Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 3556/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 624/18
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Satzung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), mit der seit 2013 für die Berechnung der Beiträge anstelle der zuvor verwendeten regionalen Beitragsmaßstäbe ein bundeseinheitlicher Bewertungsmaßstab für die Berechnung der Beiträge zugrunde gelegt wird, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung.
Der Kläger ist als Landwirt bei der Beklagten pflichtversichert. Hauptsächlich betreibt er Spargelanbau. Bis zum 31.12.2012 erfolgte die Beitragsberechnung nach regionalen Maßstäben durch die einzelnen zuständigen regionalen Berufsgenossenschaften, im Fall des Klägers die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg. Zum 01.01.2013 wurde die "Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)" aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG) vom 12. April 2012 errichtet. Die ehemaligen acht landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die Gartenbau-Berufsgenossenschaft und der Spitzenverband der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung wurden zum 01. Januar 2013 in die SVLFG als bundesunmittelbare Körperschaft des Öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung eingegliedert. Ab dem Umlagejahr 2013 wurde der Beitragsberechnung anstelle der bisherigen regionalen Beitragsmaßstäbe erstmals der von der Selbstverwaltung der SVLFG in ihrer Satzung beschlossenen bundeseinheitliche Beitragsmaßstab zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 07.08.2015 forderte die Beklagte vom Kläger den Beitrag für das Umlagejahr 2014 in Höhe von 3.743,43 EUR abzüglich eines geleisteten Vorschusses von 2.941,09 EUR, insgesamt 802,34 EUR und einen Vorschuss für das Jahr 2015 in Höhe von 2.994,72 EUR.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11.09.2015 Widerspruch ein. Für das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" sei ein Degressionsbereich bei 1 bis 50 ha von 107 bis 89,3781 BER beschlossen worden. Dieser Ansatz sei zu hoch, da der veranlagte Arbeitsbedarf sehr viel geringer sei. Dies sei auch in den Satzungen der ehemals selbständigen regionalen landwirtschaftlichen BGen zum Ausdruck gekommen. Zudem seien in den Risikogruppen nicht nur die dort entstandenen Aufwendungen, sondern auch Fremdaufwendungen umgelegt. So würde neben den durch eine fehlerhafte Festsetzung nicht ausreichenden Grundbetrag ca. 40 Mio. EUR aus sog. "DDR-Altrenten" auf die Versicherten umgelegt. Dadurch müsse ein Betrieb mit hohem Berechnungseinheitenansatz einen hohen Anteil an risikofremden Beitragsbestandteilen gegen sich gelten lassen. Zudem sei nicht bekannt, wie hoch die Aufwendungen der Beklagten in den jeweiligen Risikogruppen und Produktionsverfahren im Jahr 2013 tatsächlich gewesen seien, so dass der Beitragsbescheid diesbezüglich nicht nachvollziehbar sei. Nach § 57 der Satzung finde bei Über- oder Unterschreitung des Beitragsaufkommens ein solidarischer Ausgleich innerhalb der Risikogruppen statt. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass der Vorstand oder die Vertreterversammlung entsprechende Beschlüsse für die Festlegung von Korrekturfaktoren gefasst hätten. Da die Korrekturfaktoren entscheiden für die Beitragshöhe der einzelnen Versicherten seien, sei eine Beschlussfassung durch die Selbstverwaltung und Festlegung in der Satzung unabdingbar. Die Beitragssteigerung sein ferner nicht mehr angemessen. Weiterhin habe der Beitrag in der Vergangenheit die konkreten regionalen Unfallzahlen, die insbesondere in strukturellen Unterschieden begründet gewesen seien, berücksichtigt, wodurch Betriebe mit einem hohen Unfallaufkommen höhere Beiträge hätten zahlen müssen. Der neue Beitragsmaßstab bürde Regionen mit wenig Unfallrisiko und weniger Leistungsaufwendungen höhere Beitragsbelastungen auf, wodurch es zu Wettbewerbsverzerrungen käme. Präventionsarbeit und Unfallverhütung würden ebenso wenig berücksichtigt wie regionale Unterschiede.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beitragsberechnung erfolge auf der Grundlage des Arbeitsbedarfes als Abschätztarif (Risikobeitrag) zuzüglich eines Grundbeitrages. Die Arbeitsbedarfswerte seien bundeseinheitlich festgelegt worden. Ferner seien neue bundeseinheitliche Risikogruppen gebildet worden. Der Arbeitsbedarf werde im Gesetz ausdrücklich als alternative Berechnungsgrundlage genannt. Der Arbeitsbedarf werde nach dem Durchschnittsmaß der für das jeweilige Produktionsverfahren erforderlichen menschlichen Arbeit geschätzt. Die der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Produktionsverfahren und Arbeitszeiten seien von der SVLFG nicht willkürlich festgesetzt, sondern vom Gutachter Prof. Dr. Bahrs unter Zuhilfenahme von Auswertungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft, der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft und der landwirtschaftlichen, gartenbaulichen sowie forstwirtschaftlichen Offizialberatung im Rahmen eines wissenschaftlichen Gutachtens aufgestellt. Soweit dem Gutachter kein ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe, seien die Daten durch Experten bewertet worden. Eine individuelle Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitsbedarfes sei zwar möglich, müsste jedoch konkret in der Satzung geregelt werden. Wenn die Vertreterversammlung der SVLFG auf diese individuelle Betrachtung verzichte, sei dies Folge von typisierenden und pauschalierenden Regelungen, die bei verwaltungsmäßigen Massengeschäften notwendig und zulässig seien. Daher seien standardisierte Arbeitsbedarfswerte angesetzt worden, die in Abhängigkeit vom individuellen Umfang einzelner Produktionsverfahren und des Umfangs der allgemein anfallenden Arbeiten auf die entsprechenden Betriebe abzubilden seien. Damit sei die Vermutung verbunden, dass mehr Arbeit ein höheres Unfallrisiko bedeute. Der Arbeitsaufwand des einzelnen Unternehmers sei deshalb irrelevant. Durch die Typisierung verursachte Härten seien im Einzelfall hinzunehmen. Bemessungsgrundlage für die Abschätzung des Arbeitsbedarfes sei bei der Bodenbewirtschaftung die Fläche in Hektar und bei der Tierhaltung die im Jahresdurchschnitt gehaltene Anzahl von Tieren. Bei der überwiegenden Anzahl von Produktionsverfahren werde über einen Degressionsfaktor berücksichtigt, dass mit zunehmender Betriebsgröße die Arbeitszeit je Tier oder je Hektar Fläche abnehme.
Die Kulturart Spargel sei dem Produktionsverfahren "Intensivgemüse" zugeordnet, welches der Risikogruppe "Obst und Gemüse im Freiland, Hopfen, Tabak und Christbäume" zugeordnet sei. Es werde z.T. zwischen mechanisch beernteten und stärker händisch beernteten Sonderkulturen unterschieden, wodurch unterschiedlichen Risikostrukturen abgebildet werden könnten. Der ermittelte Arbeitsbedarf für Intensivgemüse sei nicht mehr vergleichbar mit dem bei den früheren LBGen für Spargel allein ermittelten Ansatz. Die Zusammenfassung aller händisch betriebenen Gemüseanbauarten verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da für Intensivgemüse nun ein bundeseinheitlicher Beitrag gezahlt werde.
