L 5 RS 75/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 50 RS 491/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 75/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 16/16 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Höhe der geltend gemachten Jahresendprämien wurde durch Schätzung ermittelt.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Y ... vom 4. Dezember 2013 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verurteilt, unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 23. Februar 2005 weitere Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben wie folgt zu berücksichtigen sind: Im Jahr 1975 404,61 Mark 1976 429,49 Mark 1977 494,97 Mark 1978 540,51 Mark 1979 582,40 Mark 1980 656,78 Mark 1981 733,48 Mark 1982 727,94 Mark 1983 689,10 Mark 1984 727,41 Mark 1985 1.058,33 Mark 1986 748,01 Mark 1987 739,01 Mark 1988 763,90 Mark Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 9/10.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Zeitraum 1. September 1974 bis 30. Juni 1990, der als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt ist, höhere Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien festzustellen.

Dem 1948 geborenen Kläger wurde mit Urkunde vom 24. Juli 1974 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen (vgl. Bl. 96 Gerichtsakte [GA]). Zuvor absolvierte er ein Studium an der Ingenieurschule für Maschinenbau A ... Vom 1. September 1974 bis 31. Dezember 1984 war er als Fertigungstechnologe bzw. Projektierungsingenieur im Volkseigenen Betrieb (VEB) Fortschritt Z ..., VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen bzw. Kombinat Fortschritt Landmaschinen VEB Agroanlagen Y ..., vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Januar 1989 als Projektierungsingenieur, Gruppenleiter Projektierung bzw. Vorhabenkoordinator im VEB Mühlenbau Y ... sowie vom 1. Februar 1989 bis zum 30. Juni 1990 wiederum (als Vorhabenkoordinator) im Kombinat Fortschritt Landmaschinen VEB Agroanlagen Y ... beschäftigt (vgl. Sozialversicherungsausweis Bl. 63 ff. GA).

Mit Feststellungsbescheid vom 23. Februar 2005 (Bl. 10 Verwaltungsakte [VA]) stellte die Beklagte den Zeitraum 1. September 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 6. März 2008 (Bl. 7 VA) begehrte der Kläger die Feststellung höherer Entgelte unter Einbeziehung von Jahresendprämien. Zur Glaubhaftmachung legte er eine schriftliche Erklärung der Sächsischen Anlagenbau (S ...) GmbH, Rechtsnachfolgerin des VEB Agroanlagenbau Y ..., vor, worin der Geschäftsführer bestätigt, dass im VEB regelmäßig Jahresendprämien in Höhe von 95 bis 105% des durchschnittlichen Monatsbruttoverdienstes gezahlt worden seien (Bl. 8 VA). Mit Bescheid vom 2. Juli 2010 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 lehnte die Beklagte die Feststellung höherer Entgelte mit der Begründung ab, Zufluss und Höhe der Jahresendprämien seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Mit seiner am 16. März 2011 vor dem Sozialgericht Y ... erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Zahlung von Jahresendprämien sei glaubhaft gemacht. Das Gericht hat den Zeugen W ..., Geschäftsführer der S ... GmbH, schriftlich zur Zahlung von Jahresendprämien befragt. Er gab an, von März 1976 bis 1990 im VEB Agroanlagen Y ... als Kollege des Klägers beschäftigt gewesen zu sein. Jahresendprämien seien, auch an den Kläger, jedes Jahr gezahlt worden. Die genaue Höhe sei ihm nicht erinnerlich. Mit Urteil vom 4. Dezember 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den Zufluss und die Höhe der Jahresendprämien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Gegen das am 23. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Januar 2014 Berufung eingelegt. Der Zufluss der Jahresendprämie sei durch die schriftliche Zeugenerklärung glaubhaft gemacht.

Der Kläger beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 4. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 23. Februar 2005 zu verurteilen, Jahresendprämien in den Jahren 1975 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Eine Schätzung der Höhe der Jahresendprämien sei nicht möglich.

