Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 1 AL 336/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 8/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 57/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Einordnung des "Fernstudiums" "Praktischer Betriebswirt" im Rahmen der Qualifikationsgruppen nach § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Dezember 2014 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. November 2014 Arbeitslosengeld in fiktiver Bemessung nach der Qualifikationsstufe 3 unter Zugrundelegung der Bezugsgröße für die alten Bundesländer zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 1/5.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, ihr ab dem 1. November 2014 höheres Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die am 1970 geborene Klägerin erwarb den Schulabschluss der mittleren Reife, erlernte den Beruf einer Facharbeiterin für Schreibtechnik und verfügt nach dem Besuch einer Abendschule von September 1995 bis März 1997 über einen Abschluss (IHK-Prüfung) als "Geprüfte Sekretärin". Von April 2002 bis April 2003 bildete sie sich zur "Bürokauffrau für den europäischen Markt" fort. Von Mai 2003 bis Oktober 2004 nahm sie an einem so genannten Fernstudium an der Akademie Y ... teil und erreichte den Abschluss "Praktische Betriebswirtin".
Vom 17. September 2012 bis zum 31. Oktober 2014 war die Klägerin selbständig als private Arbeitsvermittlerin tätig. Sie entrichtete als Antragspflichtversicherte Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Auf den Antrag der Klägerin vom 4. August 2014 auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. November 2014 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2014 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. Oktober 2015 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 25,81 EUR. Dazu nahm sie eine fiktive Bemessung nach § 152 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) vor und stufte die Klägerin in die Qualifikationsgruppe 3 ein. Es ergab sich ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 62,53 EUR, unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse I ein tägliches Leistungsentgelt in Höhe von 43,02 EUR und ein täglicher Leistungsbetrag in Höhe von 25,81 EUR (= 60 % von 43,02 EUR).
Den Widerspruch der Klägerin vom 22. September 2014, mit dem sie die Berücksichtigung eines der Qualifikationsgruppe 1 entsprechenden Bemessungsentgeltes geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014 zurück.
Die Klage vom 5. November 2014 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2014 abgewiesen. Die Festsetzung der Qualifikationsgruppe 3 sei zu Recht erfolgt. Zwar habe die Klägerin von Mai 2003 bis Oktober 2004 mit Erfolg an einem Fernstudium an der Akademie Y ... mit dem Abschluss "Praktische Betriebswirtin" (Diplom) teilgenommen. Dieser Abschluss stelle jedoch – trotz der Verleihung eines "Diploms" – kein Hochschulstudium dar. Die Klägerin habe an der Akademie ein "dreisemestriges Studium mit Abschlussprüfung und Diplom" absolviert. Dieses "Fernstudium" setze keine Hochschulreife voraus und könne ohne Vorkenntnisse aufgenommen werden. Die Bezeichnung "Praktischer Betriebswirt" weise schon darauf hin, dass es sich um kein wissenschaftliches Studium handele. Diese Ausbildung entspreche aber auch nicht einer Meister- oder Fachschulausbildung. Die Klägerin habe vielmehr eine betriebswirtschaftliche Ausbildung absolviert, die einer Ausbildung zum Kaufmann gleichzusetzen sei. Auch ihre Tätigkeit als private Arbeitsvermittlerin entspreche nicht Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 1 oder 2.
Mit ihrer Berufung vom 13. Januar 2015 begehrt die Klägerin – sinngemäß – weiter eine Bemessung des Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung eines Hochschulabschlusses nach der Qualifikationsgruppe 1. Wegen der Berufungsbegründung wird auf die umfangreichen Darlegungen der Klägerin, insbesondere die Schriftsätze vom 10. Januar 2015 und 26. Februar 2015, verwiesen.
