L 7 AS 103/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 18 AS 6283/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 103/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Berechtigtenstellung nach dem seit dem 1.12.1994 geltenden Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz), ist nicht mit dem Pflichtteilsanspruch eines ausgeschlossenen Erben nach § 2303 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu vergleichen. Daher ist von einem Zufluss der Ausgleichsleistung iSd SGB II erst auszugehen, wenn über den Anspruch nach dem Ausgleichsleistungsgesetz mit Bescheid der zuständigen Behörde konstitutiv entschieden wurde und diese zur Auszahlung kommt.
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die bedarfsmindernde Anrechnung einer Ausgleichsleistung nach dem seit dem 01.12.1994 geltenden Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz vom 27.09.1994 (BGBl. I. S. 2624) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.07.2004 (BGBl. I S. 1665), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21.03.2011 (BGBl. I S. 450) - AusglLeistG).

Der 1950 geborene Kläger zu 1 und die 1957 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet und leben zusammen. Sie beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 09.11.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.01.2010 und vom 03.05.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis 31.12.2009 i.H.v. 961,18 EUR für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2010 i.H.v. 969,34 EUR und für Mai 2010 i.H.v. 979,44 EUR. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30.04.2010 bewilligte er ihnen mit Bescheid vom 19.05.2010, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 monatliche Leistungen in Höhe von 979,44 EUR, davon wie bereits im Mai 2010 – Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 333,44 EUR.

Die Klägerin zu 2 ist die (Adoptiv-)Tochter des 1901 geborenen F W R und seiner 1908 geborenen Ehefrau C R. W R war einer von fünf Söhnen des F J R , der Inhaber der Firma F R , Z - und M in Z war. Mit Gesellschaftsvertrag vom 01.01.1940 hatte F R zwei seiner Söhne als persönlich haftende Gesellschafter und seine drei weiteren Söhne, u.a. W R , als Kommanditisten zur Gründung einer Kommanditgesellschaft in seine Firma aufgenommen, wobei W R zu 10 % am Gewinn und Verlust der Firma beteiligt war. Die Fabrikgrundstücke, die Maschinen, das Kontor- und Fabrikinventar nebst allen Einrichtungen usw., die damals im persönlichen Eigentum des Großvaters der Klägerin zu 2 standen, wurden nicht in die Kommanditgesellschaft eingebracht. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Unternehmen F R , Z - und M in Z , auf der Liste A für den damaligen Landkreis Flöha der Unternehmen, die aufgrund des Volksentscheides in das Eigentum des Volkes überführt werden sollten, unter der laufenden Nr. 29 aufgeführt, nachdem es vorher beschlagnahmt und unter Zwangsverwaltung gestellt worden war. Mit Schreiben vom 23.01.1948 wurde F R darüber informiert, dass seine Grundstücke sowie das laut Gesellschaftsvertrag vom 22.07.1941 an das Unternehmen verpachtete Inventar zum Betriebsvermögen gehörten und von der Enteignung des Unternehmens mit erfasst seien. Die Enteignungsurkunde der Landesregierung Sachsen (laufende Nr. 899) stammt vom 01.07.1948.

Nachdem W R am 01.10.1985 und C R am 23.01.1986 verstorben waren, sind die Klägerin zu 2 und H ... R deren Erben geworden (notarielles Testament vom 05.07.1983). Am 11.09.1990 beantragte die Cousine der Klägerin zu 2, E U , u.a. im Namen der Klägerin zu 2 sowie aller anderen Miterben des F R die Rückübertragung der Grundstücke bzw. des ehemaligen Unternehmens F R , später "VEB P K Z ".

