Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 EG 1/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 EG 7/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erziehungsgeldrecht; Berücksichtigung auch der gem. § 3 Nr. 11 EStG steuerfreien Leistungen bei der Berechnung des "Bemessungsentgelts", Maßgeblichkeit des Steuerbescheides bei selbstst. Tätigen ?
Ein unanfechtbar gewordenen Einkommensteuerbescheid, der gegen materielles Steuerrecht verstößt, ist dennoch der Elterngeldbemessung zu Grunde zu legen, soweit ihm Tatbestandswirkung zukommt.
Ein unanfechtbar gewordenen Einkommensteuerbescheid, der gegen materielles Steuerrecht verstößt, ist dennoch der Elterngeldbemessung zu Grunde zu legen, soweit ihm Tatbestandswirkung zukommt.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. April 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) für ihr am 2007 geborenes Kind M Elterngeld nach dem Bundeselterngeld - und Elternzeitgesetz (BEEG) Elterngeld i.H.v. 610,00 EUR anstelle von 300,00 EUR zu zahlen ist.
Seit 2004 ist die Klägerin als Tagesmutter im Umfang von 40 Wochenstunden tätig. Hierfür erhielt sie als Ersatz des Aufwandes für die Betreuung und Pflege der Kinder monatliche Zahlungen der Stadt M auf der Grundlage der zwischen der Klägerin, den Eltern der zu betreuenden Kinder und der Stadt M geschlossenen Vereinbarungen über die Finanzierung eines Tagepflegeplatzes. Diese Tätigkeit übte die Klägerin sowohl im Jahre 2006 als auch in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes M aus. Im Zeitraum vom 01.04. – 30.06.2006 betreute die Klägerin 5 Kinder, im Zeitraum vom 01.07. – 30.09.2006 ebenfalls und im Zeitraum vom Oktober bis Dezember 2006 maximal 5 Kinder. Im Zeitraum Januar bis April 2007 betreute sie 4 – 5 Kinder für 6 und 9 Stunden. Im Mai 2007 betreute sie 3 Kinder für 9 Stunden und ein Kind für 6 Stunden. Nach den vorliegenden Vereinbarungen über die Finanzierung eines Tagespflegesatzes wurden bei einem Umfang der Betreuung von 4,5 Stunden Elternbeiträge i.H.v. 48,57 EUR und ein Anteil der Stadt M i.H.v. 181,00 EUR gezahlt. Beim Umfang bis 6 Stunden erhöhten sich der Elternbeitrag auf 64,87 EUR und der Anteil der Stadt auf 242,40 EUR. Bei einer Betreuungsleistung bis zu 9 Stunden erhöhte sich der Elternbeitrag auf 96,82 EUR und der Anteil der Stadt auf 360,00 EUR. Ab Juli 2006 war ein Elternbeitrag bei gleicher Betreuungsleistung i.H.v. 161,37 EUR und ein Anteil der Stadt von 363,60 EUR zu zahlen. Die Elternbeiträge differierten je nach Anzahl der Kinder, die die gleiche Familie zur Betreuung gab.
Am 11.07.2007 beantragte die Klägerin bei dem Amt für Familie und Soziales L die Bewilligung von Elterngeld für ihr oben genanntes Kind für den Zeitraum vom 27.06.2007 bis 26.06.2008. Im Zeitraum vom 01.05.2004 bis 31.05.2007 war die Klägerin selbständig tätig. Mutterschaftsgeld bezog sie nicht. Die Klägerin ist ebenfalls Mutter der am 1999, am 2000 und 2003 geborenen Kinder S , J und F. Mit Schreiben vom 06.08.2007 teilte die Klägerin mit, sie begehre für die ersten bis zwölften Lebensmonate Elterngeld. Als selbständige Tagesmutter unterliege sie nicht der Einkommensteuerpflicht. Ein Steuerbescheid liege daher nicht vor.
Mit Bescheid vom 15.08.2007 bewilligte das Amt für Familie und Soziales L der Klägerin für die Zeit vom 27.06.2007 bis 26.06.2008 Elterngeld i.H.v. je 300,00 EUR. Da sie kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt habe, habe sie Anspruch auf das Mindestelterngeld i.H.v. 300,00 EUR. Die Einnahmen aus der Tätigkeit als Tagesmutter stellten Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG) dar.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.09.2007 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Zahlung von Einkommenssteuer stelle keine Voraussetzung für das Elterngeld dar. Auch Einkünfte, die überhaupt keiner staatlichen Besteuerung unterlägen, seien zu berücksichtigten, wenn sie den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 4 EStG erfassten Einkünften inhaltlich entsprächen, also Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift seien. Punkt 2.1.4 der Richtlinien zum Bundeselterngeldgesetz führe die Einnahmen auf, die nicht als Einkommen anerkannt würden. Aufwandsentschädigungen seien dort nicht angegeben. Sie sei als Tagesmutter selbständig. Da sich ihre Einkünfte aus Aufwandentschädigung ergäben, seien diese wiederum steuerfrei, § 3 Abs. 12 EStG. Ohne diese Aufwandsentschädigungen könne eine Betreuung von Kindern in dieser Form gar nicht angeboten werden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales den Widerspruch zurück. Die Anknüpfung des Einkommens nach dem BEEG an die Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 EStG durch § 2 Abs. 1 BEEG bewirke zugleich, dass steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG, wie etwa die der Klägerin aus öffentlicher Hand zugeflossenen Geldleistungen für die Tagespflege von Kindern im Sinne von § 3 Nr. 11 EStG bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen seien. Aus den Richtlinien zum BEEG lasse sich eine Berücksichtigung der Geldleistungen nicht ableiten. Es handle sich bei den §§ 3 ff. EStG erfassten steuerfreien Einnahmen gerade nicht um inhaltlich entsprechend in § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 4 EStG erfasste Einkünfte, die nach ausländischen Steuerrecht zu versteuern sein oder keiner staatlichen Besteuerung unterlägen (als letzteres käme z.B. Bezüge von Bedienstenten der Europäischen Union in Betracht). Auch der Verweis darauf, dass in den Richtlinien zum BEEG auch Aufwandsentschädigungen nicht genannt seien, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der von der Klägerin beispielhaft geltend gemacht Anstrich unter Punkt 2.1.4 der Richtlinien weise die dort genannte Aufzählung als beispielhaft aus. Es werde hier klargestellt, dass steuerfreie Einnahmen nicht als Einkommen berücksichtigt würden, ohne das es auf die Frage ankomme, ob sie sonst als Einkommen als Erwerbstätigkeit anzusehen wären und dass dies alle in §§ 3 – 3c EStG genannten Einnahmen betreffe. Daher sei das Mindestelterngeld i.H.v. 300,00 EUR zu gewähren gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.01.2008 Klage beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, Anspruch auf Elterngeld i.H.v. 773,60 EUR zu haben. Trotz der Steuerfreiheit der bezogenen Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 12 EStG handele es sich dabei um Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG. § 3 EStG sei wie jede andere Befreiungsvorschrift auf der Ebene des Regelungsbereichs des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (Ermittlung der Einkünfte) anzusiedeln. § 3 EStG setze gedanklich voraus, dass die zu befreienden Einnahmen unter einen der 7 Einkunftsarten des § 2 EStG fielen. Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.2007 (GZ IV C 3-S 2342/07/0001), das Geldleistungen nach § 23 SGB Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) als steuerbare Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG qualifiziere, die allerdings ab 01.01.2009 nicht mehr unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11 und 26 EStG zu subsumieren seien, bestätige dies. Hätte der Gesetzgeber aus den Einkünften der Einkunftsarten Nr. 1 – 4, die nach § 3 EStG steuerfreien Einnahmen dem Grunde und der Höhe nach ausschalten wollen, so hätte er begrifflich das Einkommen i.S.d. § 2 Satz 2 EStG zum Inhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG bestimmt. Mithin stellten Geldleistungen nach § 23 SGB VIII Einnahmen dar, die im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG zuflössen und damit seien diese als Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG zu qualifizieren. Die Geldleistungen nach § 23 SGB VIII seien als Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zwar steuerbar, aber nach §§ 3 und 26 EStG bis zum 31.12.2008 steuerbefreit. Insofern knüpfe an diese Geldleistung keine Steuerpflicht. Auch seien aufgrund dieser Tätigkeit keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung geleistet worden, da nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die steuerfreien Aufwandsentschädigungen nicht die Voraussetzungen für die Annahme von Arbeitsentgelt erfüllten. Allerdings erführen die Geldleistungen nach § 23 SGB VIII eine pauschale Kürzung gem. § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG, da in Ermanglung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eine Betriebsausgabenpauschale i.H.v. 20 v. H. der Einnahmen in Abzug zu bringen seien. Mithin seien die nachgewiesenen Einkünfte in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes M i.H.v. 17.319,25 EUR um 3.463,85 EUR auf 13.855,40 EUR zu kürzen. Da Elterngeld gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG i.H.v. 67 v. H. der um die pauschalierten Betriebsausgaben gekürzten Einnahmen zu zahlen sei, ergäbe sich ein monatlicher Anspruch auf Zahlung von Elterngeld i.H.v. 773,60 EUR.
In Hinblick auf das beim Bundessozialgericht unter dem Az.: B 10 EG 9/08 R anhängig gewesene Revisionsverfahren war das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden (Beschluss vom 16.06.2009). Nach Fortführen des Verfahrens führte die Klägerin aus, die vorgenannte Entscheidung des BSG lasse sich nicht auf die Berücksichtigung ihrer steuerbefreiten Einnahmen bei der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld übertragen. Für eine teleologische Reduktion in der Auslegung von steuerrechtlichen Normen sei wegen des leistungsgewährenden Charakters des BEEG im Hinblick auf die Frage der Berücksichtigung von steuerbefreiten Einnahmen beim Einkommen aus Erwerbstätigkeit kein Grund zu sehen. Der materiell-rechtliche Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG nach dem Veranlagungszeitraum 2008 beruhe nicht auf einer Änderung der gesetzlichen Regelung, sondern lediglich auf einer geänderten Handhabung durch die Finanzbehörden. Mit dem geänderten materiell rechtlichen Vollzug ab dem 01.01.2009 sei die Finanzverwaltung mit Blick auf § 121 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) gehalten, den abweichenden Vollzug mit einer Begründung zu versehen, soweit die Verhältnisse Steuerpflichtiger nach den Veranlagungszeiträumen 2008 davon betroffen seien. Dabei reiche es nicht aus, den Steuerpflichtigen auf ein im Bundessteuerblatt Teil I veröffentliches BMF-Schreiben für die nachgeordneten Finanzbehörden hinzuweisen, da dies weder gegenüber dem Steuerpflichtigen noch den Gerichten Recht zu setzen vermöge. Vielmehr sei die Finanzverwaltung gehalten, wie nunmehr in der vom SG zitierten Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main geschehen, die hinter dem oben genannten BMF-Schreiben stehenden materiell rechtlichen Beweggründe für die Kehrtwende zu verlautbaren, was mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ((BFH), Urteil vom 23.09.1998, Bundessteuerblatt 1999 II, Seite 133) erfolgt sei. Seit 1998 habe eine Divergenz zwischen BFH und BMF hinsichtlich des materiell-rechtlichen Vollzuges des § 3 Nr. 11 EStG bestanden. Die Finanzverwaltung habe einerseits an den BMF-Schreiben vom 20.01.1984, 01.08.1988 und 07.02.1990 bis in das Jahr 2007 festgehalten, andererseits jedoch sich die Rechtsprechung des BFH vom 23.09.1998 mit Veröffentlichung im Bundessteuerblatt 1999 II, Seite 133 zu Eigen gemacht. Zuletzt habe das BMF sein Festhalten am bisherigen materiell-rechtlichen Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG damit begründet, dass den sogenannten Tagesmüttern die bisherige rechtlich problematische Steuerbefreiung noch für 2008 zu gewähren sei, um Bund, Ländern und Kommunen die Möglichkeit zur Prüfung für attraktive, aber steuer- und sozialversicherungsrechtlich systematische Rahmenbedingungen zu eröffnen. Soweit der vor dem Veranlagungszeitraum 2009 nicht mit der tatsächlichen Rechtslage konforme materiell-rechtliche Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG durch die Finanzbehörden zu einer Beschwer mit außersteuerrechtlich benachteiligender Rechtswirkung führe, rücke der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den Fokus. Soweit die nach § 23 Abs. 2 SGB VIII gewährten Geldleistungen an die Klägerin im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht worden seien, seien die steuerpflichtigen Einnahmen bei der streitgegenständlichen Elterngeldberechnung einzubeziehen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Einnahme in einem nicht gesetzeskonformen Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG durch die Finanzverwaltung zuvor in den Besteuerungsgrundlagen des steuerpflichtigen unberücksichtigt geblieben seien. In der Entscheidung vom 25.06.2009 – B 10 EG 9/08 R – habe das BSG die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale in § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH ausgelegt. Der 10. Senat lege die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale grammatikalisch aus und komme allein wegen der Wortwahl "Summe der Einkünfte " zu dem Schluss, § 2 Abs. 1 Nr. 2 BEEG verweise nicht nur auf die dort genannten Einkunftsarten, sondern auch auf die nach steuerrechtlichen Bedingungen ermittelten Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 BEEG (Juris Rdnr. 20). Wohl in dem Unbehagen, dass die einkommensteuerrechtliche Einkunftsermittlungstechnik nicht allein tragende Säule für das Ausscheiden der steuerfreien Einnahmen gemäß § 3 EStG bei der streitgegenständlichen Berechnung des Elterngeldes sein könne, bediene sich der 10. Senat eines Hilfsmittels im Rahmen der logischen Interpretation und greife unter Anwendung der genetischen Methode auf die Gesetzesmaterialen zur Entstehungsgeschichte des BEEG zurück. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sei davon ausgegangen, dass die Anknüpfung an die Summe der positiven Einkünfte zugleich bewirke, dass steuerfreien Einnahmen nach § 3 EStG bei der Einkommensermittlung für das Elterngeld nicht zu berücksichtigen seien. Dies offenbare, dass sich der Ausschuss mit der Regelungsgehaltes mit dem § 3 EStG nicht mit Sorgfalt auseinander gesetzt habe. Die Befreiungen im § 3 EStG unterschieden sich in Vereinfachungsbefreiungen, Ausgrenzungsbefreiungen und Sozialzwecknormen. § 3 Nr. 11 EStG, der hier einschlägig sei, beinhalte letztgenannten Zweck. Unter Sozialzwecknormen seien lenkende Normen zu verstehen, die sozialpolitisch, kulturpolitisch, gesundheitspolitisch, familienpolitisch, berufspolitisch, aber nicht fiskalisch motiviert seien. Materiellrechtlich gehörten diese nicht zum Steuerrecht, sondern zum Wirtschaftsrecht, Sozialrecht oder anderen Bereichen. Die Einordnung der Normen in die richtige Gruppe sei unter anderem relevant für die Rechtsanwendung. Die teleologische Auslegung oder Auslegung aufgrund von Prinzipien setzte die Kenntnis des Normenzwecks voraus. Der Vielfalt der unterschiedlichsten Regelungen für die Tatbestände im § 3 EStG verböten daher eine derartig pauschalierende Betrachtungsweise. Wer sich sozial erwünscht verhalte und deshalb gemäß § 3 Nr. 11 EStG mit den in den letzten 12 Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes gewährten Geldleistungen von der Steuer befreit sei, dürfe bei der Berechnung des Elterngeldes nicht durch fehlende Berücksichtigung dieser Geldleistungen in der Bemessungsgrundlage als positive Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG mit einen geringeren Elterngeld benachteiligt werden. Der 10. Senat des BSG habe die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen den einzelnen Steuerbefreiungsnormen des § 3 EStG nicht deutlich hervorgehoben, geschweige denn sich von der pauschalen Feststellung des Ausschusses zum Ausschuss der steuerfreien Einnahmen bei der Elterngeldberechnung distanziert. Nach der im Schreiben vom 29.11.2010 gemachten Aufstellung erhebe die Klägerin einen Anspruch auf Elterngeld i.H.v. 610,10 EUR monatlich. In dem beigefügten Einkommenssteuerbescheid für 2006 wird für sie lediglich Einkommen aus Miete und Verpachtung aufgeführt. Gleiches ist im Steuerbescheid für 2007 der Fall.
Mit Urteil vom 12.04.2011 hat das SG die auf die Zahlung von Elterngeld i.H.v. 773,60 EUR monatlich abzgl. geleisteter Zahlung gerichtete Klage abgewiesen. Bei selbständig Tätigen sei das gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG zu berücksichtigende Einkommen entweder nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 8 BEEG oder nach Maßgabe des § 2 Abs. 9 BEEG zu ermitteln. § 2 Abs. 8 Satz 1 BEEG enthalte den Grundsatz, dass als Einkommen aus selbständiger Arbeit der um Steuern, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigten sei. Grundlage der Einkommensermittlung sei der Gewinn, der sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 ESTG entsprechenden Berechnung ergebe. Erst wenn der Gewinn danach nicht ermittelt werden könne, sei nach § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG zu verfahren (Abzug einer Betriebskostenpauschale i.H.v. 20 %). Sei die dem zu berücksichtigten Einkommen u.a. aus selbständiger Arbeit zu Grunde liegende Erwerbstätigkeit – wie hier – sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt maßgeblichen Zeitraum als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gelte nach § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG abweichend von Abs. 8 als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergebe. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift lägen vor, sodass der Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2006 maßgeblich sei, welcher jedoch keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ausweise. Damit sei zu Recht nur das Mindestelterngeld gewährt worden. Auf den steuerlichen Veranlagungszeitraum werde nur abgehoben, wenn dessen Einkünfte repräsentativen Charakter hätten (BSG, Urteil vom 17.02.2011 – B 10 EG 1/10 R). Dieser sei nach den Angaben der Klägerin zur Art und Umfang der Tätigkeit jedoch gegeben. Dass es unabhängig hiervon zu weiteren Ungerechtigkeiten im Einzelfall kommen könne, sei hinzunehmen. Bei nicht beitragsgestützten Sozialleistungen wie Erziehungs- oder Elterngeld stehe dem Gesetzgeber einen weiteren Spielraum zu. Diesen habe er vorliegend nicht überschritten. Die Ausführungen der Klägerin zur Frage der Steuerpflichtigkeit der für die Tätigkeit als Tagesmutter gezahlten Aufwandsentschädigungen für die Zeit vor 2009 könnten keine andere Beurteilung begründen.