Auf Aufforderung des Gerichts hat der Kläger u.a. eine Leistungseinschätzung vom 25. September 1979, zwei undatierte Einschätzungen, zwei Urkunden zur Verleihung des Ehrentitels "Verdienstvoller Mitarbeiter" aus den Jahren 1978 und 1980 sowie eine Karte zur Auszahlung der Jahresendprämie im VEB Mühlenbau Y ... im Jahr 1985 übersandt. Weiter hat das Gericht die Zeugen C ... und D ... zur Zahlung von Jahresendprämien im VEB Mühlenbau Y ... sowie den Zeugen E ... im VEB Fortschritt Z ..., VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen bzw. Kombinat Fortschritt Landmaschinen VEB Agroanlagen Y ... schriftlich befragt. Der Zeuge D ... war von 1984 bis 1989 als Leiter Absatz im VEB Mühlenbau Y ... beschäftigt und gab an, im VEB seien jährlich Jahresendprämien gezahlt worden. Der Zeuge C ... war von 1984 bis 1989 als Gruppenleiter Elektro-Projektierung im VEB Mühlenbau Y ... tätig und gab an, in diesem Zeitraum seien durchgängig Jahresendprämien gezahlt worden. Der Zeuge X ... war von 1974 bis 1978 als Gruppenleiter in einer anderen Abteilung als der Kläger und von Februar 1989 bis März 1990 als sein Vorgesetzter im VEB Agroanlagen Y ... bzw. in den Vorgängerbetrieben beschäftigt und gab an, der VEB Agroanlagen Y ... und der VEB Fortschritt Z ... seien Kombinatsbetriebe des Kombinat Fortschritt Landmaschinen gewesen. Jahresendprämien seien zentral von der Kombinatsleitung vorgegeben und jährlich gezahlt worden.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte, ohne mündlich zu verhandeln, entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist zum größten Teil begründet. Das Sozialgericht Y ... hat die Klage mit Urteil vom 4. Dezember 2013 zu Unrecht abgewiesen, soweit der Kläger die Berücksichtigung höherer Entgelte im tenorierten Umfang begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies ist der Fall. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 23. Februar 2005 ist dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1975 bis 1988 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversor-gungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 23. Februar 2005 die Zeit vom 1. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte in den Jahren 1975 bis 1988 zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeits-entgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 25 m.w.N.)

1. Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des BSG im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben, war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.

Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juli 2015 – L 5 RS 668/14 –, vom 12. Mai 2015 – L 5 RS 424/14 – und vom 28. April 2015 – L 5 RS 450/14 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 33 R 151/13 – juris Rn. 38).

2. Der Kläger hat den Zufluss der Jahresendprämien in den Jahren 1975 bis 1988 (für die Beschäftigungsjahre 1974 bis 1987) zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (vgl. hierzu die Ausführungen unter Buchstabe a). Die Höhe der Jahresendprämien hat er im Jahr 1985 glaubhaft gemacht, im Übrigen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Insoweit macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung gebrauch (vgl. dazu Ausführungen unter Buchstabe b). Der Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1989 und 1990 hat er weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Insoweit bleibt die Berufung erfolglos (vgl. dazu Ausführungen unter Buchstabe c).

a) Den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1975 bis 1988 konnte der Kläger nicht nachweisen, jedoch glaubhaft machen.

