Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 43 AS 6251/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 34/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen Dritte (hier: geschiedener Ehegatte) den Grundsicherungsträgern zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet sind (Fortsetzung zu SächsLSG, Urteil vom 28.02.2013 - L 7 AS 745/11, juris)
2. Zur Berücksichtigung der Einrede der Verjährung bezüglich des Unterhaltsanspruchs bei der Prüfung der
Negativevidenz
2. Zur Berücksichtigung der Einrede der Verjährung bezüglich des Unterhaltsanspruchs bei der Prüfung der
Negativevidenz
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20.11.2009 sowie der Bescheid des Beklagten vom 01.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2008 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Der Kläger ist der ehemalige Ehegatte von S M (S. M.). Die Ehe zwischen dem Kläger und S. M. bestand vom 03.01.1992 bis zum 06.07.2006 (Scheidungsurteil vom 06.07.2006). Ein Unterhaltsanspruch der S. M. gegen den Kläger wurde nicht tituliert.
Der Beklagte bewilligte S. M. auf ihren Antrag mit Bescheid vom 01.10.2007 in der Fassung des Bescheides vom 15.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 i.H.v. 525,47 EUR monatlich, mit Bescheid vom 26.02.2008 für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis 29.02.2008 i.H.v. 295,80 EUR und für den Zeitraum vom 01.03.2008 bis 31.07.2008 i.H.v. 618,12 EUR monatlich, mit Bescheid vom 06.06.2008 für den Zeitraum vom 01.06.2008 bis 30.06.2008 i.H.v. 576,67 EUR und für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.07.2008 i.H.v. 580,67 EUR. Die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ließ nachfolgend ihre Hilfebedürftigkeit entfallen.
Mit Bescheid vom 01.10.2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er gewähre Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II für seine geschiedene Ehefrau S. M. Unter bestimmten Voraussetzungen sei er dieser nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterhaltspflichtig. Dieser Unterhaltsanspruch sei gemäß § 33 SGB II für die Zeit der Leistungsbewilligung auf den Beklagten übergegangen. Für die Prüfung, ob und inwieweit eventuell ein Unterhaltsanspruch ihm gegenüber ausgeschlossen sei, benötige er Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers und fordere ihn daher auf, bis spätestens 25.10.2007 den beigefügten Auskunftsbogen vollständig auszufüllen und die darin verlangten Belege vorzulegen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung ergebe sich aus § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1580 BGB. Sofern der Kläger seiner Auskunftspflicht nicht nachkomme, sei der Beklagte gehalten, auf die Erteilung der Auskunft vor dem Familiengericht zu klagen. Daneben stütze sich das Auskunftsverlangen auch auf die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht gemäß § 60 SGB II. Komme er dieser nicht nach, so könne ein Zwangsgeld festgesetzt und außerdem ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit Begründung, die Ehegatten seien ohne Unterhaltsanspruch von beiden Seiten geschieden worden. Wenn seine ehemalige Ehefrau ihre Firma inzwischen in die Insolvenz getrieben habe, so sei das allein ihr anzulasten und er werde nicht dafür noch Unterhalt an den Beklagten bezahlen. Weiterhin lebe seine Tochter V seit einem Jahr bei ihm. Unterhalt für die Tochter zahle S. M. nicht. Weiter komme seine ehemalige Ehefrau ihren Zahlungsverpflichtungen für die beiden Kraftfahrzeuge aus ihrem (ehemaligen) Pflegedienst nicht nach und er müsse als Bürge diese Kredite begleichen. Auch der Kredit für das Haus seiner Ehefrau werden von ihr nicht mehr bedient und er müsse auch hier als Bürge zahlen. Außerdem habe S. M. eine Ausbildung zur Pflegedienstleiterin und könne mit Sicherheit irgendwo in Deutschland eine Anstellung als solche finden. Er müsse schließlich auch auf Montage fahren, um den Lebensunterhalt für seine Familie sowie das Geld für die Autos und das Haus seiner ehemaligen Ehefrau zu erwirtschaften.
Nachdem der zunächst am 24.07.2008 erlassene Widerspruchsbescheid als unzustellbar zurückgekommen war, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.1.02008 zurück. Es sei nicht auszuschließen, dass die Leistungsempfängerin einen Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht gegen den Kläger habe. Damit bestehe ein Auskunftsanspruch nach §§ 60 Abs. 2 Satz 1, 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II.
Hiergegen hat der Kläger am 11.11.2008 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben. Der Kläger sei nicht gemäß § 1605 Abs. 1 BGB zur Auskunft verpflichtet, da er nicht verwandt mit seiner geschiedenen Ehefrau sei. Unabhängig davon bestehe kein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau. S. M. habe ihren Lebensunterhalt im Anschluss an die Scheidung eigenständig bestreiten können. Damit sei der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ausgeschlossen gewesen und noch ausgeschlossen. Sollte inzwischen Bedürftigkeit eingetreten sein, sei dies auf das Verhalten der geschiedenen Ehefrau zurückzuführen, die den von ihr betriebenen Pflegedienst veräußert habe. Diese Situation lasse keinen Unterhaltsanspruch gegen den Kläger aufleben. Darüber hinaus sei ein etwaiger Unterhaltsanspruch auch verwirkt, da die geschiedene Ehefrau des Klägers dessen finanzielle Interessen in schwerwiegendem Maße beeinträchtigt habe.