Die in einer Risikogruppe zusammengefassten und einzelnen Produktionsverfahren zugeordneten Unternehmen finanzierten ihre Aufwendungen durch Beiträge. Für jede Risikogruppe werde dazu ein eigenständiger Risikofaktor festgesetzt. Sofern innerhalb der Risikogruppen bei einzelnen Produktionsverfahren eine Über- oder Unterdeckung bestehe, werde diese auf 20% begrenzt. Neben den zuordenbaren Aufwendungen seien als Folge des Zusammenschlusses der früheren LBGen zur SVLFG nichtzuordenbare Aufwendungen wie die DDR-Altrentenlast, die früher allein durch die mittel- und ostdeutschen LBGen sowie die BG für Gartenbau finanziert worden seien, auf die Risikogruppen und Produktionsverfahren zu verteilen. Eine Finanzierung über den Grundbeitrag scheide aufgrund der enumerativen Aufzählung der über den Grundbeitrag zu finanzierenden Aufwendungen in § 51 Abs. 2 der Satzung aus.
Der Gesamtbeitrag für den Kläger sei vom Jahr 2012 zum Jahr 2014 um 44,66% gestiegen. Vom Bund seien zur Senkung der Beiträge Zuschüsse bewilligt worden. Für das Jahr 2014 stünden im Vergleich zum Jahr 2012 jedoch 50 Mio. EUR weniger zu Verfügung. Zudem würden die Bundesmittel seit 2013 nicht mehr nach regionalen Gesichtspunkten verteilt, sondern es sei eine bundeseinheitliche Senkungsquote für das Jahr 2014 von 20,5% festgesetzt worden. Baden-Württemberg sei durch die bundesweit einheitliche Verteilung am stärksten betroffen. Für den Zeitraum 2013 bis 2017 gälten zur Abfederung Übergangsregelungen. Zudem gebe es in der Satzung eine Härteklausel. Die Umverteilung entsprechenden Vorgaben des Gesetzgebers, sowie der Forderung des Berufsstandes, wonach identische betriebe gleiche Beiträge zahlen sollen. Für die Einführung von Regionalklassen sei unter diesen Bedingungen kein Raum.
Daraufhin erhob der Kläger am 13.07.2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg. Er wiederholte sein Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen geänderten Beitragsbescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts zuzustellen, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führte sie aus, das Verfahren zur Berechnung der Risikogruppenfaktoren und der Risikofaktoren für die Produktionsverfahren sei in der Satzung verbindlich festgelegt. Eine zusätzliche Beschlussfassung durch die Selbstverwaltung für jedes Umlagejahr sei nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG läge ebenfalls nicht vor. Die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen berücksichtigten die Besonderheiten der Unternehmen. Die Einstufung in Risikogruppen stelle eine gewollte Ungleichbehandlung nicht gleicher Sachverhalte dar. Ziel des Zusammenschlusses sei die Bildung einer bundesweiten Solidargemeinschaft. Innerhalb dieser Solidargemeinschaft eine Differenzierung nach den verursachten Leistungsaufwendungen einer bestimmten Region zu machen, wäre aufgrund der Ungleichbehandlung ein Verstoß gegen Art. 3 GG.
Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten des Verfahrens und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 07.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2016, mit dem die Beklagte die Unfallversicherungsbeiträge für das Jahr 2014 festgesetzt hat. Der Kläger wendet sich ausdrücklich nicht gegen die Festsetzung des Vorschusses für das Jahr 2015.
Die Klage ist aber nicht begründet. Der angegriffene Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger in seinen Rechten nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufestsetzung einer niedrigeren Beitragsforderung.
Kraft Gesetzes sind in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung Personen versichert, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 5a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII). Gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus, der Fischzucht, Teichwirtschaft, Seen-, Bach- und Flussfischerei (Binnenfischerei), der Imkerei sowie den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege zuständig. Der Kläger ist unstreitig als Spargelbauer landwirtschaftlicher Unternehmer, fällt somit in die Zuständigkeit der Beklagten und unterliegt grundsätzlich der Beitragspflicht.
Die Beklagte hat den Beitrag des Klägers für das Jahr 2014 im Einklang mit ihrer Satzung zutreffend berechnet. Die Satzung der Beklagten ist diesbezüglich nicht zu beanstanden.
Bei der Überprüfung der Satzung sind Umfang und Grenzen Satzungsautonomie der Unfallversicherungsträger zu beachten. Die Satzungsbestimmungen sind von den Sozialgerichten nur daraufhin zu prüfen, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung des Satzungsgebers beruht, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (BSG, Urteil v. 20.02.2001, Az. B 2 U 2/00R; juris).
Die Satzung der Beklagten wurde von der Vertreterversammlung beschlossen und hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 18. Dezember 2007 (BGBl I 2984) sollten die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften die Beiträge stärker am Unfallrisiko orientieren ohne den Solidarbeitrag zu vernachlässigen. Danach erfolgte die Berechnung des Beitrags nicht mehr nach dem bisherigen Flächentarif, sondern auf der Grundlage des Arbeitsbedarfs zuzüglich eines Grundbeitrags (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.08.2017, Az. L 16 U 6/15, juris).
Gemäß § 182 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung hat die Satzung bei der Festlegung der Berechnungsgrundlagen die Unfallrisiken durch die Bildung von Risikogruppen zu berücksichtigen. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten werden zur Berücksichtigung des Unfallrisikos Risikogruppen gebildet, in denen Unternehmen mit vergleichbaren Produktionsverfahren oder vergleichbaren Betriebsformen zusammengefasst sind. Die Zuordnung der Unternehmen zu den Risikogruppen erfolgt auf der Grundlage des Produktionsverfahrens. Maßgebend ist das als Anlage 2 zu § 47 Abs. 2 der Satzung beigefügte Verzeichnis "Zuordnung der Unternehmen oder Unternehmensteile zu den Risikogruppen". Die Beklagte hat somit die Vorgaben des Gesetzes umgesetzt und Risikogruppen gebildet und innerhalb der einzelnen Risikogruppen nach Produktionsverfahren differenziert. Nach § 47 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Nr. 3 der Anlage 2 ist die Risikogruppe "Obst und Gemüse im Freiland, Hopfen, Tabak und Christbäume" gebildet worden. Diese umfasst bezüglich Obst und Gemüse die Produktionsverfahren "Obstanbau mit mechanischer Ernteunterstützung", "Baumobst", "Beerenobst", "Industriegemüse mit voll mechanischer Ernte ohne weitere Aufbereitung sowie Blumen im Freiland zum Selberschneiden", "Industrie und Frischgemüse mit händischer Ernte/Aufbereitung" und "Intensivgemüse" Unter das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" fallen Spargel, Gurken, Tomaten, Bundzwiebeln und Stangenbohnen. Die Finanzierung der einzelnen Produktionsverfahren einer Risikogruppe erfolgt gemäß §§ 47, 50 der Satzung über die Multiplikation der für ein Produktionsverfahren ermittelten Summe der Berechnungseinheiten mit dem Hebesatz und dem jeweiligen Risikogruppenfaktor. Grundsätzlich gilt, dass einer Risikogruppe nur solche Produktionsverfahren zugeordnet werden dürfen, deren Betriebe in vergleichbaren Produktionsverfahren oder in vergleichbaren Betriebsformen wirtschaften.