aa) Der Kläger verfügt für diese Jahre nicht über Quittungen, auf denen die Barauszahlung der jeweiligen Prämie – nach Angaben der Zeugen D ... und C ... gängige Praxis zumindest im VEB Mühlenbau Y ... – bestätigt wurde. Insbesondere hat der Kläger den Zufluss der Jahresendprämie im Jahr 1985 nicht nachgewiesen. Zwar hat er ein Schreiben vorgelegt, in dem u.a. vom Betriebsdirektor die Zahlung einer Jahresendprämie in Höhe von 1.270 Mark an den namentlich benannten Kläger während seiner Beschäftigung im VEB Mühlenbau Y ... bestätigt wird (Bl. 71). Jedoch steht nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass ihm die Zahlung im Jahr 1985 zugeflossen ist. Zwar ist auf der Vorderseite handschriftlich die Jahreszahl 1985 vermerkt. Allerdings war der Kläger das gesamte Planjahr 1984 nicht in diesem VEB, sondern im VEB Agroanlagen Y ... beschäftigt, weshalb die Voraussetzung von § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR nicht erfüllt ist. Allerdings sieht § 117 Abs. 2 AGB-DDR Ausnahmen u.a. für den Fall vor, dass der Betriebswechsel aufgrund eines gesellschaftlichen Erfordernisses erfolgt ist. Dies bestätigte zwar der Zeuge X ... in seiner Erklärung vom 7. September 2016. Gemäß seinen Angaben in der Erklärung vom 17. Juni 2016 war er jedoch nicht im VEB Mühlenbau Y ..., sondern im VEB Agroanlagen Y ... mit dem Kläger gemeinsam beschäftigt. Da der Zeuge (lediglich) von 1974 bis 1978 und im Zeitraum Februar 1989 bis März 1990 im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers tätig war, steht aufgrund seiner Angaben – auch nicht im Zusammenhang mit dem handschriftlichen Vermerk der Jahreszahl – nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betriebswechsel zum 1. Januar 1985 aus betrieblichen Gründen erfolgt ist.

bb) Jedoch konnte der Kläger den Zufluss der geltend gemachten Prämien in den Jahren 1975 bis 1988 glaubhaft machen.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9 ff – juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 – 12 RK 42/80 – BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 – juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 – juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben – Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit – reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 – juris Rn. 5).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien in den Jahren 1975 bis 1988 vorlagen und er sie jeweils erhalten hat.

(1) Ausweislich der Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war er während der gesamten Jahre 1975 bis 1983 im VEB Fortschritt Z ..., VEB Kombinat Fortschritt bzw. VEB Agroanlagenbau Y ... sowie in den Jahren 1985 bis 1987 im VEB Mühlenbau Y ... beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie in den Folgejahren 1976 bis 1984 sowie 1986 bis 1988 vorausgesetzt war.

Im Jahr 1974 war er zwar erst ab dem 1. September im VEB Fortschritt Z ... beschäftigt. Jedoch hat er grundsätzlich Anspruch auf anteilige Jahresendprämie erworben, weil die Voraussetzung von § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe d AGB-DDR erfüllt ist. Danach besteht Anspruch auf anteilige Jahresendprämie im Falle der Aufnahme einer Tätigkeit nach Abschluss des Studiums. Der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt eine Tätigkeit nach Abschluss seines Direktstudiums an der Ingenieurschule für Maschinenbau A ... von 1971 bis 1974 (vgl. Einschätzung Bl. 67 GA) aufgenommen. Dies ergibt sich auch aus den Eintragungen im SV-Ausweis, wonach der Kläger bis zum 31. August 1974 als Student geführt wurde und am 1. September 1974 seine Tätigkeit als Fertigungstechnologe im VEB Fortschritt Z ... begann.

Im Planjahr 1984 war er – wie ausgeführt – im VEB Agroanlagenbau Y ... und damit nicht in demselben VEB beschäftigt wie im darauffolgenden Zuflussjahr 1985 (VEB Mühlenbau Y ...), weshalb die Voraussetzung von § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR nicht erfüllt ist. Jedoch ist zumindest glaubhaft gemacht, dass ihm die Jahresendprämie im Jahr 1985, wohl aufgrund der Ausnahmevorschrift des § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe e AGB-DDR, wonach Anspruch auf Jahresendprämie auch im Falle eines Betriebswechsels aufgrund gesellschaftlicher Erfordernisse besteht, zugeflossen ist. Zwar steht dies nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, ist jedoch aufgrund des vorgelegten Anschreibens zur Zahlung einer Jahresendprämie im Jahr 1985 mit der handschriftlich vermerkten Jahreszahl überwiegend wahrscheinlich.

(2) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie der Kläger und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.

Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972 – (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe – Prämienfond-VO 1982 – (BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.