Nachdem das SG die Klage zunächst durch Gerichtsbescheid vom 24.08.2009 abgewiesen hatte, hat der Kläger am 01.10.2009 und am 07.10.2009 hiergegen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2009 hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Auskunftsanspruch aus § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II greife durch. Danach habe derjenige, der einem Leistungsbezieher nach dem SGB II zu Leistungen verpflichtet sei, die geeignet seien, Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, dem Leistungsträger auf Verlangen Auskunft über allen Konten und Vermögen zu erteilen, soweit dies zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich sei. Der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II könne im Wege eines Verwaltungsaktes geltend gemacht werden. Der Auskunftsanspruch beziehe sich nicht nur ausschließlich auf den Verwandtenunterhalt nach § 1605 BGB, sondern gelte auch für den Geschiedenenunterhalt gemäß §§ 1569, 1573 BGB (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2007 – L 1 AS 12/06 n.w.N.). Der Verweis in § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf § 1605 BGB beschränke den Auskunftsanspruch nicht auf in gerader Linie Verwandte, sondern erfasse vielmehr alle auf Grund familienrechtlicher Rechtsgrundlage Verpflichteten. Zutreffend weise der Kläger zwar darauf hin, dass der Auskunftsanspruch nur bestehe, soweit er erforderlich sei. Dieses Merkmal konkretisiere den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hierbei sei das Auskunftsverlangen auch dann rechtswidrig, wenn feststehe, dass schon der Leistungsanspruch der Hilfebedürftigen aus Rechtsgründen nicht gegeben seien könne. Zweifel an einem Leistungsanspruch der geschiedenen Ehefrau des Klägers bestünden jedoch nach dem Klagevortrag nicht, denn der Kläger habe weder eine generell fehlende Erwerbsfähigkeit seiner Ehefrau noch deren Bedarf übersteigendes Einkommen oder Vermögen behauptet. Es stehe somit nicht fest, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2009. Soweit der Kläger rüge, der Beklagte habe zunächst weitere Ermittlungen anstellen müssen, stünde dies einem Auskunftsanspruch nur dann entgegen, wenn er zugleich vortrage, dass diese Ermittlungen zur Erkenntnis von Tatsachen geführt haben würden, die einen Unterhaltsanspruch offensichtlich ausschlössen. Solche Tatsachen behaupte der Kläger jedoch gerade nicht. Die bloße Möglichkeit des Nichtbestehens eines Unterhaltsanspruches stehe dem Auskunftsanspruch gerade nicht entgegen. Für den Auskunftsanspruch sei bereits ausreichend, dass eine Unterhaltsverpflichtung in Betracht komme, diese also nicht offensichtlich ausscheide (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.12.2007 – L 19 B 130/07 AS). Der Auskunftsanspruch scheitere nur dann, wenn feststehe, dass der behauptete Unterhaltsanspruch unabhängig vom Einkommen und Vermögen des Unterhaltspflichtigen nicht bestehe (BSG vom 16.08.1989 – 7 RAR 82/88). Da die Auskunft den Leistungsträger erst in die Lage versetzen solle zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs möglich und sinnvoll sei, sei das Auskunftsverlangen im Sinne einer sogenannten Negativevidenz erst dann rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht bestehe. Ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau des Klägers könne aber aus §§ 1569, 1573 BGB folgen. Insoweit sei das bloße Bestreiten einer Hilfebedürftigkeit der Exfrau nicht ausreichend. Nach den Feststellungen des Beklagten liege hier eine solche vor, konkrete Anhaltspunkte, dass dies unzutreffend sei, seien nicht ersichtlich. Auch eine etwaige Verwirkung des Unterhaltsanspruchs hindere den Auskunftsanspruch nicht. Das tatsächliche Bestehen eines Unterhaltsanspruchs sei nicht Voraussetzung der Auskunft, auch eine mögliche Verwirkung müsse daher offensichtlich sein, was nach dem Klägervortrag ersichtlich nicht der Fall sei. Für eine Vereinbarung der geschiedenen Ehegatten über den Unterhalt, insbesondere etwa ein Unterhaltsverzicht, bestünden keine Anhaltspunkte. Die erforderliche Negativevidenz bestehe somit hinsichtlich des möglichen Unterhaltsanspruchs gegen den Kläger nicht. Der Auskunftsanspruch bestehe nur dann nicht, wenn ein Unterhaltsanspruch in negativer Hinsicht offensichtlich nicht bestehe. Dies könne nicht allein deshalb angenommen werden, weil die positiven Voraussetzungen eines Anspruches nicht abschließend ermittelt seien. Das SG hat dem Urteil die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, das Urteil könne nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden sei.
Gegen das seinem Bevollmächtigtem am 04.12.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.12.2009 eingegangene Berufung. Die gleichzeitig eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger nach Hinweis des Berichterstatters im Erörterungstermin am 16.01.2012 darauf, dass die Berufung nicht dem Berufungsausschluss des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unterliege, zurückgenommen.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger vorgetragen, die geschiedene Ehefrau des Klägers habe dem Kläger gegenüber keine Erwerbsbemühungen nachgewiesen. Im Rahmen der Änderung im Bereich des Unterhaltsrechts sei die Eigenverantwortlichkeit des Unterhaltsfordernden gestärkt und damit auch seine Verpflichtung, vor der Inanspruchnahme Dritter eigene Bemühungen zur Deckung des Lebensbedarfes zu entfalten und deren Erfolglosigkeit gegebenenfalls nachzuweisen. Soweit der Unterhaltsfordernde keine Nachweise erfolgloser Eigenbemühungen erbringe, bestehe kein Unterhaltsanspruch. Im Übrigen bestehe allenfalls ein auf die Einkommensverhältnisse beschränkter Auskunftsanspruch. Für einen Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse werde kein Raum gesehen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20.11.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 01.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch sei § 60 Abs. 2 SGB II. Für die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens komme es nicht darauf an, dass alle für die Beurteilung des Leistungsanspruchs maßgebenden tatsächlichen Fragen in vollem Umfang geklärt seien. Vielmehr bestehe der Auskunftsanspruch nur dann nicht, wenn der Leistungsanspruch schon aus Rechtsgründen nicht gegeben sei. Andererseits setze die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht etwa voraus, dass der übergeleitete oder zur Überleitung vorgesehene Unterhaltsanspruch tatsächlich bestehe. Vielmehr solle die Auskunft den Leistungsträgers erst in die Lage versetzen zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs möglich und sinnvoll sei. Nach ständiger Rechtsprechung zum Sozialhilferecht sei daher das Auskunftsverlagen erst rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht bestehe (sogenannte Negativevidenz).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29.08.2013 hat S. M. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2013 die Einrede der Verjährung des Anspruchs erhoben. Die Beteiligten haben zur Frage der Auswirkung der Verjährungseinrede auf den streitigen Auskunftsanspruch jeweils Stellung genommen. Wegen des Inhalts ihrer Stellungnahmen wird auf Bl. 69 bis 71 der LSG-Akte Bezug genommen. Beide Beteiligte haben sich sodann mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, da sie nicht durch § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen ist. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist nach Erheben der Verjährungseinrede durch den Kläger begründet.
Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide maßgeblichen Fassung hat, wer jemanden, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben oder Vermögensgegenstände verwahrt, der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Nach § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung § 1605 Abs. 1 BGB anzuwenden.
Der Beklagte ist zuständiger Leistungsträger i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zwar ist in der genannten Norm lediglich die Agentur für Arbeit als Auskunftsberechtigte genannt. Jedoch nahm gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II in der zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide maßgeblichen Fassung die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Agentur für Arbeit wahr (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 60 RdNr. 9; Estelmann in Estelmann, SGB II, Stand: 10/2012, § 60 RdNrn. 37, 43; Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2012, § 60 RdNr. 24; Volzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 11/2012, § 60 RdNr. 28; SG Berlin, Urteil vom 05.11.2007 – S 119 AS 141/07, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10, juris, RdNr. 35).
Zu Recht hat der Beklagte den Auskunftsanspruch mittels Verwaltungsakt geltend gemacht (BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 87/09 R, juris, RdNr. 13 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10, juris, RdNr. 36 m.w.N.; Estelmann, a.a.O., § 60 RdNr. 43; Meyerhoff in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 60 RdNr. 30 ff.).
