Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 26 R 1360/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 616/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Altersrente - Wohnsitzverlegung von den alten in die neuen Bundesländer - Entgeltpunkte (Ost) für FRG-Zeiten nach Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG, wonach bei Berechtigten nach dem FRG, die nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt von den alten in die neuen Bundesländer verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG haben, für nach dem FRG anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln sind, unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. August 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Wert des Rechts des Klägers auf die von der Beklagten gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Dezember 2009, konkret darüber, ob die Beklagte die Rentenleistung des Klägers nach dessen Wohnsitzverlegung von M nach H unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (Ost) für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertete Zeiten berechnen durfte.
Der 1938 geborene Kläger lebte und arbeitete bis zu seiner Flucht am 13. Juli 1969 in der Tschechoslowakei und nahm ab 13. Juli 1969 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ein, zunächst in N (Hessen), ab 1974 in W und ab 2001 in M (Baden-Württemberg). Er ist seit Januar 1972 Inhaber eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge der Kategorie A. Mit Bescheid der Beklagten vom 25. November 1985 bewertete diese die vom Kläger im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 zurückgelegten Beitrags-, Ersatz- und Ausfallzeiten nach dem FRG.
Auf den Antrag des Klägers vom 9. Mai 1995 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 1995 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Der Berechnung lagen auch die glaubhaft gemachten Zeiten nach dem FRG vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 zugrunde. Auf den Antrag des Klägers vom 31. Januar 2001 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Januar 2001, erneut unter Zugrundelegung der nach dem FRG anerkannten Zeiten vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969. Der Rentenbescheid enthielt dabei den Hinweis, dass eine Wohnsitzverlegung vom Gebiet der alten in die neuen Bundesländer mit einer Rentenminderung verbunden sei.
Am 1. August 2007 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz von M (Baden-Württemberg) nach H (Sachsen). Die Beklagte erlangte hiervon am 17. Oktober 2007 Kenntnis.
Mit Rentenneufeststellungbescheid vom 9. Oktober 2009 stellte die Beklagte die Altersrente des Klägers für schwerbehinderte Menschen ab 1. Dezember 2009 neu fest, in dem sie für die nach dem FRG bewerteten Zeiten Entgeltpunkte (Ost) zugrunde legte, sodass sich der monatliche Zahlbetrag ab 1. Dezember 2009 von bisher 1.531,18 Euro auf 1.487,39 Euro verringerte. In Anlage 10 des Rentenbescheides führte sie aus, dass eine Aufhebung des Bescheides vom 30. Dezember 2002 für die Vergangenheit nicht in Betracht komme. Mit dem am 29. Oktober 2009 gegen den Rentenneufeststellungsbescheid vom 9. Oktober 2009 erhobenen Widerspruch, machte der Kläger geltend, der Bescheid enthalte keine Begründung, weshalb und für welchen Zeitraum eine Bewertung in Entgeltpunkte (Ost) vorgenommen worden sei. Mit Erläuterungsschreiben vom 17. Februar 2010 wies die Beklagte darauf hin, dass die Neufeststellung der Altersrente ab 1. Dezember 2009 durch den Bescheid vom 9. Oktober 2009 wegen des Verzugs des Klägers nach H ab 1. August 2007 erfolgt sei, sodass den Zeiten nach dem FRG Entgeltpunkte (Ost) zugrunde zu legen seien. Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 ergänzte der Kläger seinen Widerspruch dahingehend, dass die zugrundeliegende Vorschrift wegen Verstoßes gegen sein Recht auf Freizügigkeit verfassungswidrig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Art. 6 § 4 Abs. 6 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) regele, unter welchen Voraussetzungen für FRG-Zeiten Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln seien. Mit dem Verzug ins Beitrittsgebiet seien bei der Rentenberechnung des Klägers Entgeltpunkte (Ost) für die FRG-Zeiten zu ermitteln gewesen. Der Rentenbescheid vom 30. Dezember 2002 sei daher mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen. An die Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG sei sie gebunden.