Die Aufteilung der Risikogruppe Obst und Gemüse im Freiland in die genannten Produktionsverfahren und die Einordnung von Spargel in das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit der Einführung des neuen bundeseinheitlichen Maßstabes die bis dato in den ehemaligen Regionen unterschiedlich festgesetzten Berechnungseinheiten vereinheitlicht werden. So setzten die regionalen Berufsgenossenschaften die Berechnungseinheiten für Spargel jeweils regional festgesetzt. Der nun ermittelte Arbeitstarif für das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" ist aufgrund der neuen Kulturartengemeinschaft nicht vergleichbar mit dem bei den früheren landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für das Produktionsverfahren "Spargel" allein ermittelte Ansatz. Mit der Einführung des neuen bundeseinheitlichen Beitragsmaßstabs sollte stärker als in der Vergangenheit nach Risikogruppen und Produktionsverfahren differenziert werden. Mit der Umstellung der Beitragsmaßstäbe und Risikogruppenzuordnungen auf bundeseinheitliche Regelungen erfolgt zwangsläufig eine Umverteilung der Beitragslast. Vorher bestanden zum Teil gravierende Belastungsunterschiede durch regional unterschiedlich hohe Beiträge für gleich strukturierte Betriebe. Diese führten in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen. Nunmehr sollten bundesweit für vergleichbare Betriebe gleiche Beiträge berechnet werden. Gerade durch den einheitlichen Beitragsmaßstab für alle Betriebe sollte eine überregionale Gerechtigkeit sichergestellt und bestehende Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Die Beitragsangleichung entsprach danach einer einstimmig beschlossenen Forderung des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte das Unfallrisiko durch die Bildung von Risikogruppen stärker berücksichtigt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die tatsächliche Unfalllast des individuellen Unternehmens berücksichtigt wird. Selbst wenn in dem Unternehmen des Klägers tatsächlich keine oder nur wenige Unfälle zu verzeichnen sind, kommt es auf die individuelle Risikoverteilung nicht an. Die Beitragserhebung ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur dann "beitragsgerecht", wenn der geforderte Beitrag individuell die möglichen Unfallgefahren nach Quantität und Qualität betriebsbezogen berücksichtigt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 29.08.2017 a.a.O.)
Zudem würde eine Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten zu einer nicht kontrollierbaren individuellen Betreuungsintensität der einzelnen Betriebe führen, die mit einer deutlichen Kostensteigerung einherginge. Auch Praktikabilitätsgründe und ein möglichst geringer Verwaltungsaufwand können im Rahmen des weiten Entscheidungsspielraums des Satzungsgebers ein zulässiges Entscheidungskriterium sein. Eine weitere Differenzierung ist nicht geboten, denn der weite Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber der Selbstverwaltung hinsichtlich der Beitragsberechnungsgrundlagen in § 182 Abs. 2 SGB VII einräumt, lässt aus verwaltungstechnischen oder sonstigen Gründen gerade Pauschalierungen und Typisierungen auf einer bundesweiten Grundlage zu. Das BSG und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben mehrfach ausgeführt, dass Pauschalierungen und Typisierungen zulässig und die mit der damit verbundenen Typisierung nach dem Durchschnittsmaßstab entstehenden gewissen Härten hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 61/81 = BSGE 54, 232, 235 mit Hinweis auf BVerfGE 51,115, 122; BSG, Urteil vom 28. April 1982 12 RK 3/81 = SozR 2- 5800 § 4 Nr 2). Das Gericht hat dabei nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat. Maßgebend ist, ob -wie hier- sachgerechte, plausible Gründe für die autonome Rechtsetzung anzuführen sind (vgl. BSGE 68, 111, 115).
Zum Ausgleich von Härten, um den Übergang vom ehemals geltenden regionalen Beitragsmaßstab auf den neuen bundeseinheitlichen Beitragsmaßstab auszugestalten, wurde in dem mit Gesetz vom 12. April 2012 eingefügten § 221 b SGB VII "Übergangszeit und Beitragsangleichung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung" eine Übergangsphase für die Umlage von 2013 bis 2017 eingeführt. Dadurch sollte eine stufenweise Anpassung (Erhöhung oder Minderung) der bisherigen regionalen Beiträge an die Beiträge nach dem neuen bundeseinheitlichen Beitragsmaßstab erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung sollte das Gesetz einen angemessenen Übergangszeitraum bestimmen, in dem eine gleitende Anpassung der Beiträge an den neuen Maßstab auf der Grundlage von Angleichungssätzen festgelegt wird. Durch diesen allmählichen Angleichungsprozess und die Einführung von Härtefallregelungen sollte eine finanzielle Überforderung für einzelne Betriebe durch die bundesweite Festlegung der bisher unterschiedlichen Beitragsmaßstäbe der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vermieden oder gemildert werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 29.08.2017 a.a.O.)
Darüber hinaus sieht die Satzung zur Vermeidung unzumutbarer Beitragserhöhungen in der Übergangszeit gemäß § 221 b Abs. 4 SGB VII in § 49 a eine Härtefallregelung vor. Danach wird für Unternehmen, deren Beitrag nach erfolgter Beitragsangleichung (§ 221 b SGB VII) und gleichbleibenden Betriebsverhältnisses im jeweiligen Umlagejahr mindestens 300 Euro beträgt und 70 v.H. des Vorjahresbeitrags übersteigt, die Erhöhung auf 70 v.H. begrenzt.
Damit liegen sowohl eine Übergangsregelung als auch eine Härteklausel vor, der vom BVerfG wiederholt für die erforderliche Milderung offensichtlich unbilliger Ergebnisse besondere Bedeutung beigemessen wird (dazu BVerfG 35, 283, 291; BSGE 54, 232, 236; BSGE 68, 111, 117).
Die nach § 182 Abs. 1 SGB VII, § 47 Abs. 1 S. 1 der Satzung in einer Risikogruppe zusammengefassten Unternehmen sollen ihre Aufwendungen durch die Zahlung von Beiträgen selbst finanzieren (§ 55 Abs. 1 der Satzung). Die Beklagte hat in den §§ 55, 50, 56 und 57 das Verfahren zur Risikobemessung geregelt. Danach finanzieren die in einer Risikogruppe zusammengefassten Unternehmen die Aufwendungen, die die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als Folge von Versicherungsfällen in diesen Unternehmen zu leisten hatten, durch die Zahlung von Beiträgen grundsätzlich selbst (Verursacherprinzip). Dafür wird für jede Risikogruppe unter Berücksichtigung des jeweiligen Leistungsaufwands ein Risikogruppenfaktor ermittelt.