Auch zählt der Kläger zu dem von § 60 Abs. 2 SGB II erfassten Personenkreis, weil er als Unterhaltspflichtiger gegenüber der Hilfebedürftigen, seiner geschiedenen Ehefrau, in Betracht kommt. Dieser wird allein durch § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgelegt (Estelmann, a.a.O., § 60 RdNr. 33; Meyerhoff, a.a.O., § 60 RdNr. 47). Bei § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II handelt es sich lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung (Estelmann, a.a.O., § 60 RdNr. 42).
Die vom Beklagten geforderte Auskunft war zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II aufgrund des Durchgreifens der Verjährungseinrede des Klägers nicht (mehr) erforderlich.
Das Merkmal der Erforderlichkeit hat das LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 29.01.2007 – L 1 AS 12/06 (juris, RdNr. 18) für den Senat überzeugend folgendermaßen definiert: "Das Merkmal der Erforderlichkeit konkretisiert den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Erforderlich ist dabei eine Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Leistungsträgers einerseits und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Auskunftsverpflichteten andererseits. Der Auskunftsanspruch besteht daher nicht, wenn der Leistungsträger über die gewünschten Informationen bereits verfügt oder sie auch auf einfachere Weise beschaffen kann. Ebenso kann der Leistungsträger keine Auskunft verlangen, wenn feststeht, dass die Auskunft den Leistungsanspruch nicht (mehr) beeinflussen kann, weil er aus anderen, insbesondere rechtlichen Gründen nicht besteht. Schließlich ist das Auskunftsverlangen auch dann rechtswidrig, wenn feststeht, dass der behauptete Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen als der mangelnden Leistungsfähigkeit des auf Auskunft in Anspruch genommenen unabhängig von dessen Einkommen oder Vermögen nicht gegeben ist."
Gemessen an diesen Vorgaben war die Auskunft vorliegend nicht erforderlich. Der Beklagte verfügt zwar nicht über die angeforderten Informationen. Der Beklagte kann sich die Informationen auch nicht auf einfachere Weise beschaffen.
Für die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens ist es nicht erforderlich, dass alle für die Beurteilung des Leistungsanspruchs maßgebenden tatsächlichen Fragen in vollem Umfang geklärt sind. Vielmehr ist der Auskunftsanspruch nur dann nicht gegeben, wenn der Leistungsanspruch schon aus Rechtsgründen nicht bestehen kann (LSG Nordrhein-Westfahlen, a.a.O., RdNr. 20). Das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung seiner Daten überwiegt dann das Auskunftsinteresse des Beklagten, wenn der Unterhaltsanspruch unabhängig von seinen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen ganz offensichtlich (evident) nicht besteht. In einem solchen Fall wäre das Festhalten an dem Auskunftsbegehren unverhältnismäßig und daher nicht mehr erforderlich (vgl. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur "Negativevidenz" u. a. Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90, juris, RdNr. 8 m.w.N.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2006 – L 1 B 18/05 AS ER, juris, RdNr. 9). Daher setzt die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht etwa voraus, dass der Unterhaltsanspruch tatsächlich gegeben ist. Die Auskunft soll den Leistungsträger erst in die Lage versetzen zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs möglich und sinnvoll ist. Das Auskunftsverlangen ist aber dann rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht gegeben ist.
In ebendieser Weise hat das BVerwG im Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90, juris, RdNr. 8 entschieden:
Tenor:
"Entgegen der Ansicht der Revision setzt die Rechtmäßigkeit dieses Auskunftsverlangens nicht voraus, dass der früheren Ehefrau des Klägers der zur Überleitung vorgesehene nachehelicher Unterhaltsanspruch auch zusteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Überleitung nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn er bestünde offensichtlich nicht (mehr) – sogenannte Negativevidenz. Für die Auskunftspflicht nach § 116 Abs. 1 BSHG gelten keine strengeren Anforderungen. Denn ihr Zweck ist es, dem Sozialhilfeträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) durch in Anspruchnahme Dritter hergestellt werden kann."
Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 28.02.2013 – L 7 AS 745/11, juris – angeschlossen. Kann die begehrte Auskunft Bestand und Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht mehr beeinflussen, weil z. B. bindend festgestellt ist, dass eine Unterhaltspflicht nicht besteht, entfällt die Auskunftspflicht. Scheidet die Unterhaltspflicht nach sorgfältiger Prüfung aber nicht ganz offensichtlich aus, sondern verbleiben Zweifel hinsichtlich des Bestehens, so bleibt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bestehen (Meyerhoff, a.a.O., § 60 RdNrn. 50, 51; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.09.2010 – L 12 SO 61/09, juris, RdNrn. 20 ff.).
Welche Ermittlungen die Sozialgerichte zur Prüfung der Frage, ob eine Unterhaltspflicht besteht, anzustellen haben, ist stets im Einzelfall zu entscheiden.
Ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau des Klägers gegen diesen nach § 1573 BGB ist vorliegend zwar nicht ausgeschlossen. So sieht § 1569 Satz 1 BGB vor, dass es nach der Scheidung jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. § 1569 Satz 2 BGB regelt jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Ist ein Ehegatte hierzu außer Stande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften, u.a. § 1573 BGB. Gemäß § 1573 Abs. 1 BGB kann ein geschiedener Ehegatte, soweit er keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 BGB hat, gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann er, soweit die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt nicht ausreichen, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen. Nach § 1573 Abs. 4 BGB kann der geschiedene Ehegatte auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
Zweck der Vorschrift des § 1573 Abs. 4 BGB ist es, die nacheheliche Verantwortung des Unterhaltsschuldners für die Bedürftigkeit des anderen Ehegatten zu begrenzen, wenn der Unterhaltsbedürftige zunächst eine wirtschaftliche Sicherung erlangt und später aus persönlichen oder arbeitsmarktpolitischen Gründen wieder verloren hat. Betriebsbedingte Arbeitsplatz- und persönliche Krankheitsrisiken trägt dann der Bedürftige selbst (Brudermüller in Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 1573 RdNr. 26). Nachhaltig i.S.d. § 1573 Abs. 4 BGB bedeutet dauerhaft. Nachhaltig ist daher der Unterhalt gesichert, wenn aus objektiver Sicht im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung oder später ein Dauerarbeitsplatz erlangt wurde (Brudermüller, a.a.O., RdNr. 27). Die Tätigkeit muss im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden können und ein stetiges Einkommen auch in der Zukunft und nicht nur vorübergehend in der Gegenwart gewährleisten. Von Anfang an zeitlich befristeten Tätigkeiten mangelt es daher an der Nachhaltigkeit. Eine Nachhaltigkeit wird i.d.R. nach Ablauf von zwei Jahren in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis angenommen (Maurer in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, § 1573 RdNr. 26). Wenn von Nachhaltigkeit auszugehen ist, ist unerheblich, aus welchen Gründen die Arbeitsstelle verloren geht (Maurer, a.a.O., RdNr. 22). Da der Anspruch nur besteht, wenn dem Bedürftigen die Sicherung seines Lebensunterhalts "trotz seiner Bemühungen nicht gelungen" ist, trifft ihn eine Obliegenheit, sich ernsthaft um eine auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit zu bemühen, auch nach dem Verlust eines Arbeitsplatzes (Maurer, a.a.O., RdNr. 24).