Aufgrund der schriftlichen Angaben der Zeugen D ..., C ... und X ... ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). So gab der Zeuge D ... für den VEB Mühlenbau Y ... an, Jahresendprämien seien in den Jahren seiner Beschäftigung von 1984 bis 1989 auf der Grundlage von Unterschriftslisten in den Abteilungen bar ausgezahlt worden. Der Zeuge C ... gab übereinstimmend hiermit an, die Prämien seien gegen Unterschrift persönlich ausgezahlt und quittiert worden. In den Jahren 1984 bis 1989 seien durchgängig Jahresendprämien gezahlt worden. Da er nichts Gegenteiliges gehört habe, sei davon auszugehen, dass auch der Kläger jährlich eine Jahresendprämie erhalten habe. Hieraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien im Betrieb die übliche Praxis war und nur in besonderen Ausnahmefällen, von denen jedenfalls leitende Mitarbeiter wie der Zeuge C ... Kenntnis erlangt hätten, hiervon abgewichen wurde. Bestätigt wird die generelle Zahlung von Jahresendprämien auch an den Kläger zudem durch den Beleg für das Jahr 1985, auf dem die Auszahlung gerade an ihn namentlich bestätigt wird. Der Zeuge X ... gab für den VEB Fortschritt Z ..., VEB Kombinat Fortschritt bzw. VEB Agroanlagenbau Y ... an, die Prämien seien zentral von der Kombinatsleitung festgelegt und jährlich gezahlt worden. Innerhalb der Bereiche sei minimal differenziert worden zwischen den Kollegen entsprechend der Arbeitsleistung. Zwar war der Zeuge seinen Angaben nach nur in den Jahren 1974 bis 1978 und im Zeitraum Februar 1989 bis März 1990 mit dem Kläger gemeinsam in dessen Beschäftigungsbetrieb tätig. Dafür, dass auch in den Jahren 1979 bis 1984 grundsätzlich Jahresendprämien gezahlt wurden, sprechend die Angaben des in erster Instanz befragten Zeugen Wetzel, der insoweit auch die Angaben des Zeugen X ... bestätigt. Dieser war von 1976 bis 1990 im VEB Agroanlagen Y ... beschäftigt, wobei seiner Erinnerung nach Jahresendprämien jährlich gezahlt worden seien. Seinen Angaben kommt hierbei besonderes Gewicht zu, weil er auch Vorsitzender der Wettbewerbskommission war, die die Leistungen der Kollektive einschätzte, und er somit aus eigener Erfahrung über das gesamte betriebliche Procedere berichten kann. Diese Angaben bestätigen, dass die jährliche Zahlung von Jahresendprämien auch in diesem Betrieb gängige Praxis war.

Als weiteres Indiz dafür, dass der Kläger die Mindestvorgaben erfüllt hat, können die von ihm vorgelegten Auszeichnungen und Leistungsbeurteilungen herangezogen werden. So wurde er in den Jahren 1978 und 1980 u.a. in Anerkennung hervorragender Einsatzbereitschaft als "Verdienstvoller Mitarbeiter" ausgezeichnet. In der Leistungseinschätzung vom 25. September 1979 werden seine Arbeitsleistungen als gut eingeschätzt. In den weiteren Einschätzungen wird ihm bescheinigt, dass er seine Aufgaben als Projektierungsingenieur ordentlich und zielstrebig bearbeitet bzw. die ihm übertragenen Aufgaben zielstrebig und in sehr guter Qualität erfüllt hat. Daraus wird deutlich, dass der Kläger zumindest keine Defizite aufwies, die ein Ausschluss von der Jahresendprämienzahlung gerechtfertigt hätten.

b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte der Kläger – da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang – nicht nachweisen. Eine Glaubhaftmachung ist lediglich für das Jahr 1985 gelungen. Hierfür wird in dem an den Kläger persönlich gerichteten Anschreiben der Betrag von 1.270 Mark ausdrücklich benannt. Der Betrag ist in Höhe 1.058,33 Mark (fünf Sechstel) zu berücksichtigen, § 6 Abs. 6 AAÜG. Im Übrigen ist eine Glaubhaftmachung nicht gelungen. Weder kann den Erklärungen der Zeugen noch denen des Klägers selbst die Höhe der Jahresendprämie entnommen werden. Die Zeugen gaben vielmehr übereinstimmend an, dass sich die Höhe am Gehalt orientierte und jährlich differierte. Angaben zur konkreten Höhe der an den Kläger ausbezahlten Prämien konnte keiner der Zeugen machen.

