 S 1 Halbs 2 SGB 5 für die Zuweisung des RLV vorgesehenen Vier-Wochen-Frist handelt es sich um eine bloße Ordnungsfrist, um deren Einhaltung eine Kassenärztliche Vereinigung pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen ein anderes oder gar kein RLV gilt (vgl BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R aaO).
2. Bei der in § 87b Abs 5 S 1 Halbs 2 SGB 5 für die Zuweisung des RLV vorgesehenen Vier-Wochen-Frist handelt es sich um eine bloße Ordnungsfrist, um deren Einhaltung eine Kassenärztliche Vereinigung pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen ein anderes oder gar kein RLV gilt (vgl BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R aaO).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.016,97 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des vertragsärztlichen Honorars im Quartal II/2009.
Im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) erfolgte die Vergütung der Vertragsärzte ab dem Quartal I/2009 grundsätzlich auf der Basis der Sächsischen Gebührenordnung (SGO) als regionaler Gebührenordnung mit Euro-Preisen. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit wurde je Quartal ein Regelleistungsvolumen (RLV) vorgegeben, bis zu dessen Ausschöpfung die abgerechneten Leistungen, die dem RLV unterlagen, zu den Preisen der SGO vergütet wurden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Honorarverteilungsmaßstabes [HVM]). Die Höhe des RLV eines Vertragsarztes ergab sich aus der Multiplikation des vergleichsgruppenspezifischen Fallwertes und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal (§ 8 Abs. 2 Satz 2 HVM); für jeden 150 % der durchschnittlichen Fallzahl der Vergleichsgruppe überschreitenden Fall wurde der vergleichsgruppenspezifische Fallwert vermindert (§ 8 Abs. 2 Satz 4 HVM). Die das RLV übersteigenden Leistungen (Restleistungen) wurden mit einem abgestaffelten Preis vergütet (§ 8 Abs. 4 Satz 2 bis 5 HVM).
Dem Kläger, der als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in P an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 27.03.2009 das RLV für das Quartal II/2009 in Höhe von 42.758,20 EUR mit. Die Neufestsetzung des RLV für dieses und das vorhergehende Quartal lehnte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 ab.
Mit Honorarbescheid vom 26.10.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal II/2009 auf 47.663,62 EUR fest; dabei überschritt der angeforderte RLV-relevante Leistungsbedarf von 66.775,17 EUR das RLV von 42.758,20 EUR um 24.016,97 EUR. Der Kläger legte Widerspruch ein und rügte das zugrunde gelegte RLV sowie die unzureichende Vergütung der zeitgebundenen psychiatrischen Gesprächsleistungen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2010 zurück. Die Vergütung der psychiatrischen Gesprächsleistungen könne bei Überschreitung des RLV geringer sein. Über die Neufestsetzung des RLV sei in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden.
Der Kläger hat am 02.06.2010 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Er erhalte weder ein angemessenes RLV noch eine angemessene zeitbezogene Vergütung. Obwohl er nach zwei Praxisschließungen die Versorgung der Patienten übernommen habe, sei sein RLV nicht erhöht worden. Erst ab dem Quartal III/2009 sei ihm mit Bescheid vom 16.07.2010 eine Minderung der Fallzahlabstaffelung zugestanden worden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und die Vorgaben des § 87 Abs. 2c Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Vergütung zeitgebundener Leistungen seien verletzt.