Die Klägerin beantragt, sachgerecht gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 zu verpflichten, der Klägerin ab dem 1. November 2014 höheres Arbeitslosengeld in fiktiver Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 1 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das tägliche Bemessungsentgelt aus einer Bezugsgröße in Höhe von jährlich 28.140,00 EUR (Bezugsgröße Ost für das Jahr 2014) berechnet wurde. Anzusetzen ist vielmehr eine jährliche Bezugsgröße in Höhe von 33.180,00 EUR (Bezugsgröße West für das Jahr 2014). Darüber hinaus sind die Verwaltungsentscheidungen nicht zu beanstanden.
1. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 49/08 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 11 AL 13/10 R – SozR 4-4300 § 132 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 12 f.) ist geklärt, dass bei fiktiver Bemessung des Arbeitslosengeldes aufgrund Fehlens von ausreichenden Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum nicht die Bezugsgröße, die für den Ausbildungs- oder Wohnort galt (Bezugsgröße Ost), sondern die Bezugsgröße West zugrunde zu legen war. Die Klägerin hatte sich dem Arbeitsmarkt, wie sich etwa aus dem in der Behördenakte der Beklagten befindlichen Vermerk vom 3. Dezember 2014 ergibt, "ohne Einschränkungen" zur Verfügung gestellt. Ihr zukünftiger Beschäftigungsort war damit nicht auf das Beitrittsgebiet beschränkt. Damit sind alle Beschäftigungen zu berücksichtigen, die ein nicht ortsgebundener Arbeitsloser auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011, a. a. O., Rdnr. 18). Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit sind nicht geeignet, als objektives Kriterium für eine Begrenzung der Verfügbarkeit eines Leistungsempfängers zu dienen (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011, a. a. O., Rdnr. 19).
Die Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) lag im Jahr 2014 für das Gebiet der neuen Bundesländer bei 28.140,00 EUR und für die alten Bundesländer bei 33.180,00 EUR. Die Beklagte hat den Betrag von 28.140,00 EUR – unzutreffend – der Bestimmung des Bemessungsentgelts zugrunde gelegt. Bei der nunmehr neu vorzunehmenden Bemessung wird sie den Wert für die alten Bundesländer in Höhe von 33.180,00 EUR zu berücksichtigen haben.
2. Einer weiteren Erhöhung des Arbeitslosengeldes fehlt es an der rechtlichen Grundlage.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, sie sei der Qualifikationsgruppe 1 (vgl. § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III) zuzuordnen, verkennt sie die Anforderungen dieser Vorschrift. In diese Qualifikationsgruppe wäre sie einzuordnen, wenn sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie auf Beschäftigungen zu erstrecken hätten, die eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es bei der fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe in erster Linie darauf an, ob der Arbeitslose über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen Berufsabschluss verfügt (BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 21/11 R– SozR 4-4300 § 132 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 17).
Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 18. Dezember 2014 zur Qualifikation der Klägerin als zutreffend. Das Sozialgericht hat ausgeführt, das "Fernstudium" setze keine Hochschulreife voraus und könne ohne Vorkenntnisse aufgenommen werden. Die Bezeichnung "Praktischer Betriebswirt" weise schon darauf hin, dass es sich nicht um wissenschaftliches Studium handele. Dem ist zu folgen.
Nach den Angaben auf der Internetseite BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit (https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/ kurzbeschreibung&dkz=9736&such=Praktische%2Fr+Betriebswirt%2Fin) zum Beruf " Praktische/r Betriebswirt/in" unter der Rubrik "Kurzbeschreibung" handelt es sich um einen Weiterbildungsberuf, der in einer beruflichen Weiterbildung nach internen Regelungen der Lehrgangsträger in einem 1 ½ Jahre dauernden Fernunterricht erlernt wird. Die Akademie Y ... bezeichnet zwar den Lehrgang als "Studium", auch vergibt sie ein "Diplom". Die Teilnahme ist aber an keine Voraussetzungen geknüpft und das "Diplom" stellt keinen akademischen Abschluss dar (vgl. http://fernstudiumscout.de/fernschulen/akademie-schlangenbad). Der "Fernlehrgang Praktischer Betriebswirt" endet lediglich mit einer institutsinternen Prüfung (vgl. http://www.fern-uni.info/fernkurse/ fachlehrgang-praktischer-betriebswirt). Insoweit unterscheidet sich der von der Klägerin besuchte Lehrgang beispielsweise vom Fernlehrgang "Betriebswirtschaft Abschluss Bachelor of Arts". Dort wird als Teilnahmevoraussetzung mindestens die Fachhochschulreife gefordert; als Abschluss kann der Bachelor of Arts erworben werden (vgl. http://www.fern-uni.info/fernkurse/betriebswirtschaftabschluss-bachelor-arts).