Mit Bescheid der Landesdirektion D vom 23.04.2010 wurde festgestellt, dass die Klägerin zu 2 und H R in Erbengemeinschaft nach W R Berechtigte i.S.d. AusglLeistG bezüglich des Verlusts von dessen Kommanditbeteiligung am früheren Unternehmen der Firma F R in Z sind. Die Höhe der Ausgleichsleistung für den genannten Vermögenswert werde auf 13.804,88 EUR festgesetzt. Die Ausgleichsleistung werde ab dem 01.01.2004 bis zu dem Kalendermonat vor der Bekanntgabe des Bescheides verzinst (Zinssatz 0,5 v.H. pro Monat). In den Gründen des Bescheides ist ausgeführt, dass das Unternehmen F R aufgrund seiner Kriegsproduktion enteignet worden sei. Bezug genommen worden sei auf die Anfang 1945 verfasste Betriebschronik, wonach im Jahr 1934 mit der Unterlieferung für die Rüstungsproduktion begonnen worden sei und im Jahr 1939 die zivile Fabrikation mit Leichtigkeit habe eingestellt werden können, so dass der gesamte Betrieb für den erweiterten Rüstungsbedarf habe umgestellt werden können. Im Bescheid ist weiter ausgeführt, dass die Enteignung eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage i.S.d. § 1 Abs. 8a des Vermögensgesetzes (VermG) darstelle. Der Anspruch auf Ausgleichsleistung sei gemäß § 1 Abs. 3 AusglLeistG nicht ausgeschlossen, weil das Unternehmen Kriegszerstörung oder Demontagen nicht erlitten habe. Der Anspruch auf Ausgleichsleistung sei auch gemäß § 1 Abs. 4 Ausgl¬LeistG nicht ausgeschlossen. Unterlagen i.S.d. drei Tatbestandsalternativen der Vorschrift lägen für W R sowie auch für die Anspruchsinhaber seit dem 01.12.1994 nicht vor. Der Umstand, dass der Betriebsleiter O R seit 1932 Mitglied der NSDAP gewesen sei, sei nicht als erhebliches Vorschubleisten durch das Unternehmen zu qualifizieren. Die weiteren Anschuldigungen gegen O R seien unbewiesen. Auch die aus der Betriebschronik entnommene Anschuldigung gegen das Unternehmen, Unterlieferant für die Rüstungsproduktion gewesen zu sein, enthalte lediglich das nicht NS-spezifische Ziel, den Krieg zu gewinnen und erfülle nicht das Tatbestandsmerkmal des erheblichen Vorschubleistens für das NS-Regime.

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger teilten dem Beklagten am 07.05.2010 mit, dass den Klägern im Mai oder Juni 2010 ein Geldbetrag zufließen werde, der aus dem Verwaltungsverfahren bei der Landesdirektion D resultiere, das die Gewährung einer Ausgleichsleistung für den Eigentumsverlust an einer Gesellschaftsbeteiligung an einem früheren Unternehmen betreffe. Am 01.06.2010 teilte die Klägerin zu 2 mit, dass ihr von dem bevollmächtigten Verfahrensführer am 26.05.2010 der Betrag i.H.v. 19.714,14 EUR auf ihrem Konto gutgeschrieben wurde.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 02.07.2010 hob der Beklagte die Bewilligungen vom 03.05.2010 und vom 19.05.2010 ab Mai 2010 ganz auf und forderte vom Kläger zu 1 die Erstattung von 979,42 EUR und von der Klägerin zu 2 die Erstattung von 979,46 EUR. Die dagegen gerichteten Widersprüche waren erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 12.10.2010 – W 1314/10 und W 1639/10).

Dagegen haben die Kläger am 15.11.2010 beim Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben (S 18 AS 6436/10 und S 18 AS 6283/10).

Den Weiterbewilligungsantrag vom 30.11.2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.12.2010 ab, weil die Kläger nicht hilfebedürftig seien. Sie hätten im Mai 2010 eine einmalige Einnahme i.H.v. 19.714,14 EUR erzielt. Durch den Zufluss dieser einmaligen Einnahme stehe ihnen ein monatliches Einkommen von 1.642,85 EUR zur Verfügung. Bereits im Bescheid vom 02.07.2010 seien sie darauf hingewiesen worden, dass dieses Erbe den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft für zwölf Monate abdecke, d.h. bis April 2011. Der dagegen gerichtete Widerspruch war ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15.03.2011 – W 115/11).

