L 8 AS 78/15 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 30 AS 1159/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 78/15 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. In Prozesskostenhilfeverfahren schließt § 73a Abs. 8 SGG die Beschwerde gegen Beschlüsse der Sozialgerichte über Erinnerungen gegen Entscheidungen der Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 und 5 SGG aus.
2. Eine teleologische Reduktion des Beschwerdesausschlusses nach § 73a Abs. 8 SGG ist nicht im Hinblick auf § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG vorzunehmen.
3. Der Beschwerdeausschluss nach § 73a Abs. 8 SGG greift auch in Verfahren, in denen der Prozesskostenhilfeantrag vor dem 01.01.2014 gestellt worden ist (entgegen LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2014 - L 2 AS 266/14 B - juris).
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Oktober 2014 wird verworfen.

II. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz (SG), mit dem dieses ihre Erinnerung gegen die nachträgliche Änderung von zunächst vorbehaltloser Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) in eine Auferlegung einer Einmalzahlung aus ihrem Vermögen zurückgewiesen hat.

Der Bf. wurde für ein Klagverfahren gegen den Beteiligten PKH ratenfrei und ohne Auferlegung einer Einmalzahlung aus dem Vermögen gewährt (Beschluss des SG vom 07.09.2010). Mit Beschluss vom 30.06.2014 hat die Urkundsbeamtin des SG den Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Bf. eine Einmalzahlung aus ihrem Vermögen in Höhe von 95,83 EUR auferlegt wurde; die hiergegen eingelegte Erinnerung blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 23.10.2014). Gegen den am 03.11.2014 zugestellten Beschluss hat die Bf. am 17.11.2014 Beschwerde eingelegt.

Die Bf. ist – ohne nähere Begründung – der Ansicht, dass die Beschwerde zulässig ist. In der Sache selbst hat sie lediglich Ausführungen gemacht, die offensichtlich anderen Verfahren zuzuordnen sind.

Der Bg., die Staatskasse, hält die Beschwerde für unstatthaft. Er verweist auf § 73a Abs. 8 des Sozialgerichtsgesetzes in der seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung (SGG).

Dem Senat haben die Gerichtsakten beider Rechtszüge nebst Kostenheften vorgelegen.

II.

1. Die Beschwerde ist zu verwerfen, weil sie unstatthaft ist. Der Bf. steht kein Rechtsmittel gegen den angefochtenen Beschluss des SG vom 23.10.2014 zu.

§ 172 Abs. 1 SGG eröffnet die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine solche spezialgesetzliche Regelung trifft freilich § 73a Abs. 8 SGG in der seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung. Danach kann gegen die Entscheidungen des Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 und 5 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Hiermit ist bestimmt, dass die Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) unstatthaft ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 73a RdNr. 12b; Sächsisches LSG, Beschluss vom 10.11.2014 – L 3 AS 681/14 B PKH – unveröffentlicht; für das Nachprüfverfahren bejahend Strassfeld, SGb 2014, 236, 239). Denn "endgültig" ist gleichbedeutend mit "von letzter, abschließender Gültigkeit, unumstößlich, definitiv" (vgl. zum Begriff "endgültig" in § 197 Abs. 2 SGG den Senatsbeschluss vom 02.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11 mit weiteren Nachweisen).