Damit verfügt die Klägerin schon nicht über den – in erster Linie – erforderlichen Berufsabschluss, der zur Ausübung von Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 1 erforderlich wäre. Derartige Tätigkeiten übte sie auch tatsächlich nicht aus. Sie war vielmehr als private Arbeitsvermittlerin selbständig tätig. Dabei handelt es sich um eine nicht erlaubnispflichtige Tätigkeit (vgl. die Aufhebung von § 291 SGB III durch Artikel 3 Nr. 3 des Gesetzes vom 23. März 2002 [BGBl. I S. 1130]), der seit März 2002 jede natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft nachgehen kann und die lediglich die Anzeige beim Gewerbeamt erfordert.
Da die Klägerin auch weder über einen Fachschulabschluss, eine Qualifikation als Meisterin oder einen vergleichbaren Abschluss verfügt und dementsprechende Tätigkeiten für sie nicht in Betracht kommen, kann sie auch der Qualifikationsgruppe 2 nicht zugeordnet werden. Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten hatten sich nach alldem, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014 auch ausgeführt hat, in erster Linie auf Beschäftigungen der Qualifikationsgruppe 3 zu erstrecken. § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sieht vor, dass für Tätigkeiten dieser Qualifikationsgruppe ein 450stel der Bezugsgröße zugrunde zu legen ist.
3. Nach alledem wird das der Klägerin bewilligte Arbeitslosengeld unter Beibehaltung der Qualifikationsgruppe 3 um den Betrag zu erhöhen sein, der sich als Differenz aus der Berücksichtigung der Bezugsgröße West anstelle der Bezugsgröße Ost ergibt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 1/5.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, ihr ab dem 1. November 2014 höheres Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die am 1970 geborene Klägerin erwarb den Schulabschluss der mittleren Reife, erlernte den Beruf einer Facharbeiterin für Schreibtechnik und verfügt nach dem Besuch einer Abendschule von September 1995 bis März 1997 über einen Abschluss (IHK-Prüfung) als "Geprüfte Sekretärin". Von April 2002 bis April 2003 bildete sie sich zur "Bürokauffrau für den europäischen Markt" fort. Von Mai 2003 bis Oktober 2004 nahm sie an einem so genannten Fernstudium an der Akademie Y ... teil und erreichte den Abschluss "Praktische Betriebswirtin".
Vom 17. September 2012 bis zum 31. Oktober 2014 war die Klägerin selbständig als private Arbeitsvermittlerin tätig. Sie entrichtete als Antragspflichtversicherte Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Auf den Antrag der Klägerin vom 4. August 2014 auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. November 2014 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2014 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. Oktober 2015 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 25,81 EUR. Dazu nahm sie eine fiktive Bemessung nach § 152 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) vor und stufte die Klägerin in die Qualifikationsgruppe 3 ein. Es ergab sich ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 62,53 EUR, unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse I ein tägliches Leistungsentgelt in Höhe von 43,02 EUR und ein täglicher Leistungsbetrag in Höhe von 25,81 EUR (= 60 % von 43,02 EUR).
Den Widerspruch der Klägerin vom 22. September 2014, mit dem sie die Berücksichtigung eines der Qualifikationsgruppe 1 entsprechenden Bemessungsentgeltes geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014 zurück.