Dagegen haben die Kläger am 06.04.2011 beim Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben (S 18 AS 1591/11). Die drei Klagen sind in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom 04.03.2011 sind ihnen mit Bescheid vom 18.04.2011 laufende monatliche Leistungen ab 01.05.2011 bewilligt worden.

In den Klageverfahren haben die Kläger geltend gemacht, dass die nach dem Ausgleichsleistungsgesetz gezahlte Entschädigung nicht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden könne. Es handle sich dabei um eine privilegierte Entschädigung, die nicht als Einnahme angerechnet werden könne. Ebenso dürften nach § 9 Abs. 1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz Ausgleichsleistungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet und nach § 16 Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz für rechtsstaatswidrige Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet gezahlte Entschädigungen nicht als Einkommen auf Sozialleistungen angerechnet werden. Gleiches gelte für Entschädigungsrenten und -leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet. In diese Normenkette sei die Entschädigungsleistung nach dem Lastenausgleichsgesetz einzuordnen. Der Ausgleichsleistungsanspruch sei seit dem 01.01.2004 verzinst worden und zudem liege eine Ungleichbehandlung mit denjenigen vor, die vor Entstehung des Ausgleichsgesetzes entschädigt oder die nicht enteignet worden seien. Dem ist der Beklagte entgegengetreten, weil die gewährte Entschädigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz kein Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 3 SGB II darstelle, welches von der Anrechnung auszuschließen sei.