Die hiergegen am 8. September 2010 erhobene Klage, mit der der Kläger erneut einen Verstoß gegen sein Recht auf Freizügigkeit geltend machte, hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 8. August 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG bestünden nicht. Die Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) bedeute nicht, dass die in der Tschechoslowakei zurückgelegten Zeiten, die nach den Vorschriften des FRG bewertet wurden, niedriger bewertet würden. Die Bewertung bedeute nur, dass Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) multipliziert würden. Mit diesen werde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Lebensverhältnisse in den alten Bundesländern und in den neuen Bundesländern noch nicht vollkommen angeglichen seien. Es sei nicht erkennbar, inwieweit hierdurch die Freizügigkeit des Klägers innerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt worden sei.
Gegen das am 14. August 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. September 2012 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Art. 6 § 4 Abs. 6 Buchst. c FANG als Grundlage für die von der Beklagten vorgenommene Bewertung der FRG-Zeiten mit Entgeltpunkten (Ost) statt bisher Entgeltpunkten, sei verfassungswidrig. Die Vorschrift verstoße gegen des Recht auf Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Grundrecht auf Freizügigkeit umfasse das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Zum Grundrecht auf Freizügigkeit zähle auch die interkommunale Freizügigkeit, also das Recht des Ortswechsels von einer Gemeinde zu einer anderen. Die Freizügigkeit würde leerlaufen, wenn sie nicht auch gewährleisten würde, dass die Ausübung des Grundrechts mit keinen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein dürfe. Neben der Eigentumsgewährung in Art. 14 GG umschließe Art. 11 GG auch das Recht, Eigentum und Vermögen bei Inanspruchnahme der Freizügigkeit mitnehmen zu können. Das Grundrecht auf Freizügigkeit könne auch durch eine mittelbare Maßnahme verletzt werden, wie sie bei einer anderweitigen, an sich zulässigen Wohnsitzwahl in der Aufstellung einer sozialrechtlich nachteiligen Rechtsfolge liege. Diese Rechtslage liege im Fall des Klägers vor. Sein Grundrecht auf Freizügigkeit werde insoweit eingeschränkt, als ein Wohnsitzwechsel von den Altbundesländern in das Beitrittsgebiet zu einer unwiderruflichen Verminderung seines Rentenanspruchs führe, ohne das eine für die Einschränkung dieses Grundrechts maßgebende Voraussetzung nach Art. 11 Abs. 2 GG vorliege.
Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. August 2012 und den Rentenneufeststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Schreiben vom 8. und 9. Januar 2014 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Recht mit Urteil vom 8. August 2012 abgewiesen hat. Der Rentenneufeststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil ihm kein höherer, als der von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzter und bewilligter Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen zusteht. Zutreffend hat die Beklagte mit dem angegriffenen Rentenbescheid vom 9. Oktober 2009 den Rentenbescheid vom 30. Dezember 2002 mit Wirkung für die Zukunft, nämlich ab 1. Dezember 2009, teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, weil in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Rentenbescheides vom 30. Dezember 2002 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen besteht darin, dass der Kläger am 1. August 2007 seinen Wohnsitz von M (Baden-Württemberg) nach H (Sachen) verlegt hat. Infolge dieser Wohnsitzverlegung von den alten in die neuen Bundesländer war von der Beklagten die Vorschrift des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG zu beachten, wonach bei Berechtigten nach dem FRG, die nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet in das Beitrittsgebiet verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG haben, für nach dem FRG anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte (Ost) ermittelt werden. Dies gilt nach Art. 6 § 4 Satz 1 Halbsatz 2 FANG nur, sofern am 31. Dezember 1991 Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG nicht bestand. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen im Falle des Klägers vor, da er am 31. Dezember 1991 noch keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG hatte, aufgrund der in der tschechoslowakischen Republik im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 zurückgelegten Beschäftigungszeiten Berechtigter nach dem FRG ist (§ 15 FRG) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach dem 31. Dezember 1991 vom Gebiet der alten in die neuen Bundesländer verlegt hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen bestehen nicht:
Soweit der Kläger wiederholt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit gem. Art. 11 Abs. 1 GG rügt, liegt ein solcher nicht vor. Bereits der sachliche Schutzbereich dieses Grundrechts ist durch die gesetzliche Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG nicht betroffen. Der Kläger wird durch die Vorschrift weder unmittelbar noch mittelbar gehindert, seinen Wohnsitz oder Aufenthalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes zu nehmen. Soweit der Kläger-Prozessbevollmächtigte unter Verweis auf die Kommentierung von Pagenkopf (in: Sachs, Kommentar zum GG, 4. Aufl. 2007, Art. 11, RdNr. 19) ausführt, die Freizügigkeit würde leerlaufen, wenn sie nicht auch gewährleisten würde, dass die Ausübung des Grundrechts mit keinen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein darf, weshalb, neben der Eigentumsgewährung in Art. 14 GG, Art. 11 GG auch das Recht umschließt, Eigentum und Vermögen bei Inanspruchnahme der Freizügigkeit mitnehmen zu können, trifft dies zwar zu, führt im vorliegenden Fall aber zu keiner anderen Bewertung, weil dem Kläger durch die Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG eigentums- oder vermögensrechtlich verfestigte Positionen weder aberkannt noch genommen werden.