Die Frage, ob der von der geschiedenen Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt der Ehescheidung 2006 betriebene Pflegedienst in diesem Sinne nachhaltig war, ist durch den klägerischen Vortrag nicht geklärt. Sie konnte auch durch die Vernehmung der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeugin nicht geklärt werden, da diese die Aussage verweigert hat. Da keine Fallmanagerakte existiert, konnte auch insoweit keine weitere Sachverhaltsaufklärung erfolgen. Die entscheidungserhebliche Frage wäre daher in einem Verfahren vor dem Familiengericht aufzuklären, wobei die Beweislastverteilung des Zivilrechts maßgeblich wäre.
Ergänzend ist auszuführen, dass ein Unterhaltsanspruch nicht bereits deswegen von vornherein ausgeschlossen ist, weil die ehemalige Ehefrau des Klägers etwa über einzusetzendes Vermögen verfügen würde, etwa ein Grundstück im Erzgebirge oder entsprechende Kraftfahrzeuge. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an, da selbst dann nicht erwiesen wäre, dass der geschiedenen Ehefrau des Klägers kein Leistungsanspruch gegen den Beklagten zugestanden hat. Schließlich war über das Vermögen der S. M. das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Des Weiteren wäre selbst die Tatsache, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers als Eigentümer der genannten Sachwerte anzusehen wäre, nicht auch sicher, dass sie diese Gegenstände hätte verwerten können und damit eine Leistungspflicht des Beklagten entfallen wäre.
Der etwaige Unterhaltsanspruch ist auch nicht verwirkt. Hierfür ist entscheidend, ob dem Unterhaltsanspruch aufgrund der von dem Kläger geltend gemachten Umstände ein Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegensteht. Ein Recht ist nicht schon dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat (sog. Zeitmoment). Vielmehr muss der Verpflichtete sich ferner hierauf eingerichtet haben und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf haben einrichten dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).
Da der Unterhaltsanspruch einschließlich des Auskunftsanspruchs gemäß § 33 Abs. 1 SGB II, insbesondere Satz 3 dieser Vorschrift kraft Gesetzes auf den Beklagten übergegangen ist, kam es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf das Verhalten der geschiedenen Ehefrau an, sondern auf das des Beklagten. Dieser hat dem Kläger aber durch sein öffentlich-rechtliches Auskunftsbegehren hinreichend deutlich gemacht, dass er den Unterhaltsanspruch verfolgen werde, sodass schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf, dass der Berechtigte seinen Anspruch nicht weiter verfolgen wird, gar nicht erst entstehen konnte.
Jedoch ist ein Unterhaltsanspruch der S. M. gegenüber dem Kläger offensichtlich verjährt. Unterhaltsansprüche unterliegen der kurzen Verjährung von drei Jahren gemäß § 195 BGB (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 197 RdNr. 5). Der Beklagte kann mit dem hier vorliegenden Auskunftsverlangen nur bezogen auf den Leistungszeitraum vom 01.10.2007 bis zum 31.07.2008 geltend machen, dass Unterhaltsansprüche bestünden. Denn ab August 2008 kam es zu einer Leistungsunterbrechung mit der Folge, dass sowohl die geschiedene Ehefrau des Klägers hiernach einen erneuten Antrag auf Leistungen stellen musste als auch ein erneuter Anspruchsübergang stattfand. Hinsichtlich letzterem kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, er habe bereits einmal einen Auskunftsanspruch geltend gemacht, denn dessen Geltung bestimmte sich nach dem Inhalt des übergegangenen Unterhaltsanspruchs und endete folglich in dem Zeitpunkt, als der Übergang nicht mehr galt, weil der geschiedenen Ehefrau des Klägers keine Leistungen mehr gezahlt wurden, mithin am 31.07.2008. Die Verjährung des Anspruchs begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem die jeweiligen Unterhaltsansprüche aus dem Unterhaltsstammrecht entstanden waren und endete für die im Jahre 2008 entstandenen Ansprüche gemäß § 197 BGB spätestens mit Ablauf des 31.12.2011. Der Beklagte hat den sich ihm gebotenen Weg der Weiterverfolgung seines etwaigen Anspruchs vor dem Familiengericht mit der Möglichkeit, durch eine Stufenklage die Verjährung eines (übergegangenen) Unterhaltsanspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative BGB zu hemmen (vgl. etwa BGH, FamRZ 1990, 283), nicht genutzt. Sonstige Hemmungstatbestände sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.
Zwar ist damit nicht der Anspruch auf Unterhalt materiell-rechtlich beseitigt worden, wie dies etwa im Falle des Eingreifens der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs bewirkt worden wäre. Dem Beklagten ist daher insoweit zuzustimmen, wenn er meint, dass der etwaige Unterhaltsanspruch noch bestehen könne. Jedoch hat der Kläger vorliegend die Einrede der Verjährung erhoben. Jedenfalls in einem solchen Falle ist die Frage der Verjährung des Unterhaltsanspruchs im Rahmen der Prüfung der Negativevidenz relevant (LSG Hamburg, Urteil vom 09.08.2012 – L 4 AS 126/10, RdNr. 23; VG München, Urteil vom 23.05.20101 – M 28 K 99.133, RdNr. 43; SG Dresden, Urteil vom 21.06.2011 – S 21 AS 1604/10, RdNr. 25; vgl. auch SächsLSG, Urteil vom 28.02.2013 – L 7 AS 745/11, RdNr. 44 alle juris).
Mit der Einrede der Verjährung ist der materiell-rechtlich – soweit er jemals bestanden hat – weiter bestehende Unterhaltsanspruch allerdings nicht mehr durchsetzbar. Bei dieser Rechtslage gebietet das dem Kläger zustehende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG), den vorliegend geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch zu verneinen.