Der Kläger beanstandet, dass die Beklagte nicht nur die in den Risikogruppen entstandenen Aufwendungen, sondern auch Fremdaufwendungen umgelegt habe, die aus DDR-Altrenten resultierten. Das LSG Niedersachsen-Bremen führt in seiner Entscheidung vom 29.08.2017, der sich die Kammer vollumfänglich anschließt, dazu folgendes aus: Das BSG hat bereits mehrfach die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Finanzierung der Altlasten der DDR im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bestätigt (BSGE 79,23; BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 - B 2 U 31/03 R = BSGE 92,190 = SozR 4-2700 § 152 Nr 1; BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 14/06 R = BSGE 98, 229). Nach der Rechtsprechung des BSG ist es Ausfluss der spezifischen Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung zwischen den Unternehmen untereinander sowohl zwischen den früheren und den jetzigen als auch der auf dem Gebiet der früheren BRD und der früheren DDR sowie der Unternehmer (Arbeitgeber) und der Versicherten (Arbeitnehmer) nicht nur hinsichtlich der aktuellen Arbeits- und Berufskrankheiten-Geschehens, sondern auch über Generationen hinweg, so dass die Übernahme von DDR-Altlasten nicht zu beanstanden ist (BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 - B 2 U 31/03 R = BSGE 92,190 = SozR 4-2700 § 152 Nr 1; BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 14/06 R = BSGE 98, 229, 232).
Die Korrekturfaktoren führen ebenfalls nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides. Das LSG Niedersachsen-Bremen macht in seiner Entscheidung vom 29.08.2017 folgende Ausführung: Nach § 57 der Satzung wird ein solidarischer Ausgleich innerhalb der Risikogruppen durchgeführt, wenn es zu einem Über- oder Unterschreiten des Beitragsaufkommens kommt. Beitragsunter- und Überdeckungen der Produktionsverfahren innerhalb einer Risikogruppe nach Durchführung des solidarischen Ausgleichs nach § 56 werden auf 20 vH begrenzt. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 der Satzung wird die Reduzierung oder Erhöhung eines Risikogruppenfaktors durch die Umlageberechnung auf 20 vH begrenzt. Über- und Unterdeckungen werden auf die anderen Risikogruppen verteilt. Reduziert sich der Risikogruppenfaktor einer Risikogruppe gegenüber dem Risikogruppenfaktor des Vorjahres um mehr als 20 vH wird die Reduzierung auf 20 vH begrenzt (unterer Schwellenwert). Die Verteilung der zusätzlichen Beitragseinnahmen dieser Risikogruppe auf die anderen Risikogruppen erfolgt nach deren Anteilen an der Summe ihrer Beitragseinnahmen. Hierzu wird für jede Risikogruppe ein Korrekturfaktor Risikogruppe ermittelt (Abs 2). Auch bei Erhöhung des Risikogruppenfaktors einer Risikogruppe wird die Höhe auf 20 vH begrenzt (oberer Schwellenwert). Hierzu wird für jede Risikogruppe ein Korrekturfaktor Risikogruppe gebildet (Abs 3). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung vollumfänglich an.
Soweit der Kläger beanstandet, dass weder der Vorstand noch die Vertreterversammlung entsprechende Beschlüsse gefasst haben, obwohl die Korrekturfaktoren entscheidend für die Beitragshöhe seien, ist darauf hinzuweisen, dass für das Umlagejahr 2014 die Risikofaktoren einer Risikogruppe jedoch weder um 20 v.H. erhöht oder reduziert, keine Risikogruppe überschritt die nach § 56 der Satzung festgesetzten Schwellenwerte (Über- oder Unterdeckung). Deshalb kommt es auf die fehlende Festsetzung der Korrekturfaktoren nach § 56 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 der Satzung für das Umlagejahr 2014 nicht an, diese führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides.
Die Berechnung der Risikogruppenfaktoren und der Risikofaktoren erfolgt nach den Vorgaben der §§ 50, 55, 57 der Satzung. Die maßgebenden Berechnungsgrundlagen sind in der Satzung hinreichend klar festgelegt. Sowohl der Berechnungsweg für den Deckungsfaktor Grundbeitrag als auch für die Risikofaktoren ist in der Satzung bestimmt. Eine erneute Beschlussfassung für jedes Umlagejahr ist nicht erforderlich.
Regionale Aspekte sind entgegen der Ansicht des Klägers gerade nicht mehr zu berücksichtigen. Es sollte gerade ein bundeseinheitlicher Beitragsmaßstab eingeführt werden, um die bisher bestehenden gravierenden Beitragsunterschiede und die unterschiedliche Beitragsberechnung in der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu beseitigen (vgl. BR-Drucks. 698/11 S. 48). Ein Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 GG ist darin nicht zu sehen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist Art 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn "eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 76, 256, 329) Dabei legt das BVerfG je nach Regelung, Maßstab und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (BVerfGE 88, 87, 96; 105, 73, 110). Die Satzungsregelungen sind sachlich begründet und stehen zu der Belastung des Klägers in angemessenem Verhältnis, zumal im Rahmen von Beitragserhebungen gewisse Pauschalierungen praktisch notwendig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BSGE 98, 229, 238). Die Regelungen der Satzung der Beklagten für das Beitragsjahr 2014 knüpfen nicht an persönlichen Eigenschaften des Unternehmers an, sondern an der Art des Unternehmensgegenstandes bzw. der Art des Produktionsverfahrens. Die von der Beklagten getroffenen Festlegungen sind nach Maßgabe des Art 3 Abs. 1 GG nur daraufhin zu überprüfen, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat. Für die Bildung der einzelnen Produktionsarten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar, es werden an Sachkriterien orientierte und nachvollziehbare Gruppen gebildet. Die Beklagte hat mit der Gruppe des Intensivgemüses eine zulässige Typisierung getroffen. Es sollten einheitliche Beträge für identisch strukturierte Betriebe geschaffen werden und eine überregionale Beitragsgerechtigkeit sichergestellt werden. Es werden standardisierte Arbeitsbedarfswerte angesetzt, die in Abhängigkeit vom individuellen Umfang einzelner Produktionsverfahren und des Umfangs der allgemein anfallenden Arbeiten auf die entsprechenden Betriebe abzubilden sind. Selbst wenn diese Regelung bei einzelnen Gemüsearten zu Ungleichbehandlungen führen würde, wäre diese durch die bereits oben beschriebene Notwendigkeit von Typisierungen im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung und der Bildung von Risikogruppen, die groß genug sind, dass dem Leistungsrisiko ausreichende Einnahmen gegenüberstehen, gerechtfertigt (zum Ganzen LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 29.08.2017 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe, die Sprungrevision zuzulassen, sind für die Kammer nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung.
