L 5 R 779/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 R 1131/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 779/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Rücknahme und Neufeststellung eines gewährten Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI
Die im Rahmen von Rentenanpassungsmitteilungen ergangenen Abschmelzentscheidungen sind Regelungen im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. Im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X kann es dahinstehen, ob sie mangels vorheriger Anhörung (formell) rechtswidrig waren, weil es jedenfalls an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte (Abschmelzentscheidung) und der Nichtgewährung der begehrten Sozialleistung (Auffüllbetrag) fehlt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. September 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Altersrente (Rücknahme und Neufestsetzung des ursprünglich gewährten Auffüllbetrages nach § 315a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) der am 22. November 2004 verstorbenen Versicherten G H (nachfolgend: Versicherte).

Die Landesversicherungsanstalt S als Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilte der Versicherten am 28. November 1991 einen Bescheid über die Umwertung und Anpassung ihrer (Alters-)Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts. Nach der anliegenden Berechnung ergab sich ein Monatsbetrag von 283,88 DM, der um den Auffüllbetrag in Höhe von 320,83 DM erhöht wurde, weil die für Dezember 1991 errechnete Rente den für diesen Monat ausgezahlten Betrag nicht erreichte. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1992 wurde ein Rentenbetrag von 637,79 EUR geleistet, bestehend aus einer monatlichen Rente von 316,96 DM und einem Auffüllbetrag von 320,83 DM. Auf Blatt 2 des Bescheides wird darauf hingewiesen, dass der Auffüllbetrag ab dem 1. Januar 1996 bei den Rentenanpassungen vermindert wird (Bl. 96 ff GA).

Am 22. November 2004 verstarb die Versicherte. Der Kläger war gemeinsam mit Herrn W H Miterbe der Versicherten und vom Amtsgericht M als dessen Betreuer bestellt (Bl. 18 VA). Er ist zudem Erbe des am 3. Juni 2011 verstorbenen W H. Am 18. April 2006 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Kläger im eigenen Namen sowie als Vertreter (Betreuer) des Miterben W H u.a. die Neufeststellung der Altersrente der Versicherten (Bl. 14 VA). Er gehe davon aus, dass die Rentenberechnung nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Juli 2005 (B 13 RJ 17/04 R) berücksichtige. Die Beklagte wertete den Antrag als Überprüfungsantrag hinsichtlich des der Versicherten am 28. November 1991 erteilten Umwertungsbescheides und lehnte diesen mit Bescheid vom 10. April 2008 ab. Im Widerspruchsverfahren hat die Beklagte die Altersrente mit (Teilabhilfe-)Bescheid vom 27. November 2008 "entsprechend dem Urteil des 13. Senats des BSG vom 20.07.2005 (Az: B 13 RJ 17/04 R) zur Höhe des Auffüllbetrages" ab dem 1. Juli 2000 neu festgestellt, woraus sich für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 30. November 2004 eine Nachzahlung von 169,94 EUR ergab (Bl. 57 VA). In der Begründung wird ausgeführt, dass der Auffüllbetrag korrigiert wurde. Die Abschmelzung des Auffüllbetrages zum 1. Juli 2000 werde ausschließlich im Umfang der eigentlichen Rentenanpassung und nicht zusätzlich im Umfang des Erhöhungsbetrages für Kindererziehungszeiten vorgenommen. Aufgrund der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X könne die Nachzahlung frühestens ab dem 1. Januar 2002 erfolgen.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 (Eingang bei der Beklagten). Die der Rente zugrunde gelegten Zeiten bzw. die mit der Umwertung ermittelten Entgeltpunkte würden nicht weiter angegriffen. Die Neufeststellung sei jedoch insoweit nicht nachvollziehbar, als damit eine Rücknahme der Abschmelzentscheidungen des Auffüllbetrages für Bezugszeiträume ab dem 1. Juli 2000 und Neufeststellung ab dem 1. Januar 2002 ausgesprochen würden. Nach § 44 SGB X bestehe zwar eine Beschränkung der Auszahlung auf einen Zeitraum von vier Jahren, gleichwohl bedürfe die Neufestsetzung nach Aufhebung der vorherigen Abschmelzentscheidungen des Auffüllbetrages einer Bekanntgabe nach § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Werde unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 20. Juli 2005 die Aufhebung der bisherigen Abschmelzentscheidungen für die Bezugszeiträume ab 1. Juli 2000 ausgesprochen, verbleibe es bei der zuvor ausgesprochenen Festsetzung. Dieses Schreiben wurde von der Beklagten als Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. November 2008 ausgelegt und mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 zurückgewiesen (Bl. 75 VA). Die zum 1. Juli 2000 vorgenommene Abschmelzung des Auffüllbetrages sei entsprechend der BSG-Rechtsprechung im Bescheid vom 27. November 2008 korrigiert worden, indem die Abschmelzung nunmehr ohne den sich zum 1. Juli 2000 ergebenden Erhöhungsbetrag nach § 307 d SGB VI vorgenommen wurde. Im Zuge der weiteren Rentenanpassung sei der Auffüllbetrag jedoch in Anwendung des § 315a Satz 5 SGB VI abzuschmelzen. Die in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X normierte Einschränkung auf vier Jahre stelle eine gesetzliche Ausschlussfrist dar, weshalb ausgehend von einem Antrag am 18. April 2006 eine Nachzahlung frühestens vom 1. Januar 2002 an möglich gewesen sei. Die Berechnung der Auffüllbeträge und die daraus resultierende Rentenanpassung seien somit entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.