Gegen das ihr am 20.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.06.2011 eingegangene Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages darauf hinweist, dass Finanzgericht Niedersachsen habe bereits mit Urteil vom 21.11.2006 entschieden, dass Zahlungen, die eine Pflegekraft vom Landkreis für die Tagespflege für Kindern erhalte, nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei seien. Das Finanzgericht Niedersachsen habe sich auf einschlägige Urteile des BFH und anderer Finanzgerichtshöfe gestützt. Damit sei klargestellt, dass die Klägerin im Jahre 2006 Einkünfte i.S.d. EStG bezogen habe und keine steuerbefreiten Aufwandsentschädigungen. Durch die offen rechtswidrige Praxis der zuständigen Finanzbehörden seien diese jedoch nicht als Einkünfte, sondern als Aufwandsentschädigung eingestuft worden. Dass diese Bewertung falsch gewesen sei, zeige sich auch in der bereits ab 2009 durch die Finanzbehörden erfolgten anderen Behandlung als steuerpflichtiges Einkommen. Auch die Einkünfte in 2006 seien nach Bundesrecht steuerpflichtige Einnahmen gewesen, die der Berechnung zugrunde zu legen gewesen sein. Ein erkennbar rechtswidriger Steuerbescheid, der dem geltenden Steuerrecht widersprochen habe, könne nicht der Berechnung zugrunde gelegt werden. Aus den im Schreiben des Steuerberaters vom 29.11.2010 erfolgte Berechnungen zu § 2 Abs. 8 BEEG folge ein Anspruch auf 610,00 EUR monatlichen Elterngeldes.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12.04.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides des Amt für Familie und Soziales L vom 15.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales vom 13.12.2007 zu verurteilen, der Klägerin für die ersten 12 Lebensmonate des am 27.06.2007 geborenen Sohnes M , Elterngeld i.H.v. monatlich 610,00 EUR abzgl. geleisteter Zahlungen zu bewilligen und die Differenz nachzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das angefochtene Urteil. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe kein Anspruch auf die Anwendung des § 2 Abs. 8 BEEG.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass der hier streitentscheidende § 2 Abs. 9 BEEG, wonach der sich aus dem Steuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums ergebende durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn maßgeblich für die Bemessung des Elterngeldes ist, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 3.12.2009 – B 10 EG 2/09 R – SozR 4-7837 § 2 Nr 5; Urteile vom 17.2.2011 – B 10 EG 1/10 R und B 10 EG 2/10 R, Juris und Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 4/11 R, Juris, RdNr. 32) nur dann Anwendung findet, wenn die im maßgeblichen 12-Monatszeitraum vor der Geburt des Kindes und die im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum durchgängig ausgeübte (selbstständige) Erwerbstätigkeit ihrer Art nach übereinstimmt und das Einkommen von derselben Person bei in etwa gleichem Zeitaufwand erzielt wird. Die Grenzen einer nach § 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zulässigen Typisierung werden nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, eingehalten, wenn der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit in den genannten (Vergleichs-)Bemessungszeiträumen um weniger als 20% voneinander abweichen. Die Klägerin hat nach dem Akteninhalt in den maßgeblichen Zeiträumen vor und nach der Geburt ihres Kindes die gleiche selbständige Tätigkeit in im Wesentlichen gleichen (nicht mindestens 20 % abweichenden) zeitlichen Umfang ausgeübt, sodass § 2 Abs. 9 S. 3 BEEG einschlägig ist. Danach wird der Einkommensteuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums zur Einkommensbestimmung herangezogen. Dies ist vorliegend der Steuerbescheid für das Jahr 2006. Da der Bescheid bestandskräftig ist, kommt ihm die aus § 2 Abs. 9 Satz 3 BEEG folgende Tatbestandswirkung zu, mit anderen Worten ist nur das darin festgestellte Einkommen maßgeblich. Ob dieser Bescheid wie vorgetragen gegen materielles Steuerrecht verstößt, ist unerheblich, denn selbst die Zugrundelegung eines ggf. inhaltlich nicht zutreffenden, also auch eines rechtswidriger Steuerbescheides für die Einkommensermittlung nach dem BEEG ist hinzunehmen. Wenn der Steuerpflichtige einen rechtswidrigen Steuerbescheid (der steuerlich zu seinen Gunsten keine oder nur geringere steuerbare Einkünfte ausweist) hinnimmt, so kann er in Leistungsbereichen, in denen höheres Einkommen zu einem Anspruch auf höhere Leistungen führt, nicht damit gehört werden, der Einkommensteuerbescheid gehe von zu niedrigen Einkünften aus, jedenfalls dann nicht, wenn das im Steuerbescheid festgestellte Einkommen im entsprechenden Leistungsgesetz als maßgeblich normiert wird. Eine darin liegende Härte ist vor dem Hintergrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers in nicht das Existenzminimum betreffender Leistungsgesetzgebung hinzunehmen. Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nur der tatsächliche Inhalt des Steuerbescheides maßgeblich ist. Einen Ausgleich hierfür hat der Leistungsbegehrende zum Einen bereits durch den Vorteil der Nichtversteuerung erhalten. Zum Anderen wird im Bereich des BEEG durch die Gewährung des Mindestelterngeldes eine ausreichende Abmilderung dieser Härte vorgenommen, sodass der Senat keinerlei Grundrechtsverletzungen darin erkennen kann. Im Übrigen ist die Anwendung des § 2 Abs. 9 BEEG in der Auslegung der vorgenannten BSG-Rechtsprechung verfassungskonform, wie das BSG in seinem Urteil vom 05.04.2012 (a.a.O, RdNrn. 36, 37) überzeugend ausgeführt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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Wagner Czarnecki Weinholtz
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) für ihr am 2007 geborenes Kind M Elterngeld nach dem Bundeselterngeld - und Elternzeitgesetz (BEEG) Elterngeld i.H.v. 610,00 EUR anstelle von 300,00 EUR zu zahlen ist.