Der Kläger ist als Landwirt bei der Beklagten pflichtversichert. Hauptsächlich betreibt er Spargelanbau. Bis zum 31.12.2012 erfolgte die Beitragsberechnung nach regionalen Maßstäben durch die einzelnen zuständigen regionalen Berufsgenossenschaften, im Fall des Klägers die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg. Zum 01.01.2013 wurde die "Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)" aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG) vom 12. April 2012 errichtet. Die ehemaligen acht landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die Gartenbau-Berufsgenossenschaft und der Spitzenverband der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung wurden zum 01. Januar 2013 in die SVLFG als bundesunmittelbare Körperschaft des Öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung eingegliedert. Ab dem Umlagejahr 2013 wurde der Beitragsberechnung anstelle der bisherigen regionalen Beitragsmaßstäbe erstmals der von der Selbstverwaltung der SVLFG in ihrer Satzung beschlossenen bundeseinheitliche Beitragsmaßstab zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 07.08.2015 forderte die Beklagte vom Kläger den Beitrag für das Umlagejahr 2014 in Höhe von 3.743,43 EUR abzüglich eines geleisteten Vorschusses von 2.941,09 EUR, insgesamt 802,34 EUR und einen Vorschuss für das Jahr 2015 in Höhe von 2.994,72 EUR.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11.09.2015 Widerspruch ein. Für das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" sei ein Degressionsbereich bei 1 bis 50 ha von 107 bis 89,3781 BER beschlossen worden. Dieser Ansatz sei zu hoch, da der veranlagte Arbeitsbedarf sehr viel geringer sei. Dies sei auch in den Satzungen der ehemals selbständigen regionalen landwirtschaftlichen BGen zum Ausdruck gekommen. Zudem seien in den Risikogruppen nicht nur die dort entstandenen Aufwendungen, sondern auch Fremdaufwendungen umgelegt. So würde neben den durch eine fehlerhafte Festsetzung nicht ausreichenden Grundbetrag ca. 40 Mio. EUR aus sog. "DDR-Altrenten" auf die Versicherten umgelegt. Dadurch müsse ein Betrieb mit hohem Berechnungseinheitenansatz einen hohen Anteil an risikofremden Beitragsbestandteilen gegen sich gelten lassen. Zudem sei nicht bekannt, wie hoch die Aufwendungen der Beklagten in den jeweiligen Risikogruppen und Produktionsverfahren im Jahr 2013 tatsächlich gewesen seien, so dass der Beitragsbescheid diesbezüglich nicht nachvollziehbar sei. Nach § 57 der Satzung finde bei Über- oder Unterschreitung des Beitragsaufkommens ein solidarischer Ausgleich innerhalb der Risikogruppen statt. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass der Vorstand oder die Vertreterversammlung entsprechende Beschlüsse für die Festlegung von Korrekturfaktoren gefasst hätten. Da die Korrekturfaktoren entscheiden für die Beitragshöhe der einzelnen Versicherten seien, sei eine Beschlussfassung durch die Selbstverwaltung und Festlegung in der Satzung unabdingbar. Die Beitragssteigerung sein ferner nicht mehr angemessen. Weiterhin habe der Beitrag in der Vergangenheit die konkreten regionalen Unfallzahlen, die insbesondere in strukturellen Unterschieden begründet gewesen seien, berücksichtigt, wodurch Betriebe mit einem hohen Unfallaufkommen höhere Beiträge hätten zahlen müssen. Der neue Beitragsmaßstab bürde Regionen mit wenig Unfallrisiko und weniger Leistungsaufwendungen höhere Beitragsbelastungen auf, wodurch es zu Wettbewerbsverzerrungen käme. Präventionsarbeit und Unfallverhütung würden ebenso wenig berücksichtigt wie regionale Unterschiede.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beitragsberechnung erfolge auf der Grundlage des Arbeitsbedarfes als Abschätztarif (Risikobeitrag) zuzüglich eines Grundbeitrages. Die Arbeitsbedarfswerte seien bundeseinheitlich festgelegt worden. Ferner seien neue bundeseinheitliche Risikogruppen gebildet worden. Der Arbeitsbedarf werde im Gesetz ausdrücklich als alternative Berechnungsgrundlage genannt. Der Arbeitsbedarf werde nach dem Durchschnittsmaß der für das jeweilige Produktionsverfahren erforderlichen menschlichen Arbeit geschätzt. Die der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Produktionsverfahren und Arbeitszeiten seien von der SVLFG nicht willkürlich festgesetzt, sondern vom Gutachter Prof. Dr. Bahrs unter Zuhilfenahme von Auswertungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft, der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft und der landwirtschaftlichen, gartenbaulichen sowie forstwirtschaftlichen Offizialberatung im Rahmen eines wissenschaftlichen Gutachtens aufgestellt. Soweit dem Gutachter kein ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe, seien die Daten durch Experten bewertet worden. Eine individuelle Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitsbedarfes sei zwar möglich, müsste jedoch konkret in der Satzung geregelt werden. Wenn die Vertreterversammlung der SVLFG auf diese individuelle Betrachtung verzichte, sei dies Folge von typisierenden und pauschalierenden Regelungen, die bei verwaltungsmäßigen Massengeschäften notwendig und zulässig seien. Daher seien standardisierte Arbeitsbedarfswerte angesetzt worden, die in Abhängigkeit vom individuellen Umfang einzelner Produktionsverfahren und des Umfangs der allgemein anfallenden Arbeiten auf die entsprechenden Betriebe abzubilden seien. Damit sei die Vermutung verbunden, dass mehr Arbeit ein höheres Unfallrisiko bedeute. Der Arbeitsaufwand des einzelnen Unternehmers sei deshalb irrelevant. Durch die Typisierung verursachte Härten seien im Einzelfall hinzunehmen. Bemessungsgrundlage für die Abschätzung des Arbeitsbedarfes sei bei der Bodenbewirtschaftung die Fläche in Hektar und bei der Tierhaltung die im Jahresdurchschnitt gehaltene Anzahl von Tieren. Bei der überwiegenden Anzahl von Produktionsverfahren werde über einen Degressionsfaktor berücksichtigt, dass mit zunehmender Betriebsgröße die Arbeitszeit je Tier oder je Hektar Fläche abnehme.
Die Kulturart Spargel sei dem Produktionsverfahren "Intensivgemüse" zugeordnet, welches der Risikogruppe "Obst und Gemüse im Freiland, Hopfen, Tabak und Christbäume" zugeordnet sei. Es werde z.T. zwischen mechanisch beernteten und stärker händisch beernteten Sonderkulturen unterschieden, wodurch unterschiedlichen Risikostrukturen abgebildet werden könnten. Der ermittelte Arbeitsbedarf für Intensivgemüse sei nicht mehr vergleichbar mit dem bei den früheren LBGen für Spargel allein ermittelten Ansatz. Die Zusammenfassung aller händisch betriebenen Gemüseanbauarten verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da für Intensivgemüse nun ein bundeseinheitlicher Beitrag gezahlt werde.