Der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, die Verjährung des Unterhaltsanspruchs einerseits durch eine rechtzeitige – bereits erwähnte – Stufenklage beim Zivilgericht zu verhindern. Darüber hinaus hätte er den Verwaltungsakt über die Auskunft für sofort vollziehbar erklären können (Meyerhoff, juris PK – SGB II, § 60 RdNrn. 35, 36), um vor Ablauf der Verjährung entweder die Auskunft zu erlangen oder zumindest eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Beides ist vorliegend nicht geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der vom Sozialgericht angewandte § 193 SGG ist nicht einschlägig, da der Kläger nicht zum Personenkreis des § 183 SGG gehört.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Anders Wagner Weinholtz
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Der Kläger ist der ehemalige Ehegatte von S M (S. M.). Die Ehe zwischen dem Kläger und S. M. bestand vom 03.01.1992 bis zum 06.07.2006 (Scheidungsurteil vom 06.07.2006). Ein Unterhaltsanspruch der S. M. gegen den Kläger wurde nicht tituliert.
Der Beklagte bewilligte S. M. auf ihren Antrag mit Bescheid vom 01.10.2007 in der Fassung des Bescheides vom 15.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 i.H.v. 525,47 EUR monatlich, mit Bescheid vom 26.02.2008 für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis 29.02.2008 i.H.v. 295,80 EUR und für den Zeitraum vom 01.03.2008 bis 31.07.2008 i.H.v. 618,12 EUR monatlich, mit Bescheid vom 06.06.2008 für den Zeitraum vom 01.06.2008 bis 30.06.2008 i.H.v. 576,67 EUR und für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.07.2008 i.H.v. 580,67 EUR. Die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ließ nachfolgend ihre Hilfebedürftigkeit entfallen.
Mit Bescheid vom 01.10.2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er gewähre Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II für seine geschiedene Ehefrau S. M. Unter bestimmten Voraussetzungen sei er dieser nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterhaltspflichtig. Dieser Unterhaltsanspruch sei gemäß § 33 SGB II für die Zeit der Leistungsbewilligung auf den Beklagten übergegangen. Für die Prüfung, ob und inwieweit eventuell ein Unterhaltsanspruch ihm gegenüber ausgeschlossen sei, benötige er Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers und fordere ihn daher auf, bis spätestens 25.10.2007 den beigefügten Auskunftsbogen vollständig auszufüllen und die darin verlangten Belege vorzulegen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung ergebe sich aus § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1580 BGB. Sofern der Kläger seiner Auskunftspflicht nicht nachkomme, sei der Beklagte gehalten, auf die Erteilung der Auskunft vor dem Familiengericht zu klagen. Daneben stütze sich das Auskunftsverlangen auch auf die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht gemäß § 60 SGB II. Komme er dieser nicht nach, so könne ein Zwangsgeld festgesetzt und außerdem ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit Begründung, die Ehegatten seien ohne Unterhaltsanspruch von beiden Seiten geschieden worden. Wenn seine ehemalige Ehefrau ihre Firma inzwischen in die Insolvenz getrieben habe, so sei das allein ihr anzulasten und er werde nicht dafür noch Unterhalt an den Beklagten bezahlen. Weiterhin lebe seine Tochter V seit einem Jahr bei ihm. Unterhalt für die Tochter zahle S. M. nicht. Weiter komme seine ehemalige Ehefrau ihren Zahlungsverpflichtungen für die beiden Kraftfahrzeuge aus ihrem (ehemaligen) Pflegedienst nicht nach und er müsse als Bürge diese Kredite begleichen. Auch der Kredit für das Haus seiner Ehefrau werden von ihr nicht mehr bedient und er müsse auch hier als Bürge zahlen. Außerdem habe S. M. eine Ausbildung zur Pflegedienstleiterin und könne mit Sicherheit irgendwo in Deutschland eine Anstellung als solche finden. Er müsse schließlich auch auf Montage fahren, um den Lebensunterhalt für seine Familie sowie das Geld für die Autos und das Haus seiner ehemaligen Ehefrau zu erwirtschaften.
Nachdem der zunächst am 24.07.2008 erlassene Widerspruchsbescheid als unzustellbar zurückgekommen war, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.1.02008 zurück. Es sei nicht auszuschließen, dass die Leistungsempfängerin einen Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht gegen den Kläger habe. Damit bestehe ein Auskunftsanspruch nach §§ 60 Abs. 2 Satz 1, 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II.
Hiergegen hat der Kläger am 11.11.2008 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben. Der Kläger sei nicht gemäß § 1605 Abs. 1 BGB zur Auskunft verpflichtet, da er nicht verwandt mit seiner geschiedenen Ehefrau sei. Unabhängig davon bestehe kein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau. S. M. habe ihren Lebensunterhalt im Anschluss an die Scheidung eigenständig bestreiten können. Damit sei der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ausgeschlossen gewesen und noch ausgeschlossen. Sollte inzwischen Bedürftigkeit eingetreten sein, sei dies auf das Verhalten der geschiedenen Ehefrau zurückzuführen, die den von ihr betriebenen Pflegedienst veräußert habe. Diese Situation lasse keinen Unterhaltsanspruch gegen den Kläger aufleben. Darüber hinaus sei ein etwaiger Unterhaltsanspruch auch verwirkt, da die geschiedene Ehefrau des Klägers dessen finanzielle Interessen in schwerwiegendem Maße beeinträchtigt habe.