Seit 2004 ist die Klägerin als Tagesmutter im Umfang von 40 Wochenstunden tätig. Hierfür erhielt sie als Ersatz des Aufwandes für die Betreuung und Pflege der Kinder monatliche Zahlungen der Stadt M auf der Grundlage der zwischen der Klägerin, den Eltern der zu betreuenden Kinder und der Stadt M geschlossenen Vereinbarungen über die Finanzierung eines Tagepflegeplatzes. Diese Tätigkeit übte die Klägerin sowohl im Jahre 2006 als auch in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes M aus. Im Zeitraum vom 01.04. – 30.06.2006 betreute die Klägerin 5 Kinder, im Zeitraum vom 01.07. – 30.09.2006 ebenfalls und im Zeitraum vom Oktober bis Dezember 2006 maximal 5 Kinder. Im Zeitraum Januar bis April 2007 betreute sie 4 – 5 Kinder für 6 und 9 Stunden. Im Mai 2007 betreute sie 3 Kinder für 9 Stunden und ein Kind für 6 Stunden. Nach den vorliegenden Vereinbarungen über die Finanzierung eines Tagespflegesatzes wurden bei einem Umfang der Betreuung von 4,5 Stunden Elternbeiträge i.H.v. 48,57 EUR und ein Anteil der Stadt M i.H.v. 181,00 EUR gezahlt. Beim Umfang bis 6 Stunden erhöhten sich der Elternbeitrag auf 64,87 EUR und der Anteil der Stadt auf 242,40 EUR. Bei einer Betreuungsleistung bis zu 9 Stunden erhöhte sich der Elternbeitrag auf 96,82 EUR und der Anteil der Stadt auf 360,00 EUR. Ab Juli 2006 war ein Elternbeitrag bei gleicher Betreuungsleistung i.H.v. 161,37 EUR und ein Anteil der Stadt von 363,60 EUR zu zahlen. Die Elternbeiträge differierten je nach Anzahl der Kinder, die die gleiche Familie zur Betreuung gab.
Am 11.07.2007 beantragte die Klägerin bei dem Amt für Familie und Soziales L die Bewilligung von Elterngeld für ihr oben genanntes Kind für den Zeitraum vom 27.06.2007 bis 26.06.2008. Im Zeitraum vom 01.05.2004 bis 31.05.2007 war die Klägerin selbständig tätig. Mutterschaftsgeld bezog sie nicht. Die Klägerin ist ebenfalls Mutter der am 1999, am 2000 und 2003 geborenen Kinder S , J und F. Mit Schreiben vom 06.08.2007 teilte die Klägerin mit, sie begehre für die ersten bis zwölften Lebensmonate Elterngeld. Als selbständige Tagesmutter unterliege sie nicht der Einkommensteuerpflicht. Ein Steuerbescheid liege daher nicht vor.
Mit Bescheid vom 15.08.2007 bewilligte das Amt für Familie und Soziales L der Klägerin für die Zeit vom 27.06.2007 bis 26.06.2008 Elterngeld i.H.v. je 300,00 EUR. Da sie kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt habe, habe sie Anspruch auf das Mindestelterngeld i.H.v. 300,00 EUR. Die Einnahmen aus der Tätigkeit als Tagesmutter stellten Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG) dar.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.09.2007 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Zahlung von Einkommenssteuer stelle keine Voraussetzung für das Elterngeld dar. Auch Einkünfte, die überhaupt keiner staatlichen Besteuerung unterlägen, seien zu berücksichtigten, wenn sie den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 4 EStG erfassten Einkünften inhaltlich entsprächen, also Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift seien. Punkt 2.1.4 der Richtlinien zum Bundeselterngeldgesetz führe die Einnahmen auf, die nicht als Einkommen anerkannt würden. Aufwandsentschädigungen seien dort nicht angegeben. Sie sei als Tagesmutter selbständig. Da sich ihre Einkünfte aus Aufwandentschädigung ergäben, seien diese wiederum steuerfrei, § 3 Abs. 12 EStG. Ohne diese Aufwandsentschädigungen könne eine Betreuung von Kindern in dieser Form gar nicht angeboten werden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales den Widerspruch zurück. Die Anknüpfung des Einkommens nach dem BEEG an die Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 EStG durch § 2 Abs. 1 BEEG bewirke zugleich, dass steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG, wie etwa die der Klägerin aus öffentlicher Hand zugeflossenen Geldleistungen für die Tagespflege von Kindern im Sinne von § 3 Nr. 11 EStG bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen seien. Aus den Richtlinien zum BEEG lasse sich eine Berücksichtigung der Geldleistungen nicht ableiten. Es handle sich bei den §§ 3 ff. EStG erfassten steuerfreien Einnahmen gerade nicht um inhaltlich entsprechend in § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 4 EStG erfasste Einkünfte, die nach ausländischen Steuerrecht zu versteuern sein oder keiner staatlichen Besteuerung unterlägen (als letzteres käme z.B. Bezüge von Bedienstenten der Europäischen Union in Betracht). Auch der Verweis darauf, dass in den Richtlinien zum BEEG auch Aufwandsentschädigungen nicht genannt seien, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der von der Klägerin beispielhaft geltend gemacht Anstrich unter Punkt 2.1.4 der Richtlinien weise die dort genannte Aufzählung als beispielhaft aus. Es werde hier klargestellt, dass steuerfreie Einnahmen nicht als Einkommen berücksichtigt würden, ohne das es auf die Frage ankomme, ob sie sonst als Einkommen als Erwerbstätigkeit anzusehen wären und dass dies alle in §§ 3 – 3c EStG genannten Einnahmen betreffe. Daher sei das Mindestelterngeld i.H.v. 300,00 EUR zu gewähren gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.01.2008 Klage beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, Anspruch auf Elterngeld i.H.v. 773,60 EUR zu haben. Trotz der Steuerfreiheit der bezogenen Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 12 EStG handele es sich dabei um Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG. § 3 EStG sei wie jede andere Befreiungsvorschrift auf der Ebene des Regelungsbereichs des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (Ermittlung der Einkünfte) anzusiedeln. § 3 EStG setze gedanklich voraus, dass die zu befreienden Einnahmen unter einen der 7 Einkunftsarten des § 2 EStG fielen. Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.2007 (GZ IV C 3-S 2342/07/0001), das Geldleistungen nach § 23 SGB Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) als steuerbare Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG qualifiziere, die allerdings ab 01.01.2009 nicht mehr unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11 und 26 EStG zu subsumieren seien, bestätige dies. Hätte der Gesetzgeber aus den Einkünften der Einkunftsarten Nr. 1 – 4, die nach § 3 EStG steuerfreien Einnahmen dem Grunde und der Höhe nach ausschalten wollen, so hätte er begrifflich das Einkommen i.S.d. § 2 Satz 2 EStG zum Inhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG bestimmt. Mithin stellten Geldleistungen nach § 23 SGB VIII Einnahmen dar, die im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG zuflössen und damit seien diese als Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG zu qualifizieren. Die Geldleistungen nach § 23 SGB VIII seien als Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zwar steuerbar, aber nach §§ 3 und 26 EStG bis zum 31.12.2008 steuerbefreit. Insofern knüpfe an diese Geldleistung keine Steuerpflicht. Auch seien aufgrund dieser Tätigkeit keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung geleistet worden, da nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die steuerfreien Aufwandsentschädigungen nicht die Voraussetzungen für die Annahme von Arbeitsentgelt erfüllten. Allerdings erführen die Geldleistungen nach § 23 SGB VIII eine pauschale Kürzung gem. § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG, da in Ermanglung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eine Betriebsausgabenpauschale i.H.v. 20 v. H. der Einnahmen in Abzug zu bringen seien. Mithin seien die nachgewiesenen Einkünfte in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes M i.H.v. 17.319,25 EUR um 3.463,85 EUR auf 13.855,40 EUR zu kürzen. Da Elterngeld gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG i.H.v. 67 v. H. der um die pauschalierten Betriebsausgaben gekürzten Einnahmen zu zahlen sei, ergäbe sich ein monatlicher Anspruch auf Zahlung von Elterngeld i.H.v. 773,60 EUR.
In Hinblick auf das beim Bundessozialgericht unter dem Az.: B 10 EG 9/08 R anhängig gewesene Revisionsverfahren war das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden (Beschluss vom 16.06.2009). Nach Fortführen des Verfahrens führte die Klägerin aus, die vorgenannte Entscheidung des BSG lasse sich nicht auf die Berücksichtigung ihrer steuerbefreiten Einnahmen bei der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld übertragen. Für eine teleologische Reduktion in der Auslegung von steuerrechtlichen Normen sei wegen des leistungsgewährenden Charakters des BEEG im Hinblick auf die Frage der Berücksichtigung von steuerbefreiten Einnahmen beim Einkommen aus Erwerbstätigkeit kein Grund zu sehen. Der materiell-rechtliche Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG nach dem Veranlagungszeitraum 2008 beruhe nicht auf einer Änderung der gesetzlichen Regelung, sondern lediglich auf einer geänderten Handhabung durch die Finanzbehörden. Mit dem geänderten materiell rechtlichen Vollzug ab dem 01.01.2009 sei die Finanzverwaltung mit Blick auf § 121 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) gehalten, den abweichenden Vollzug mit einer Begründung zu versehen, soweit die Verhältnisse Steuerpflichtiger nach den Veranlagungszeiträumen 2008 davon betroffen seien. Dabei reiche es nicht aus, den Steuerpflichtigen auf ein im Bundessteuerblatt Teil I veröffentliches BMF-Schreiben für die nachgeordneten Finanzbehörden hinzuweisen, da dies weder gegenüber dem Steuerpflichtigen noch den Gerichten Recht zu setzen vermöge. Vielmehr sei die Finanzverwaltung gehalten, wie nunmehr in der vom SG zitierten Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main geschehen, die hinter dem oben genannten BMF-Schreiben stehenden materiell rechtlichen Beweggründe für die Kehrtwende zu verlautbaren, was mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ((BFH), Urteil vom 23.09.1998, Bundessteuerblatt 1999 II, Seite 133) erfolgt sei. Seit 1998 habe eine Divergenz zwischen BFH und BMF hinsichtlich des materiell-rechtlichen Vollzuges des § 3 Nr. 11 EStG bestanden. Die Finanzverwaltung habe einerseits an den BMF-Schreiben vom 20.01.1984, 01.08.1988 und 07.02.1990 bis in das Jahr 2007 festgehalten, andererseits jedoch sich die Rechtsprechung des BFH vom 23.09.1998 mit Veröffentlichung im Bundessteuerblatt 1999 II, Seite 133 zu Eigen gemacht. Zuletzt habe das BMF sein Festhalten am bisherigen materiell-rechtlichen Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG damit begründet, dass den sogenannten Tagesmüttern die bisherige rechtlich problematische Steuerbefreiung noch für 2008 zu gewähren sei, um Bund, Ländern und Kommunen die Möglichkeit zur Prüfung für attraktive, aber steuer- und sozialversicherungsrechtlich systematische Rahmenbedingungen zu eröffnen. Soweit der vor dem Veranlagungszeitraum 2009 nicht mit der tatsächlichen Rechtslage konforme materiell-rechtliche Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG durch die Finanzbehörden zu einer Beschwer mit außersteuerrechtlich benachteiligender Rechtswirkung führe, rücke der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den Fokus. Soweit die nach § 23 Abs. 2 SGB VIII gewährten Geldleistungen an die Klägerin im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht worden seien, seien die steuerpflichtigen Einnahmen bei der streitgegenständlichen Elterngeldberechnung einzubeziehen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Einnahme in einem nicht gesetzeskonformen Vollzug des § 3 Nr. 11 EStG durch die Finanzverwaltung zuvor in den Besteuerungsgrundlagen des steuerpflichtigen