Die in einer Risikogruppe zusammengefassten und einzelnen Produktionsverfahren zugeordneten Unternehmen finanzierten ihre Aufwendungen durch Beiträge. Für jede Risikogruppe werde dazu ein eigenständiger Risikofaktor festgesetzt. Sofern innerhalb der Risikogruppen bei einzelnen Produktionsverfahren eine Über- oder Unterdeckung bestehe, werde diese auf 20% begrenzt. Neben den zuordenbaren Aufwendungen seien als Folge des Zusammenschlusses der früheren LBGen zur SVLFG nichtzuordenbare Aufwendungen wie die DDR-Altrentenlast, die früher allein durch die mittel- und ostdeutschen LBGen sowie die BG für Gartenbau finanziert worden seien, auf die Risikogruppen und Produktionsverfahren zu verteilen. Eine Finanzierung über den Grundbeitrag scheide aufgrund der enumerativen Aufzählung der über den Grundbeitrag zu finanzierenden Aufwendungen in § 51 Abs. 2 der Satzung aus.
Der Gesamtbeitrag für den Kläger sei vom Jahr 2012 zum Jahr 2014 um 44,66% gestiegen. Vom Bund seien zur Senkung der Beiträge Zuschüsse bewilligt worden. Für das Jahr 2014 stünden im Vergleich zum Jahr 2012 jedoch 50 Mio. EUR weniger zu Verfügung. Zudem würden die Bundesmittel seit 2013 nicht mehr nach regionalen Gesichtspunkten verteilt, sondern es sei eine bundeseinheitliche Senkungsquote für das Jahr 2014 von 20,5% festgesetzt worden. Baden-Württemberg sei durch die bundesweit einheitliche Verteilung am stärksten betroffen. Für den Zeitraum 2013 bis 2017 gälten zur Abfederung Übergangsregelungen. Zudem gebe es in der Satzung eine Härteklausel. Die Umverteilung entsprechenden Vorgaben des Gesetzgebers, sowie der Forderung des Berufsstandes, wonach identische betriebe gleiche Beiträge zahlen sollen. Für die Einführung von Regionalklassen sei unter diesen Bedingungen kein Raum.
Daraufhin erhob der Kläger am 13.07.2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg. Er wiederholte sein Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen geänderten Beitragsbescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts zuzustellen, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führte sie aus, das Verfahren zur Berechnung der Risikogruppenfaktoren und der Risikofaktoren für die Produktionsverfahren sei in der Satzung verbindlich festgelegt. Eine zusätzliche Beschlussfassung durch die Selbstverwaltung für jedes Umlagejahr sei nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG läge ebenfalls nicht vor. Die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen berücksichtigten die Besonderheiten der Unternehmen. Die Einstufung in Risikogruppen stelle eine gewollte Ungleichbehandlung nicht gleicher Sachverhalte dar. Ziel des Zusammenschlusses sei die Bildung einer bundesweiten Solidargemeinschaft. Innerhalb dieser Solidargemeinschaft eine Differenzierung nach den verursachten Leistungsaufwendungen einer bestimmten Region zu machen, wäre aufgrund der Ungleichbehandlung ein Verstoß gegen Art. 3 GG.
Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten des Verfahrens und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 07.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2016, mit dem die Beklagte die Unfallversicherungsbeiträge für das Jahr 2014 festgesetzt hat. Der Kläger wendet sich ausdrücklich nicht gegen die Festsetzung des Vorschusses für das Jahr 2015.
Die Klage ist aber nicht begründet. Der angegriffene Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger in seinen Rechten nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufestsetzung einer niedrigeren Beitragsforderung.
Kraft Gesetzes sind in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung Personen versichert, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 5a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII). Gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus, der Fischzucht, Teichwirtschaft, Seen-, Bach- und Flussfischerei (Binnenfischerei), der Imkerei sowie den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege zuständig. Der Kläger ist unstreitig als Spargelbauer landwirtschaftlicher Unternehmer, fällt somit in die Zuständigkeit der Beklagten und unterliegt grundsätzlich der Beitragspflicht.
Die Beklagte hat den Beitrag des Klägers für das Jahr 2014 im Einklang mit ihrer Satzung zutreffend berechnet. Die Satzung der Beklagten ist diesbezüglich nicht zu beanstanden.
Bei der Überprüfung der Satzung sind Umfang und Grenzen Satzungsautonomie der Unfallversicherungsträger zu beachten. Die Satzungsbestimmungen sind von den Sozialgerichten nur daraufhin zu prüfen, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung des Satzungsgebers beruht, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (BSG, Urteil v. 20.02.2001, Az. B 2 U 2/00R; juris).
Die Satzung der Beklagten wurde von der Vertreterversammlung beschlossen und hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 18. Dezember 2007 (BGBl I 2984) sollten die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften die Beiträge stärker am Unfallrisiko orientieren ohne den Solidarbeitrag zu vernachlässigen. Danach erfolgte die Berechnung des Beitrags nicht mehr nach dem bisherigen Flächentarif, sondern auf der Grundlage des Arbeitsbedarfs zuzüglich eines Grundbeitrags (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.08.2017, Az. L 16 U 6/15, juris).
Gemäß § 182 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung hat die Satzung bei der Festlegung der Berechnungsgrundlagen die Unfallrisiken durch die Bildung von Risikogruppen zu berücksichtigen. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten werden zur Berücksichtigung des Unfallrisikos Risikogruppen gebildet, in denen Unternehmen mit vergleichbaren Produktionsverfahren oder vergleichbaren Betriebsformen zusammengefasst sind. Die Zuordnung der Unternehmen zu den Risikogruppen erfolgt auf der Grundlage des Produktionsverfahrens. Maßgebend ist das als Anlage 2 zu § 47 Abs. 2 der Satzung beigefügte Verzeichnis "Zuordnung der Unternehmen oder Unternehmensteile zu den Risikogruppen". Die Beklagte hat somit die Vorgaben des Gesetzes umgesetzt und Risikogruppen gebildet und innerhalb der einzelnen Risikogruppen nach Produktionsverfahren differenziert. Nach § 47 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Nr. 3 der Anlage 2 ist die Risikogruppe "Obst und Gemüse im Freiland, Hopfen, Tabak und Christbäume" gebildet worden. Diese umfasst bezüglich Obst und Gemüse die Produktionsverfahren "Obstanbau mit mechanischer Ernteunterstützung", "Baumobst", "Beerenobst", "Industriegemüse mit voll mechanischer Ernte ohne weitere Aufbereitung sowie Blumen im Freiland zum Selberschneiden", "Industrie und Frischgemüse mit händischer Ernte/Aufbereitung" und "Intensivgemüse" Unter das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" fallen Spargel, Gurken, Tomaten, Bundzwiebeln und Stangenbohnen. Die Finanzierung der einzelnen Produktionsverfahren einer Risikogruppe erfolgt gemäß §§ 47, 50 der Satzung über die Multiplikation der für ein Produktionsverfahren ermittelten Summe der Berechnungseinheiten mit dem Hebesatz und dem jeweiligen Risikogruppenfaktor. Grundsätzlich gilt, dass einer Risikogruppe nur solche Produktionsverfahren zugeordnet werden dürfen, deren Betriebe in vergleichbaren Produktionsverfahren oder in vergleichbaren Betriebsformen wirtschaften.