Mit Entgeltpunkten (Ost) wurden nach der Wohnsitzverlegung lediglich die nach dem FRG berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 bewertet. Diese rentenrechtlichen Beitrags-, Anrechnungs- und Ersatzzeiten haben jedoch zu keinem Zeitpunkt eine eigentums- oder vermögensrechtlich verfestigte Position erlangt. Entgegen seiner Auffassung hat er eine Anwartschaft auf höhere Leistungen in den alten Bundesländern nicht erworben, aus der er nach seinem Umzug nach H höhere Ansprüche nach "Westmaßstäben" unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten herleiten könnte. Er hatte hingegen – aus bundesdeutscher Sicht – durch seine Beitragsleistung (Vorleistung) im Herkunftsland eine Anwartschaft im tschechoslowakischen Rentenversicherungssystem gegen den dortigen Träger erworben. Die seinem tschechoslowakischen Versicherungsleben zu Grunde liegenden Umstände sind nach seiner Übersiedelung am 13. Juli 1969 nach dem FRG gemäß den Grundsätzen des Eingliederungsprinzips bundesrechtlich bewertet und im Versicherungsverlauf festgestellt worden (Bescheid vom 25. November 1985). Eine dem Eigentums- oder Vermögensschutz unterfallende verfassungsrechtliche Position des (sozial-)rechtlichen Eigentums hat der Kläger dadurch nicht erworben. Bei der Begründung von Rentenansprüchen im Anwendungsbereich des FRG – ohne vorausgegangene Entrichtung von Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung – handelt es sich um einen Akt besonderer staatlicher Fürsorge, auf den von Verfassungs wegen kein Anspruch besteht (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01 und 1 BvL 10/04 - JURIS-Dokument, RdNr. 77-82). Rentenanwartschaften und -ansprüche, die allein durch das Fremdrentenrecht begründet sind, unterfallen nicht dem Eigentums- und Vermögensschutz, wenn ihnen Beitrags- oder Beschäftigungszeiten zu Grunde liegen, die alleine in den Herkunftsgebieten erbracht und zurückgelegt wurden. Für die Anerkennung einer sozialversicherungsrechtlichen Rechtsposition als Eigentum ist das Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung unverzichtbar. Die in den Herkunftsgebieten erbrachten oder zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten begründen keine derartige Eigenleistung, da deren Wertschöpfung nicht innerhalb der zur Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgte und ihr auch nicht zugute kam. Insofern fehlt es am Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung in eine bundesdeutsche Rentenversicherung (vgl. dazu auch: BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 69).