Mit Urteil vom 19.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Festsetzung des RLV für das streitige Quartal sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe die Regelungen über die Bemessung des RLV in § 8 HVM zutreffend angewandt. Die ebenfalls angewandte Abstaffelungsregelung in § 8 Abs. 2 HVM beruhe auf den Vorgaben des (Erweiterten) Bewertungsausschusses in dessen Beschlüssen vom 27./28.08.2008, 17.10.2008 und 23.10.2008, die mit höherrangigem Recht in Einklang stünden. Die psychiatrischen Gesprächsleistungen nach den Nrn. 21216, 21220 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gehörten nicht zu den Leistungen, die nach den Beschlüssen des Bewertungsausschusses und gleichlautend nach § 8 Abs. 6 HVM außerhalb des RLV zu vergüten seien. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden habe, sei der Bewertungsausschuss berechtigt, die Punktwertstützung auf die Leistungen zu konzentrieren, die sowohl zeitgebunden als auch genehmigungsbedürftig seien, was bei den bereits nach eigener Indikationsstellung erbringbaren psychiatrischen Gesprächsleistungen nicht der Fall sei. Soweit der Bewertungsausschuss die psychiatrischen Gesprächs- und Betreuungsleistungen nach den Nrn. 14220, 14222, 21216, 21220 und 21222 EBM-Ä ab dem Quartal III/2009 aus den RLV ausgenommen habe, könne der Kläger daraus für das hier streitige Quartal keine Rechte ableiten. Eine Ausnahme von der Abstaffelungsregelung könne der Kläger für das streitige Quartal auf der Grundlage von § 8 Abs. 13 bis 15 HVM nicht beanspruchen, weil er den auf seinen Antrag hin ergangenen Bescheid der Beklagten vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 habe bestandskräftig werden lassen. Damit stehe zwischen den Beteiligten die Höhe des RLV bindend fest.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner am 15.07.2011 eingelegten Berufung. Die Berechnung des RLV müsse falsch sein. Denn die HVM-Regelungen über die RLV stünden hinsichtlich der gebildeten Arztgruppen und der Berechnung des arztgruppenspezifischen Fallwerts im Widerspruch zu den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Auch habe die Beklagte bei der Berechnung des RLV eine falsche Fallzahl zugrunde gelegt. Darüber hinaus sei ihm das RLV für das Quartal II/2009 erst mit Schreiben vom 27.03.2009 mitgeteilt worden; somit sei die Frist des § 87b Abs. 5 Satz 2 SGB V nicht gewahrt. Seinem Begehren stehe die Bestandskraft des Bescheides vom 17.02.2009 nicht entgegen, da bei der Entscheidung über den dagegen gerichteten Widerspruch bereits die vorliegende Honorarklage rechtshängig gewesen sei. Eine selbständige Klage gegen die Ablehnung der RLV-Erhöhung wäre nicht prozessökonomisch und mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Es müsse die Möglichkeit bestehen, die Zuweisung des RLV im Honorarrechtsstreit inzident prüfen zu lassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 zu verpflichten, über den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal II/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die HVM-Regelungen verstießen nicht die Vorgaben des Bewertungsausschusses. Entscheidend sei, dass die Höhe des RLV rechtzeitig vor Beginn des Quartals mitgeteilt worden sei. Die Klage gegen den Honorarbescheid hindere nicht die Bestandskraft des Bescheides vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2010 nicht in rechtswidriger Weise beschwert.
1. Soweit sich der Kläger mit seiner Honorarklage gegen die Höhe des ihm für das Quartal II/2009 zugewiesenen RLV wendet, ist die Klage bereits deshalb unbegründet, weil die Zuweisung des RLV für dieses Quartal bestandskräftig geworden ist.