Die Aufteilung der Risikogruppe Obst und Gemüse im Freiland in die genannten Produktionsverfahren und die Einordnung von Spargel in das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit der Einführung des neuen bundeseinheitlichen Maßstabes die bis dato in den ehemaligen Regionen unterschiedlich festgesetzten Berechnungseinheiten vereinheitlicht werden. So setzten die regionalen Berufsgenossenschaften die Berechnungseinheiten für Spargel jeweils regional festgesetzt. Der nun ermittelte Arbeitstarif für das Produktionsverfahren "Intensivgemüse" ist aufgrund der neuen Kulturartengemeinschaft nicht vergleichbar mit dem bei den früheren landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für das Produktionsverfahren "Spargel" allein ermittelte Ansatz. Mit der Einführung des neuen bundeseinheitlichen Beitragsmaßstabs sollte stärker als in der Vergangenheit nach Risikogruppen und Produktionsverfahren differenziert werden. Mit der Umstellung der Beitragsmaßstäbe und Risikogruppenzuordnungen auf bundeseinheitliche Regelungen erfolgt zwangsläufig eine Umverteilung der Beitragslast. Vorher bestanden zum Teil gravierende Belastungsunterschiede durch regional unterschiedlich hohe Beiträge für gleich strukturierte Betriebe. Diese führten in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen. Nunmehr sollten bundesweit für vergleichbare Betriebe gleiche Beiträge berechnet werden. Gerade durch den einheitlichen Beitragsmaßstab für alle Betriebe sollte eine überregionale Gerechtigkeit sichergestellt und bestehende Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Die Beitragsangleichung entsprach danach einer einstimmig beschlossenen Forderung des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte das Unfallrisiko durch die Bildung von Risikogruppen stärker berücksichtigt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die tatsächliche Unfalllast des individuellen Unternehmens berücksichtigt wird. Selbst wenn in dem Unternehmen des Klägers tatsächlich keine oder nur wenige Unfälle zu verzeichnen sind, kommt es auf die individuelle Risikoverteilung nicht an. Die Beitragserhebung ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur dann "beitragsgerecht", wenn der geforderte Beitrag individuell die möglichen Unfallgefahren nach Quantität und Qualität betriebsbezogen berücksichtigt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 29.08.2017 a.a.O.)
Zudem würde eine Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten zu einer nicht kontrollierbaren individuellen Betreuungsintensität der einzelnen Betriebe führen, die mit einer deutlichen Kostensteigerung einherginge. Auch Praktikabilitätsgründe und ein möglichst geringer Verwaltungsaufwand können im Rahmen des weiten Entscheidungsspielraums des Satzungsgebers ein zulässiges Entscheidungskriterium sein. Eine weitere Differenzierung ist nicht geboten, denn der weite Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber der Selbstverwaltung hinsichtlich der Beitragsberechnungsgrundlagen in § 182 Abs. 2 SGB VII einräumt, lässt aus verwaltungstechnischen oder sonstigen Gründen gerade Pauschalierungen und Typisierungen auf einer bundesweiten Grundlage zu. Das BSG und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben mehrfach ausgeführt, dass Pauschalierungen und Typisierungen zulässig und die mit der damit verbundenen Typisierung nach dem Durchschnittsmaßstab entstehenden gewissen Härten hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 61/81 = BSGE 54, 232, 235 mit Hinweis auf BVerfGE 51,115, 122; BSG, Urteil vom 28. April 1982 12 RK 3/81 = SozR 2- 5800 § 4 Nr 2). Das Gericht hat dabei nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat. Maßgebend ist, ob -wie hier- sachgerechte, plausible Gründe für die autonome Rechtsetzung anzuführen sind (vgl. BSGE 68, 111, 115).
Zum Ausgleich von Härten, um den Übergang vom ehemals geltenden regionalen Beitragsmaßstab auf den neuen bundeseinheitlichen Beitragsmaßstab auszugestalten, wurde in dem mit Gesetz vom 12. April 2012 eingefügten § 221 b SGB VII "Übergangszeit und Beitragsangleichung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung" eine Übergangsphase für die Umlage von 2013 bis 2017 eingeführt. Dadurch sollte eine stufenweise Anpassung (Erhöhung oder Minderung) der bisherigen regionalen Beiträge an die Beiträge nach dem neuen bundeseinheitlichen Beitragsmaßstab erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung sollte das Gesetz einen angemessenen Übergangszeitraum bestimmen, in dem eine gleitende Anpassung der Beiträge an den neuen Maßstab auf der Grundlage von Angleichungssätzen festgelegt wird. Durch diesen allmählichen Angleichungsprozess und die Einführung von Härtefallregelungen sollte eine finanzielle Überforderung für einzelne Betriebe durch die bundesweite Festlegung der bisher unterschiedlichen Beitragsmaßstäbe der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vermieden oder gemildert werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 29.08.2017 a.a.O.)
Darüber hinaus sieht die Satzung zur Vermeidung unzumutbarer Beitragserhöhungen in der Übergangszeit gemäß § 221 b Abs. 4 SGB VII in § 49 a eine Härtefallregelung vor. Danach wird für Unternehmen, deren Beitrag nach erfolgter Beitragsangleichung (§ 221 b SGB VII) und gleichbleibenden Betriebsverhältnisses im jeweiligen Umlagejahr mindestens 300 Euro beträgt und 70 v.H. des Vorjahresbeitrags übersteigt, die Erhöhung auf 70 v.H. begrenzt.
Damit liegen sowohl eine Übergangsregelung als auch eine Härteklausel vor, der vom BVerfG wiederholt für die erforderliche Milderung offensichtlich unbilliger Ergebnisse besondere Bedeutung beigemessen wird (dazu BVerfG 35, 283, 291; BSGE 54, 232, 236; BSGE 68, 111, 117).
Die nach § 182 Abs. 1 SGB VII, § 47 Abs. 1 S. 1 der Satzung in einer Risikogruppe zusammengefassten Unternehmen sollen ihre Aufwendungen durch die Zahlung von Beiträgen selbst finanzieren (§ 55 Abs. 1 der Satzung). Die Beklagte hat in den §§ 55, 50, 56 und 57 das Verfahren zur Risikobemessung geregelt. Danach finanzieren die in einer Risikogruppe zusammengefassten Unternehmen die Aufwendungen, die die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als Folge von Versicherungsfällen in diesen Unternehmen zu leisten hatten, durch die Zahlung von Beiträgen grundsätzlich selbst (Verursacherprinzip). Dafür wird für jede Risikogruppe unter Berücksichtigung des jeweiligen Leistungsaufwands ein Risikogruppenfaktor ermittelt.