Das Gericht macht hinsichtlich der Zuflussjahre 1975 bis 1984 und 1986 bis 1988 jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 – L 5 RS 462/13 – und vom 12. Mai 2015 – L RS 382/14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet. Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl. § 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der in den jeweiligen Planungsjahren erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 23. Februar 2005 ergibt. Diese Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie (nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets 100 % oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.

Hieraus ergibt sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämie:

Anspruchsjahr Jahresarbeits-verdienst in Mark Monatsdurch-schnittsverdienst 70% 5/6 Zuflussjahr 1974 2.774,44 693,61 485,53 404,61 1975 1975 8.835,15 736,26 515,38 429,49 1976 1976 10.182,15 848,51 593,96 494,97 1977 1977 11.119,00 926,58 648,61 540,51 1978 1978 11.980,75 998,40 698,88 582,40 1979 1979 13.510,89 1.125,91 788,14 656,78 1980 1980 15.088,75 1.257,40 880,18 733,48 1981 1981 14.974,76 1.247,90 873,53 727,94 1982 1982 14.175,81 1.181,32 826,92 689,10 1983 1983 14.963,84 1.246,99 872,89 727,41 1984 1985 15.387,57 1.282,30 897,61 748,01 1986 1986 15.202,44 1.266,87 886,81 739,01 1987 1987 15.714,54 1.309,55 916,68 763,90 1988

c) Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Für die Planjahre 1988 und 1989 (Zuflussjahre 1989 und 1990) kann indes keine Jahresendprämie berücksichtigt werden, weil bereits ihr Zufluss nicht glaubhaft gemacht wurde. Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie war nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR, dass der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebes war. Der Kläger war jedoch im Planjahr 1988 im VEB Mühlenbau Y ... beschäftigt, weshalb ihm im Jahr 1989 grundsätzlich kein Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie im VEB Agroanlagen Y ... – für das Jahr seiner Beschäftigung im VEB Mühlenbau Y ... – zustand. Zwar wechselte er im Jahr 1989 zum VEB Agroanlagen Y ..., wo ihm jedoch auch für dieses Jahr kein Anspruch auf Jahresendprämie zustand, weil er nicht das gesamte Jahr 1989, sondern erst ab dem 1. Februar, im VEB beschäftigt war. Für einen Betriebswechsel auf Grund gesellschaftlicher Erfordernisse bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Dies wird auch vom Kläger nicht behauptet. Der Zeuge X ... gab lediglich an, dass der Wechsel 1985 zum VEB Mühlenbau Y ... eine zentrale Entscheidung der Kombinatsleitung gewesen sei, macht jedoch zum Wechsel im Jahr 1989 keine Angaben. Auch für das Vorliegen einer Ausnahme nach § 117 Abs. 2 Satz 2 AGB-DDR, wonach der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung über die Gewährung der anteiligen Jahresendprämie in weiteren gesellschaftlich gerechtfertigten Fällen entscheiden konnte, ist nichts ersichtlich. Insbesondere kann das Gericht eine solche (Ermessens-)Entscheidung des Betriebsleiters nicht nachholen. Soweit der Zeuge X ... angibt, die Zahlung der Jahresendprämie für das Jahr 1988 sei im Folgejahr erfolgt, folgt hieraus nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit gerade einer Zahlung an den Kläger. Denn wie dargelegt fehlt es für seine Person bereits an der Voraussetzung des § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, weil das Bundessozialgericht auf Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten gegen die die Jahresendprämien im Wege der Schätzung zusprechenden Urteile des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts mit Beschlüssen vom 30. Juni 2016 (u.a. B 5 RS 26/15 B) die Revision zugelassen hat.
Rechtskraft
Aus
Saved