Mit seiner am 15. Juni 2009 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Die Auszahlungsbeschränkung des § 44 Abs. 4 SGB X hinsichtlich des neu berechneten Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI für die Zeiträume ab Januar 2002 werde nicht angegriffen, sondern die "bescheidmäßige Ausführung der Neuberechnung". Mit Bescheid vom 28. November 1991 habe die LVA S der Versicherten einen Auffüllbetrag nach § 315a SGB VI von 320,83 DM (=164,04 EUR) verbindlich zuerkannt. Der Kläger ist der Ansicht, nach der Rechtsprechung des BSG bedürfe der Eingriff in den bindend festgestellten Wert des Rechts auf einen Auffüllbetrag zweier Verwaltungsakte, nämlich einer Aufhebung der bisherigen Wertfestsetzung nach § 48 Abs. 1 SGB X und einer Neufeststellung des Wertes. Die Beklagte habe in keinem Fall gegenüber der Versicherten eine Aufhebung des bindend mit Bescheid vom 28. November 1991 gewährten Auffüllbetrages von 320,83 DM und dessen niedrigere Neufestsetzung erklärt. Eine Neufestsetzung in einer bestimmten Höhe sei auch mit Bescheid vom 27. November 2008 nicht erfolgt. Keiner der Verfügungssätze könne dahin ausgelegt werden. Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 erstmals eine Neufestsetzung des Auffüllbetrages ab dem 1. Juli 2000 in Höhe von 224,44 DM verlautbare, sei die Widerspruchsstelle unzuständig. Ein solcher Verwaltungsakt sei durch die Ausgangsbehörde zu erlassen und bekannt zu geben. Daher sei die Beklagte verpflichtet, die Differenzbeträge nebst Verzinsung an den Sonderrechtsnachfolger der Versicherten zur Auszahlung zu bringen. Mit der "Korrektur" des Auffüllbetrages (zum 1. Juli 2000) im Bescheid vom 27. November 2008 habe sie sämtliche bisherige Abschmelzungsentscheidungen aufgehoben und ausschließlich eine Neufestsetzung des Auffüllbetrages zum 1. Januar 2002 in Höhe von 110,45 EUR vorgenommen. Damit liege die zuletzt gegenüber der Versicherten wirksame Bestimmung in der Neufeststellung des Auffüllbetrages auf 231,88 DM (118,56 EUR) zum 1. Juli 1999. Eine Aufhebung der bisherigen Wertfestsetzung und Neufeststellung für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 in Form eines Verwaltungsaktes sei nicht erfolgt. Der Kläger hat Mehrfertigungen der Rentenanpassungsmitteilungen seit 1. Januar 1996 zur Akte gereicht.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. September 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und zusätzlich ausgeführt, Rentenanpassungsmitteilungen, die den Rentenbeziehern durch Vermittlung des Rentendienstes der Deutschen Post übermittelt werden, seien Verwaltungsakte im Sinne von § 31 SGB X.