§ 87b Abs. 5 SGB V bestimmte in der vom 01.07.2008 bis 22.09.2011 geltenden Fassung: "Die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens. § 85 Abs. 4 Satz 9 gilt. Die nach § 85 Abs. 4 der Kassenärztlichen Vereinigung zugewiesenen Befugnisse, insbesondere zur Bestimmung von Abrechnungsfristen und -belegen sowie zur Verwendung von Vergütungsanteilen für Verwaltungsaufwand, bleiben unberührt. Kann ein Regelleistungsvolumen nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen werden, gilt das bisherige dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene Regelleistungsvolumen vorläufig fort. Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren Regelleistungsvolumen sind rückwirkend zu erfüllen." Hierzu hat das BSG mit Urteil vom 15.08.2012 (B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 10) entschieden: Die in § 87b Abs. 5 SGB V vorgeschriebene Zuweisung des RLV erfolgt in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar, der unabhängig vom Honorarbescheid anfechtbar ist. Dies ist auch früher schon bei gesonderten Feststellung der Bemessungsgrundlagen für Honoraransprüche im Vertragsarztrecht angenommen worden (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 80/04 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 Rn. 9; Urteil vom 24.09.2003 - B 6 KA 37/02 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 3 Rn. 11; Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 28; Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 27 S. 193 – siehe auch BSG, Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 12/09 R - SozR 4-2500 § 92 Nr. 9 Rn. 11; Urteil vom 03.02.2010 - B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 Rn. 12 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 53), folgt bei der Zuweisung des RLV aber auch aus der in § 87b Abs. 5 Satz 2 SGB V angeordneten Geltung des § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V, welcher bestimmt, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben.
Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folgt, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarrechtsstreit nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 11). Für die Klärung der Rechtmäßigkeit eines zugewiesenen RLV ist nur solange Raum und ein Rechtschutzbedürfnis gegeben, als die denselben Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind; dabei reicht es zur Verhinderung der Bestandskraft, wenn die KÄV erklärt hat, den Honorarbescheid an eine eventuell geänderte RLV-Festsetzung anzupassen (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 11 ff.). Demgegenüber fällt – anders als der Kläger meint – das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die Zuweisung eines RLV nicht dadurch weg, dass gegen den denselben Zeitraum betreffenden Honorarbescheid Klage erhoben wurde. Ebenso wenig ist der vom Kläger zitierten Literaturmeinung zu folgen, wonach die Zuweisung des RLV im Rahmen der Überprüfung des Honorarbescheides inzidenter kontrolliert werden könne (Freudenberg in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 87b Rn. 92). Denn das Gesetz gibt nichts dafür her, dass die RLV-Zuweisung nur derart eingeschränkt der Bestandskraft fähig wäre. Vielmehr gilt: Hat ein Vertragsarzt die Zuweisung eines RLV bestandskräftig werden lassen, ist er an diese Festsetzung gebunden und kann im nachfolgenden Honorarrechtsstreit nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 11).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.03.2009 das RLV für das Quartal II/2009 in Höhe von 42.758,20 EUR mitgeteilt. Nach Mitteilung der Beklagten ist gegen diese Zuweisung kein gesonderter Widerspruch eingelegt worden. Die Beklagte hat jedoch mit ihrem Bescheid vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 für die Quartale I und II/2009 die Neufestsetzung des RLV abgelehnt. Dieser Bescheid ist nicht mit der Klage angefochten und folglich bestandskräftig worden. Damit steht zwischen den Beteiligten bindend fest, dass dem Kläger für das Quartal II/2009 ein RLV in Höhe von 42.758,20 EUR zugestanden hat.
Kein für den Kläger günstigeres Ergebnis folgt daraus, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27.03.2009 die in § 87b Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 SGB V für die Zuweisung des RLV vorgesehene Vier-Wochen-Frist nicht eingehalten hat. Denn hierbei handelt es sich um eine bloße Ordnungsfrist, um deren Einhaltung die KÄV pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen ein anderes oder gar kein RLV gilt (vgl. BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 26). Die Regelung in § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V, wonach das bisherige RLV vorläufig fortgilt, wenn das neue RLV nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen wurde, greift hier nicht, weil der Kläger – wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat –das Schreiben vom 27.03.2009 am 28.03.2009 und damit vor Beginn des Quartals II/2009 erhalten hat. Für eine Fortgeltung des bisherigen RLV pro rata temporis (vgl. dazu BSG, Urteil vom Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 23 f.) ist daher kein Raum.
Steht daher das RLV für das Quartal II/2009 bestandskräftig fest, ist im vorliegenden Honorarrechtsstreit über dessen Rechtmäßigkeit nicht zu befinden.