Die Klage vom 5. November 2014 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2014 abgewiesen. Die Festsetzung der Qualifikationsgruppe 3 sei zu Recht erfolgt. Zwar habe die Klägerin von Mai 2003 bis Oktober 2004 mit Erfolg an einem Fernstudium an der Akademie Y ... mit dem Abschluss "Praktische Betriebswirtin" (Diplom) teilgenommen. Dieser Abschluss stelle jedoch – trotz der Verleihung eines "Diploms" – kein Hochschulstudium dar. Die Klägerin habe an der Akademie ein "dreisemestriges Studium mit Abschlussprüfung und Diplom" absolviert. Dieses "Fernstudium" setze keine Hochschulreife voraus und könne ohne Vorkenntnisse aufgenommen werden. Die Bezeichnung "Praktischer Betriebswirt" weise schon darauf hin, dass es sich um kein wissenschaftliches Studium handele. Diese Ausbildung entspreche aber auch nicht einer Meister- oder Fachschulausbildung. Die Klägerin habe vielmehr eine betriebswirtschaftliche Ausbildung absolviert, die einer Ausbildung zum Kaufmann gleichzusetzen sei. Auch ihre Tätigkeit als private Arbeitsvermittlerin entspreche nicht Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 1 oder 2.
Mit ihrer Berufung vom 13. Januar 2015 begehrt die Klägerin – sinngemäß – weiter eine Bemessung des Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung eines Hochschulabschlusses nach der Qualifikationsgruppe 1. Wegen der Berufungsbegründung wird auf die umfangreichen Darlegungen der Klägerin, insbesondere die Schriftsätze vom 10. Januar 2015 und 26. Februar 2015, verwiesen.
Die Klägerin beantragt, sachgerecht gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 zu verpflichten, der Klägerin ab dem 1. November 2014 höheres Arbeitslosengeld in fiktiver Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 1 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das tägliche Bemessungsentgelt aus einer Bezugsgröße in Höhe von jährlich 28.140,00 EUR (Bezugsgröße Ost für das Jahr 2014) berechnet wurde. Anzusetzen ist vielmehr eine jährliche Bezugsgröße in Höhe von 33.180,00 EUR (Bezugsgröße West für das Jahr 2014). Darüber hinaus sind die Verwaltungsentscheidungen nicht zu beanstanden.
1. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 49/08 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 11 AL 13/10 R – SozR 4-4300 § 132 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 12 f.) ist geklärt, dass bei fiktiver Bemessung des Arbeitslosengeldes aufgrund Fehlens von ausreichenden Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum nicht die Bezugsgröße, die für den Ausbildungs- oder Wohnort galt (Bezugsgröße Ost), sondern die Bezugsgröße West zugrunde zu legen war. Die Klägerin hatte sich dem Arbeitsmarkt, wie sich etwa aus dem in der Behördenakte der Beklagten befindlichen Vermerk vom 3. Dezember 2014 ergibt, "ohne Einschränkungen" zur Verfügung gestellt. Ihr zukünftiger Beschäftigungsort war damit nicht auf das Beitrittsgebiet beschränkt. Damit sind alle Beschäftigungen zu berücksichtigen, die ein nicht ortsgebundener Arbeitsloser auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011, a. a. O., Rdnr. 18). Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit sind nicht geeignet, als objektives Kriterium für eine Begrenzung der Verfügbarkeit eines Leistungsempfängers zu dienen (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011, a. a. O., Rdnr. 19).
Die Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) lag im Jahr 2014 für das Gebiet der neuen Bundesländer bei 28.140,00 EUR und für die alten Bundesländer bei 33.180,00 EUR. Die Beklagte hat den Betrag von 28.140,00 EUR – unzutreffend – der Bestimmung des Bemessungsentgelts zugrunde gelegt. Bei der nunmehr neu vorzunehmenden Bemessung wird sie den Wert für die alten Bundesländer in Höhe von 33.180,00 EUR zu berücksichtigen haben.