Mit Urteil vom 15.12.2011 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 02.07.2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.10.2010 seien rechtmäßig. Die Aufhebung der Bewilligung sei auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zu stützen, denn die Rechtswidrigkeit der die Leistungen für Mai und Juni 2010 bewilligenden Bescheide vom 09.11.2009 und vom 18.05.2010 sei hier durch den Zufluss von Einkommen am 26.05.2010 und damit nach Erlass der Bewilligungsbescheide eingetreten. Es liege deswegen ein Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit vor, nicht eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides bestehende Rechtswidrigkeit. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung gewährter Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai und Juni 2010 und die Rückforderung des überzahlten Alg II sei § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Danach sei ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte der Beginn des Anrechnungszeitraums, der gemäß § 13 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1 AlgII-V der Beginn des Monats sei, in dem das Einkommen zufließe. Vorliegend sei durch die Auszahlung der Ausgleichsleistung i.H.v. 19.714,14 EUR am 26.05.2010 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides am 18.05.2010 zugrunde gelegen hätten, eingetreten. Durch diesen Einkommenszufluss sei der Hilfebedarf der Kläger und damit der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2010 bis 30.04.2011 entfallen. Bei der zugeflossenen Ausgleichszahlung handle es sich um berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S.d. § 11 SGB II und nicht um Vermögen i.S.d. § 12 SGB II. Zwar gehöre die Klägerin zu 2 der Erbengemeinschaft nach dem 1952 verstorbenen F R an und sei damit Berechtigte i.S.d. Ausgleichsleistungsgesetzes bezüglich des Verlusts von dessen Komplementärsbeteiligung an dem früheren Unternehmen der Firma F R in Z sowie der mit dem Unternehmen enteigneten Grundstücke gemäß § 1 Abs. 1 AusglLeistG. Über diesen Anspruch sei jedoch anspruchsbegründend erst mit Bescheid der Landesdirektion D entschieden worden, insbesondere darüber, ob der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 AusglLeistG ausgeschlossen sei. Nach § 1 Abs. 3 AusglLeistG seien Kriegs- und Kriegsfolgeschäden nicht ausgleichsfähig. Nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG würden Ausgleichsleistungen dann nicht gewährt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableite oder das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoße, in schwerwiegendem Maße die Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen System oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblich Vorschub geleistet habe. Demzufolge sei der Anspruch auf Ausgleichsleistungen erst mit diesem Bescheid konstitutiv festgestellt worden und gehöre nicht zu dem bereits vor dem Leistungsbezug der Kläger am 01.01.2005 vorhandenen Vermögen. Ausnahmen, die dazu führten, dass erzieltes Einkommen nicht anzusetzen sei, lägen nicht vor. Insbesondere seien die Tatbestände nach beruflichen und strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzen nicht gegeben. Die Erstattungsforderung des Beklagten beruhe auf § 14 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Beklagte habe ferner zu Recht mit Bescheid vom 03.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011 den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.12.2010 bis 30.04.2011 abgelehnt. Die Kläger seien im streitigen Zeitraum durch das am 26.05.2010 zugeflossene Einkommen nicht bedürftig, denn sie hätten ihren Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen bestreiten können. Der Beklagte habe zu Recht im Mai 2010 erzielte einmalige Einnahmen in Anwendung von § 2 Abs. 4 AlgII-V auf zwölf Monate aufgeteilt. Hieraus errechne sich ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen von 1.642,85 EUR.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 20.01.2012 zugestellte Urteil haben diese am 20.02.2012 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Der Prozessbevollmächtigte trägt vor, die Entscheidung stehe im Widerspruch zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.02.2011 (B 14 AS 45/09 R). Danach komme es nicht auf den Zufluss des Erbes an, sondern darauf, wann der Erbe über seinen Anteil am Nachlass verfügen könne. So gesehen sei die Klägerin zu 2 bereits am 23.01.1986 Miterbin der auf den Erblasser F R. (richtig wohl: W R ) zurückzuführenden Entschädigungsansprüche geworden. Spätestens mit Beteiligung am Entschädigungsantrag im Jahr 1994 sei die Klägerin zu 2 in eine Vermögensposition eingetreten, welche sie zu diesem Zeitpunkt bereits in irgendeiner Form hätte verwerten können. Die Auszahlung des Entschädigungsanspruchs im Jahr 2010 stelle daher letztlich nur ein Versilbern dieser Vermögensposition dar. Demzufolge sei die Entschädigungsleistung nicht als Einkommen sondern als Vermögen zu betrachten und unter der Berücksichtigung der ihr zustehenden Vermögensfreibeträge in eine Bedarfsberechnung einzubeziehen. Als einen weiteren Gesichtspunkt erscheine die Handhabung des Sachverhalts durch den Beklagten rechtswidrig, soweit bei der Bewertung der Ausgleichsleistung auf den Tag des Zuflusses abgestellt werde. Anstatt auf den Tag des Erbfalls werde die Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft nach einem rechtswidrig enteigneten Erblass anders behandelt als im Wege einer normalen Erbfolge, d.h. ohne rechtswidrige Enteignung. Dies sei inakzeptabel und verstoße aus Sicht der Kläger gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG). Die Klägerin zu 2 sei nur deswegen in eine Sondersituation im Rahmen des AusglLeistG geraten, da einer ihrer Vorfahren einer rechtswidrigen Enteignung unterlegen habe. Die Wiedergutmachung dieser Unrechtshandlung aus dem Jahr 1948 dauere im Falle der Klägerin zu 2 bis zum Jahr 2010. Dadurch werde sie benachteiligt.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.12.2011 und die Bescheide des Beklagten vom 02.07.2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.10.2010 und den Bescheid vom 21.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des SGB II für die Zeit vom 01.12.2010 bis 30.04.2011 zu gewähren und für den Fall eines ablehnenden Urteils die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die angegriffenen Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts, das er für zutreffend hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Behördenakte des Beklagten (drei Bände, Bl. 1 bis 660) und die Behördenakte der Landesdirektion D (zwei Bände) verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klagen mit Urteil vom 15.12.2011 abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Der Senat schließt sich aus eigener Überzeugung den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen:

Rechtsgrundlage für die jeweils an die Kläger gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 02.07.2010 ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wie das Sozialgericht zutreffend herausgearbeitet hat. Es ist nämlich durch den Zufluss der Ausgleichsleistung am 26.05.2010 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Bei Bekanntgabe der Bewilligungsbescheide bzw. Änderungsbescheide für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 und des Bewilligungsbescheides vom 19.05.2010, der am selben Tag zur Post gegeben und damit gemäß § 37 Abs. 2 SGB X am 22.05.2010 als bekannt gegeben gilt, für die Zeit ab 01.06.2010 war die Ausgleichsleistung noch nicht zugeflossen.