unberücksichtigt geblieben seien. In der Entscheidung vom 25.06.2009 – B 10 EG 9/08 R – habe das BSG die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale in § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH ausgelegt. Der 10. Senat lege die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale grammatikalisch aus und komme allein wegen der Wortwahl "Summe der Einkünfte " zu dem Schluss, § 2 Abs. 1 Nr. 2 BEEG verweise nicht nur auf die dort genannten Einkunftsarten, sondern auch auf die nach steuerrechtlichen Bedingungen ermittelten Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 BEEG (Juris Rdnr. 20). Wohl in dem Unbehagen, dass die einkommensteuerrechtliche Einkunftsermittlungstechnik nicht allein tragende Säule für das Ausscheiden der steuerfreien Einnahmen gemäß § 3 EStG bei der streitgegenständlichen Berechnung des Elterngeldes sein könne, bediene sich der 10. Senat eines Hilfsmittels im Rahmen der logischen Interpretation und greife unter Anwendung der genetischen Methode auf die Gesetzesmaterialen zur Entstehungsgeschichte des BEEG zurück. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sei davon ausgegangen, dass die Anknüpfung an die Summe der positiven Einkünfte zugleich bewirke, dass steuerfreien Einnahmen nach § 3 EStG bei der Einkommensermittlung für das Elterngeld nicht zu berücksichtigen seien. Dies offenbare, dass sich der Ausschuss mit der Regelungsgehaltes mit dem § 3 EStG nicht mit Sorgfalt auseinander gesetzt habe. Die Befreiungen im § 3 EStG unterschieden sich in Vereinfachungsbefreiungen, Ausgrenzungsbefreiungen und Sozialzwecknormen. § 3 Nr. 11 EStG, der hier einschlägig sei, beinhalte letztgenannten Zweck. Unter Sozialzwecknormen seien lenkende Normen zu verstehen, die sozialpolitisch, kulturpolitisch, gesundheitspolitisch, familienpolitisch, berufspolitisch, aber nicht fiskalisch motiviert seien. Materiellrechtlich gehörten diese nicht zum Steuerrecht, sondern zum Wirtschaftsrecht, Sozialrecht oder anderen Bereichen. Die Einordnung der Normen in die richtige Gruppe sei unter anderem relevant für die Rechtsanwendung. Die teleologische Auslegung oder Auslegung aufgrund von Prinzipien setzte die Kenntnis des Normenzwecks voraus. Der Vielfalt der unterschiedlichsten Regelungen für die Tatbestände im § 3 EStG verböten daher eine derartig pauschalierende Betrachtungsweise. Wer sich sozial erwünscht verhalte und deshalb gemäß § 3 Nr. 11 EStG mit den in den letzten 12 Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes gewährten Geldleistungen von der Steuer befreit sei, dürfe bei der Berechnung des Elterngeldes nicht durch fehlende Berücksichtigung dieser Geldleistungen in der Bemessungsgrundlage als positive Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG mit einen geringeren Elterngeld benachteiligt werden. Der 10. Senat des BSG habe die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen den einzelnen Steuerbefreiungsnormen des § 3 EStG nicht deutlich hervorgehoben, geschweige denn sich von der pauschalen Feststellung des Ausschusses zum Ausschuss der steuerfreien Einnahmen bei der Elterngeldberechnung distanziert. Nach der im Schreiben vom 29.11.2010 gemachten Aufstellung erhebe die Klägerin einen Anspruch auf Elterngeld i.H.v. 610,10 EUR monatlich. In dem beigefügten Einkommenssteuerbescheid für 2006 wird für sie lediglich Einkommen aus Miete und Verpachtung aufgeführt. Gleiches ist im Steuerbescheid für 2007 der Fall.
Mit Urteil vom 12.04.2011 hat das SG die auf die Zahlung von Elterngeld i.H.v. 773,60 EUR monatlich abzgl. geleisteter Zahlung gerichtete Klage abgewiesen. Bei selbständig Tätigen sei das gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG zu berücksichtigende Einkommen entweder nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 8 BEEG oder nach Maßgabe des § 2 Abs. 9 BEEG zu ermitteln. § 2 Abs. 8 Satz 1 BEEG enthalte den Grundsatz, dass als Einkommen aus selbständiger Arbeit der um Steuern, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigten sei. Grundlage der Einkommensermittlung sei der Gewinn, der sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 ESTG entsprechenden Berechnung ergebe. Erst wenn der Gewinn danach nicht ermittelt werden könne, sei nach § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG zu verfahren (Abzug einer Betriebskostenpauschale i.H.v. 20 %). Sei die dem zu berücksichtigten Einkommen u.a. aus selbständiger Arbeit zu Grunde liegende Erwerbstätigkeit – wie hier – sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt maßgeblichen Zeitraum als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gelte nach § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG abweichend von Abs. 8 als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergebe. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift lägen vor, sodass der Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2006 maßgeblich sei, welcher jedoch keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ausweise. Damit sei zu Recht nur das Mindestelterngeld gewährt worden. Auf den steuerlichen Veranlagungszeitraum werde nur abgehoben, wenn dessen Einkünfte repräsentativen Charakter hätten (BSG, Urteil vom 17.02.2011 – B 10 EG 1/10 R). Dieser sei nach den Angaben der Klägerin zur Art und Umfang der Tätigkeit jedoch gegeben. Dass es unabhängig hiervon zu weiteren Ungerechtigkeiten im Einzelfall kommen könne, sei hinzunehmen. Bei nicht beitragsgestützten Sozialleistungen wie Erziehungs- oder Elterngeld stehe dem Gesetzgeber einen weiteren Spielraum zu. Diesen habe er vorliegend nicht überschritten. Die Ausführungen der Klägerin zur Frage der Steuerpflichtigkeit der für die Tätigkeit als Tagesmutter gezahlten Aufwandsentschädigungen für die Zeit vor 2009 könnten keine andere Beurteilung begründen.