Der Kläger beanstandet, dass die Beklagte nicht nur die in den Risikogruppen entstandenen Aufwendungen, sondern auch Fremdaufwendungen umgelegt habe, die aus DDR-Altrenten resultierten. Das LSG Niedersachsen-Bremen führt in seiner Entscheidung vom 29.08.2017, der sich die Kammer vollumfänglich anschließt, dazu folgendes aus: Das BSG hat bereits mehrfach die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Finanzierung der Altlasten der DDR im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bestätigt (BSGE 79,23; BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 - B 2 U 31/03 R = BSGE 92,190 = SozR 4-2700 § 152 Nr 1; BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 14/06 R = BSGE 98, 229). Nach der Rechtsprechung des BSG ist es Ausfluss der spezifischen Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung zwischen den Unternehmen untereinander sowohl zwischen den früheren und den jetzigen als auch der auf dem Gebiet der früheren BRD und der früheren DDR sowie der Unternehmer (Arbeitgeber) und der Versicherten (Arbeitnehmer) nicht nur hinsichtlich der aktuellen Arbeits- und Berufskrankheiten-Geschehens, sondern auch über Generationen hinweg, so dass die Übernahme von DDR-Altlasten nicht zu beanstanden ist (BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 - B 2 U 31/03 R = BSGE 92,190 = SozR 4-2700 § 152 Nr 1; BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 14/06 R = BSGE 98, 229, 232).
Die Korrekturfaktoren führen ebenfalls nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides. Das LSG Niedersachsen-Bremen macht in seiner Entscheidung vom 29.08.2017 folgende Ausführung: Nach § 57 der Satzung wird ein solidarischer Ausgleich innerhalb der Risikogruppen durchgeführt, wenn es zu einem Über- oder Unterschreiten des Beitragsaufkommens kommt. Beitragsunter- und Überdeckungen der Produktionsverfahren innerhalb einer Risikogruppe nach Durchführung des solidarischen Ausgleichs nach § 56 werden auf 20 vH begrenzt. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 der Satzung wird die Reduzierung oder Erhöhung eines Risikogruppenfaktors durch die Umlageberechnung auf 20 vH begrenzt. Über- und Unterdeckungen werden auf die anderen Risikogruppen verteilt. Reduziert sich der Risikogruppenfaktor einer Risikogruppe gegenüber dem Risikogruppenfaktor des Vorjahres um mehr als 20 vH wird die Reduzierung auf 20 vH begrenzt (unterer Schwellenwert). Die Verteilung der zusätzlichen Beitragseinnahmen dieser Risikogruppe auf die anderen Risikogruppen erfolgt nach deren Anteilen an der Summe ihrer Beitragseinnahmen. Hierzu wird für jede Risikogruppe ein Korrekturfaktor Risikogruppe ermittelt (Abs 2). Auch bei Erhöhung des Risikogruppenfaktors einer Risikogruppe wird die Höhe auf 20 vH begrenzt (oberer Schwellenwert). Hierzu wird für jede Risikogruppe ein Korrekturfaktor Risikogruppe gebildet (Abs 3). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung vollumfänglich an.
Soweit der Kläger beanstandet, dass weder der Vorstand noch die Vertreterversammlung entsprechende Beschlüsse gefasst haben, obwohl die Korrekturfaktoren entscheidend für die Beitragshöhe seien, ist darauf hinzuweisen, dass für das Umlagejahr 2014 die Risikofaktoren einer Risikogruppe jedoch weder um 20 v.H. erhöht oder reduziert, keine Risikogruppe überschritt die nach § 56 der Satzung festgesetzten Schwellenwerte (Über- oder Unterdeckung). Deshalb kommt es auf die fehlende Festsetzung der Korrekturfaktoren nach § 56 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 der Satzung für das Umlagejahr 2014 nicht an, diese führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides.
Die Berechnung der Risikogruppenfaktoren und der Risikofaktoren erfolgt nach den Vorgaben der §§ 50, 55, 57 der Satzung. Die maßgebenden Berechnungsgrundlagen sind in der Satzung hinreichend klar festgelegt. Sowohl der Berechnungsweg für den Deckungsfaktor Grundbeitrag als auch für die Risikofaktoren ist in der Satzung bestimmt. Eine erneute Beschlussfassung für jedes Umlagejahr ist nicht erforderlich.
Regionale Aspekte sind entgegen der Ansicht des Klägers gerade nicht mehr zu berücksichtigen. Es sollte gerade ein bundeseinheitlicher Beitragsmaßstab eingeführt werden, um die bisher bestehenden gravierenden Beitragsunterschiede und die unterschiedliche Beitragsberechnung in der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu beseitigen (vgl. BR-Drucks. 698/11 S. 48). Ein Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 GG ist darin nicht zu sehen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist Art 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn "eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 76, 256, 329) Dabei legt das BVerfG je nach Regelung, Maßstab und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (BVerfGE 88, 87, 96; 105, 73, 110). Die Satzungsregelungen sind sachlich begründet und stehen zu der Belastung des Klägers in angemessenem Verhältnis, zumal im Rahmen von Beitragserhebungen gewisse Pauschalierungen praktisch notwendig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BSGE 98, 229, 238). Die Regelungen der Satzung der Beklagten für das Beitragsjahr 2014 knüpfen nicht an persönlichen Eigenschaften des Unternehmers an, sondern an der Art des Unternehmensgegenstandes bzw. der Art des Produktionsverfahrens. Die von der Beklagten getroffenen Festlegungen sind nach Maßgabe des Art 3 Abs. 1 GG nur daraufhin zu überprüfen, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat. Für die Bildung der einzelnen Produktionsarten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar, es werden an Sachkriterien orientierte und nachvollziehbare Gruppen gebildet. Die Beklagte hat mit der Gruppe des Intensivgemüses eine zulässige Typisierung getroffen. Es sollten einheitliche Beträge für identisch strukturierte Betriebe geschaffen werden und eine überregionale Beitragsgerechtigkeit sichergestellt werden. Es werden standardisierte Arbeitsbedarfswerte angesetzt, die in Abhängigkeit vom individuellen Umfang einzelner Produktionsverfahren und des Umfangs der allgemein anfallenden Arbeiten auf die entsprechenden Betriebe abzubilden sind. Selbst wenn diese Regelung bei einzelnen Gemüsearten zu Ungleichbehandlungen führen würde, wäre diese durch die bereits oben beschriebene Notwendigkeit von Typisierungen im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung und der Bildung von Risikogruppen, die groß genug sind, dass dem Leistungsrisiko ausreichende Einnahmen gegenüberstehen, gerechtfertigt (zum Ganzen LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 29.08.2017 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe, die Sprungrevision zuzulassen, sind für die Kammer nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
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