Nachdem das SG die Klage zunächst durch Gerichtsbescheid vom 24.08.2009 abgewiesen hatte, hat der Kläger am 01.10.2009 und am 07.10.2009 hiergegen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2009 hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Auskunftsanspruch aus § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II greife durch. Danach habe derjenige, der einem Leistungsbezieher nach dem SGB II zu Leistungen verpflichtet sei, die geeignet seien, Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, dem Leistungsträger auf Verlangen Auskunft über allen Konten und Vermögen zu erteilen, soweit dies zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich sei. Der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II könne im Wege eines Verwaltungsaktes geltend gemacht werden. Der Auskunftsanspruch beziehe sich nicht nur ausschließlich auf den Verwandtenunterhalt nach § 1605 BGB, sondern gelte auch für den Geschiedenenunterhalt gemäß §§ 1569, 1573 BGB (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2007 – L 1 AS 12/06 n.w.N.). Der Verweis in § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf § 1605 BGB beschränke den Auskunftsanspruch nicht auf in gerader Linie Verwandte, sondern erfasse vielmehr alle auf Grund familienrechtlicher Rechtsgrundlage Verpflichteten. Zutreffend weise der Kläger zwar darauf hin, dass der Auskunftsanspruch nur bestehe, soweit er erforderlich sei. Dieses Merkmal konkretisiere den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hierbei sei das Auskunftsverlangen auch dann rechtswidrig, wenn feststehe, dass schon der Leistungsanspruch der Hilfebedürftigen aus Rechtsgründen nicht gegeben seien könne. Zweifel an einem Leistungsanspruch der geschiedenen Ehefrau des Klägers bestünden jedoch nach dem Klagevortrag nicht, denn der Kläger habe weder eine generell fehlende Erwerbsfähigkeit seiner Ehefrau noch deren Bedarf übersteigendes Einkommen oder Vermögen behauptet. Es stehe somit nicht fest, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2009. Soweit der Kläger rüge, der Beklagte habe zunächst weitere Ermittlungen anstellen müssen, stünde dies einem Auskunftsanspruch nur dann entgegen, wenn er zugleich vortrage, dass diese Ermittlungen zur Erkenntnis von Tatsachen geführt haben würden, die einen Unterhaltsanspruch offensichtlich ausschlössen. Solche Tatsachen behaupte der Kläger jedoch gerade nicht. Die bloße Möglichkeit des Nichtbestehens eines Unterhaltsanspruches stehe dem Auskunftsanspruch gerade nicht entgegen. Für den Auskunftsanspruch sei bereits ausreichend, dass eine Unterhaltsverpflichtung in Betracht komme, diese also nicht offensichtlich ausscheide (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.12.2007 – L 19 B 130/07 AS). Der Auskunftsanspruch scheitere nur dann, wenn feststehe, dass der behauptete Unterhaltsanspruch unabhängig vom Einkommen und Vermögen des Unterhaltspflichtigen nicht bestehe (BSG vom 16.08.1989 – 7 RAR 82/88). Da die Auskunft den Leistungsträger erst in die Lage versetzen solle zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs möglich und sinnvoll sei, sei das Auskunftsverlangen im Sinne einer sogenannten Negativevidenz erst dann rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht bestehe. Ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau des Klägers könne aber aus §§ 1569, 1573 BGB folgen. Insoweit sei das bloße Bestreiten einer Hilfebedürftigkeit der Exfrau nicht ausreichend. Nach den Feststellungen des Beklagten liege hier eine solche vor, konkrete Anhaltspunkte, dass dies unzutreffend sei, seien nicht ersichtlich. Auch eine etwaige Verwirkung des Unterhaltsanspruchs hindere den Auskunftsanspruch nicht. Das tatsächliche Bestehen eines Unterhaltsanspruchs sei nicht Voraussetzung der Auskunft, auch eine mögliche Verwirkung müsse daher offensichtlich sein, was nach dem Klägervortrag ersichtlich nicht der Fall sei. Für eine Vereinbarung der geschiedenen Ehegatten über den Unterhalt, insbesondere etwa ein Unterhaltsverzicht, bestünden keine Anhaltspunkte. Die erforderliche Negativevidenz bestehe somit hinsichtlich des möglichen Unterhaltsanspruchs gegen den Kläger nicht. Der Auskunftsanspruch bestehe nur dann nicht, wenn ein Unterhaltsanspruch in negativer Hinsicht offensichtlich nicht bestehe. Dies könne nicht allein deshalb angenommen werden, weil die positiven Voraussetzungen eines Anspruches nicht abschließend ermittelt seien. Das SG hat dem Urteil die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, das Urteil könne nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden sei.
Gegen das seinem Bevollmächtigtem am 04.12.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.12.2009 eingegangene Berufung. Die gleichzeitig eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger nach Hinweis des Berichterstatters im Erörterungstermin am 16.01.2012 darauf, dass die Berufung nicht dem Berufungsausschluss des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unterliege, zurückgenommen.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger vorgetragen, die geschiedene Ehefrau des Klägers habe dem Kläger gegenüber keine Erwerbsbemühungen nachgewiesen. Im Rahmen der Änderung im Bereich des Unterhaltsrechts sei die Eigenverantwortlichkeit des Unterhaltsfordernden gestärkt und damit auch seine Verpflichtung, vor der Inanspruchnahme Dritter eigene Bemühungen zur Deckung des Lebensbedarfes zu entfalten und deren Erfolglosigkeit gegebenenfalls nachzuweisen. Soweit der Unterhaltsfordernde keine Nachweise erfolgloser Eigenbemühungen erbringe, bestehe kein Unterhaltsanspruch. Im Übrigen bestehe allenfalls ein auf die Einkommensverhältnisse beschränkter Auskunftsanspruch. Für einen Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse werde kein Raum gesehen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20.11.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 01.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch sei § 60 Abs. 2 SGB II. Für die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens komme es nicht darauf an, dass alle für die Beurteilung des Leistungsanspruchs maßgebenden tatsächlichen Fragen in vollem Umfang geklärt seien. Vielmehr bestehe der Auskunftsanspruch nur dann nicht, wenn der Leistungsanspruch schon aus Rechtsgründen nicht gegeben sei. Andererseits setze die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht etwa voraus, dass der übergeleitete oder zur Überleitung vorgesehene Unterhaltsanspruch tatsächlich bestehe. Vielmehr solle die Auskunft den Leistungsträgers erst in die Lage versetzen zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs möglich und sinnvoll sei. Nach ständiger Rechtsprechung zum Sozialhilferecht sei daher das Auskunftsverlagen erst rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht bestehe (sogenannte Negativevidenz).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29.08.2013 hat S. M. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2013 die Einrede der Verjährung des Anspruchs erhoben. Die Beteiligten haben zur Frage der Auswirkung der Verjährungseinrede auf den streitigen Auskunftsanspruch jeweils Stellung genommen. Wegen des Inhalts ihrer Stellungnahmen wird auf Bl. 69 bis 71 der LSG-Akte Bezug genommen. Beide Beteiligte haben sich sodann mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, da sie nicht durch § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen ist. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist nach Erheben der Verjährungseinrede durch den Kläger begründet.
Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide maßgeblichen Fassung hat, wer jemanden, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben oder Vermögensgegenstände verwahrt, der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Nach § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung § 1605 Abs. 1 BGB anzuwenden.
Der Beklagte ist zuständiger Leistungsträger i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zwar ist in der genannten Norm lediglich die Agentur für Arbeit als Auskunftsberechtigte genannt. Jedoch nahm gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II in der zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide maßgeblichen Fassung die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Agentur für Arbeit wahr (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 60 RdNr. 9; Estelmann in Estelmann, SGB II, Stand: 10/2012, § 60 RdNrn. 37, 43; Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2012, § 60 RdNr. 24; Volzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 11/2012, § 60 RdNr. 28; SG Berlin, Urteil vom 05.11.2007 – S 119 AS 141/07, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10, juris, RdNr. 35).
Zu Recht hat der Beklagte den Auskunftsanspruch mittels Verwaltungsakt geltend gemacht (BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 87/09 R, juris, RdNr. 13 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10, juris, RdNr. 36 m.w.N.; Estelmann, a.a.O., § 60 RdNr. 43; Meyerhoff in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 60 RdNr. 30 ff.).