Gegen das ihr am 20.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.06.2011 eingegangene Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages darauf hinweist, dass Finanzgericht Niedersachsen habe bereits mit Urteil vom 21.11.2006 entschieden, dass Zahlungen, die eine Pflegekraft vom Landkreis für die Tagespflege für Kindern erhalte, nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei seien. Das Finanzgericht Niedersachsen habe sich auf einschlägige Urteile des BFH und anderer Finanzgerichtshöfe gestützt. Damit sei klargestellt, dass die Klägerin im Jahre 2006 Einkünfte i.S.d. EStG bezogen habe und keine steuerbefreiten Aufwandsentschädigungen. Durch die offen rechtswidrige Praxis der zuständigen Finanzbehörden seien diese jedoch nicht als Einkünfte, sondern als Aufwandsentschädigung eingestuft worden. Dass diese Bewertung falsch gewesen sei, zeige sich auch in der bereits ab 2009 durch die Finanzbehörden erfolgten anderen Behandlung als steuerpflichtiges Einkommen. Auch die Einkünfte in 2006 seien nach Bundesrecht steuerpflichtige Einnahmen gewesen, die der Berechnung zugrunde zu legen gewesen sein. Ein erkennbar rechtswidriger Steuerbescheid, der dem geltenden Steuerrecht widersprochen habe, könne nicht der Berechnung zugrunde gelegt werden. Aus den im Schreiben des Steuerberaters vom 29.11.2010 erfolgte Berechnungen zu § 2 Abs. 8 BEEG folge ein Anspruch auf 610,00 EUR monatlichen Elterngeldes.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12.04.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides des Amt für Familie und Soziales L vom 15.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales vom 13.12.2007 zu verurteilen, der Klägerin für die ersten 12 Lebensmonate des am 27.06.2007 geborenen Sohnes M , Elterngeld i.H.v. monatlich 610,00 EUR abzgl. geleisteter Zahlungen zu bewilligen und die Differenz nachzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das angefochtene Urteil. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe kein Anspruch auf die Anwendung des § 2 Abs. 8 BEEG.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass der hier streitentscheidende § 2 Abs. 9 BEEG, wonach der sich aus dem Steuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums ergebende durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn maßgeblich für die Bemessung des Elterngeldes ist, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 3.12.2009 – B 10 EG 2/09 R – SozR 4-7837 § 2 Nr 5; Urteile vom 17.2.2011 – B 10 EG 1/10 R und B 10 EG 2/10 R, Juris und Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 4/11 R, Juris, RdNr. 32) nur dann Anwendung findet, wenn die im maßgeblichen 12-Monatszeitraum vor der Geburt des Kindes und die im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum durchgängig ausgeübte (selbstständige) Erwerbstätigkeit ihrer Art nach übereinstimmt und das Einkommen von derselben Person bei in etwa gleichem Zeitaufwand erzielt wird. Die Grenzen einer nach § 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zulässigen Typisierung werden nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, eingehalten, wenn der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit in den genannten (Vergleichs-)Bemessungszeiträumen um weniger als 20% voneinander abweichen. Die Klägerin hat nach dem Akteninhalt in den maßgeblichen Zeiträumen vor und nach der Geburt ihres Kindes die gleiche selbständige Tätigkeit in im Wesentlichen gleichen (nicht mindestens 20 % abweichenden) zeitlichen Umfang ausgeübt, sodass § 2 Abs. 9 S. 3 BEEG einschlägig ist. Danach wird der Einkommensteuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums zur Einkommensbestimmung herangezogen. Dies ist vorliegend der Steuerbescheid für das Jahr 2006. Da der Bescheid bestandskräftig ist, kommt ihm die aus § 2 Abs. 9 Satz 3 BEEG folgende Tatbestandswirkung zu, mit anderen Worten ist nur das darin festgestellte Einkommen maßgeblich. Ob dieser Bescheid wie vorgetragen gegen materielles Steuerrecht verstößt, ist unerheblich, denn selbst die Zugrundelegung eines ggf. inhaltlich nicht zutreffenden, also auch eines rechtswidriger Steuerbescheides für die Einkommensermittlung nach dem BEEG ist hinzunehmen. Wenn der Steuerpflichtige einen rechtswidrigen Steuerbescheid (der steuerlich zu seinen Gunsten keine oder nur geringere steuerbare Einkünfte ausweist) hinnimmt, so kann er in Leistungsbereichen, in denen höheres Einkommen zu einem Anspruch auf höhere Leistungen führt, nicht damit gehört werden, der Einkommensteuerbescheid gehe von zu niedrigen Einkünften aus, jedenfalls dann nicht, wenn das im Steuerbescheid festgestellte Einkommen im entsprechenden Leistungsgesetz als maßgeblich normiert wird. Eine darin liegende Härte ist vor dem Hintergrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers in nicht das Existenzminimum betreffender Leistungsgesetzgebung hinzunehmen. Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nur der tatsächliche Inhalt des Steuerbescheides maßgeblich ist. Einen Ausgleich hierfür hat der Leistungsbegehrende zum Einen bereits durch den Vorteil der Nichtversteuerung erhalten. Zum Anderen wird im Bereich des BEEG durch die Gewährung des Mindestelterngeldes eine ausreichende Abmilderung dieser Härte vorgenommen, sodass der Senat keinerlei Grundrechtsverletzungen darin erkennen kann. Im Übrigen ist die Anwendung des § 2 Abs. 9 BEEG in der Auslegung der vorgenannten BSG-Rechtsprechung verfassungskonform, wie das BSG in seinem Urteil vom 05.04.2012 (a.a.O, RdNrn. 36, 37) überzeugend ausgeführt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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Wagner Czarnecki Weinholtz
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