Die in Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG angeordnete Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts vom Gebiet der alten in die neuen Bundesländer bedeutet auch nicht, dass die in der Tschechoslowakei zurückgelegten Versicherungszeiten des Klägers, die nach den Vorschriften des FRG anerkannt wurden, nun niedriger bewertet würden. Insbesondere greifen auch keine Besitzschutzvorschriften, wie etwa § 88 SGB VI, ein, weil sich nicht die Anzahl der angerechneten Entgeltpunkte, sondern deren Bewertung ändert (zutreffend insoweit: Moser, Kompass KBS 2012, Heft 7/8, 10, 11). Die Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) hat nämlich lediglich zur Folge, dass dadurch die Entgeltpunkte nicht unter Zugrundelegung des für die alten Bundesländer geltenden aktuellen Rentenwertes errechnet, sondern mit dem für die neuen Bundesländer jeweils geltenden aktuellen – niedrigeren – aktuellen Rentenwert (Ost) multipliziert werden. Da dieser – noch – etwas niedriger ist als der aktuelle Rentenwert, ergibt sich ein geringerer Zahlbetrag. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern noch nicht vollkommen angeglichen sind. Der Gesetzgeber hat ausweislich der amtlichen Gründe (vgl. BT-Drucks. 12/405, S. 115) zum Ausdruck gebracht, dass aus Anlass der Überleitung des Fremdrentenrechts auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1992 eine sachgerechte Fortentwicklung des Fremdrentenrechts allein darin besteht, dass es am jeweiligen Aufenthaltsort – sei es in den alten Bundesländern oder im Beitrittsgebiet – einen angemessenen Lebensstandard sichert. Die unterschiedliche – allgemeine – Leistungshöhe machte es dabei unter anderem erforderlich, den Anreiz für einen Wohnortwechsel in die alten Bundesländer zu nehmen und für Aussiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus den neuen in die alten Bundesländer oder auch aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet verlegen – so liegt es im Fall des Klägers –, keine günstigeren Regelungen zu treffen, als sie für Bundesbürger im Beitrittsgebiet gegeben sind. Denn FRG-Berechtigte können nicht erwarten, im Verhältnis zur Wohnbevölkerung in den neuen Bundesländern bessergestellt zu werden. Demzufolge hat der Gesetzgeber bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet eine Absenkung der FRG-Leistungen auf das Rentenniveau (Ost) vorgesehen.
Mit Rücksicht auf die besonders weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich des Sozialrechts liegt vorliegend auch keine unzulässige Ungleichbehandlung vor (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Das Fremdrentenrecht muss keine volle Gleichstellung mit denjenigen Personen bewirken, die ein Versicherungsverhältnis zu einem deutschen Versicherungsträger begründet haben oder hatten; ebenso ist auch keine volle Gleichstellung der nach dem FRG-Berechtigten mit Bürgern der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geboten (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01 und 1 BvL 10/04 - JURIS-Dokument, RdNr. 95-96). Deshalb begegnet die Absenkung der Leistung nach dem Umzug des Klägers in das Beitrittsgebiet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal er nicht schlechter steht als Versicherte mit Wohnsitz in den neuen Bundesländern, deren Renten bezüglich der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten mittels persönlichen Entgeltpunkten (Ost) berechnet werden (§§ 254b, 254c, 254d, 255a SGB VI).
In der Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG, weil der Kläger nicht wegen seiner Herkunft benachteiligt wird. Grund für die Ungleichbehandlung der FRG-Berechtigten ist ausschließlich ihre im Ausland zurückgelegte Versicherungsbiografie in einem anderen Sozial- und Wirtschaftssystem (zutreffend: Moser, Kompass KBS 2012, Heft 7/8, 10, 11).
Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere das Vertrauensschutzprinzip liegt nicht vor. Weder handelt es sich bei der Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz Buchstabe c) FANG um eine Regelung mit echter Rückwirkung, noch durfte der Kläger darauf vertrauen, dass der Berechnung seiner Rente immer Entgeltpunkte wie bei einem Aufenthalt in den alten Bundesländern zugrunde gelegt werden. Die Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG besteht bereits seit dem 1. Januar 1992 und damit auch bereits vor dem Rentenbeginn des Klägers. Im Erstrentenbescheid vom 30. Dezember 2002 wurde er zudem auf die besondere Rechtslage und die Minderung der Rente bei Wohnsitzverlegung in das Beitrittsgebiet hingewiesen, so dass er nicht darauf vertrauen konnte, dass die für die Dauer seines Aufenthalts in den alten Bundesländern festgelegte Rentenhöhe auch bei einem Verzug ins Beitrittsgebiet uneingeschränkt Bestand hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Dr. Schnell Dr. Lau
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Wert des Rechts des Klägers auf die von der Beklagten gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Dezember 2009, konkret darüber, ob die Beklagte die Rentenleistung des Klägers nach dessen Wohnsitzverlegung von M nach H unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (Ost) für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertete Zeiten berechnen durfte.