Die fehlende Anhörung vor Erlass der beiden Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide führt nicht zur (formellen) Rechtswidrigkeit dieser Bescheide. Ausnahmsweise bedurfte es einer Anhörung nicht, weil die einkommensabhängigen Leistungen nach dem SGB II den durch den Zufluss der Ausgleichsleistung am 25.05.2010 geänderten Verhältnissen angepasst werden sollten, so dass nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X von einer Anhörung abgesehen werden konnte (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 – B 14 AS 144/10 R, RdNr. 12). Im Übrigen ist bereits während des Widerspruchsverfahrens, in dessen Rahmen sich beide Kläger zu den entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnten, die erforderliche Anhörung nachgeholt und damit der Verfahrensmangel gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden (vgl. auch BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 6/12 R, juris, RdNr. 21). Dabei ist zu beachten, dass der Beklagte in den Bescheiden vom 02.07.2010 von einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X und nicht von einer anfänglichen Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden Bewilligungsbescheide ausging, so dass die Kläger zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens Stellung nehmen konnten.

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der der Klägerin zu 2 am 25.05.2010 zugeflossenen Ausgleichsleistung nicht um Vermögen i.S.d. § 12 SGB II (in der vom 17.04.2010 bis 31.03.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme und zur Einführung eines Sonderprogramms mit Maßnahmen für Milchviehhalter sowie zur Änderung anderer Gesetze vom 14.04.2010, BGB. I S. 410) sondern um Einkommen i.S.d. § 11 SGB II handelte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (seit BSG, Urteil vom 30.07.2008 – B 14/11b AS 17/07 R, juris, RdNr. 23). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (st. Rspr.: BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R, juris, RdNr. 19 mit weiteren Nachweisen). Der Auszahlungsbetrag, der der Klägerin zu 2 am 25.05.2010 zugeflossen ist, stellt sich – entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Kläger – nicht lediglich als "Versilbern", also gewissermaßen als bloße Bezifferung eines bereits vorhandenen vermögenswerten Anspruchs dar, den die Klägerin zu 2 bereits vor 01.01.2005 inne hatte.