Gegen das am 26. Oktober 2912 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. November 2012 Berufung eingelegt. Einziger Klagegegenstand sei die Höhe des Anspruchs auf den Auffüllbetrag nach § 315a SGB VI, der im Bescheid vom 28. November 1991 in Höhe von 320,83 EUR festgesetzt und zu keiner Zeit rechtlich wirksam aufgehoben worden sei. Weil es sich um einen gesonderten Anspruch neben dem Rentenanspruch handele, sei hierüber auch durch gesonderten Verwaltungsakt zu entscheiden. Es hätte gesonderter Aufhebungs- und Neufestsetzungsentscheidungen bedurft, um eine Verminderung des mit Bescheid vom 28. November 1991 bindend auf 320,83 DM festgesetzten Auffüllbetrages vornehmen zu können. Solche enthielten weder die Rentenanpassungsmitteilungen noch der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008. Der Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 sei – selbst wenn in ihm ein solcher Bescheid erblickt werden könne – von der unzuständigen Behörde erlassen worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst), das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. September 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 10. April 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. November 2008, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009, zu verpflichten, dem Kläger eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung des mit Bescheid vom 28. November 1991 gewährten Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI aus der Versicherung der am 22. November 2004 verstorbenen G H zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit der Kläger der Auffassung sei, der Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 sei hinsichtlich der Höhe des zum 1. Januar 1992 ermittelten Auffüllbetrages fortführend verbindlich, weil keine Aufhebung des Bescheides im Sinne einer Korrekturvorschrift des SGB X durch die Beklagte vorgenommen worden sei, sei diese Auffassung falsch. Der in diesem Bescheid festgestellte Auffüllbetrag sei per gesetzlicher Regelung vom 1. Januar 1996 an um ein Fünftel, mindestens aber um 20,00 DM, vermindert, wobei der bisherige Zahlbetrag der Rente nicht unterschritten werden durfte. Ein danach noch verbliebener Auffüllbetrag sei bei den folgenden Rentenanpassungen im Umfang der Anpassung abzuschmelzen gewesen, wobei der Abschmelzbetrag aufgrund des BSG-Urteils vom 20. Juli 2005 zum 1. Juli 2000 zu korrigieren war. Eine entsprechende Neuberechnung der Rente sei aufgrund des Antrages vom 18. April 2006 mit Bescheid vom 27. November 2008 erfolgt. Für Überprüfungsanträge im Jahr 2006 ergebe sich als Nachzahlungsbeginn der 1. Januar 2002. Einer ausdrücklichen Aufhebung des Bescheides vom 28. November 1991 hinsichtlich des ursprünglich gewährten Auffüllbetrages habe es nicht bedurft.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, woraus zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Die Beteiligten wurden zur Entscheidung durch Urteilsbeschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil es die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten vorher gehört wurden, § 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG.

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. April 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. November 2008, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren – über den mit Bescheid vom 27. November 2008, der auf seinen Überprüfungsantrag vom 18. April 2006 hin ergangen ist, gewährten Nachzahlungsbetrag hinausgehende – Altersrente aus der Versicherung der verstorbenen Versicherten G H , weil die Voraussetzungen von § 44 SGB X (über den gewährten Umfang hinaus) nicht vorliegen.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Die seitens der Beklagten im Zeitraum 1. Januar 1996 bis 22. November 2004 (Tod der Versicherten) im Rahmen der Rentenanpassungsmitteilungen ergangenen Abschmelzentscheidungen sind unanfechtbar geworden (dazu 1.). Dahinstehen kann, ob diese (formell) rechtswidrig waren (dazu 2.), weil es in diesem Fall an dem nach § 44 Abs. 1 SGB X erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte (Abschmelzentscheidungen) und der Nichtgewährung der begehrten Sozialleistung (Auffüllbetrag) fehlen würde (dazu 3.).

1. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde der im Bescheid vom 28. November 1991 gegenüber der Versicherten auf 320,83 DM festgesetzte Auffüllbetrag im Sinne des § 315a SGB VI ab dem 1. Januar 1996 durch die entsprechenden Rentenanpassungsmitteilungen der Beklagten zum 1. Januar und 1. Juli 1996 und danach zum 1. Juli eines jeden Jahres bis zum Tod der Versicherten im November 2004, mithin zuletzt zum 1. Juli 2004, auf der Grundlage von § 315a Sätze 4 und 5 SGB VI abgeschmolzen.

Eine Verminderung des Anspruchs unmittelbar kraft Gesetzes dürfte hingegen nicht in Betracht kommen. § 315a Sätze 4 und 5 SGB VI bestimmen hierzu, dass der "Auffüllbetrag ... vom 1. Januar 1996 an bei jeder Rentenanpassung um ein Fünftel des Auffüllbetrags, mindestens aber um 20 Deutsche Mark vermindert [wird]; durch die Verminderung darf der bisherige Zahlbetrag der Rente nicht unterschritten werden. Ein danach noch verbleibender Auffüllbetrag wird bei den folgenden Rentenanpassungen im Umfang dieser Rentenanpassungen abgeschmolzen." Schon allein aufgrund der danach notwendigen (individuellen) Berechnung bedarf es der Umsetzung der Abschmelzung durch die Beklagte, wobei § 315a Sätze 4 und 5 SGB VI die entsprechende Rechtsgrundlage darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 – B 13 RJ 17/04 R – juris Rn. 20).

Auf Grundlage dieser Vorschrift hat die Beklagte den mit Bescheid vom 28. November 1991 festgesetzten Auffüllbetrag zu den gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkten in den (der Versicherten zugegangenen) Rentenanpassungsmitteilungen abgeschmolzen. Bei den darin enthaltenen Regelungen zur Abschmelzung des Auffüllbetrages handelt es sich um solche im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X.

Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich jedoch nur auf den Verwaltungsakt als Regelung, also auf dessen Verfügungssatz, nicht hingegen auf seine Gründe (BSG, Urteil vom 6. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 –, juris Rn. 38). Die von der Beklagten getroffenen Abschmelzentscheidungen sind hinreichend bestimmt. Aus den jeweiligen Rentenanpassungsmitteilungen, in denen die Höhe des alten und neuen Abschmelzbetrages angegeben wurde, war für die Versicherte vollständig, klar und unzweideutig erkennbar, dass der Auffüllbetrag abgeschmolzen wird und in welcher Höhe dies geschieht. Eine Aufhebung früherer Bescheide musste dabei nicht ausdrücklich erklärt werden. Dies kann – wie hier geschehen – vielmehr durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Es genügt, wenn aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Verwaltungsaktes für einen verständigen, objektiven Erklärungsempfänger klar erkennbar zum Ausdruck kommt, dass die nach dem bisherigen Verwaltungsakt bewilligte Leistung nicht mehr zusteht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 42/99 R – juris Rn. 15; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. September 2013 – L 1 R 337/11 –, juris Rn. 24). Dies ist der Fall. Denn für einen verständigen und objektiven Erklärungsempfänger kommt in den Rentenanpassungsmitteilungen - ebenso wie für die Versicherte - klar erkennbar zum Ausdruck, dass der bislang festgesetzte Abschmelzbetrag nicht mehr gilt.