Auch zählt der Kläger zu dem von § 60 Abs. 2 SGB II erfassten Personenkreis, weil er als Unterhaltspflichtiger gegenüber der Hilfebedürftigen, seiner geschiedenen Ehefrau, in Betracht kommt. Dieser wird allein durch § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgelegt (Estelmann, a.a.O., § 60 RdNr. 33; Meyerhoff, a.a.O., § 60 RdNr. 47). Bei § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II handelt es sich lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung (Estelmann, a.a.O., § 60 RdNr. 42).
Die vom Beklagten geforderte Auskunft war zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II aufgrund des Durchgreifens der Verjährungseinrede des Klägers nicht (mehr) erforderlich.
Das Merkmal der Erforderlichkeit hat das LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 29.01.2007 – L 1 AS 12/06 (juris, RdNr. 18) für den Senat überzeugend folgendermaßen definiert: "Das Merkmal der Erforderlichkeit konkretisiert den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Erforderlich ist dabei eine Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Leistungsträgers einerseits und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Auskunftsverpflichteten andererseits. Der Auskunftsanspruch besteht daher nicht, wenn der Leistungsträger über die gewünschten Informationen bereits verfügt oder sie auch auf einfachere Weise beschaffen kann. Ebenso kann der Leistungsträger keine Auskunft verlangen, wenn feststeht, dass die Auskunft den Leistungsanspruch nicht (mehr) beeinflussen kann, weil er aus anderen, insbesondere rechtlichen Gründen nicht besteht. Schließlich ist das Auskunftsverlangen auch dann rechtswidrig, wenn feststeht, dass der behauptete Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen als der mangelnden Leistungsfähigkeit des auf Auskunft in Anspruch genommenen unabhängig von dessen Einkommen oder Vermögen nicht gegeben ist."
Gemessen an diesen Vorgaben war die Auskunft vorliegend nicht erforderlich. Der Beklagte verfügt zwar nicht über die angeforderten Informationen. Der Beklagte kann sich die Informationen auch nicht auf einfachere Weise beschaffen.
Für die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens ist es nicht erforderlich, dass alle für die Beurteilung des Leistungsanspruchs maßgebenden tatsächlichen Fragen in vollem Umfang geklärt sind. Vielmehr ist der Auskunftsanspruch nur dann nicht gegeben, wenn der Leistungsanspruch schon aus Rechtsgründen nicht bestehen kann (LSG Nordrhein-Westfahlen, a.a.O., RdNr. 20). Das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung seiner Daten überwiegt dann das Auskunftsinteresse des Beklagten, wenn der Unterhaltsanspruch unabhängig von seinen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen ganz offensichtlich (evident) nicht besteht. In einem solchen Fall wäre das Festhalten an dem Auskunftsbegehren unverhältnismäßig und daher nicht mehr erforderlich (vgl. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur "Negativevidenz" u. a. Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90, juris, RdNr. 8 m.w.N.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2006 – L 1 B 18/05 AS ER, juris, RdNr. 9). Daher setzt die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht etwa voraus, dass der Unterhaltsanspruch tatsächlich gegeben ist. Die Auskunft soll den Leistungsträger erst in die Lage versetzen zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs möglich und sinnvoll ist. Das Auskunftsverlangen ist aber dann rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht gegeben ist.
In ebendieser Weise hat das BVerwG im Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90, juris, RdNr. 8 entschieden:
Tenor:
"Entgegen der Ansicht der Revision setzt die Rechtmäßigkeit dieses Auskunftsverlangens nicht voraus, dass der früheren Ehefrau des Klägers der zur Überleitung vorgesehene nachehelicher Unterhaltsanspruch auch zusteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Überleitung nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn er bestünde offensichtlich nicht (mehr) – sogenannte Negativevidenz. Für die Auskunftspflicht nach § 116 Abs. 1 BSHG gelten keine strengeren Anforderungen. Denn ihr Zweck ist es, dem Sozialhilfeträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) durch in Anspruchnahme Dritter hergestellt werden kann."
Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 28.02.2013 – L 7 AS 745/11, juris – angeschlossen. Kann die begehrte Auskunft Bestand und Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht mehr beeinflussen, weil z. B. bindend festgestellt ist, dass eine Unterhaltspflicht nicht besteht, entfällt die Auskunftspflicht. Scheidet die Unterhaltspflicht nach sorgfältiger Prüfung aber nicht ganz offensichtlich aus, sondern verbleiben Zweifel hinsichtlich des Bestehens, so bleibt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bestehen (Meyerhoff, a.a.O., § 60 RdNrn. 50, 51; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.09.2010 – L 12 SO 61/09, juris, RdNrn. 20 ff.).
Welche Ermittlungen die Sozialgerichte zur Prüfung der Frage, ob eine Unterhaltspflicht besteht, anzustellen haben, ist stets im Einzelfall zu entscheiden.
Ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau des Klägers gegen diesen nach § 1573 BGB ist vorliegend zwar nicht ausgeschlossen. So sieht § 1569 Satz 1 BGB vor, dass es nach der Scheidung jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. § 1569 Satz 2 BGB regelt jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Ist ein Ehegatte hierzu außer Stande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften, u.a. § 1573 BGB. Gemäß § 1573 Abs. 1 BGB kann ein geschiedener Ehegatte, soweit er keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 BGB hat, gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann er, soweit die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt nicht ausreichen, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen. Nach § 1573 Abs. 4 BGB kann der geschiedene Ehegatte auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
Zweck der Vorschrift des § 1573 Abs. 4 BGB ist es, die nacheheliche Verantwortung des Unterhaltsschuldners für die Bedürftigkeit des anderen Ehegatten zu begrenzen, wenn der Unterhaltsbedürftige zunächst eine wirtschaftliche Sicherung erlangt und später aus persönlichen oder arbeitsmarktpolitischen Gründen wieder verloren hat. Betriebsbedingte Arbeitsplatz- und persönliche Krankheitsrisiken trägt dann der Bedürftige selbst (Brudermüller in Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 1573 RdNr. 26). Nachhaltig i.S.d. § 1573 Abs. 4 BGB bedeutet dauerhaft. Nachhaltig ist daher der Unterhalt gesichert, wenn aus objektiver Sicht im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung oder später ein Dauerarbeitsplatz erlangt wurde (Brudermüller, a.a.O., RdNr. 27). Die Tätigkeit muss im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden können und ein stetiges Einkommen auch in der Zukunft und nicht nur vorübergehend in der Gegenwart gewährleisten. Von Anfang an zeitlich befristeten Tätigkeiten mangelt es daher an der Nachhaltigkeit. Eine Nachhaltigkeit wird i.d.R. nach Ablauf von zwei Jahren in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis angenommen (Maurer in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, § 1573 RdNr. 26). Wenn von Nachhaltigkeit auszugehen ist, ist unerheblich, aus welchen Gründen die Arbeitsstelle verloren geht (Maurer, a.a.O., RdNr. 22). Da der Anspruch nur besteht, wenn dem Bedürftigen die Sicherung seines Lebensunterhalts "trotz seiner Bemühungen nicht gelungen" ist, trifft ihn eine Obliegenheit, sich ernsthaft um eine auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit zu bemühen, auch nach dem Verlust eines Arbeitsplatzes (Maurer, a.a.O., RdNr. 24).