a) Diese Regelung ist auch auf das vorliegende Verfahren anzuwenden. Denn Änderungen des Verfahrensrechts sind - soweit nichts anderes vorgeschrieben - nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts auch bei bereits anhängigen Verfahren zu beachten, sofern nicht ein verfassungskonform abweichender Geltungswille des Gesetzes festzustellen ist (BSG, Urteil vom 14.04.2011 – B 8 SO 18/09 R – juris RdNr. 13). Eine besondere Übergangsregelung zur abweichenden Behandlung von "Altfällen" fehlt aber im Gesetz zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts (PKH/BerHÄndG). Zwar wird vereinzelt vertreten, dass § 73a Abs. 8 SGG nicht auf die Verfahren anzuwenden ist, in denen über die Bewilligung, Abänderung oder Aufhebung von vor dem 01.01.2014 beantragter PKH zu entscheiden ist, weil eine solche Übergangsregelung zwar nicht in Art. 20 PKH/BerHÄndG, aber dafür in § 40 des Gesetzes betreffend die Einführung der ZPO (ZPOEG) getroffen sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2014 – L 2 AS 226/14 B – juris RdNr. 10). Diese Auffassung verkennt aber, dass die Übergangsregelung des § 40 ZPOEG in sozialgerichtlichen Verfahren nicht auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Geltung beansprucht. Denn der Gesetzgeber hat zwischen den materiell-rechtlichen, in den §§ 114 bis 127 ZPO verankerten Regelungen (wohl nur hierauf bezieht sich der in der o. g. Entscheidung herangezogene Hinweis bei Strassfeld, SGb 2014, 176) und den verfahrensrechtlichen Neuerungen (hier vor allem die Übertragung bestimmter Entscheidungen auf den Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 und 5 SGG) sehr wohl unterschieden. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus der eigenen Regelung über das Inkrafttreten der Änderungen in Art. 20 PKH/BerHÄndG, die zudem ursprünglich ein abweichendes Inkrafttreten u.a. der Änderungen des SGG in Art. 20 Satz 2 PKH/BerHÄndG (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.11.2012, BT-Drs. 17/11472, Seiten 15, 52) vorsah und erst auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (vgl. den Bericht vom 15.05.2013, BT-Drs. 17/13538, Seiten 23, 29) vereinheitlicht wurde. Für einen zwingenden Gleichlauf der materiell-rechtlichen und prozessualen Änderungen (so aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2014 – L 2 AS 226/14 B –, a.a.O.) gibt es also weder in systematischer Hinsicht noch aus den Gesetzesmaterialien heraus ein Bedürfnis.

b) Der Beschwerdeausschluss nach § 73a Abs. 8 SGG ist auch nicht in anderer Hinsicht teleologisch zu begrenzen. So soll zwar der Beschwerdeausschluss des § 73a Abs. 8 SGG nicht über den Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG hinausgehen (Strassfeld, SGb 2014, 236, 241 unter Bezug auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 17/11472, Seite 35). Dies betrifft insbesondere das Beschwerderecht hinsichtlich der Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 ZPO, wobei aber zu beachten ist, dass die durch § 73a Abs. 4 und 5 SGG eingeräumte Prüfungskompetenz des Urkundsbeamten ohnehin nur die wirtschaftlichen und persönliche Verhältnisse umfasst, womit das tragende Argument gegen die Anwendung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG bei Beschwerden gegen die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 ZPO (vgl. hierzu Sächsisches LSG, Beschluss vom 20.02.2014 – L 3 AL 159/13 B PKH –, juris RdNrn. 8ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen) wegfallen dürfte.

Zu der – hier streitgegenständlichen – Abänderung der PKH-Bewilligung nach § 120 Abs. 4 ZPO aF bzw. § 120a ZPO nF wurde aber schon vor Inkrafttreten des PKH/BerHÄndG allgemein die Auffassung vertreten, dass § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG die Beschwerde in Verfahren die Abänderung von PKH-Bewilligungen betreffend wirksam ausschließt (Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.05.2011, L 3 AS 430/10 B PKH – juris RdNr. 11; dass., Beschluss vom 31.08.2011 – L 7 AS 553/11 B – juris RdNrn. 6ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.01.2011 – L 20 AS 2026/10 B –, juris RdNrn. 5ff; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2012 – L 25 AS 159/12 B PKH –, juris RdNr. 2, dass., Beschluss vom 28.11.2012 – L 29 AS 2644/12 B PKH –, juris RdNr. 10; Strassfeld, SGb 2014, 236, 239). Für eine teleologische Eingrenzung des Beschwerdeausschlusses ist also zumindest insoweit kein Platz.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 183 Satz 1 SGG). Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO). Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.

Stinshoff Voigt Kirchberg
Rechtskraft
Aus
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