Zwar lässt es das BSG in den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen (Urteile vom 16. November 2000 – B 4 RA 68/99 R – juris Rn. 34 und vom 20. Juli 2005 – B 13 RJ 17/04 R – juris Rn. 19) dahinstehen, ob die jeweiligen, die Abschmelzung des Auffüllbetrages zum Gegenstand habenden, Rentenanpassungsmitteilungen Verwaltungsakte im Sinne von § 31 SGB X sind. Jedoch hat das BSG in seiner Rechtsprechung bereits anerkannt, dass die wertmäßige Neubestimmung des dem Adressaten zuerkannten rechtlichen Vorteils im Rahmen einer Rentenanpassungsmitteilung die Abänderung eines subjektiven Rechts zum Gegenstand hat und demgemäß rechtlich grundsätzlich und faktisch in aller Regel als Verwaltungsakt anzusehen ist (BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 41/98 R – juris Rn. 26 unter Verweis auf: BSGE 15, 96, 101; Urteile des Senats in SozR 3-2600 § 311 Nr. 2; SozR 3-2600 § 63 Nr. 1; BSGE 75, 262; BSGE 65, 8; Urteil des 8. Senats in SozR 3-2200 § 1278 Nr. 2 S 3 mwN; Urteil des 9. Senats in SozR 1300 § 48 Nr. 49 S 139; Urteil des 9a-Senats vom 2. März 1983 - 9a RV 32/82 - VersorgungsB 1983, 81, 119). Danach sind Rentenanpassungsmitteilungen, mit denen die laufenden Geldleistungen an Steigerungsfaktoren u.ä. angepasst werden, Verwaltungsakte (so auch Engelmann in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Auflage 2014, § 31 Rn. 85).

Für die Qualifizierung gerade der Abschmelzung des Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI in den Rentenanpassungsmitteilungen als Verwaltungsakt spricht zudem die Gesetzgebungsgeschichte des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI vom 11. August 1995 (BT-Drs. 496/95). Denn der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah die Anfügung folgender Sätze an § 315a SGB VI vor: "Über die Verminderung ist in den Mitteilungen über die Rentenanpassung zu informieren; ein besonderer Bescheid ist nicht erforderlich." (BT-Drs. 496/95 S. 19). Hiermit sollte klar gestellt werden, dass es einer besonderen Bescheiderteilung durch die Rentenversicherungsträger über die Verminderung der Auffüllbeträge anlässlich der Rentenanpassung nicht bedarf. Im Rechtsausschuss wurde der Änderungsvorschlag mit der Begründung, sie sei entbehrlich, gestrichen. Denn die Mitteilungen (des Postrentendienstes) über die Rentenanpassung und die damit einhergehende Abschmelzung der genannten Zusatzleistungen stellten nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. z. B. Urteil des BSG vom 8. April 1992 zur Abschmelzung des Auffüllbetrages anlässlich der Einführung des Eigenanteils der Rentner am Krankenversicherungsbeitrag, veröffentlicht in SozR 3 - 2200 § 1278 RVO Nr. 2 und zuletzt auch das Urteil des BSG vom 24. Januar 1995, 8 RKn 11/93) Verwaltungsakte dar, gegen die Widerspruch eingelegt und damit der Rechtsweg eröffnet werden könne (BT-Drs. 13/3150 S. 45). Tatsächlich hat das BSG in der Entscheidung vom 24. Januar 1995 (8 RKn 11/93, juris Rn. 14) sowie im dort in Bezug genommenen Urteil vom 8. April 1992 (8 RKn 5/91, juris Rn. 12) ausgeführt, dass es sich bei Rentenanpassungsmitteilungen um Verwaltungsakte handelt. Dasselbe hat es für Rentenanpassungsmitteilungen in der Kriegsopferfürsorge entschieden (Urteil vom 2. März 1983 – 9a RV 32/82 – juris 2. Orientierungssatz).

2. Es kann dahinstehen, ob die bis Juli 2004 in den Rentenanpassungsmitteilungen vorgenommenen Abschmelzungen des Auffüllbetrages wegen fehlender Anhörung im Sinne von § 24 SGB X formell rechtswidrig sind.