Der 1938 geborene Kläger lebte und arbeitete bis zu seiner Flucht am 13. Juli 1969 in der Tschechoslowakei und nahm ab 13. Juli 1969 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ein, zunächst in N (Hessen), ab 1974 in W und ab 2001 in M (Baden-Württemberg). Er ist seit Januar 1972 Inhaber eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge der Kategorie A. Mit Bescheid der Beklagten vom 25. November 1985 bewertete diese die vom Kläger im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 zurückgelegten Beitrags-, Ersatz- und Ausfallzeiten nach dem FRG.
Auf den Antrag des Klägers vom 9. Mai 1995 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 1995 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Der Berechnung lagen auch die glaubhaft gemachten Zeiten nach dem FRG vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 zugrunde. Auf den Antrag des Klägers vom 31. Januar 2001 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Januar 2001, erneut unter Zugrundelegung der nach dem FRG anerkannten Zeiten vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969. Der Rentenbescheid enthielt dabei den Hinweis, dass eine Wohnsitzverlegung vom Gebiet der alten in die neuen Bundesländer mit einer Rentenminderung verbunden sei.
Am 1. August 2007 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz von M (Baden-Württemberg) nach H (Sachsen). Die Beklagte erlangte hiervon am 17. Oktober 2007 Kenntnis.
Mit Rentenneufeststellungbescheid vom 9. Oktober 2009 stellte die Beklagte die Altersrente des Klägers für schwerbehinderte Menschen ab 1. Dezember 2009 neu fest, in dem sie für die nach dem FRG bewerteten Zeiten Entgeltpunkte (Ost) zugrunde legte, sodass sich der monatliche Zahlbetrag ab 1. Dezember 2009 von bisher 1.531,18 Euro auf 1.487,39 Euro verringerte. In Anlage 10 des Rentenbescheides führte sie aus, dass eine Aufhebung des Bescheides vom 30. Dezember 2002 für die Vergangenheit nicht in Betracht komme. Mit dem am 29. Oktober 2009 gegen den Rentenneufeststellungsbescheid vom 9. Oktober 2009 erhobenen Widerspruch, machte der Kläger geltend, der Bescheid enthalte keine Begründung, weshalb und für welchen Zeitraum eine Bewertung in Entgeltpunkte (Ost) vorgenommen worden sei. Mit Erläuterungsschreiben vom 17. Februar 2010 wies die Beklagte darauf hin, dass die Neufeststellung der Altersrente ab 1. Dezember 2009 durch den Bescheid vom 9. Oktober 2009 wegen des Verzugs des Klägers nach H ab 1. August 2007 erfolgt sei, sodass den Zeiten nach dem FRG Entgeltpunkte (Ost) zugrunde zu legen seien. Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 ergänzte der Kläger seinen Widerspruch dahingehend, dass die zugrundeliegende Vorschrift wegen Verstoßes gegen sein Recht auf Freizügigkeit verfassungswidrig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Art. 6 § 4 Abs. 6 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) regele, unter welchen Voraussetzungen für FRG-Zeiten Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln seien. Mit dem Verzug ins Beitrittsgebiet seien bei der Rentenberechnung des Klägers Entgeltpunkte (Ost) für die FRG-Zeiten zu ermitteln gewesen. Der Rentenbescheid vom 30. Dezember 2002 sei daher mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen. An die Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG sei sie gebunden.