Die Frage, ob der von der geschiedenen Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt der Ehescheidung 2006 betriebene Pflegedienst in diesem Sinne nachhaltig war, ist durch den klägerischen Vortrag nicht geklärt. Sie konnte auch durch die Vernehmung der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeugin nicht geklärt werden, da diese die Aussage verweigert hat. Da keine Fallmanagerakte existiert, konnte auch insoweit keine weitere Sachverhaltsaufklärung erfolgen. Die entscheidungserhebliche Frage wäre daher in einem Verfahren vor dem Familiengericht aufzuklären, wobei die Beweislastverteilung des Zivilrechts maßgeblich wäre.
Ergänzend ist auszuführen, dass ein Unterhaltsanspruch nicht bereits deswegen von vornherein ausgeschlossen ist, weil die ehemalige Ehefrau des Klägers etwa über einzusetzendes Vermögen verfügen würde, etwa ein Grundstück im Erzgebirge oder entsprechende Kraftfahrzeuge. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an, da selbst dann nicht erwiesen wäre, dass der geschiedenen Ehefrau des Klägers kein Leistungsanspruch gegen den Beklagten zugestanden hat. Schließlich war über das Vermögen der S. M. das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Des Weiteren wäre selbst die Tatsache, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers als Eigentümer der genannten Sachwerte anzusehen wäre, nicht auch sicher, dass sie diese Gegenstände hätte verwerten können und damit eine Leistungspflicht des Beklagten entfallen wäre.
Der etwaige Unterhaltsanspruch ist auch nicht verwirkt. Hierfür ist entscheidend, ob dem Unterhaltsanspruch aufgrund der von dem Kläger geltend gemachten Umstände ein Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegensteht. Ein Recht ist nicht schon dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat (sog. Zeitmoment). Vielmehr muss der Verpflichtete sich ferner hierauf eingerichtet haben und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf haben einrichten dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).
Da der Unterhaltsanspruch einschließlich des Auskunftsanspruchs gemäß § 33 Abs. 1 SGB II, insbesondere Satz 3 dieser Vorschrift kraft Gesetzes auf den Beklagten übergegangen ist, kam es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf das Verhalten der geschiedenen Ehefrau an, sondern auf das des Beklagten. Dieser hat dem Kläger aber durch sein öffentlich-rechtliches Auskunftsbegehren hinreichend deutlich gemacht, dass er den Unterhaltsanspruch verfolgen werde, sodass schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf, dass der Berechtigte seinen Anspruch nicht weiter verfolgen wird, gar nicht erst entstehen konnte.
Jedoch ist ein Unterhaltsanspruch der S. M. gegenüber dem Kläger offensichtlich verjährt. Unterhaltsansprüche unterliegen der kurzen Verjährung von drei Jahren gemäß § 195 BGB (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 197 RdNr. 5). Der Beklagte kann mit dem hier vorliegenden Auskunftsverlangen nur bezogen auf den Leistungszeitraum vom 01.10.2007 bis zum 31.07.2008 geltend machen, dass Unterhaltsansprüche bestünden. Denn ab August 2008 kam es zu einer Leistungsunterbrechung mit der Folge, dass sowohl die geschiedene Ehefrau des Klägers hiernach einen erneuten Antrag auf Leistungen stellen musste als auch ein erneuter Anspruchsübergang stattfand. Hinsichtlich letzterem kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, er habe bereits einmal einen Auskunftsanspruch geltend gemacht, denn dessen Geltung bestimmte sich nach dem Inhalt des übergegangenen Unterhaltsanspruchs und endete folglich in dem Zeitpunkt, als der Übergang nicht mehr galt, weil der geschiedenen Ehefrau des Klägers keine Leistungen mehr gezahlt wurden, mithin am 31.07.2008. Die Verjährung des Anspruchs begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem die jeweiligen Unterhaltsansprüche aus dem Unterhaltsstammrecht entstanden waren und endete für die im Jahre 2008 entstandenen Ansprüche gemäß § 197 BGB spätestens mit Ablauf des 31.12.2011. Der Beklagte hat den sich ihm gebotenen Weg der Weiterverfolgung seines etwaigen Anspruchs vor dem Familiengericht mit der Möglichkeit, durch eine Stufenklage die Verjährung eines (übergegangenen) Unterhaltsanspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative BGB zu hemmen (vgl. etwa BGH, FamRZ 1990, 283), nicht genutzt. Sonstige Hemmungstatbestände sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.
Zwar ist damit nicht der Anspruch auf Unterhalt materiell-rechtlich beseitigt worden, wie dies etwa im Falle des Eingreifens der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs bewirkt worden wäre. Dem Beklagten ist daher insoweit zuzustimmen, wenn er meint, dass der etwaige Unterhaltsanspruch noch bestehen könne. Jedoch hat der Kläger vorliegend die Einrede der Verjährung erhoben. Jedenfalls in einem solchen Falle ist die Frage der Verjährung des Unterhaltsanspruchs im Rahmen der Prüfung der Negativevidenz relevant (LSG Hamburg, Urteil vom 09.08.2012 – L 4 AS 126/10, RdNr. 23; VG München, Urteil vom 23.05.20101 – M 28 K 99.133, RdNr. 43; SG Dresden, Urteil vom 21.06.2011 – S 21 AS 1604/10, RdNr. 25; vgl. auch SächsLSG, Urteil vom 28.02.2013 – L 7 AS 745/11, RdNr. 44 alle juris).
Mit der Einrede der Verjährung ist der materiell-rechtlich – soweit er jemals bestanden hat – weiter bestehende Unterhaltsanspruch allerdings nicht mehr durchsetzbar. Bei dieser Rechtslage gebietet das dem Kläger zustehende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG), den vorliegend geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch zu verneinen.
Der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, die Verjährung des Unterhaltsanspruchs einerseits durch eine rechtzeitige – bereits erwähnte – Stufenklage beim Zivilgericht zu verhindern. Darüber hinaus hätte er den Verwaltungsakt über die Auskunft für sofort vollziehbar erklären können (Meyerhoff, juris PK – SGB II, § 60 RdNrn. 35, 36), um vor Ablauf der Verjährung entweder die Auskunft zu erlangen oder zumindest eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Beides ist vorliegend nicht geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der vom Sozialgericht angewandte § 193 SGG ist nicht einschlägig, da der Kläger nicht zum Personenkreis des § 183 SGG gehört.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Anders Wagner Weinholtz
Rechtskraft
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