2. Auch soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die Bewertung psychiatrischer Gesprächsleistungen und gegen deren Einbeziehung in das RLV wendet, ist die Klage unbegründet. Diesbezüglich wird gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des SG verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und entspricht derjenigen für das erstinstanzliche Verfahren im Senatsbeschluss vom 21.12.2012 - L 8 KA 30/11 B.
Kirchberg Salomo Dr. Wahl
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.016,97 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des vertragsärztlichen Honorars im Quartal II/2009.
Im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) erfolgte die Vergütung der Vertragsärzte ab dem Quartal I/2009 grundsätzlich auf der Basis der Sächsischen Gebührenordnung (SGO) als regionaler Gebührenordnung mit Euro-Preisen. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit wurde je Quartal ein Regelleistungsvolumen (RLV) vorgegeben, bis zu dessen Ausschöpfung die abgerechneten Leistungen, die dem RLV unterlagen, zu den Preisen der SGO vergütet wurden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Honorarverteilungsmaßstabes [HVM]). Die Höhe des RLV eines Vertragsarztes ergab sich aus der Multiplikation des vergleichsgruppenspezifischen Fallwertes und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal (§ 8 Abs. 2 Satz 2 HVM); für jeden 150 % der durchschnittlichen Fallzahl der Vergleichsgruppe überschreitenden Fall wurde der vergleichsgruppenspezifische Fallwert vermindert (§ 8 Abs. 2 Satz 4 HVM). Die das RLV übersteigenden Leistungen (Restleistungen) wurden mit einem abgestaffelten Preis vergütet (§ 8 Abs. 4 Satz 2 bis 5 HVM).
Dem Kläger, der als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in P an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 27.03.2009 das RLV für das Quartal II/2009 in Höhe von 42.758,20 EUR mit. Die Neufestsetzung des RLV für dieses und das vorhergehende Quartal lehnte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 ab.
Mit Honorarbescheid vom 26.10.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal II/2009 auf 47.663,62 EUR fest; dabei überschritt der angeforderte RLV-relevante Leistungsbedarf von 66.775,17 EUR das RLV von 42.758,20 EUR um 24.016,97 EUR. Der Kläger legte Widerspruch ein und rügte das zugrunde gelegte RLV sowie die unzureichende Vergütung der zeitgebundenen psychiatrischen Gesprächsleistungen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2010 zurück. Die Vergütung der psychiatrischen Gesprächsleistungen könne bei Überschreitung des RLV geringer sein. Über die Neufestsetzung des RLV sei in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden.
Der Kläger hat am 02.06.2010 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Er erhalte weder ein angemessenes RLV noch eine angemessene zeitbezogene Vergütung. Obwohl er nach zwei Praxisschließungen die Versorgung der Patienten übernommen habe, sei sein RLV nicht erhöht worden. Erst ab dem Quartal III/2009 sei ihm mit Bescheid vom 16.07.2010 eine Minderung der Fallzahlabstaffelung zugestanden worden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und die Vorgaben des § 87 Abs. 2c Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Vergütung zeitgebundener Leistungen seien verletzt.