Zunächst handelt es sich bei dem Anspruch nach dem Ausgleichsleistungsgesetz nicht um einen echten Entschädigungsanspruch, sondern lediglich um einen finanziellen Ausgleich von Kriegs- und Besatzungsfolgen vergleichbar dem Lastenausgleich im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland vor 1990. So ist der Gesetzgeber der Bundesrepublik zwar nach der Wertordnung des Grundgesetzes, besonders im Hinblick auf das in Art. 20 Abs. 1 GG zum Ausdruck gekommene Sozialstaatsprinzip, verpflichtet, insoweit einen innerstaatlichen Lastenausgleich vorzusehen; er muss jedoch für Kriegsfolgeschäden nicht in gleicher Weise einstehen, wie wenn diese von den Staatsorganen der Bundesrepublik verursacht worden wären, und hat bei der Regelung eines solchen Lastenausgleichs einen weiten Gestaltungsraum (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 23.04.1991 – 1 BvR 1170/90, 1 BvR 1174/90, 1 BvR 1175/90, juris, RdNr. 136). Dem entsprechend ist in Art. 41 Abs. 1 des Einigungsvertrages (EV) in Verbindung mit Nr. 1 Satz 4 der Gemeinsamen Erklärung eine Regelung enthalten, dass die Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt, wobei es wegen Art. 3 Abs. 1 GG allerdings nicht der freien Entscheidung des Gesetzgebers unterlag, ob er überhaupt eine Ausgleichsregelung zugunsten der Betroffenen schafft (BVerfG, a.a.O., RdNr. 144). Denn (BVerfG, a.a.O., RdNr. 146): "Der Gesetzgeber hat für die entschädigungslosen Enteignungen, die nicht unter die Regelung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung fallen, eine Wiedergutmachungsregelung getroffen, die vom Grundsatz der Rückgabe der enteigneten Objekte ausgeht (vgl. oben A I 1 b), was auch für die Höhe der anstelle einer Restitution zu gewährenden Entschädigung von Bedeutung sein kann. Wählt er eine solche Lösung, darf er für die entschädigungslosen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht jegliche Wiedergutmachung ausschließen. Die rechtsstaatlichen Defizite, die beide Gruppen von Enteignungen nach den Gerechtigkeitsvorstellungen des dem Grundgesetz verpflichteten Gesetzgebers aufweisen, mögen verschieden sein. Diese Unterschiede können aber jedenfalls eine Ungleichbehandlung dieses Ausmaßes zu Lasten der Beschwerdeführer nicht rechtfertigen. Weitere Umstände, die für eine Differenzierung herangezogen werden können - etwa der größere zeitliche Abstand der von der angegriffenen Regelung erfaßten Enteignungen und die Tatsache, daß diese Enteignungen maßgeblich durch die Hoheitsgewalt der Besatzungsmacht veranlaßt oder jedenfalls gedeckt worden sind - rechtfertigen es ebenfalls vor Art. 3 Abs. 1 GG weder für sich allein noch zusammen mit den übrigen Umständen, daß für diese Enteignungen jegliche Ausgleichsleistung ausgeschlossen wird."

Die Grundlage für die Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, in denen nach § 1 Abs. 8a des noch von der ehemaligen DDR in Kraft gesetzten Vermögensgesetzes die Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte generell ausgeschlossen war und ist, hat der Bundesgesetzgeber schließlich mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2624 (EALG)) geschaffen und damit die verfassungsrechtlichen Vorgaben umgesetzt.

Zwar ist die Klägerin zu 2 schon mit Inkrafttreten des Ausgleichsleistungsgesetzes (als Artikel 2 des EALG) am 01.12.1994 Berechtigte i.S.d. § 1 Abs. 1 AusglLeistG geworden, so dass der Anspruch auf Ausgleichsleistung am 01.012.1994 unmittelbar in ihrer Person entstanden ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15.03.2007 – 3 C 37/06, juris, RdNrn. 14 und 17). Bei dem Anspruch auf Ausgleichsleistung handelt es also nicht um eine ererbte Rechtsstellung, sondern der Anspruch stand der Klägerin zu 2 ab 01.12.1994 originär zu. Dieser konnte sodann entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen abgetreten werden (BVerwG, Urteil vom 23.10.2008 – 5 C 31/07, juris, RdNr. 10) und stellte somit auch eine Art Vermögenswert dar. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt auch nicht voraus, dass der Einnahme bereits ein "Marktwert" zukommt (BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R, juris, RdNr 20).

Die Berechtigtenstellung der Klägerin zu 2 nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG ist dennoch nicht mit dem Pflichtteilsanspruch eines ausgeschlossenen Erben nach § 2303 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu vergleichen. Das BSG hat mit Urteil vom 06.05.2010 entschieden, dass zum Vermögen i.S.d. § 12 SGB II auch der Pflichtteilsanspruch nach § 2303 Abs. 1 BGB gehört (a.a.O., RdNr. 14): "Danach kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht nach § 2303 Abs 1 Satz 2 BGB in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Durch das gemeinschaftliche Testament der Eltern nach § 2269 Abs 1 BGB (sog Berliner Testament ) haben sich die Ehegatten hier gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben nach dem Letztverstorbenen bestimmt. Die Folge davon ist der Ausschluss der Abkömmlinge von der Erbfolge nach dem Erstverstorbenen und seine Pflichtteilsberechtigung. Die Einsetzung als Schlusserbe steht infolge der Pflichtteilsstrafklausel unter der auflösenden Bedingung der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs (vgl BGH, Urteil vom 12.7.2006 - IV ZR 298/03 - NJW 2006, 3064). Der Pflichtteilsanspruch selbst ist nach § 2317 Abs 1 BGB bereits mit dem Erbfall als Vollrecht begründet (BGHZ 123, 183, 187)."

Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung bei einem Erbfall wegen der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB von einem normativ vorgegebenen und damit insofern maßgeblichen Zufluss aus: Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen (BSG, Urteil vom 25.01.2012, a.a.O., RdNr. 20). Ein solches Vollrecht, bei dem nur noch dessen Wert zu ermitteln wäre (vgl. BSG; Urteil vom 06.05.2010, a.a.O., RdNr. 15), hatte die Klägerin zu 2 mit ihrer Berechtigtenstellung am 01.12.1994 allerdings noch nicht erworben. Vielmehr war eine behördliche Entscheidung zum Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes i.S.d. Absätze 3 und 4 des § 1 AusglLeistG Voraussetzung für die Gewährung der Ausgleichsleistung. Denn durch das EALG wurden die tatbestandlichen Voraussetzungen, die Höhe und die Art und Weise der Ausgleichsleistungen geregelt (BT-Drucks. 12/4887 S. 30). Insbesondere die Ausschlussgründe in § 1 Abs. 4 AusglLeistG sollen verhindern, dass diejenigen, die die Hauptverantwortung für die zu revidierenden Unrechtsmaßnahmen trugen, das Ausgleichsleistungsgesetz zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen. Auch wer sich nach den in den westlichen Besatzungszonen geltenden Maßstäben wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatte, kann keine Wiedergutmachung zugebilligt bekommen (BT-Drucks. 12/4887 S. 38). Zutreffend ist das Sozialgericht daher davon ausgegangen, dass erst durch Bescheid der Landesdirektion D vom 23.04.2010 konstitutiv der Anspruch auf Ausgleichsleistung als solcher und nicht nur dessen Höhe festgestellt wurde. Der Umstand, dass der Anspruch bereits ab 01.01.2004 bis zum Kalendermonat vor der Bekanntgabe des Bescheides verzinst wurde, ändert an dieser rechtlichen Bewertung nichts, sondern stellt lediglich ein Berechnungselement dar, das aus den maßgeblichen Vorschriften folgt. Auch die Verzinsungsregeln sprechen – entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger – nicht für, sondern gegen eine dem Erbfall vergleichbare Rechtslage.

Eine Nichtberücksichtigung der Ausgleichsleistung in analoger Anwendung der Vorschriften zur beruflichen und strafrechtlichen Rehabilitierung, wonach die Leistungen nach diesen Gesetzen als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt bleiben (§ 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (BerRehaG) in der Fassung vom 01.07.1997; § 16 Abs. 4 des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (StrRehaG) in der seit 04.11.1992 geltenden Fassung; vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06, juris, RdNr. 45), kommt nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat bei der Regelung der Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, keine Anrechnungsfreiheit dieser Leistungen auf andere Sozialleistungen vorgesehen. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung bewusst getroffen hat, weil all diese gesetzlichen Regelungen zum Ausgleich von Kriegsfolgen und DDR-Unrecht in einem zeitlichen Zusammenhang geschaffen wurden, nämlich in der 12. Wahlperiode von 1990 bis 1994 zuerst das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz (1992) und später das Berufliche Rehabilitierungsgesetz sowie das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (beide 1994). Anders als bei der Regelung der Ausgleichsleistungen für die Opfer politischer Verfolgung im beruflichen und strafrechtlichen Bereich erhalten die Berechtigen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz einen Ausgleich für den damaligen Vermögensverlust, während beruflich oder strafrechtlich Rehabilitierte eine Art "Rentenzahlung" erhalten, die monatlich im Voraus zur Deckung des Lebensunterhalts und nur bei besonderer wirtschaftlicher Beeinträchtigung gewährt wird (§ 8 BerRehaG, §§ 17a, 18 Str¬Re¬haG). Dass diese nach § 17 StrRehaG auch als Kapitalentschädigung in einer Summe geleistet werden kann, ändert an deren Zweckbestimmung nichts. Denn die Ausgleichsleistungen nach dem beruflicher und strafrechtlicher Rehabilitation dienen der Kompensation von verhinderten Bildungsmöglichkeiten und beruflichem Fortkommen bzw. der Erwerbstätigkeit der politisch Verfolgten als solcher, die sich noch auf die Erwerbsbiografien auswirken können. Dieser Zweck wohnt der Ausgleichsleistung nach dem AusglLeistG nicht inne. Eine gesetzliche Lücke kann demzufolge nicht festgestellt werden.