Das Bundessozialgericht hat in dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil vom 16. November 2000 (B 4 RA 68/99 R) den dort angefochtenen Verwaltungsakt, soweit durch ihn der Wert des Rechts auf den Auffüllbetrag gemindert wurde, als rechtswidrige erachtet, weil die Klägerin vor der Aufhebung der bisherigen Wertfestsetzung unter Anwendung von § 48 Abs. 1 SGB X nicht unter angemessener Frist zur Stellungnahme nach § 24 SGB X gehört wurde (BSG, Urteil vom 16. November 2000 - B 4 RA 68/99 R – juris Rn. 25). Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung auf den hier zugrunde liegenden Fall übertragbar ist (Gegenstand des Verfahrens war – wie auch des dem Urteil des BSG vom 20. Juli 2005 [B 13 RJ 17/04 R] zugrunde liegenden Verfahrens und anders als im hiesigen Verfahren – die Abschmelzung des Auffüllbetrages im Hinblick auf eine Rentenerhöhung aufgrund der Neubewertung von Kindererziehungszeiten nach § 307d SGB VI, die das BSG später im Urteil vom 20. Juli 2005 für rechtswidrig hielt). Jedenfalls sind die in Rede stehenden Verwaltungsakte bestandskräftig geworden, weshalb der Kläger ihre etwaige formelle Rechtswidrigkeit nicht mehr geltend machen kann. Denn als Verwaltungsakte waren die jeweiligen Neubestimmungen des Rentenwerts in den Rentenanpassungsmitteilungen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG – innerhalb der Frist des § 84 Abs. 1 SGG bzw. § 66 Abs. 2 SGG – angreifbar (BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 41/98 R – juris Rn. 26). Da die Versicherte keine der in Rede stehenden Rentenanpassungsmitteilungen angefochten hat, sind sie nach § 77 SGG bindend geworden. Auch der Kläger als Rechtsnachfolger hat diese nicht fristgerecht angefochten. Denn auch bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung war die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG am 18. April 2006 (Tag des Eingangs des Überprüfungsantrages des Klägers) auch hinsichtlich der letzten Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2004 längst abgelaufen.

Das Fehlen einer Anhörung stellt auch kein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 40 SGB X dar. Zwar wird eine fehlende Anhörung weder im Positivkatalog des § 40 Abs. 2 SGB X noch im Negativkatalog des Absatzes 3 der Vorschrift genannt. Dass eine unterbliebene Anhörung kein Nichtigkeitsgrund ist, folgt jedoch aus der Regelung des § 42 SGB X. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies gilt nach Satz 2 nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Dieser Regelung bedürfte es nicht, wenn die fehlende Anhörung ein Nichtigkeitsgrund wäre. Indessen macht sie einen Verwaltungsakt lediglich anfechtbar.

3. Auch der Überprüfungsantrag des Klägers vermittelt keinen Anspruch auf Aufhebung der von der Beklagten erlassenen Abschmelzentscheidungen, weil sie nicht im Widerspruch zum materiellen Recht ergangen sind und eine etwaige formelle Rechtswidrigkeit daher nicht ursächlich für die Versagung einer höheren Rente war.

Die zum 1. Januar und zum 1. Juli 1996 sowie zum 1. Juli der Jahre 1997 bis 2004 erfolgten Abschmelzungen des Auffüllbetrages waren materiell rechtmäßig, weil sie der gesetzlichen Regelung in § 315a S. 4 und 5 SGB VI entsprachen, was auch der Kläger nicht in Frage stellt. Die Höhe des Abschmelzbetrages hat er ausdrücklich vom Streitgegenstand ausgenommen. Die vormals rechtswidrige Abschmelzung des aufgrund der Anrechnung von Kindererziehungszeiten erhöhten Wertes auf Altersrente hat die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2008 rückwirkend korrigiert. Diese Korrektur war rechtmäßig und ist - auch laut Ausführung des Klägers - nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens.

Da danach kein materieller Anspruch der Versicherten – und damit des Klägers als deren Rechtsnachfolger – auf Zahlung einer Rente unter Nichtberücksichtigung der Abschmelzung des Auffüllbetrages bestand, die Abschmelzung im Gegenteil gesetzlich vorgeschrieben war, fehlt es an dem nach § 44 Abs. 1 SGB X erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen den (möglicherweise) rechtswidrigen Verwaltungsakten und der Nichtgewährung einer höheren Rente.

Nach dieser Vorschrift kommt es allein darauf an, ob die vorenthaltenen Sozialleistungen materiell zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Reine Formverstöße sind hingegen unbeachtlich. Insbesondere eine unterbliebene Anhörung ist im Rahmen eines Rücknahmeanspruchs nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht zu prüfen (vgl. hierzu ausdrücklich BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 KG 2/07 R –, juris Rn. 13 unter Verweis auf: BSG SozR 1300 § 44 Nr. 38 S 108 und BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 S. 45).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Lübke Dr. Lau
Rechtskraft
Aus
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