Die hiergegen am 8. September 2010 erhobene Klage, mit der der Kläger erneut einen Verstoß gegen sein Recht auf Freizügigkeit geltend machte, hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 8. August 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG bestünden nicht. Die Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) bedeute nicht, dass die in der Tschechoslowakei zurückgelegten Zeiten, die nach den Vorschriften des FRG bewertet wurden, niedriger bewertet würden. Die Bewertung bedeute nur, dass Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) multipliziert würden. Mit diesen werde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Lebensverhältnisse in den alten Bundesländern und in den neuen Bundesländern noch nicht vollkommen angeglichen seien. Es sei nicht erkennbar, inwieweit hierdurch die Freizügigkeit des Klägers innerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt worden sei.
Gegen das am 14. August 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. September 2012 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Art. 6 § 4 Abs. 6 Buchst. c FANG als Grundlage für die von der Beklagten vorgenommene Bewertung der FRG-Zeiten mit Entgeltpunkten (Ost) statt bisher Entgeltpunkten, sei verfassungswidrig. Die Vorschrift verstoße gegen des Recht auf Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Grundrecht auf Freizügigkeit umfasse das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Zum Grundrecht auf Freizügigkeit zähle auch die interkommunale Freizügigkeit, also das Recht des Ortswechsels von einer Gemeinde zu einer anderen. Die Freizügigkeit würde leerlaufen, wenn sie nicht auch gewährleisten würde, dass die Ausübung des Grundrechts mit keinen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein dürfe. Neben der Eigentumsgewährung in Art. 14 GG umschließe Art. 11 GG auch das Recht, Eigentum und Vermögen bei Inanspruchnahme der Freizügigkeit mitnehmen zu können. Das Grundrecht auf Freizügigkeit könne auch durch eine mittelbare Maßnahme verletzt werden, wie sie bei einer anderweitigen, an sich zulässigen Wohnsitzwahl in der Aufstellung einer sozialrechtlich nachteiligen Rechtsfolge liege. Diese Rechtslage liege im Fall des Klägers vor. Sein Grundrecht auf Freizügigkeit werde insoweit eingeschränkt, als ein Wohnsitzwechsel von den Altbundesländern in das Beitrittsgebiet zu einer unwiderruflichen Verminderung seines Rentenanspruchs führe, ohne das eine für die Einschränkung dieses Grundrechts maßgebende Voraussetzung nach Art. 11 Abs. 2 GG vorliege.
Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. August 2012 und den Rentenneufeststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Schreiben vom 8. und 9. Januar 2014 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Recht mit Urteil vom 8. August 2012 abgewiesen hat. Der Rentenneufeststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil ihm kein höherer, als der von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzter und bewilligter Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen zusteht. Zutreffend hat die Beklagte mit dem angegriffenen Rentenbescheid vom 9. Oktober 2009 den Rentenbescheid vom 30. Dezember 2002 mit Wirkung für die Zukunft, nämlich ab 1. Dezember 2009, teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, weil in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Rentenbescheides vom 30. Dezember 2002 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen besteht darin, dass der Kläger am 1. August 2007 seinen Wohnsitz von M (Baden-Württemberg) nach H (Sachen) verlegt hat. Infolge dieser Wohnsitzverlegung von den alten in die neuen Bundesländer war von der Beklagten die Vorschrift des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG zu beachten, wonach bei Berechtigten nach dem FRG, die nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet in das Beitrittsgebiet verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG haben, für nach dem FRG anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte (Ost) ermittelt werden. Dies gilt nach Art. 6 § 4 Satz 1 Halbsatz 2 FANG nur, sofern am 31. Dezember 1991 Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG nicht bestand. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen im Falle des Klägers vor, da er am 31. Dezember 1991 noch keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG hatte, aufgrund der in der tschechoslowakischen Republik im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 zurückgelegten Beschäftigungszeiten Berechtigter nach dem FRG ist (§ 15 FRG) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach dem 31. Dezember 1991 vom Gebiet der alten in die neuen Bundesländer verlegt hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen bestehen nicht:
Soweit der Kläger wiederholt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit gem. Art. 11 Abs. 1 GG rügt, liegt ein solcher nicht vor. Bereits der sachliche Schutzbereich dieses Grundrechts ist durch die gesetzliche Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG nicht betroffen. Der Kläger wird durch die Vorschrift weder unmittelbar noch mittelbar gehindert, seinen Wohnsitz oder Aufenthalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes zu nehmen. Soweit der Kläger-Prozessbevollmächtigte unter Verweis auf die Kommentierung von Pagenkopf (in: Sachs, Kommentar zum GG, 4. Aufl. 2007, Art. 11, RdNr. 19) ausführt, die Freizügigkeit würde leerlaufen, wenn sie nicht auch gewährleisten würde, dass die Ausübung des Grundrechts mit keinen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein darf, weshalb, neben der Eigentumsgewährung in Art. 14 GG, Art. 11 GG auch das Recht umschließt, Eigentum und Vermögen bei Inanspruchnahme der Freizügigkeit mitnehmen zu können, trifft dies zwar zu, führt im vorliegenden Fall aber zu keiner anderen Bewertung, weil dem Kläger durch die Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG eigentums- oder vermögensrechtlich verfestigte Positionen weder aberkannt noch genommen werden.