2. Einer weiteren Erhöhung des Arbeitslosengeldes fehlt es an der rechtlichen Grundlage.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, sie sei der Qualifikationsgruppe 1 (vgl. § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III) zuzuordnen, verkennt sie die Anforderungen dieser Vorschrift. In diese Qualifikationsgruppe wäre sie einzuordnen, wenn sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie auf Beschäftigungen zu erstrecken hätten, die eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es bei der fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe in erster Linie darauf an, ob der Arbeitslose über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen Berufsabschluss verfügt (BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 21/11 R– SozR 4-4300 § 132 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 17).
Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 18. Dezember 2014 zur Qualifikation der Klägerin als zutreffend. Das Sozialgericht hat ausgeführt, das "Fernstudium" setze keine Hochschulreife voraus und könne ohne Vorkenntnisse aufgenommen werden. Die Bezeichnung "Praktischer Betriebswirt" weise schon darauf hin, dass es sich nicht um wissenschaftliches Studium handele. Dem ist zu folgen.
Nach den Angaben auf der Internetseite BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit (https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/ kurzbeschreibung&dkz=9736&such=Praktische%2Fr+Betriebswirt%2Fin) zum Beruf " Praktische/r Betriebswirt/in" unter der Rubrik "Kurzbeschreibung" handelt es sich um einen Weiterbildungsberuf, der in einer beruflichen Weiterbildung nach internen Regelungen der Lehrgangsträger in einem 1 ½ Jahre dauernden Fernunterricht erlernt wird. Die Akademie Y ... bezeichnet zwar den Lehrgang als "Studium", auch vergibt sie ein "Diplom". Die Teilnahme ist aber an keine Voraussetzungen geknüpft und das "Diplom" stellt keinen akademischen Abschluss dar (vgl. http://fernstudiumscout.de/fernschulen/akademie-schlangenbad). Der "Fernlehrgang Praktischer Betriebswirt" endet lediglich mit einer institutsinternen Prüfung (vgl. http://www.fern-uni.info/fernkurse/ fachlehrgang-praktischer-betriebswirt). Insoweit unterscheidet sich der von der Klägerin besuchte Lehrgang beispielsweise vom Fernlehrgang "Betriebswirtschaft Abschluss Bachelor of Arts". Dort wird als Teilnahmevoraussetzung mindestens die Fachhochschulreife gefordert; als Abschluss kann der Bachelor of Arts erworben werden (vgl. http://www.fern-uni.info/fernkurse/betriebswirtschaftabschluss-bachelor-arts).
Damit verfügt die Klägerin schon nicht über den – in erster Linie – erforderlichen Berufsabschluss, der zur Ausübung von Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 1 erforderlich wäre. Derartige Tätigkeiten übte sie auch tatsächlich nicht aus. Sie war vielmehr als private Arbeitsvermittlerin selbständig tätig. Dabei handelt es sich um eine nicht erlaubnispflichtige Tätigkeit (vgl. die Aufhebung von § 291 SGB III durch Artikel 3 Nr. 3 des Gesetzes vom 23. März 2002 [BGBl. I S. 1130]), der seit März 2002 jede natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft nachgehen kann und die lediglich die Anzeige beim Gewerbeamt erfordert.
Da die Klägerin auch weder über einen Fachschulabschluss, eine Qualifikation als Meisterin oder einen vergleichbaren Abschluss verfügt und dementsprechende Tätigkeiten für sie nicht in Betracht kommen, kann sie auch der Qualifikationsgruppe 2 nicht zugeordnet werden. Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten hatten sich nach alldem, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014 auch ausgeführt hat, in erster Linie auf Beschäftigungen der Qualifikationsgruppe 3 zu erstrecken. § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sieht vor, dass für Tätigkeiten dieser Qualifikationsgruppe ein 450stel der Bezugsgröße zugrunde zu legen ist.
3. Nach alledem wird das der Klägerin bewilligte Arbeitslosengeld unter Beibehaltung der Qualifikationsgruppe 3 um den Betrag zu erhöhen sein, der sich als Differenz aus der Berücksichtigung der Bezugsgröße West anstelle der Bezugsgröße Ost ergibt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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