Eine unzulässige Ungleichbehandlung liegt ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich der Zweckbestimmung der Ausgleichsleistungen liegt schon kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Der (entschädigungslose) Verlust von Eigentum und Vermögen einerseits unterscheidet sich von den verpassten Erwerbschancen, die durch berufliche Rehabilitation ausgeglichen werden sollen, ebenso wie von den Folgen rechtsstaatswidriger Inhaftierung, die durch strafrechtliche Rehabilitation bis zu einem gewissen Grad wiedergutgemacht werden sollen. Auch wird die Ausgleichsleistung ausschließlich aus dem Entschädigungsfonds und nicht aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert (vgl. Gesetzentwurf vom 10.05.1993, BT-Drucks. 12/4887 S. 3; § 2 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG). Im Übrigen darf der Gesetzgeber bei der Bemessung von Wiedergutmachungsleistungen im Rahmen des ihm ohnehin zustehenden Gestaltungsraums auch darauf Rücksicht nehmen, welche finanziellen Möglichkeiten er unter Berücksichtigung der sonstigen Staatsaufgaben hat (BVerfG, Urteil vom 23.04.1991, a.a.O., RdNr. 150). Schließlich ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit weit (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.02.2009 – 1 BvR 2982/07, juris, RdNr. 13). Es bestehen daher keine Bedenken, dass das Gesetz bestimmte staatliche Ausgleichsleistungen, die sich nach den vorgenannten sachlichen Maßstäben von anderen Ausgleichsleistungen unterscheiden, bei der Leistungsberechnung für staatliche Sozialleistungen berücksichtigt. Verfassungsrechtliche Gründe, die einen Ausschluss der Anrechenbarkeit der Ausgleichsleistung nach dem AusglLeistG nach § 11 SGB II gebieten würden, sind nicht erkennbar.

Da der zugeflossenen Betrag von 19.714,14 EUR damit zu Recht als Einkommen bei der Bedarfsberechnung der Kläger berücksichtigt wurde, ist das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Gegen die Aufteilung auf zwölf Monate und die Anrechnung ab dem Monat des Zuflusses haben die Kläger keine weiteren Einwände erhoben. Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Zwar liegt eine Entscheidung des BSG zur Berücksichtigung eine Ausgleichsleistung nach dem AusglLeistG nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bisher nicht vor. Dennoch handelt es sich hierbei nicht um eine Frage grundsätzlicher Bedeutung, Denn zum einen sind weder dem Senat noch dem Beklagten bekannt, dass in einer Vielzahl von Verfahren sich derartige Fragen stellen würden. Zum anderen kann die Qualifizierung der Ausgleichsleistung ohne weiteres anhand der gesetzlichen Vorschriften und der bereits vorliegenden Rechtsprechung vorgenommen werden.

Dr. Anders Schneider-Thamer Wagner
Rechtskraft
Aus
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