Mit Entgeltpunkten (Ost) wurden nach der Wohnsitzverlegung lediglich die nach dem FRG berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 12. Juli 1969 bewertet. Diese rentenrechtlichen Beitrags-, Anrechnungs- und Ersatzzeiten haben jedoch zu keinem Zeitpunkt eine eigentums- oder vermögensrechtlich verfestigte Position erlangt. Entgegen seiner Auffassung hat er eine Anwartschaft auf höhere Leistungen in den alten Bundesländern nicht erworben, aus der er nach seinem Umzug nach H höhere Ansprüche nach "Westmaßstäben" unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten herleiten könnte. Er hatte hingegen – aus bundesdeutscher Sicht – durch seine Beitragsleistung (Vorleistung) im Herkunftsland eine Anwartschaft im tschechoslowakischen Rentenversicherungssystem gegen den dortigen Träger erworben. Die seinem tschechoslowakischen Versicherungsleben zu Grunde liegenden Umstände sind nach seiner Übersiedelung am 13. Juli 1969 nach dem FRG gemäß den Grundsätzen des Eingliederungsprinzips bundesrechtlich bewertet und im Versicherungsverlauf festgestellt worden (Bescheid vom 25. November 1985). Eine dem Eigentums- oder Vermögensschutz unterfallende verfassungsrechtliche Position des (sozial-)rechtlichen Eigentums hat der Kläger dadurch nicht erworben. Bei der Begründung von Rentenansprüchen im Anwendungsbereich des FRG – ohne vorausgegangene Entrichtung von Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung – handelt es sich um einen Akt besonderer staatlicher Fürsorge, auf den von Verfassungs wegen kein Anspruch besteht (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01 und 1 BvL 10/04 - JURIS-Dokument, RdNr. 77-82). Rentenanwartschaften und -ansprüche, die allein durch das Fremdrentenrecht begründet sind, unterfallen nicht dem Eigentums- und Vermögensschutz, wenn ihnen Beitrags- oder Beschäftigungszeiten zu Grunde liegen, die alleine in den Herkunftsgebieten erbracht und zurückgelegt wurden. Für die Anerkennung einer sozialversicherungsrechtlichen Rechtsposition als Eigentum ist das Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung unverzichtbar. Die in den Herkunftsgebieten erbrachten oder zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten begründen keine derartige Eigenleistung, da deren Wertschöpfung nicht innerhalb der zur Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgte und ihr auch nicht zugute kam. Insofern fehlt es am Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung in eine bundesdeutsche Rentenversicherung (vgl. dazu auch: BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 69).