Mit Urteil vom 19.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Festsetzung des RLV für das streitige Quartal sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe die Regelungen über die Bemessung des RLV in § 8 HVM zutreffend angewandt. Die ebenfalls angewandte Abstaffelungsregelung in § 8 Abs. 2 HVM beruhe auf den Vorgaben des (Erweiterten) Bewertungsausschusses in dessen Beschlüssen vom 27./28.08.2008, 17.10.2008 und 23.10.2008, die mit höherrangigem Recht in Einklang stünden. Die psychiatrischen Gesprächsleistungen nach den Nrn. 21216, 21220 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gehörten nicht zu den Leistungen, die nach den Beschlüssen des Bewertungsausschusses und gleichlautend nach § 8 Abs. 6 HVM außerhalb des RLV zu vergüten seien. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden habe, sei der Bewertungsausschuss berechtigt, die Punktwertstützung auf die Leistungen zu konzentrieren, die sowohl zeitgebunden als auch genehmigungsbedürftig seien, was bei den bereits nach eigener Indikationsstellung erbringbaren psychiatrischen Gesprächsleistungen nicht der Fall sei. Soweit der Bewertungsausschuss die psychiatrischen Gesprächs- und Betreuungsleistungen nach den Nrn. 14220, 14222, 21216, 21220 und 21222 EBM-Ä ab dem Quartal III/2009 aus den RLV ausgenommen habe, könne der Kläger daraus für das hier streitige Quartal keine Rechte ableiten. Eine Ausnahme von der Abstaffelungsregelung könne der Kläger für das streitige Quartal auf der Grundlage von § 8 Abs. 13 bis 15 HVM nicht beanspruchen, weil er den auf seinen Antrag hin ergangenen Bescheid der Beklagten vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 habe bestandskräftig werden lassen. Damit stehe zwischen den Beteiligten die Höhe des RLV bindend fest.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner am 15.07.2011 eingelegten Berufung. Die Berechnung des RLV müsse falsch sein. Denn die HVM-Regelungen über die RLV stünden hinsichtlich der gebildeten Arztgruppen und der Berechnung des arztgruppenspezifischen Fallwerts im Widerspruch zu den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Auch habe die Beklagte bei der Berechnung des RLV eine falsche Fallzahl zugrunde gelegt. Darüber hinaus sei ihm das RLV für das Quartal II/2009 erst mit Schreiben vom 27.03.2009 mitgeteilt worden; somit sei die Frist des § 87b Abs. 5 Satz 2 SGB V nicht gewahrt. Seinem Begehren stehe die Bestandskraft des Bescheides vom 17.02.2009 nicht entgegen, da bei der Entscheidung über den dagegen gerichteten Widerspruch bereits die vorliegende Honorarklage rechtshängig gewesen sei. Eine selbständige Klage gegen die Ablehnung der RLV-Erhöhung wäre nicht prozessökonomisch und mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Es müsse die Möglichkeit bestehen, die Zuweisung des RLV im Honorarrechtsstreit inzident prüfen zu lassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 zu verpflichten, über den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal II/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die HVM-Regelungen verstießen nicht die Vorgaben des Bewertungsausschusses. Entscheidend sei, dass die Höhe des RLV rechtzeitig vor Beginn des Quartals mitgeteilt worden sei. Die Klage gegen den Honorarbescheid hindere nicht die Bestandskraft des Bescheides vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2010 nicht in rechtswidriger Weise beschwert.
1. Soweit sich der Kläger mit seiner Honorarklage gegen die Höhe des ihm für das Quartal II/2009 zugewiesenen RLV wendet, ist die Klage bereits deshalb unbegründet, weil die Zuweisung des RLV für dieses Quartal bestandskräftig geworden ist.
§ 87b Abs. 5 SGB V bestimmte in der vom 01.07.2008 bis 22.09.2011 geltenden Fassung: "Die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens. § 85 Abs. 4 Satz 9 gilt. Die nach § 85 Abs. 4 der Kassenärztlichen Vereinigung zugewiesenen Befugnisse, insbesondere zur Bestimmung von Abrechnungsfristen und -belegen sowie zur Verwendung von Vergütungsanteilen für Verwaltungsaufwand, bleiben unberührt. Kann ein Regelleistungsvolumen nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen werden, gilt das bisherige dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene Regelleistungsvolumen vorläufig fort. Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren Regelleistungsvolumen sind rückwirkend zu erfüllen." Hierzu hat das BSG mit Urteil vom 15.08.2012 (B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 10) entschieden: Die in § 87b Abs. 5 SGB V vorgeschriebene Zuweisung des RLV erfolgt in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar, der unabhängig vom Honorarbescheid anfechtbar ist. Dies ist auch früher schon bei gesonderten Feststellung der Bemessungsgrundlagen für Honoraransprüche im Vertragsarztrecht angenommen worden (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 80/04 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 Rn. 9; Urteil vom 24.09.2003 - B 6 KA 37/02 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 3 Rn. 11; Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 28; Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 27 S. 193 – siehe auch BSG, Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 12/09 R - SozR 4-2500 § 92 Nr. 9 Rn. 11; Urteil vom 03.02.2010 - B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 Rn. 12 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 53), folgt bei der Zuweisung des RLV aber auch aus der in § 87b Abs. 5 Satz 2 SGB V angeordneten Geltung des § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V, welcher bestimmt, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben.
Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folgt, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarrechtsstreit nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 11). Für die Klärung der Rechtmäßigkeit eines zugewiesenen RLV ist nur solange Raum und ein Rechtschutzbedürfnis gegeben, als die denselben Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind; dabei reicht es zur Verhinderung der Bestandskraft, wenn die KÄV erklärt hat, den Honorarbescheid an eine eventuell geänderte RLV-Festsetzung anzupassen (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 11 ff.). Demgegenüber fällt – anders als der Kläger meint – das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die Zuweisung eines RLV nicht dadurch weg, dass gegen den denselben Zeitraum betreffenden Honorarbescheid Klage erhoben wurde. Ebenso wenig ist der vom Kläger zitierten Literaturmeinung zu folgen, wonach die Zuweisung des RLV im Rahmen der Überprüfung des Honorarbescheides inzidenter kontrolliert werden könne (Freudenberg in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 87b Rn. 92). Denn das Gesetz gibt nichts dafür her, dass die RLV-Zuweisung nur derart eingeschränkt der Bestandskraft fähig wäre. Vielmehr gilt: Hat ein Vertragsarzt die Zuweisung eines RLV bestandskräftig werden lassen, ist er an diese Festsetzung gebunden und kann im nachfolgenden Honorarrechtsstreit nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 11).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.03.2009 das RLV für das Quartal II/2009 in Höhe von 42.758,20 EUR mitgeteilt. Nach Mitteilung der Beklagten ist gegen diese Zuweisung kein gesonderter Widerspruch eingelegt worden. Die Beklagte hat jedoch mit ihrem Bescheid vom 17.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 für die Quartale I und II/2009 die Neufestsetzung des RLV abgelehnt. Dieser Bescheid ist nicht mit der Klage angefochten und folglich bestandskräftig worden. Damit steht zwischen den Beteiligten bindend fest, dass dem Kläger für das Quartal II/2009 ein RLV in Höhe von 42.758,20 EUR zugestanden hat.
Kein für den Kläger günstigeres Ergebnis folgt daraus, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27.03.2009 die in § 87b Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 SGB V für die Zuweisung des RLV vorgesehene Vier-Wochen-Frist nicht eingehalten hat. Denn hierbei handelt es sich um eine bloße Ordnungsfrist, um deren Einhaltung die KÄV pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen ein anderes oder gar kein RLV gilt (vgl. BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 26). Die Regelung in § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V, wonach das bisherige RLV vorläufig fortgilt, wenn das neue RLV nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen wurde, greift hier nicht, weil der Kläger – wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat –das Schreiben vom 27.03.2009 am 28.03.2009 und damit vor Beginn des Quartals II/2009 erhalten hat. Für eine Fortgeltung des bisherigen RLV pro rata temporis (vgl. dazu BSG, Urteil vom Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 R - juris Rn. 23 f.) ist daher kein Raum.
Steht daher das RLV für das Quartal II/2009 bestandskräftig fest, ist im vorliegenden Honorarrechtsstreit über dessen Rechtmäßigkeit nicht zu befinden.
2. Auch soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die Bewertung psychiatrischer Gesprächsleistungen und gegen deren Einbeziehung in das RLV wendet, ist die Klage unbegründet. Diesbezüglich wird gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des SG verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und entspricht derjenigen für das erstinstanzliche Verfahren im Senatsbeschluss vom 21.12.2012 - L 8 KA 30/11 B.
Kirchberg Salomo Dr. Wahl
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