Die in Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG angeordnete Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts vom Gebiet der alten in die neuen Bundesländer bedeutet auch nicht, dass die in der Tschechoslowakei zurückgelegten Versicherungszeiten des Klägers, die nach den Vorschriften des FRG anerkannt wurden, nun niedriger bewertet würden. Insbesondere greifen auch keine Besitzschutzvorschriften, wie etwa § 88 SGB VI, ein, weil sich nicht die Anzahl der angerechneten Entgeltpunkte, sondern deren Bewertung ändert (zutreffend insoweit: Moser, Kompass KBS 2012, Heft 7/8, 10, 11). Die Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) hat nämlich lediglich zur Folge, dass dadurch die Entgeltpunkte nicht unter Zugrundelegung des für die alten Bundesländer geltenden aktuellen Rentenwertes errechnet, sondern mit dem für die neuen Bundesländer jeweils geltenden aktuellen – niedrigeren – aktuellen Rentenwert (Ost) multipliziert werden. Da dieser – noch – etwas niedriger ist als der aktuelle Rentenwert, ergibt sich ein geringerer Zahlbetrag. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern noch nicht vollkommen angeglichen sind. Der Gesetzgeber hat ausweislich der amtlichen Gründe (vgl. BT-Drucks. 12/405, S. 115) zum Ausdruck gebracht, dass aus Anlass der Überleitung des Fremdrentenrechts auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1992 eine sachgerechte Fortentwicklung des Fremdrentenrechts allein darin besteht, dass es am jeweiligen Aufenthaltsort – sei es in den alten Bundesländern oder im Beitrittsgebiet – einen angemessenen Lebensstandard sichert. Die unterschiedliche – allgemeine – Leistungshöhe machte es dabei unter anderem erforderlich, den Anreiz für einen Wohnortwechsel in die alten Bundesländer zu nehmen und für Aussiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus den neuen in die alten Bundesländer oder auch aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet verlegen – so liegt es im Fall des Klägers –, keine günstigeren Regelungen zu treffen, als sie für Bundesbürger im Beitrittsgebiet gegeben sind. Denn FRG-Berechtigte können nicht erwarten, im Verhältnis zur Wohnbevölkerung in den neuen Bundesländern bessergestellt zu werden. Demzufolge hat der Gesetzgeber bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet eine Absenkung der FRG-Leistungen auf das Rentenniveau (Ost) vorgesehen.
Mit Rücksicht auf die besonders weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich des Sozialrechts liegt vorliegend auch keine unzulässige Ungleichbehandlung vor (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Das Fremdrentenrecht muss keine volle Gleichstellung mit denjenigen Personen bewirken, die ein Versicherungsverhältnis zu einem deutschen Versicherungsträger begründet haben oder hatten; ebenso ist auch keine volle Gleichstellung der nach dem FRG-Berechtigten mit Bürgern der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geboten (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01 und 1 BvL 10/04 - JURIS-Dokument, RdNr. 95-96). Deshalb begegnet die Absenkung der Leistung nach dem Umzug des Klägers in das Beitrittsgebiet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal er nicht schlechter steht als Versicherte mit Wohnsitz in den neuen Bundesländern, deren Renten bezüglich der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten mittels persönlichen Entgeltpunkten (Ost) berechnet werden (§§ 254b, 254c, 254d, 255a SGB VI).
In der Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG, weil der Kläger nicht wegen seiner Herkunft benachteiligt wird. Grund für die Ungleichbehandlung der FRG-Berechtigten ist ausschließlich ihre im Ausland zurückgelegte Versicherungsbiografie in einem anderen Sozial- und Wirtschaftssystem (zutreffend: Moser, Kompass KBS 2012, Heft 7/8, 10, 11).
Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere das Vertrauensschutzprinzip liegt nicht vor. Weder handelt es sich bei der Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz Buchstabe c) FANG um eine Regelung mit echter Rückwirkung, noch durfte der Kläger darauf vertrauen, dass der Berechnung seiner Rente immer Entgeltpunkte wie bei einem Aufenthalt in den alten Bundesländern zugrunde gelegt werden. Die Regelung des Art. 6 § 4 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe c) FANG besteht bereits seit dem 1. Januar 1992 und damit auch bereits vor dem Rentenbeginn des Klägers. Im Erstrentenbescheid vom 30. Dezember 2002 wurde er zudem auf die besondere Rechtslage und die Minderung der Rente bei Wohnsitzverlegung in das Beitrittsgebiet hingewiesen, so dass er nicht darauf vertrauen konnte, dass die für die Dauer seines Aufenthalts in den alten Bundesländern festgelegte Rentenhöhe auch bei einem Verzug ins Beitrittsgebiet uneingeschränkt Bestand hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Dr. Schnell Dr. Lau
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